Meine Damen und Herren,
die Frage des Zeugnisses für die Bundeswehr — das insgesamt als gutes Zeugnis gewertet werden kann — ist eine Frage, die sich nicht nur der nationalen Bewertung unterwirft, sondern die sich durchaus auch der internationalen Bewertung unterwerfen kann. Ich hatte Ende Oktober dieses Jahres die Gelegenheit, zumindest teilweise Teilnehmer einer Veranstaltung der John Hopkins University zu sein, die in Washington stattfand. Das war eine Veranstaltung eines Instituts, das sich mit zeitgenössischer Forschung, bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland, beschäftigt. Die Bundeswehr in ihrer 30jährigen Geschichte wurde bei dieser Veranstaltung als eine Story of Success gewertet, als eine Erfolgsgeschichte. Insbesondere wurde der Erfolg der Befolgung der Grundsätze der Inneren Führung, aber auch die Institution des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, die Institution dieses Parlaments, als Kontrollinstanz sehr, sehr positiv bemerkt. Auf dem Hintergrund dessen, was der Kollege Heistermann hier festgestellt hat, weist das sehr deutlich nach, wie weit außenstehend er in seiner Bewertung hier liegt.
Meine Damen und Herren, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages ist eine Institution, die große internationale Anerkennung erfährt. Dies ist in den letzten Wochen bei dem Südamerikabesuch des Wehrbeauftragten deutlich geworden. Man konnte in der deutschen Presse, aber sicher auch in der Presse der besuchten Länder diese respektvolle Anerkennung spüren. Da der Wehrbeauftragte unsere Einrichtung ist, die Einrichtung dieses demokratischen Parlaments, als Kontroll- und Mittlerinstanz zu demokratisch geführten Streitkräften, bin ich der Meinung, daß wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir ihn gerade im Hinblick auf solche internationalen Verpflichtungen im Dienste der Bundesrepublik und in der Werbung für die neue deutsche Demokratie finanziell besser unterstützen können.
Meine Damen und Herren, die Mittler- und Überwachungsfunktion des Wehrbeauftragten spielt natürlich in der Frage eine Rolle, wie wir hier miteinander diskutieren. Wir sollten auf dem Hintergrund der
allgemeinen Einschätzung in unserer öffentlichen Meinung, auf dem Hintergrund der Einschätzung, die international bezogen auf Bundeswehr existiert, zunächst einmal selbstbewußt über Bundeswehr reden, völlig anders, als dies vom Kollegen Heistermann vorhin hier getan worden ist. Selbstbewußt, Herr Kollege Heistermann, heißt nicht selbstzufrieden. Selbstbewußt heißt: kritisch. Selbstbewußt heißt aber auch: in dem Bewußtsein, daß die Bundeswehr insgesamt eine gute öffentliche Anerkennung erfährt.
Wir haben 30 Jahre lang diese Herausforderung bestanden. Ich bin davon überzeugt, wir werden sie auch für die Zukunft bestehen.
Der Bericht des Wehrbeauftragten zum Jahr 1986 zeichnet sich meines Erachtens dadurch aus, daß er auch in die tieferen Zusammenhänge des Zusammenlebens in der Bundeswehr, gerade auch auf die Zukunft bezogen, einsteigt. Ich will versuchen, einige Beispiele zu finden, wo ich meine, daß dafür Ansatzpunkte geschaffen sind.
Ich nehme als ersten Punkt die Frage der sinnvollen Dienstzeitgestaltung und beziehe die sowohl auf grundwehrdiensttuende Soldaten als auch auf Reservisten. Ich kenne das Bemühen der meisten Vorgesetzten — gerade auch als Reservist, wodurch ich die Möglichkeit hatte, die Bundeswehr fast 20 Jahre lang von innen und von außen zu verfolgen — um eine sinnvolle Dienstgestaltung. Aber ich kenne auch das Jobdenken und kenne die Fehler, die dabei entstehen, und die Empfindungen von Wehrpflichtigen, die Empfindungen von Reservisten, die daraus resultieren. Wenn der Wehrbeauftragte in seinem Bericht schreibt, die Bundeswehr habe Grund, sich damit zu beschäftigen, weil es für die meisten Wehrpflichtigen nicht genüge, während der 15 Monate — ich sage in Klammern dazu: zukünftig 18 Monate — nur irgend etwas zu tun, dann wird der Auftrag hier klar sichtbar.
Ich weiß, daß der Bundesminister der Verteidigung, daß Dr. Manfred Wörner keine Schwierigkeiten damit hat, dem, was ich hier sage, und dem, was der Wehrbeauftragte sagt — das ergibt sich aus der Stellungnahme — , zuzustimmen. Wir erwarten — ich meine, wir alle zusammen erwarten das — , daß für die Bundeswehr jeder nur mögliche Weg gesucht wird, damit sie den Wehrpflichtigen in Zukunft 18 Monate lang und gerade auch den vielen Reservisten, die wir in Zukunft zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit brauchen, einen sinnvollen Dienst anbieten kann. Niemand darf das Gefühl haben, daß er eigentlich überflüssig ist.
— Ich meine damit, Frau Kollegin, einen sinnvollen militärischen Dienst und weiß, welche Probleme Sie damit haben. Es geht um den sinnvollen militärischen Dienst.
3500 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Breuer
Meine Damen und Herren, ich will einen zweiten Punkt aufzeigen, der der Lösung bedarf, wo wir aber auf gutem Wege sind. Das ist die Frage der Gleichbehandlung der Reservisten aus dem öffentlichen Dienst bzw. aus der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Unterhaltssicherungsgesetz. Wir haben das Unterhaltssicherungsgesetz in modifizierter, in reformierter Form neulich verabschieden können, und wir alle sind guter Hoffnung, daß wir das, was als Nachtrag noch notwendig ist, nämlich die Frage der Lösung der Gleichbehandlung, sehr schnell erledigen können.
Der soziale Bereich der Soldaten — das möchte ich im Zusammenhang mit den Debatten über den Bericht des Wehrbeauftragten aus den letzten Jahren einmal ansprechen — ist im übrigen in der Betrachtung, was die Frage einer Leistungsbilanz angeht, ungeheuer interessant. Da ich glaubte, daß die heutige Debatte in der Kontinuität der Debatten aus den letzten Jahren stehen würde — ich bin da leider enttäuscht worden, Herr Kollege Heistermann —,
habe ich mir einmal die Protokolle der letzten Debatten vorgenommen. Ich habe festgestellt, daß aus den Problempunkten im sozialen Bereich, die gerade Sie aufgezeigt haben, nur noch ganz, ganz wenige einer Erledigung bedürfen,
und ich kenne keinen einzigen Punkt in den angemahnten Punkten, der nicht auf dem Wege ist und innerhalb dieser Legislaturperiode durch dieses Haus und durch die Konzeption des Ministeriums erledigt werden kann. Der soziale Bereich der Soldaten stellt eine sehr positive Leistungsbilanz dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalition in diesem Hause dar.
Ein anstehendes Problem, Herr Kollege Kolbow, ist die vom Herrn Wehrbeauftragten auch in dieser Debatte eingebrachte Frage des Kindergeldes. Ich meine, wir sollten insbesondere deshalb über diese Frage reden, weil der Verteidigungsminister unserer besonderen Unterstützung bedarf. Er hat da schon einen Vorstoß unternommen und braucht Unterstützung. Wenn eine Drei-Kinder-Familie in die Situation kommt, daß der erste Sohn, das erste Kind zur Bundeswehr einberufen wird, dann verliert sie monatlich Kindergeld in der Größenordnung von 220 DM. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen: Für das erste Kind gibt es 50 DM Kindergeld, für das zweite 100 DM, für das dritte 220 DM, was insgesamt einen Betrag von 370 DM ergibt. Wenn der erste Sohn zur Bundeswehr kommt, wird das zweite Kind in der Zählweise zum ersten, das dritte zum zweiten, und dafür gibt es 150 DM Kindergeld, so daß sich eine Differenz von 220 DM ergibt.
Meine Damen und Herren, ich meine, wir müssen dieses Problem lösen. Es ist eine Problematik, die man sicher nicht dieser Mehrheit oder diesem Minister anlasten kann, sondern eine Problematik, die immer schon bestand. Wir müssen erreichen, daß Familien, deren Söhne bei der Bundeswehr dienen, dadurch keinen finanziellen Schaden nehmen. Das ist ein familienpolitischer Auftrag; das ist meines Erachtens auch ein verteidigungspolitischer Auftrag, den wir hier zu erfüllen haben.
— Sehr verehrte Frau Kollegin, mir geht es um etwas ganz anderes. Mir geht es darum, daß die notwendige und — so meine ich — heute auch verbreitete gesellschaftliche Anerkennung des Dienstes in der Bundeswehr, wenn er von einem jungen Mann erbracht wird, auch die notwendige finanzielle Folge hat. Darum geht es mir.
Ich weiß natürlich aus Ihren Beiträgen im Verteidigungsausschuß, daß es Ihnen darum gar nicht geht, sondern um das Gegenteil. Sie setzen sich dafür ein, sich dem anzuschließen, was in Frankfurt passiert ist.
Darauf möchte ich am Ende meiner Ausführungen eingehen, weil es ein ganz schlimmer Vorgang ist, der sich dort in der 14. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vollzogen hat.
Meine Damen und Herren, wenn es gestattet ist, die Soldaten der Bundeswehr als „potentielle Mörder" zu bezeichnen, ohne dabei bestraft zu werden, dann ist das ein schlimmer Zustand in diesem Lande.