Rede von
Dieter
Heistermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Biehle, ich würde jetzt nicht auf die Ebene gehen wollen, die Sie hier ansprechen. Ich biete Ihnen an, daß wir zu den Fällen gehen, die mir bekannt sind. Dann werden wir sehen, ob Sie die Konsequenzen ziehen, die Sie hier angedeutet haben.
Ich sage Ihnen noch einmal: Herr Wehrbeauftragter, es darf Sie nicht nur mit Sorge erfüllen, wenn Ihnen der Wehrdienstrichterbund mitteilt, daß sich Vorgesetzte, auch höhere, über rechtliche Bestimmungen im vermeintlich übergeordneten Interesse des Dienstes hinwegsetzen. Das sind alles Fälle, die man im Jahresbericht 1986 nachlesen kann. Nein, hauen Sie auf den Tisch, um dem Recht Geltung zu verschaffen!
Das Parlament selbst muß sich in die Pflicht nehmen, die Entwicklungen genauer zu beobachten und notfalls gesetzmäßig einzugreifen. Es genügt nicht, den Jahresbericht des Wehrbeauftragten hier zur Kenntnis zu nehmen; es ist notwendig, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Hierzu werde ich an späterer Stelle noch einige Anmerkungen machen.
Herr Kollege Würzbach, ich bin auf Ihre Antwort gespannt.
Wir wissen, daß Menschen irren können. Wir dürfen aber nicht durchgehen lassen, daß Recht gebeugt wird, und dies oft genug zu Lasten von Untergebenen, die des besonderen Schutzes bedürfen. Warum schrecken Vorgesetzte nicht davor zurück, die Würde des Menschen anzutasten? Was ist wichtiger für sie? Ist es die eigene Karriere? Sind sie überfordert? Darüber müssen wir mehr wissen. Wissen sie noch von dem Ziel der Inneren Führung, das Miteinander der Menschen in der Bundeswehr nach den Vorgaben des Grundgesetzes und des Soldatengesetzes sowie nach den Regeln, den Werten und den Normen unserer Gesellschaft lebensfähig und lebenswert zu gestalten und zu erhalten?
Warum wissen sie nicht mehr, daß die Grundrechte und der Freiheitsraum eines einzelnen Soldaten nicht durch die Exekutive, sondern nur durch das Parlament eingeschränkt werden dürfen? Solche einschränkenden Gesetze unterliegen darüber hinaus der richterlichen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Nehmen diese Vorgesetzten also billigend ein bestimmtes Fehlverhalten in Kauf, weil die Kontrollinstanzen innerhalb der Bundeswehr nicht mehr funktionieren? Dies muß uns alle gemeinsam beunruhigen.
Und was für eine Fürsorge erleben Soldaten durch ihre Vorgesetzten, wenn sie sich mit Begriffen wie — hier zitiere ich wieder den Wehrbeauftragten —„Penner", „Idioten", „Arschloch" und „Bettnässer"
3496 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Heistermann
belegen lassen müssen? Welche Motivation hinterlassen sie bei den betroffenen Soldaten?
Um es klar zu sagen: Über solche Fälle darf nicht der Mantel des Schweigens, des Unterdrückens und des Bagatellisierens gelegt werden. Nein, hier sind die Bundesregierung und der Bundesminister der Verteidigung gefordert, klare Entscheidungen folgen zu lassen. Der Bundesminister der Verteidigung muß sich auch fragen lassen, ob seine abwiegelnden Hinweise auf Einzelfälle nicht schon der Anfang davon sind, diese Vorgänge bewußt herunterzuspielen. Bei manchen Äußerungen von Verantwortlichen kann man schon heraushören, daß der Bürger in Uniform nicht zu ihrem Leitbild gehört. Da klingen manchmal Töne durch, die eher der Melodie vom uniformierten Staat nahekommen. Bei diesen Äußerungen kommt das Wort „Bürger" kaum vor.
Wir erwarten, daß die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung jenen Tendenzen eindeutig widerspricht und den Worten ausreichende Taten folgen läßt.