Rede von
Uta
Würfel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren! Sehr geehrte Damen! In der Tat ist es so — wie der Gesetzentwurf der GRÜNEN aufzeigt — , daß Sozialhilfeempfänger empfängnisverhütende Mittel über die Krankenkasse finanziert bekommen. Damit soll sichergestellt werden, daß dieser Personenkreis aus finanziellen Gründen nicht auf die Verwendung empfängnisverhütender Mittel zum Zwecke der Familienplanung, wie es im Gesetz heißt, verzichten soll. Es ist keine Rede davon, daß ein individueller Anspruch auf kostenfreien Erhalt dieser Mittel als Voraussetzung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit — wie Sie es in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs formuliert haben — gegeben sein soll.
In der Begründung Ihres Gesetzentwurfs sagen Sie, daß Sexualität „lustvoll und ohne Angst vor ungewollter Schwangerschaft" genossen werden soll. Diese Ansicht werden wohl die meisten von uns teilen. Die Frage ist nur, ob diese lustvoll und ohne Angst genossene Sexualität nun unbedingt in Sachen Verhütung zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten gehen soll.
Die Betonung liegt auf K r a n k en versicherung. Da nun eine Schwangerschaft ganz und gar keine Krankheit ist, kann es sich dabei auch nicht um Prävention handeln, wenn wir diese Schwangerschaft verhüten wollen. Das kann ja wohl nicht so sein.
Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben mit der Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung und den darin vorgesehenen Maßnahmen im Hinblick auf eine Dämpfung der Ausgaben. Wie Sie wissen, hat die Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung zum Ziel, daß sich die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten in Zukunft auf die Finanzierung des medizinisch Notwendigen konzentrieren kann. Sie wissen selbst, daß wir in den nächsten Jahren erhebliche Probleme in der Krankenversicherung durch die demographische Entwicklung auf uns zukommen sehen. Immer mehr alte Menschen — Gott sei Dank werden wir immer älter — werden immer mehr Kosten in der gesetzlichen Krankenversicherung verursachen, bedingt dadurch, daß man im Alter mehr Krankheiten hat. Das sind Kosten, die von uns allen gemeinsam getragen werden müssen.
Ich kann mir vorstellen, daß sehr viele Menschen kein Verständnis dafür haben, daß wir an anderer Stelle Leistung reduzieren müssen, um lustvolles und angstfreies Sexualverhalten durch die Finanzierung von Verhütungsmitteln für die Krankenversicherten sicherzustellen.
Gerade bei der Familienplanung — wenn ich jetzt einmal diesen Ausdruck benutzen darf — muß doch die eigene Verantwortung im Vordergrund stehen. Wenn jemand in der Lage ist, sich seine tägliche Zigarettenpackung und sein Bier zu leisten, dann ist er oder sie doch erst recht in der Lage, sich seine Kondome aus dem Automaten zu ziehen oder sich eine andere Form von Verhütungsmittel zu beschaffen und auch zu finanzieren.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3491
Frau Würfel
Wer dazu nicht in der Lage ist, erhält — wie ich bereits vorhin gesagt habe — im Rahmen der Sozialhilfe Schwangerschaftsverhütungsmittel kostenlos von der gesetzlichen Krankenkasse.
Der Einwand, daß die Pille ja bereits finanziert werde, stimmt insofern nicht, als die Verschreibung der Pille durch den Arzt nur deshalb erfolgt und finanziert wird, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Das eigentliche Produkt, das vom Arzt verschrieben wurde, nämlich die Pille, wird seit jeher von den gesetzlich Krankenversicherten selbst bezahlt. Auch die Applikation von Verhütungsmitteln, z. B. das Einsetzen einer Spirale, ist keine von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstattende Leistung. Wie ich meine, auch aus gutem Grunde.
Jetzt einmal eine nicht ganz so ernst gemeinte Frage an Sie von den GRÜNEN: Wie hätten Sie sich das im übrigen vorgestellt und geregelt? Wie legen Sie eigentlich — ich gehe jetzt auf Ihre Begründung des Gesetzentwurfs ein — die Potenz pro Monat eines Sexualität ausübenden Menschen fest: dreißigmal, fünfzehnmal im Monat oder frei nach Luthers Rat zweimal pro Woche? Soll es dann 30 Kondome auf Krankenschein geben oder 15? Ich meine, insofern ist Ihr Gesetzentwurf auch schon angreifbar.
Ich halte einen anderen Weg für wesentlich sinnvoller. Durch den im Beratungsgesetz — so nach der Koalitionsvereinbarung geplant — festzulegenden Ausbau der Schwangerschaftsberatungsstellen und Familienplanungszentren und der damit vorgesehenen vermehrten Ausstattung mit qualifizierten Kräften muß es möglich sein, Jugendliche ebenso wie Schulklassen und Erwachsene aufzuklären, zu beraten und sie auf ihre persönliche Verantwortung bei der Ausübung von Sexualität hinzuweisen.
Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist es dagegen, Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die wirklich Kranken mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Krankheit diagnostiziert und dann therapiert bekommen. Es kann nicht angehen, Kosten für Verhütungsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung anzulasten.