Rede von
Klaus
Kirschner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten jetzt einen Gesetzentwurf in erster Lesung just zu einem Zeitpunkt, wo wir gleichzeitig sehr intensiv den gesamten Fragenkomplex, welche Aufgaben ein soziales Krankenversicherungssystem erfüllen muß, sehr kontrovers diskutieren. Ich darf daran erinnern, daß der Deutsche Bundestag zur Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung eine Enquete-Kommission berufen hat. Ich möchte daran erinnern, daß wir hier im Plenum am letzten Freitag über die von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Grundsätze heftig debattiert haben.
Sie, die Fraktion der GRÜNEN, legen nun einen Gesetzentwurf zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen vor, der sicherlich nicht direkt mit der anstehenden Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung im engeren Sinne etwas zu tun hat.
— Dies ist sicherlich richtig. Es ist auch in Zukunft
richtig, was wir sagen. Dies wissen Sie ja, Herr Kollege
Bötsch. Sie müssen uns nur öfter recht geben; das ist Ihr Fehler.
Würden wir dem jedoch so, wie Sie es in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen, folgen, hätte das nach Ihren eigenen Berechnungen — dies steht im Vorblatt dieses Gesetzentwurfes — immerhin ein Ausgabevolumen von 600 Millionen DM jährlich, also rund 0,5 der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich glaube, wir würden bei den Versicherten wenig Verständnis finden und denen, denen zu helfen ist, ebenfalls keinen Gefallen tun — denn es muß ja auch eine Akzeptanz hergestellt werden — , wenn einerseits der Bundestag über Kostendämpfung, mehr Wirtschaftlichkeit und Beitragsstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung berät, aber gleichzeitig, und zwar ohne zwingende Notwendigkeit, ein solches Gesetz in dem von den Antragstellern vorgelegten Volumen beschließen würde.
Damit es klar ist: Eine Notwendigkeit, dies den Krankenkassen generell als Pflicht aufzubürden, sehen wir nicht. Notwendig ist die Beratungsverbesserung zur Verhinderung der ungewollten Schwangerschaft.
— Hören Sie doch einmal zu!
— Liebe Frau Kollegin Unruh, auch Zuhören muß man natürlich lernen. Vielleicht fällt Ihnen das schwer.
Lassen Sie mich deutlich sagen: Es gibt aus unserer Sicht mehrere Gründe, die dagegen sprechen, daß ohne Rücksicht auf die Einkommenssituation und finanzielle Bedürftigkeit des einzelnen bzw. der einzelnen und auch ohne daß das persönliche Umfeld beachtet wird, empfängnisverhütende Mittel in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden und damit von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren wären. Dies, so meinen wir, wäre eine Überforderung der Solidargemeinschaft.
Es gibt jedoch in der Tat Fälle, wo es uns notwendig erscheint, daß gezielt geholfen wird. Zum einen geht es um solche Personen, die finanziell schlecht gestellt sind, und um solche junge Menschen, die für ihre Probleme und Bedürfnisse zu Hause nicht die Offenheit vorfinden, um sich die empfängnisverhütenden Mittel holen zu können. Hier, meinen wir, gilt es anzusetzen.