Rede von
Ernst
Hinsken
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit zwei Stunden warte ich als revierferner Abgeordneter, daß an dieser Debatte auch der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen oder wenigstens sein Wirtschaftsminister teilnimmt, um hier seine Meinung mit einzubringen, statt draußen bei den verschiedenen Veranstaltungen der Kumpels zu polemisieren. Mir fehlt hierfür das notwendige Verständnis. Ich meine, daß das auch unser Augenmerk verdient.
Zu Ihnen, Herr Lafontaine, möchte ich eingangs meiner Rede sagen: Sie wären gut beraten, wenn Sie sich, anstatt einen Koch für über 6 000 DM einzustellen, einen vernünftigen Redenschreiber besorgen würden,
der Ihnen etwas Vernünftiges aufschreibt, damit Sie nicht unter die Gürtellinie gehen und so polemisieren müssen, wie Sie das vorhin getan haben.
Der tüchtige Arbeitsminister Blüm hat es wirklich nicht verdient, daß er mit Lügen Ihrerseits gestraft wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, nachdem heute so vieles eingebracht worden ist, zunächst noch auf das eingehen, was Sie, Herr Meyer, gesagt haben. Herr Meyer, im Ausschuß werden Sie mit Ihren Aussagen ja oft anerkannt. Dort sind Sie beileibe nicht so polemisch, wie das heute der Fall gewesen ist. Im Ausschuß wird auch auf Ihr Wort gehört. Aber ich meine, in dem Zusammenhang auch sagen zu müssen, daß mit starken Worten und mit Demonstrationen den Problemen von Kohle und Stahl nicht beigekommen werden kann, sondern daß man sich hier eben zusammenraufen muß, um eine vernünftige Lösung, auf die Zukunft bezogen, zu finden.
Die Koalitionsfraktionen und natürlich auch die CSU sind immer für die deutsche Steinkohle eingetreten. Wir stehen zur Kohle, aber auch zur Kernenergie. Der Platz der deutschen Steinkohle in der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland ist durch enorm gestiegene Subventionen abgesichert. Bund und Länder müssen in diesem Jahr über 10 Milliarden DM an Zuschüssen für den Kohlenabbau beibringen. Das entspricht etwa 63 000 DM pro Arbeitsplatz im Bergbau.
Diese Kohlesubventionen haben sich seit 1985 mehr als verdoppelt. Die Zuschüsse für die knappschaftliche Rentenversicherung in Höhe von 8 Milliarden DM jährlich sind hierbei nicht berücksichtigt. Diese Finanzmittel dienen aber nicht der Energie-, sondern der regionalen Arbeitsplatzsicherung.
Die Subventionierung eines jeden Arbeitsplatzes im Bergbau in vorher genannter Höhe ist volkswirtschaftlich — da pflichte ich dem Bundeswirtschaftsminister bei — nicht mehr vertretbar. Kapazitätsanpassungen sind deshalb unumgänglich. Allerdings muß, wie in den Koalitionsvereinbarungen festgestellt wurde, der Strukturwandel sozial flankiert werden.
Es besteht Einvernehmen, daß die Strukturelemente des Kohlepfennigs neu entschieden werden müssen; denn allein beim Kohlepfennig besteht 1987 ein Mittelbedarf von ca. 5,5 Milliarden DM, während man 1974 bzw. 1980 von einem jährlichen Subventionsvolumen von 1 bis 2 Milliarden DM ausgegangen war. Dies traf auch bis 1985 tatsächlich zu.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3477
Hinsken
Aus dem höheren Aufkommen aus dem Kohlepfennig erhält aber der Bergbau keine Mark mehr. Nutznießer der wegen des Ölpreisverfalls gestiegenen Zuschüsse sind vielmehr die kohleverstromenden Unternehmen, deren Verstromungskosten sich nicht im mindesten geändert haben, aber auch die Stromverbraucher, vor allem in den Revierländern.
Die Zeche für die Zechen zahlen vornehmlich die Verbraucher revierferner Länder und die stromintensiven Wirtschaftsunternehmen. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen darf aber keinesfalls durch zu hohe Stromkosten, die im internationalen Vergleich ohnehin sehr hoch sind, gefährdet werden.
Die Sicherheit der Arbeitsplätze im Kohlebergbau kann nicht mit der Unsicherheit Hunderttausender von Arbeitsplätzen in der übrigen Wirtschaft erkauft werden.
Im übrigen ist der regionale Vermögenstransfer auf Grund der derzeitigen Verstromungsregelung zu Lasten der revierfernen Länder weder energiepolitisch noch sonstwie sachlich begründet. Die bayerischen Verbraucher z. B. haben aus ihrer Geldbörse seit der Einführung der Kohlepfennigs bisher per saldo ca. 2 Milliarden DM zugezahlt, und die Belastungen würden sich bei anhaltender Ölpreisschwäche bis 1995 noch um ein Vielfaches erhöhen.
Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Die Belastungen der Stromverbraucher der meisten revierfernen Länder kommen weitgehend den Stromverbrauchern in den Kohleerzeugerländern zugute, die in der Vergangenheit ohnehin immer günstigere Strompreise hatten.
Meine Damen und Herren, ich meine deshalb, daß die Herstellung der regionalen Ausgewogenheit bei der Aufbringung des Kohlepfennigs ein Ziel sein muß, und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Kohlepolitik weitgehend Struktur- und Sozialpolitik ist, die insoweit nicht dem Stromverbraucher aufgeladen werden kann. Dem revierfernen Verbraucher darf nicht die Rolle des Lastesels aufgebürdet werden, indem die Kosten erneut und noch stärker auf ihn abgewälzt werden.
Ich werte es persönlich als positiv, daß die revierfernen Länder — natürlich auch Bayern — weiterhin bereit sind, über den Kohlepfennig Leistungen für den Kohlebergbau zu erbringen,
wenn die Belastungen aus den Kohleverstromungshilfen auf ein wirtschaftlich und politisch erträgliches Maß zurückgeführt und regionale Benachteiligungen der revierfernen Länder abgebaut werden.
— Frau Präsidentin, darf ich Sie bitten, um ein bißchen mehr Ruhe besorgt zu sein.