Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren von der Koalition, ich will Ihnen gern die Flut von Zitaten zustellen — sie ist veröffentlicht worden — , mit denen Sie vor der Bundestagswahl Zechenschließungen in Abrede gestellt haben. Ich wiederhole: Weil Sie vor der Bundestagswahl Zechenschließungen in Abrede gestellt haben, haben Sie die Bergleute belogen. Wie soll man das anders nennen, meine Damen und Herren?
Kohlepolitik ist nicht etwa eine regionale oder soziale Angelegenheit der beiden Revierländer, sondern eine gesamtstaatliche Aufgabe des Bundes. Trotzdem tragen die beiden Länder in viel größerem Umfang als die übrigen Bundesländer zur Finanzierung des Bergbaus bei.
Meine Damen und Herren, wir hören häufig, die übrigen Bundesländer seien nicht bereit, diese Politik weiter zu finanzieren. Ich zitiere hier einmal aus dem Geschäftsbericht der Saarbergwerke von 1956.
— Ja, 1956. — Dort heißt es:
Der Mangel an verfügbaren Brennstoffen gestattet es uns nicht, die während des ganzen Jahres ununterbrochen starke Nachfrage voll zu befriedigen. Darunter hatte unmittelbar der süddeutsche Markt zu leiden. Wir waren jedoch in der Lage, diesen Ausfall an Primärenegie durch wesentlich erhöhte Stromlieferungen in den Verbund der süddeutschen Netze auszugleichen.
Das war die Zeit, als Bayern und Baden-Württemberg bei uns im Saarland Schlange standen, um Strom zu bekommen und um Kohle zu bekommen. Weil die Bergleute damals solidarisch mit diesen Ländern waren, haben sie heute ein Anrecht auf die Solidarität dieser Länder.
Meine Damen und Herren, es wird sehr oft das Kostenargument angeführt. Wenn Sie sich einmal sachkundig machen — das ist hier ja häufig gefordert worden — , dann werden Sie nicht in Abrede stellen können, daß der Kohlemix aus Importkohle und deutscher Steinkohle im Moment billiger wäre als der Mix aus Kernenergie und Steinkohle. Das bitte ich doch endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen!
Wenn es wirklich die Kosten wären, wäre dies der Weg der Energiepolitik. Die Wahrheit ist doch, daß wir heute zwei Bereiche subventionieren. Jawohl, wir subventionieren die deutsche Steinkohle, aber wir subventionieren mittlerweile auf Grund des Weltenergiepreisniveaus auch die Kernenergie. Auch das bitte ich endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Meine Damen und Herren, wir sind offen für alternative Modelle der Kohlefinanzierung, wie sie z. B. auch die Elektrizitätswirtschaft immer wieder vorgeschlagen hat, und ihr wird hier ja wohl niemand die Sachkenntnis absprechen. Wir kleben nicht an einzelnen kohlepolitischen Instrumenten, aber schneiden Sie bitte nicht am Kohlepfennig herum, bevor wir nicht eine alternative Finanzierung gefunden haben!
Nach meiner Auffassung müssen in einer wirklichen Kohlerunde alle kohlepolitischen Instrumente auf den Tisch. Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen aus der Union haben ja in den letzten Wochen erkannt, daß die bisherige Salamitaktik des Bundeswirtschaftsministeriums nicht nur unsere Energiebasis gefährdet, sondern auch jeden Versuch der Rückkehr zu einem neuen kohlepolitischen Konsens unmöglich macht. Wir sind nach wie vor zu einem solchen Konsens bereit,
3472 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Ministerpräsident Lafontaine
aber, meine Damen und Herren, ein solcher Konsens muß an den Energiebericht des Jahres 1977 anknüpfen. In diesem Bericht hieß der Konsens: Kohlevorrang und Kernenergie für den Restbedarf. Sie sind dabei, diese Formel umzukehren.
Heute haben wir einen größeren Anteil an Kernenergie, und genau das ist die Aufkündigung des Konsenses.
An die Adresse der revierfernen Länder hier noch einmal ein Appell des saarländischen Ministerpräsidenten: So, wie die Bergleute in den 50er und 60er Jahren den Aufbau der Wirtschaft mit ermöglicht haben, haben die Montanreviere heute einen Anspruch auf die Solidarität des Bundes und dieser Bundesländer.