Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was der Kollege Meyer hier vorgetragen hat, bin ich der Meinung, daß gerade die Kohlerunde morgen, deren Erfolg sich abzeichnet, einen ganz wichtigen Beitrag dazu leisten wird, daß Unsicherheit und Angst in den Revieren verringert, daß sie genommen werden. In dieser Kohlerunde wird Klarheit für die kommenden Jahre geschaffen,
und es wird Klarheit geschaffen für die Größenordnung des unvermeidbaren Anpassungsbedarfs, der von ganz anderen Faktoren bestimmt wird als von denen, die Herr Meyer hier vorgetragen hat, und auch als von denen, die sich in dem Antrag der SPD wiederfinden.
Ich bin auch im Gegensatz zu Herrn Meyer der Auffassung, daß diesmal der Vorschlag zur Festlegung der Ausgleichsabgabe zum rechten Zeitpunkt kommt. Es wird gelegentlich übersehen, daß dieser Vorschlag immerhin bedeutet, daß wir die Neuregelung, die 7,25 %, für das ganze nächste Jahr haben werden. Das heißt im Endergebnis, daß die Einnahmen für den Ausgleichsfonds um einen erheblichen Beitrag steigen werden.
Ich füge hinzu — und auch da befinde ich mich wohl im Gegensatz zu Herrn Meyer — , daß ich der Auffassung bin, daß gerade die Kohlerunde morgen zusammen mit dem, was wir in der Haushaltsdebatte vom Bundeskanzler und vom Bundeswirtschaftsminister gehört haben, und zusammen mit dem, was wir im Wirtschaftsausschuß beschlossen haben, davon ausgehen kann, daß in der Tat die vereinbarten Absatzmengen nach dem Jahrhundertvertrag auch bis 1995 in der Größenordnung, wie sie vereinbart worden sind, erhalten bleiben. Dies scheint mir eine ganz wichtige Basis für die morgigen Vereinbarungen zu sein.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation ist es meiner Meinung nach gefährlich und nicht richtig, daß die Sozialdemokraten in dem uns heute vorliegenden Antrag Fragen der Energie- und Kohlepolitik mit Unterstellungen und Übertreibungen beschreiben.
Gerade in dieser Lage muß man doch ehrlich und wahrhaftig mit den Hoffnungen und den Sorgen der betroffenen Bergleute umgehen.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3459
Gerstein
Die Menschen müssen verstehen können, warum Anpassungen stattfinden müssen, und sie müssen verstehen können und sehen, daß wir bei der Lösung der damit verbundenen Probleme helfen. Es ist aber überhaupt nicht hilfreich, wenn Sie, wie das in Ihrem Antrag geschieht, anstelle realistischer Vorschläge zur Lösung der Probleme durch Unterstellungen aus einer Krise, die niemand bestreiten kann, eine Katastrophe herbeizureden versuchen.
Meine Damen und Herren, Sie unterstellen uns und dem Bundesminister für Wirtschaft z. B., wir betrieben sozusagen einen grenzenlosen Abbau der Kohleförderung. Dies stimmt doch einfach nicht. In der Kohlerunde — jeder, der das verfolgt, wird das bestätigen können — wird sicherlich nicht vereinbart werden, was Sie angeben. Es geht in der Kohlerunde eben nicht um einen Abbau von 30 Millionen t Steinkohle bis 1990 und den Verlust von 60 000 Arbeitsplätzen. Das ist einfach nicht wahr. Die Ergebnisse der Kohlerunde werden belegen, daß bei der notwendigen Anpassung weit weniger als die Hälfte des von Ihnen bis 1995 in die Diskussion gebrachten Anpassungsvolumens in Verhandlung stehen und daß das natürlich auch für die Zahl gilt, um die die Belegschaft zurückgeht.
Sie haben in Ihrem Antrag ferner noch einmal festgehalten, die Kohle werde zugunsten der Kernenergie geopfert. Ich betone mit allem Nachdruck: Diese Feststellung ist ebenfalls falsch. Wer wie Sie argumentiert, daß durch den Einsatz der Kernenergie die Schließung weiterer Zechen und damit die Gefahr von Arbeitslosigkeit im deutschen Steinkohlebergbau besteht, der verfälscht den Sachverhalt, ja, er stellt ihn auf den Kopf. Der Einsatz von Kohle und Kernenergie ermöglicht den Elektrizitätsversorgungsunternehmen, wie im Jahrhundertvertrag nun einmal ausdrücklich vereinbart, eine Mischkalkulation der Strompreise.
Lassen Sie mich dazu noch eine wichtige Zahl nennen. Der Einsatz deutscher Steinkohle in der Stromerzeugung hat doch nun einmal 1986 entsprechend den Vereinbarungen mit 41,7 Millionen t Steinkohle einen neuen Höchstwert erreicht.
Meine Damen und Herren, damit ist erstmalig — das wird auch im Jahre 1987 der Fall sein — mehr als die Hälfte des Gesamtabsatzes deutscher Steinkohle in die Verstromung gegangen. Ich bin sicher: Dabei kann und soll es auch bleiben.
Meine Damen und Herren, es wäre für die Problemlösung viel hilfreicher, wenn Sie statt der Übertreibungen und Unterstellungen Ihre Politik des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zugunsten der deutschen Kohle überdenken würden.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang nachhaltig die Haltung der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie.
— Wir haben ja gerade gehört, wer das ist. Wenn Herr Meyer das hier heute vielleicht auch nicht ausgesprochen hat, so gibt es genügend deutliche Hinweise darauf, daß von dieser Stelle aus Bemühungen um eine Wiederherstellung des Konsenses zwischen Kohle und Kernenergie mit wesentlich mehr Nachdruck und Glaubwürdigkeit verfolgt werden als von der Mehrheit Ihrer Fraktion.
Die Kollegen Stahl und Niggemeier sind hier schon genannt worden; sie haben eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, mit Hilfe derer man den Konsens in der Energiepolitik tatsächlich wiederfinden könnte, aber das wollen Sie mit Ihrer Mehrheit nicht.
Die revierfernen Länder, deren Stromverbraucher den Einsatz der deutschen Steinkohle in der Verstromung in erheblichem Maße mitfinanzieren, dürfen eben nicht daran gehindert werden, die Kernenergie zu nutzen.