Meine Damen und Herren, ich sprach eben davon, daß Sicherheit ihren Preis hat. Auch wenn dieser Preis gegenwärtig hoch ist, ist er noch tragbar. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Elektrizitätsunternehmen — nicht nur die beiden, von denen in der Presse immer die Rede gewesen ist, sondern auch andere — doch bisher eigentlich unisono erklärt haben, daß sie auf ihre Rechtsansprüche nicht verzichten wollen, die sie auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen haben; ich füge hinzu: rechtlich wohl auch nicht verzichten können. Die Elektrizitätswirtschaft hat Ihnen doch, Herr Minister, deutlich genug gesagt, was die Folgen einer Beschneidung, einer Reduzierung ihrer rechtlichen Ansprüche sind. Da behaupten nun manche, daß bei einer Reduzierung der Ansprüche der Bund verklagt wird. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, Sie, Graf Lambsdorff, auch nicht, wie ich sehe. Aber ich kann mir um so deutlicher vorstellen, daß die Elektrizitätswirtschaft von ihren vertraglichen Kündigungsmöglichkeiten Gebrauch machen würde.
Sie würde die Mengen, zu deren Abnahme sie sich verpflichtet hat, kürzen.
Da gibt es ja einen Paragraphen in diesem Vertrag, der nie zitiert wird. Es wird immer nur auf einen hingewiesen. Da heißt es nämlich:
Sollten die gesetzlichen Voraussetzungen vorzeitig entfallen,
— eine entsprechende Änderung des Verstromungsgesetzes —
entfallen auch die darauf basierenden Verpflichtungen beider Seiten.
— Der andere Paragraph ist doch genügend bekannt; den muß ich doch nicht hinzufügen. Den habe ich doch oft genug aus Ihrem Munde gehört, und den lese ich auch jeden zweiten Tag in den Zeitungen.
Also würde sie die Abnahme verweigern. Und was ist dann? Neue Unsicherheit; ein dann überhaupt nicht mehr lösbares Problem. Wer will dies eigentlich angesichts der politischen Erklärungen, die von vielen Politikern aus allen Parteien in den Revieren abgegeben sind, verantworten? Vielleicht, nein, ganz gewiß käme es dann zu Neuverhandlungen über den Jahrhundertvertrag — während der Laufzeit, vor 1995. Doch stände am Ende von Neuverhandlungen oder auch ohne Neuverhandlungen jener schwerwiegender Einbruch in das Mengengerüst des Jahrhundertvertrages, den die Bundesregierung nach allen ihren bisherigen Erklärungen vermeiden will. Dabei ist es von Ihnen erklärtes Ziel der Kohlerunde, endlich die Unsicherheit in den Kohlerevieren und im Steinkohlenbergbau zu beseitigen, und diesen Zielen schließe ich mich an. Ich wünschte, daß wir uns diesem Ziel alle anschließen können.
Sie bewirken genau das Gegenteil. Sie tragen neue Ängste und neue Unsicherheiten in die Reviere hinein. Sie reden davon, daß mit dieser Senkung der Ausgleichsabgabe ein Signal gesetzt werden soll. Wenn das so ist — auch ich sehe es so — dann ist dies das falsche Signal. Es ist das Signal, daß auf dem bisher
3458 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Meyer
eingeschlagenen Weg, die Ausgleichsabgabe weiter abzusenken, fortgefahren werden soll — mit den Risiken für den Bestand des Jahrhundertvertrages. Da können Sie noch so viel erklären und argumentieren: Sie werden nicht wegdiskutieren können, daß trotz aller anderen Erklärungen, die Sie abgeben, bei der Verfolgung dieses Zieles auch der Zusammenbruch des Jahrhundertvertrages in Kauf genommen wird.
Ich wundere mich, meine Damen und Herren, nein, ich bin sogar entsetzt, daß Sie aus Erfahrungen nicht klug geworden sind und nun erneut die Senkung der Einnahmen beschließen wollen, ohne zu wissen, wie Sie die Ausgaben den gesunkenen Einnahmen anpassen können.
Ist das, Herr Bangemann, die Klarheit, die Sie für die Energiepolitik der nächsten Jahre versprochen haben? Sind die Probleme nicht schon ohne solche falschen Signale groß genug? Paßt das in das Gesamtkonzept, das Sie, Herr Dr. Lammert, gefordert haben? Wie paßt das — wenn Herr Biedenkopf im Saal wäre, würde ich ihn fragen —
— entschuldigen Sie — , Herr Professor Biedenkopf, in die Richtung, die der nordrhein-westfälische Landtag mit seiner gemeinsamen kohlepolitischen Entschließung vom 15. Oktober 1987 vorgegeben hat?
Ich will noch einmal auf den 9. Oktober zurückkommen. Da haben Sie, Herr Kollege Lammert, darauf hingewiesen, daß es auch für die Senkung des Kohlepfennigs Mehrheiten geben müßte. Wenn ich das richtig sehe, scheinen sie trotz Ihrer eigenen besonders großen Anstrengungen und trotz der Bekundung Ihrer Fraktionskollegen aus Nordhrein-Westfalen nun da zu sein, obwohl sachlich alles dagegenspricht. Ich hätte mir gewünscht, daß Ihre gemeinsame Erklärung, meine sehr verehrten CDU-Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, und die gemeinsame Entschließung der SPD- und CDU-Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtages den Weg zu einer nüchternen, vorurteilslosen Betrachtung der energiepolitischen Probleme geöffnet hätte.