Herr Kollege Schily, das habe ich nicht gesagt.
Ich habe nur gesagt, daß es — das haben wir immer wieder festgestellt — für kleine Länder, wenn sie die Präsidentschaft im Rat haben, ausgesprochen schwierig ist, bei sehr, sehr komplizierten Sachverhalten die genügende Vorarbeit zu leisten, um die unterschiedlichen Interessen zusammenzufügen.
— Das haben wir x-mal erlebt. Ich will als Beispiel Griechenland — wir haben den Athener Gipfel gehabt — und andere Länder nennen. Ich kritisiere das ja doch nicht in der Weise, daß ich sage: Die sind schuld, und wir haben keine Schuld. Ich nehme also keine einseitige Schuldzuweisung vor, sondern ich sage nur: Es bereitet kleineren Ländern Schwierigkeiten, so etwas vorzubereiten. Bei diesen Urteil bleibe ich. Ich glaube, darin sind wir uns — unter vier Augen hört man das auch von Ihren Kollegen — ja einig.
Ich finde, Frau Kollegin Traupe, die SPD hat es schon gerade nötig, in Sachen Europa zu jammern. Gerade Sie hatten doch in Ihrer Regierungszeit nicht die Kraft und den Mut, die richtige Politik durchzusetzen.
So wurde doch vollmundig beschlossen, die Europäische Union bis 1980 zu vollenden.
Aber die notwendigen Korrekturen wurden nicht vorgenommen. Statt dessen wurde immer wieder die falsche Politik betrieben, und es wurden falsche und faule Kompromisse geschlossen.
Zurück zu Kopenhagen. Erfreulich — trotz des auch uns nicht zufriedenstellenden Sachverhalts — ist die Tatsache, daß in einigen wichtigen Grundsatzfragen, die im deutschen Interesse liegen, Übereinstimmung erzielt wurde. Ich möchte auch an Herrn Vogel, der gerade gegangen ist, gerichtet sagen: Die Probleme sind dadurch keineswegs verschärft worden, sondern hier ist durchaus, wenn auch auf niedrigem Niveau,
eine Übereinstimmung in wichtigen Grundsatzfragen erzielt worden, so z. B. — das wird hier immer wieder geleugnet — daß die Mittel für die Strukturfonds aufgestockt werden; die Strukturfondsmittel für die vier schwachen Länder werden verdoppelt.
3440 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Bohl
Darum kommt doch niemand herum, dies kann doch niemand leugnen.
— Jetzt im Hinblick auf die Mittagszeit und meine Redezeit bitte nicht. — Es ist auch bezüglich des Finanzierungssystems Einigkeit erzielt worden, nämlich dahin gehend, daß auch in Zukunft das Bruttosozialprodukt die Grundlage bei den Finanzzuweisungen sein soll. Ein wichtiger Fortschritt und ein Erfolg unserer Politik ist auch, daß die kostendämpfenden Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft auch in der Drosselung der Überschußproduktion und in Flächenstillegung bestehen soll. Wir haben uns also auch hier durchgesetzt. Letztlich — das soll nicht vergessen werden — hat sich die Gemeinschaft dazu bekannt, endlich die notwendige strikte Haushaltsdisziplin zu wahren.
Deshalb bin ich sehr, sehr zuversichtlich, daß es der deutschen Präsidentschaft ab dem 1. Januar nächsten Jahres gelingt, auf dieser Grundlage zu guten weiteren vorbereitenden Papieren,
bei denen es im Detail sicherlich auch Schwierigkeiten geben wird, zu kommen und daß wir in Brüssel einen gewaltigen Schritt weiter nach vorn kommen.
Hier wird ja auch immer schlankweg gesagt, die Vorschläge der Kommission — gerade zum Agrarbereich — sollten angenommen werden. Frau Kollegin Wieczorek, Sie haben das ja hier auch gesagt. Dazu muß ich bemerken: Das heißt doch, daß die Opposition will, daß sich die Bundesregierung mit einer Preispolitik abfindet, die die deutsche Landwirtschaft ruinieren würde. Das Hauptübel der Überproduktion würde doch dadurch gerade nicht beseitigt. Die Landwirte in Europa würden vielmehr weiterhin versuchen, ihre Einkommen durch eine Steigerung der Hektarerträge zu sichern und zu verbessern. Daß diese notwendige Agrarreform im wahrsten Sinne des Wortes eine Altlast ist, kann doch niemand leugnen.
Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, und ich bin eigentlich sehr, sehr zuversichtlich, daß dieses Angebot an die Gemeinschaft auch auf große Resonanz stößt.
Lassen Sie mich noch einen ganz wichtigen Punkt anführen, der für meine Begriffe auch in der Debatte und in der öffentlichen Diskussion ein wenig untergeht. Wir müssen den Weg zum europäischen Binnenmarkt freimachen. Wir müssen deutlich machen, daß auch die Bundesrepublik Deutschland große Vorteile aus dem gemeinsamen Binnenmarkt zieht, daß er in unserem nationalen Interesse liegt. Der heutige große europäische Markt mit seinen 320 Millionen Verbrauchern ist zwar nicht mehr durch Zollschranken zersplittert, aber an deren Stelle sind eine Vielzahl von technischen, bürokratischen und administrativen Handelshemmnissen getreten. Mehr als 30 Milliarden DM muß die europäische Wirtschaft Jahr für Jahr aufwenden, um Grenzparcours und Handelshemmnisse zu überwinden.
Mit anderen Worten, der europäische Binnenmarkt ist auch eine Chance für uns. Er ist ein wirksamer Hebel für mehr wirtschaftliches Wachstum. Er kann zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit dienen, er kann eine Trumpfkarte bei der Einführung neuer Spitzentechnologien sein, und er eröffnet uns den Handlungsrahmen für eine wirksame europäische Umweltpolitik. Ich glaube, indem wir den Binnenmarkt vollenden, schaffen wir das Europa der Bürger, den Raum für eine Europäische Union und damit auch für die Selbstbehauptung Europas.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen weiterhin — darauf möchte ich besonders hinweisen — der Motor für die Einigung Europas sein. Dies ist Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, so hat es der Bundeskanzler wiederholt gesagt. Und es klang ja hier auch schon an: Das Mittelstreckenabkommen der Supermächte, auf das auch wir erfolgreich hingearbeitet haben, hat ohne Zweifel die Sicherheitslage in Europa verändert, und dem müssen wir Rechnung tragen, dem müssen wir mit einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit auch im außen- und sicherheitspolitischen Bereich entsprechen.
Deshalb wollen wir die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten stärken und gleichzeitig unsere spezifischen europäischen Interessen wahren. Ich glaube, auf dieser Grundlage können wir weitergehen und Frieden, Freiheit und Wohlstand für Europa erfolgreich sichern und auch unserer Verantwortung gegenüber anderen Teilen der Welt gerecht werden.
Meine Damen und Herren, trotz der Tatsache, daß Europa immer wieder Schwächeperioden auf Grund des Gegeneinanders der Einzelinteressen, der nationalen Interessen, und der Lähmungen durch die Bürokratie durchgemacht hat, bleibt festzustellen, daß Europa eine Erfolgsgeschichte ist und hat. Es hat sich viel verändert — in der Sache, in unseren Köpfen, in unseren Herzen.
Konrad Adenauer, der große Europäer, hat gesagt: Man kann Europa nicht bauen, wie man ein Haus baut; Europa ist eher wie ein Baum, der wächst, der eine Schicht nach der anderen ansetzt. Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher, daß dieser Baum weiter kräftig wachsen wird — zum Wohle Europas und aller seiner Bürger.
Vielen Dank.