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ID1104903000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michaela Geiger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Oostergetelo, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Weichen für diese verfehlte Agrarpolitik unter Ihrer Regierung gestellt wurden?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Heute muß jedem Partnerland klar sein, daß es für das Europa der EG kein Zurück gibt. Allen Schwierigkeiten zum Trotz gibt es keine Alternative zur Gemeinschaft. Jede Option einer splendid isolation gehört der Vergangenheit an. Jeder Alleingang muß zwangsläufig in der Sackgasse landen.
    Der europäische Einigungsprozeß kann auch Modell für die Völker Mittel- und Osteuropas sein. Er kann ihnen zeigen, daß Ausgleich und Versöhnung auf der Grundlage von Menschenrechten und Gewaltverbot konkrete Wirklichkeit werden können, denn nur im Westen unseres Kontinents herrscht eine
    3428 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Geiger
    dauerhafte Friedensordnung. Im Osten sind immer wieder brutale Machtmittel oder unverhüllte Drohungen eingesetzt worden, um die sowjetische Vormacht über Mittel- und Osteuropa zu erhalten. Daran hat sich auch im Zeichen von Glasnost und Perestrojka nichts wesentliches geändert. Das Festhalten der Sowjetunion an einem allein auf militärischer Stärke begründeten Hegemonialmachtkonzept hat in Europa dazu geführt, daß auf unserem Kontinent so viel Waffen angehäuft wurden wie sonst nirgendwo auf der Welt.
    Bei der sinnlosen Überrüstung haben die westlichen Verbündeten in diesem Ausmaß nicht mithalten können und auch nicht mithalten wollen. So entstand die sowjetische Überlegenheit bei allen konventionellen Offensivsystemen, bei den C-Waffen und auf dem nuklearen Gebiet. Dabei ist die Sowjetunion selbst ins Hintertreffen geraten. Denn nur auf dem militärischen Gebiet ist der Warschauer Pakt heute führend. Wirtschaftlich hat ihn die Überrüstung an den Rand des Abgrunds getragen.
    Michail Gorbatschow, ein Mann der neuen Generation sowjetischer Führer, ist ein Politiker, der sich über den traurigen Zustand der sowjetischen Wirtschaft im klaren ist und der offensichtlich Veränderungen will. Über eines müssen wir uns allerdings im klaren sein: Gorbatschow will zwar abrüsten und Kosten sparen; er will aber gleichzeitig die sowjetische Überlegenheit nicht aufgeben.
    Was bedeutet dies für uns nach der Unterzeichnung des INF-Vertrages am vergangenen Dienstag in Washington? Für uns muß auch nach dem 20. Jahrestag des Harmel-Berichts über die künftigen Aufgaben der Allianz noch das gelten, was die 15 Unterzeichnerstaaten als ihr höchstes Ziel herausstellten, nämlich eine gerechte und dauernde Friedensordnung in Europa mit geeigneten Sicherheitsgarantien zu erreichen.
    Im Geist der beiden Teile des Harmel-Berichts begrüßen wir das INF-Abkommen als Einstieg zu einer viel weitergehenderen Abrüstung. Daß dieses Übereinkommen zustande kommen konnte, verdanken wir allein der Festigkeit des Westens in der Nachrüstungsfrage. Dazu darf ich Gerhard von Glinski zitieren, der im „Rheinischen Merkur" folgendes ausführte :
    Diese Waffen, die Pershing II und Cruise Missiles, die so viele Diskussionen, Demonstrationen, Sitzblockaden und richterliche Entscheidungen hervorgerufen haben, werden wir also in absehbarer Zeit loswerden. Jene, die sich seinerzeit dagegen wandten, werden das als Lohn ihres Einsatzes interpretieren. Zu Unrecht, denn erst die Stationierung selbst hat die Sowjets an den Verhandlungstisch genötigt. Der Vertrag ist insofern ein Triumpf westlicher Einheit und Verhandlungsstrategie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Ja, meine Damen und Herren von der SPD, auch wenn Sie das heute nicht mehr hören wollen: Helmut Schmidt hatte recht, als er die Nachrüstung forderte.
    Es war der historische Fehler der SPD, ihm dafür die Gefolgschaft zu verweigern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Auch Willy Brandt hat ähnliches bei letzten Gesprächen eingeräumt.
    Das INF-Abkommen ist in unseren Augen als Einstieg in eine weitergehende Abrüstung nützlich. Es darf jedoch nicht isoliert stehenbleiben. Denn nur ein Bruchteil aller atomaren Sprengköpfe wird von diesem Abkommen erfaßt. Die überwältigende Mehrheit atomarer Sprengköpfe bleibt weiterhin erhalten.
    Deshalb müssen baldmöglichst weitere Schritte folgen. Alle Westeuropäer bleiben nach wie vor von den sowjetischen interkontinentalen Nuklearraketen bedroht, denn diese Raketen sind auch auf kürzere Reichweiten einstellbar. Jeder Punkt Westeuropas kann getroffen werden. Deshalb liegt es in unserem unmittelbaren europäischen und deutschen Interesse, wenn die beiden Weltmächte diese Waffenkategorie, wie es in den START-Verhandlungen geplant ist, um 50 % absenken.
    Wir verlangen auch eine zuverlässige und überprüfbare Null-Lösung bei den chemischen Waffen. Das enorme C-Waffen-Potential der Sowjetunion kann nicht hingenommen werden. Seit langem fordert meine Fraktion die weltweite Null-Lösung für diese besonders heimtückischen Waffen, deren Einsatz bereits im Genfer Protokoll von 1925 völkerrechtlich verboten wurde. Die Sicherheit aller Staaten kann auch ohne diese barbarischen chemischen Waffen gewährleistet werden.
    Durch jeden nuklearen Abrüstungsschritt gewinnt das Übergewicht des Warschauer Paktes bei den konventionellen Streitkräften an Bedeutung. Deshalb muß das Hauptaugenmerk der Rüstungskontrolle in den nächsten Jahren gerade auf den konventionellen Waffengattungen liegen. Die Sowjetunion hat die Fähigkeit zu raumgreifender Offensive, zur Invasion und zum Überraschungsangriff. Wenn es in Zukunft mehr Stabilität in Europa geben soll, muß die Sowjetunion auf diese Offensivfähigkeit verzichten.
    Solange die sowjetische Übermacht bei den chemischen und konventionellen Waffen besteht, sind wir auf die kriegsverhütende Abschreckungswirkung der nuklearen Waffen und auf ein glaubwürdiges Minimum an Kernwaffen angewiesen. Kernwaffen haben in Europa in den letzten 40 Jahren als Waffen zur Kriegsverhinderung gedient.

    (Zuruf von der SPD: Das ist zynisch!)

    Mit konventionellen Waffen dagegen wurden in vielen Gebieten der Erde Kriege geführt. Die heutigen konventionellen Waffen sind außerdem alles andere als harmlose Waffen. Dresden wurde im letzten Krieg durch konventionelle Waffen in einem unsäglichen Inferno zerstört. Bis heute ist auch die Entwicklung konventioneller Waffen weitergegangen, und auch diese Waffen können heute unvorstellbare Verwüstungen anrichten.
    Das krasse Ungleichgewicht bei den bodengestützten nuklearen Flugkörpern bis 500 km Reichweite stellt für die Deutschen in beiden Teilen Deutschlands eine große und eine besondere Bedrohung dar und
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3429
    Frau Geiger
    kann auf Dauer nicht hingenommen werden. Diese Systeme müssen in die Verhandlungen über ein neues Gesamtabrüstungskonzept, das auch die chemischen und die konventionellen Waffen umfaßt, mit einbezogen werden. Im NATO-Bereich darf es auch künftig keine Zonen mit geringerer Sicherheit geben, denn dies würde die gesamte NATO-Strategie gefährden.
    An einer weiteren Maxime wollen wir mit allem Nachdruck festhalten: Die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa sind auch künftig auf die enge Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen. Die Vereinigten Staaten bleiben unser wichtigster Partner und Verbündeter. Sie garantieren unsere Sicherheit. Daran hat sich bis heute nichts geändert, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Europa muß aber auch verstärkt eigene Verteidigungsanstrengungen machen. Europas Stärke hängt von seiner Einheit ab. Vorreiter dieser Einheit sind Deutschland und Frankreich. Die deutschfranzösische Zusammenarbeit ist die Lokomotive der politischen Einigung der EG. Sie bestimmt deshalb auch das Tempo des Einigungsprozesses. Deshalb hat die gemeinsame Brigade für uns durchaus mehr als einen symbolischen Charakter.
    Für uns ist die westliche Allianz von Anfang an nicht allein ein Verteidigungsbündnis gewesen; sondern vor allem auch ein Wertebündnis. Uns im Westen verbindet die Staatsform der freiheitlichen Demokratie, die auf der Erhaltung der Menschenrechte und auf christlichen Werten gründet. Das unterscheidet uns vom Warschauer Pakt. Dies schließt für uns von vornherein jegliches Äquidistanzdenken aus, das derzeit bei der SPD mehr und mehr um sich greift.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ui, ui!)

    Herr Bahr hat am letzten Montag einige beachtliche Äußerungen dazu gemacht.
    Eine echte Lösung der Spannungen zwischen Ost und West kann im Kernwaffenzeitalter nur durch eine politische Lösung erreicht werden. Wir fürchten uns z. B. nicht vor französischen Raketen und Panzern, weil uns mit Frankreich heute Freundschaft und Demokratie verbinden. Nachdem sich unsere Väter und Großväter in vielen mörderischen Kriegen bekämpft haben, ist dies eine kaum glaubliche großartige politische Leistung.
    Auch in diesem Zusammenhang ist das Urteil des Landgerichts Frankfurt, wonach Soldaten als „potentielle Mörder" bezeichnet werden dürfen, ein Skandal. Unsere Soldaten der Bundeswehr sind Garanten des Friedens und verdienen solche Beschimpfungen nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eine politische Lösung, so wie sie mit Frankreich möglich war, sollte auch mit dem Osten möglich sein. Voraussetzung dafür ist, daß die Sowjetunion Abschied nimmt von ihrer totalitären Ideologie und von der planmäßigen Verletzung der Menschenrechte. Der Maßstab für die Friedfertigkeit eines Landes ist und bleibt die Einhaltung der Menschenrechte. Wenn die Menschenrechtsfrage gelöst sein wird, wird es
    auch für uns keine Bedrohung mehr aus dem Warschauer Pakt geben. Davon sind wir heute leider noch weit entfernt. Afghanistan ist dabei nur ein Stichwort.
    Meine Fraktion wird nicht zögern, die sich bietenden Chancen zu einer wirklichen Entspannung zu ergreifen. Wir werden aber auch nicht aufhören, gegebene Versprechungen immer wieder anzumahnen. Ein umfassender Austausch von Wirtschaftsgütern, von Rohstoffen und technologischem Know-how, die dringende Lösung der Ost und West gleichermaßen bedrückenden Umweltprobleme, die Bekämpfung von Not und Elend in der Dritten Welt: all das sind Aufgaben, die durch eine intensive Zusammenarbeit von Ost und West leichter zu lösen wären. Es wäre sicherlich ganz großartig, wenn unsere Enkel dereinst feststellen könnten, daß mit den INF-Vereinbarungen und mit der doppelten Null-Lösung dazu der Grundstein gelegt wurde.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Beer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Angelika Beer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde und Freundinnen aus der Friedensbewegung! Es ist wahrlich bemerkenswert, was sich in den letzten Wochen und besonders heute morgen hier abgespielt hat. Alle haben die Abrüstung entdeckt. Jeder will der gewesen sein, der das Abkommen herbeigeführt hat, und jeder will weitere Abrüstung. Ist das nicht wunderbar?
    Ich möchte mich in dieser feierlichen Stunde zunächst an Herrn Bundesverteidigungsminister Wörner wenden. Herr Minister, Sie haben es immer für völlig unmöglich gehalten, daß der Westen jemals würde diese Raketen abbauen müssen. Weil Sie es für völlig ausgeschlossen hielten, daß das jemals passiert, haben Sie unklugerweise am 16. September 1983 hier im Bundestag ein Versprechen gegeben. Sie haben damals erklärt:
    Ich habe das in der Öffentlichkeit gesagt, und ich wiederhole es vor den Augen und den Ohren der Mitglieder dieses Parlaments: Ich rutsche auf den Knien von meinem Wahlkreis aus nach Bonn, wenn es uns gelingt, unser Ziel zu verwirklichen, die Mittelstreckenwaffen schlechthin aus dieser Welt zu verbannen.

    (Schily [GRÜNE]: Zeigen Sie mal Ihre Knie, zeigen Sie mal die Hose! Wie sieht die aus?)

    Herr Minister, wir hoffen, daß Sie dieses Ihr Männerwort heute oder in nächster Zeit einlösen werden, und damit es nicht gar zu schwer für Sie wird, hier ein Geschenk der grünen Fraktion für Sie. Ich möchte es Ihnen am Ende der Sitzung überreichen, damit Sie nicht wie beim letztenmal wieder weglaufen müssen. Es sind ein Paar solide Knieschoner.

    (Zurufe von den GRÜNEN: Zeig sie doch mal!)

    3430 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Beer
    — Ja, natürlich, aber ich muß sie erst auspacken. — Hier sind sie.

    (Die Rednerin präsentiert ein Paar Knieschützer — Beifall bei den GRÜNEN)

    Guten Rutsch!
    Aber jetzt eine Erinnerung an die Wirklichkeit: Abrüstung gibt es jetzt also vielleicht, wenn der US-Senat das Abkommen ratifiziert, bei einer speziellen Kategorie von Atomwaffen. Der Preis, den die Sowjetunion gezahlt hat, damit dieses Abkommen zustande kommt, bestand darin, nicht mehr über französische Atomwaffen und auch nicht mehr über britische zu reden.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Herr Präsident, ich kann die Rednerin nicht sehen! Können Sie nicht einmal diese Topflappen wegnehmen?)

    Bei denen passiert folgendes — das sind Zahlen, die Sie sich anhören sollten — : An die Stelle der 128 britischen Polaris-U-Boot-Raketen tritt in den nächsten Jahren die Trident-Rakete mit mindestens 640 — ich wiederhole: mindestens 640 — Atomsprengköpfen. Aus den 274 französischen Atomsprengköpfen in diesem Bereich werden in den nächsten Jahren 710 Atomsprengköpfe, davon 592 seegestützte und 118 landgestützte Systeme. Die Engländer und die Franzosen rüsten also jetzt — gerade jetzt, in diesem Moment — nuklear auf! Die NATO baut 396 in Europa stationierte amerikanische Atomraketen ab und baut in derselben Zeit mindestens 948 britische und französische Atomraketen auf.
    Aber wenigstens die Amerikaner rüsten doch ab — so heißt es —, insgesamt — nimmt man nicht nur die in Europa stationierten, sondern alle Systeme zusammen — sogar 692 Sprengköpfe. Doch auch das hat einen ganz gewaltigen Haken, denn parallel dazu sind die USA dabei, insgesamt etwa 9 600 neue Cruise Missiles zu stationieren — ich wiederhole: etwa 9 600 — , davon knapp 4 000 auf See und 4 000 in der Luft, an Bord von Flugzeugen. Von diesen etwa 9 600 neuen Cruise Missiles, die in den nächsten Jahren stationiert werden, werden etwa 5 400 mit Atomsprengköpfen ausgerüstet sein. Das Plutonium, das bei den jetzt bei uns abzubauenden Raketen übrigbleibt, wird also gleich für neue, andere Atomwaffen neue Verwendung finden!
    Wir haben immer vor der besonderen Gefährlichkeit gerade der Nachrüstungswaffen, besonders der Pershing II mit ihrer hohen Treffsicherheit und großen Eindringfähigkeit, gewarnt. Das Jammern mancher Militärs, daß sie diese wichtige Waffe verlieren, ist natürlich Musik in unseren Ohren. Es ist einfach total gut, daß diese Raketen wegkommen. Nur, das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, daß jetzt der Durchbruch zur Abrüstung schon erreicht wäre. Dazu müßte sich der politische Wille ändern, zuallererst bei uns im Westen. Der Wille, immer weiter aufzurüsten, wenn nicht mit dem einen Waffensystem, dann mit einem anderen, diese wahnwitzige Grundeinstellung, Sicherheit durch Rüstung herbeiführen zu wollen, und diese teils offenen, teils verdeckten Hintergedanken, man könne ja vielleicht auch einmal wieder eine echte militärische Überlegenheit erlangen, das alles
    muß aufhören. Aber davon kann keine Rede sein. Dieser Wille ist nicht vorhanden. Selbst wenn — was wir sehr hoffen und wünschen — noch weitere Abkommen zustande kommen — Verminderung der Zahl der strategischen Atomwaffen auf je 5 100, wozu anzumerken ist, daß dabei vom zwanzigfachen Weltvernichtungspotential auf das zehnfache heruntergegangen würde, und Verbot der chemischen Waffen —, wird trotzdem und gerade deswegen weitergerüstet, und zwar in den Bereichen, die außerhalb der Abkommen liegen.
    In diesem Bereich steht das harte Nein der NATO zu jeder Rüstungsbegrenzung felsenfest im Raum: keine Verhandlungen über Seestreitkräfte, keine Verhandlungen über Luftstreitkräfte und erst recht keine Verhandlungen über die Waffen, die die Schiffe und Flugzeuge an Bord haben, z. B. die neuen Cruise Missiles. Das ist die solide Basis, auf der die NATO agiert. In diesem Bereich soll unbedingt alles offen bleiben für das Weiterdrehen der Rüstungsspirale. Warum gerade hier? Weil die NATO dem Warschauer Vertrag in diesen Bereichen zahlenmäßig und besonders technologisch jetzt schon haushoch überlegen ist und diese Überlegenheit natürlich ausbauen und nicht beschränken möchte.
    Der Osten hingegen ist — so hört man — bei den konventionellen Truppen überlegen, jedenfalls, wenn man nicht die Truppen in Europa, sondern weltweit vergleicht, also so tut, als höre die Sowjetunion am Ural auf und habe keine Ost- und keine Südgrenze. Was von der beliebten Abrüstungsrhetorik in diesem Bereich zu halten ist, Herr Wörner, beleuchtet ein kleiner Blick auf den Anschaffungskatalog, den die westeuropäischen Verteidigungsminister bei ihrer Tagung Anfang Dezember vereinbart haben — ich zitiere aus der Presse — :
    1988 kommen 250 moderne Kampfpanzer, über 1 000 andere gepanzerte Fahrzeuge und 50 schwere Artilleriegeschütze dazu, außerdem 350 Panzerabwehrkanonen, 400 verbesserte Milan-Raketen und 10 000 modernste Panzerfäuste, 75 neue Hubschrauber zur Unterstützung von Landstreitkräften, 200 Kampfflugzeuge der Typen Tornado und F 16, 40 Flugabwehrraketensysteme, 7 größere Geleitschiffe für die Marinestreitkräfte der Eurogroup, 3 U-Boote, 5 Marinekampfboote.
    Fazit:
    Die Minister stellten fest, daß die NATO-Strategie „auch in Zukunft auf einer angemessenen Mischung geeigneter nuklearer und konventioneller Kräfte beruhen muß".

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist nur ein Bruchteil dessen, was die Sowjetunion modernisiert! Es ist grober Unfug, was Sie sagen!)

    Ich denke, das spricht für sich.
    Wir GRÜNE haben es immer abgelehnt, auf Kräftevergleiche zu starren. Beide Seiten haben viel zu viel Militär. Jede Seite sollte und könnte bei sich mit dem
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3431
    Frau Beer
    Abrüsten anfangen. Wir sollten das am besten bei uns tun, anstatt mit dem Finger nach Osten zu zeigen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Herr Wörner hat für diesen einzigen Fingerzeig ein Wort geprägt, das weite Verbreitung gefunden hat und mich veranlaßt, nun doch einmal an einem Beispiel auf diesen Kräftevergleich einzugehen

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Der hört gar nicht hin!)

    — das macht nichts; das kann er nachlesen, ich glaube, er hört es schon — : das Wort von der Fähigkeit zur konventionellen Invasion des Warschauer Vertrages. Die sicherheitspolitischen Experten gingen immer von einem ungefähren Kräftegleichgewicht in Europa aus. Die Panzer möchte ich als Beispiel nennen. Da stehen in Europa 19 720 westliche gegen 46 200 östliche Panzer. Denkt man den Wahnsinn der Militärs, mit diesen Panzern aufeinander loszugehen, einmal mit, erscheint der Osten also mächtig überlegen. Bloß, was Herr Wörner natürlich nicht erzählt, ist, daß die Hälfte der östlichen Panzer, 23 000 Stück, Uraltmodelle sind, die aus den 50er Jahren stammen. Wenn man Herrn von Bülow von der SPD glauben darf, ist fraglich, ob diese Panzer überhaupt noch fahren können, weil es nämlich in Osteuropa mit den Batterien aus diesen Panzern einen schwungvollen Schwarzhandel gibt. So sieht es mit Herrn Wörners Invasionsfähigkeit aus. Warum redet er solchen Unfug? — Eine gute Frage.
    Wie widerwillig unsere Regierenden selbst auf diesen kleinen Abrüstungsschritt reagieren, konnten die Menschen in Hasselbach am Montag erleben. Da fuhren die nuklearen Cruise Missiles auf den Landstraßen ins Manöver, als hätte es die Unfälle beim Transport der Pershing nie gegeben und als sei vom Abkommen keine Rede. Diese Manöver gefährden die Bevölkerung. Sie müssen sofort eingestellt werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Einen entsprechenden Antrag der GRÜNEN stellen wir heute zur namentlichen Abstimmung.
    Ich möchte noch ein Wort zu den Folgen der Raketen sagen, die trotz des Vertrages zu bleiben drohen. Es sind die vielen tausend Strafverfahren gegen Menschen, die gegen die Stationierung protestiert haben. Diese Menschen haben dazu beigetragen, das Klima zu schaffen, in dem der Westen von der Null-Lösung nicht mehr herunter konnte.

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Wieczorek-Zeul [SPD])

    Ihnen und nur ihnen gebühren Dank und Achtung, nicht Strafverfolgung.

    (Beifall der Abg. Frau Wieczorek-Zeul [SPD])

    Wir bringen heute einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der für alle diese Strafverfahren aus dem Widerstand gegen die Stationierung eine Amnestie zum Ziel hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zugleich schlagen wir eine Änderung des Nötigungsparagraphen vor, damit die gewaltfreien Aktionsformen der Sitzblockade und des zivilen Ungehorsams in Zukunft nicht länger kriminalisiert werden können.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Liebe Freundinnen und Freunde aus der Friedensbewegung, wir haben allen Grund zur Freude, einmal wegen eines kleinen aber wichtigen Erfolges, besonders und viel mehr aber wegen der Streitigkeiten, in die die Herrschenden des Westens geraten sind. Es ist herrlich anzusehen, wie ratlos sie über die weitere Zukunft sind. Die Nachrüstungsraketen kommen weg, und dazu haben wir das Unsere beigetragen. Die Mühe hat sich gelohnt. Besonders aber haben wir Grund zur Freude wegen der Streitigkeiten, in die die Herrschenden des Westens geraten sind. Es ist herrlich; es gehört gewissermaßen zu den wenigen Freuden grünen Parlamentarierdaseins, diese Wirrnis aus der Nähe zu sehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben wirklich Grund, wenig Freude zu haben! — Rühe [CDU/CSU]: Was heißt „Herrschende"? Wir sind Gewählte!)

    Im Grunde haben die Leute drei große Probleme. Erstens ist es das Geld. Man kann einfach nicht mehr alle Waffensysteme kaufen und bezahlen, die technisch machbar und militärisch wünschbar sind. Man kann nicht wie in der glücklichen Zeit der sozialliberalen Koalition Waffen einfach draufloskaufen. Der Rüstungswille ist da, aber das Geld ist, ach, so knapp. Man muß sich für das eine und — das ist das besonders Schlimme — gegen das andere entscheiden. Das fällt ziemlich schwer, sehr schwer.
    Zweitens ist es dieser Gorbatschow. Die immer neuen Vorschläge der Sowjetunion, die durchweg durch ihre Vernünftigkeit bestechen, sind nicht mehr mit Plattheiten zu beantworten wie ehedem. Früher konnte man einfach sagen: Gute Idee, aber man kann ja doch nicht nachprüfen, ob sich die Russen daran halten, also sinnlos. Seit die Sowjetunion selbst auf schärfere Verifikationsbestimmungen drängt, muß sich der Westen etwas anderes einfallen lassen und bei jedem Vorschlag neue Positionen vereinheitlichen und Störmanöver entwickeln.
    Die Zeit reicht nicht, um die zum Teil wirklich lustigen Dinge auf die der Westen bei der konventionellen Rüstungskontrolle und ähnlichem so kommt, hier aufzuzeigen. Bei der konventionellen Rüstungskontrolle will der Westen zwar die Waffen auf beiden Seiten zählen, aber nicht die eigenen, die in Depots liegen, weil ein Panzer im Depot irgendwie kein Panzer ist. Oder man entdeckt plötzlich, daß die Türkei gar nicht zur NATO gehört, sondern nur ein Streifen an der Schwarzmeerküste; der Rest der Türkei ist irgendwie Grauzone und soll nicht berücksichtigt werden.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Unsinn!)

    Der Einfallsreichtum ist erheblich, wenn es darum geht, Abrüstungshindernisse aufzubauen, immer in der Hoffnung, daß die Sowjetunion doch nicht ewig so weitermachen kann.
    Der dritte Grund — und das meine ich ganz ernst — sind wir.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    3432 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Beer
    Ihr solltet nicht unterschätzen, was für eine Angst die Etablierten vor einer Neuauflage der Stationierungsdebatte 1983 haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie mußten damals ein Jahr nach dem anderen Spießruten laufen, hatten bis weit in ihr eigenes Lager die Bevölkerung gegen sich, weil die Bevölkerung diesen Rüstungswahnsinn einfach nicht mehr mitmachen wollte. Ein Jahr lang und länger in Veranstaltungen immer nur ausgelacht zu werden ist keine angenehme Erfahrung. Diese Erfahrung sitzt tief. Und gemeinsam mit den beiden anderen Faktoren, dem Geldmangel und der Außenpolitik der Sowjetunion, trägt das Trauma von 1983 dazu bei, der NATO ihre neuen Aufrüstungsentscheidungen deutlich schwer zu machen.
    Liebe Freundinnen und Freunde, wir haben allen Grund, froh zu sein, und dies ist ein Erfolg von uns, ein kleiner Erfolg, und ich kann nur sagen: weiter geht es, auf in die nächste Runde!

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Vergessen Sie nicht die Topflappen!)

    — Die will ich doch noch abgeben.