Rede von
Michaela
Geiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der EG-Gipfel am vergangenen Wochenende in Kopenhagen ist nicht so erfolgreich beendet worden, wie wir uns das alle gewünscht hätten. Das sollte uns aber nicht veranlassen, jetzt Horrorgemälde zu malen, Frau WieczorekZeul.
Erinnern wir uns: Wir haben in diesem Jahr den 30. Jahrestag der Römischen Verträge gefeiert. In dieser Zeit hat unser gemeinsames Europa so manches Auf und Ab erlebt. Trotzdem bleibt es eine ganz großartige Leistung, was die Gründerväter Europas damals fertiggebracht haben. Denn als Winston Churchill 1946 in seiner berühmten Züricher Rede dazu den ersten Impuls gab, war Europa weitgehend verwüstet, hungerten und froren die Menschen, waren sie nach einem furchtbaren Krieg am Ende ihrer Kräfte. An den Geist, der damals geherrscht hat, sollten wir uns heute erinnern. Gemessen an den damaligen Widerständen sind die heutigen wahrhaft gering.
Ober eines müssen wir uns allerdings im klaren sein: Wenn Europa beim Dialog der Großmächte in Zukunft ein gewichtiges Wort mitsprechen will, muß es mit einer Stimme sprechen. Das ist uns nicht zuletzt bei den jüngsten Abrüstungsverhandlungen klar geworden. Wir müssen uns deshalb gegen den allgemeinen Trend stellen, der die Probleme Europas lauthals beklagt und die Erfolge aber immer wieder kleinschreibt.
Der Osten preist immer wieder die sogenannten Errungenschaften des Sozialismus. Sie sind bei Lichte besehen äußerst dürftig: schlechte Versorgung der Bevölkerung, Wohnraumnot, schlechte Altersrenten und vor allem Einschüchterung und Einengung der Freiheit des einzelnen, was Kreativität und Innovation lähmt. Wir im Westen, in der Europäischen Gemeinschaft haben dagegen weitaus bessere Errungenschaften. Aber wir vergessen nicht nur, sie herauszustreichen. Wir sind uns dessen auch kaum noch bewußt. Unsere Freiheit und unser Wohlstand sind uns viel zu selbstverständlich geworden.
Wir wissen alle, daß die gemeinsame Agrarpolitik heute mit das größte Problem der EG ist. Zwar hat die Agrarpolitik zu einer enormen Leistungssteigerung in der Landwirtschaft beigetragen und für ein reichhaltiges Angebot an preisgünstigen Nahrungsgütern für uns alle gesorgt. Aber es ist von früheren Regierungen versäumt worden, die Marktordnung rechtzeitig umzustellen, als die Erzeugnung die Absatzmöglichkeiten immer mehr überstieg. Es war auch ein entscheidender Nachteil, daß die am intensivsten betriebene Landwirtschaft den größten Nutzen aus der europäischen Agrarpolitik gezogen hat. Was eigentlich als Klammer für die Europäische Gemeinschaft gedacht war, hat sich mehr und mehr zu einem Sprengsatz entwickelt.
Wir müssen den gordischen Knoten EG-Landwirtschaft durchschlagen, denn ohne die Lösung dieses
Problems werden wir auch die politische Einigung Europas nicht voranbringen.
Der gordische Knoten EG-Landwirtschaft muß jedoch durchgeschlagen werden, ohne daß unsere bäuerlichen Familienbetriebe auf der Strecke bleiben. Dies sage ich ganz bewußt als Abgeordnete eines ländlichen Gebietes.
Wenn Frau Wieczorek-Zeul in ihrer Presseerklärung zum EG-Gipfel meint, daß die EG-Regierungschefs nicht die Interessen der 320 Millionen Europäer wahrgenommen hätten,
sondern keinkarierte Rangeleien betrieben hätten,
so kann ich mich nur wundern, denn die Existenz Tausender bäuerlicher Familien hängt von den Ergebnissen eines solchen Gipfels ab.
Ich finde, Bundeskanzler Dr. Kohl hat richtig und verantwortungsvoll gehandelt, als er eine Vertagung beantragt hat, statt mit schlechten Ergebnissen für unsere Bauern nach Hause zu kommen.