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ID1104902100

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    6. Wieczorek-Zeul.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verehrter Herr Kollege, wenn Sie diese Entwicklung nicht haben wollten, hätten Sie sich nur 1981/82 in Ihrer Partei konsequent an den NATO-Doppelbeschluß halten müssen, um das dann mit uns gemeinsam weiterzuführen. Daß Sie davon abgewichen sind, war doch einer der Gründe, weshalb eine neue Regierung gebildet werden mußte, weil Sie den Mut verloren hatten, nicht wir.

    (Beifall bei der FDP)

    Leider war der Umweg der Stationierung westlicher Waffen erforderlich, im Gegensatz zu dem, was wir hier wieder von den GRÜNEN gehört haben, um sowohl den Willen der NATO zur Verteidigung glaubwürdig zu vertreten als auch die Solidarität in der Allianz in dieser schwierigen Frage unter Beweis zu stellen. Wichtig ist auch, daß dadurch das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Politik nicht nur erhalten, sondern bestärkt worden ist. Wir haben seit 1979 in allen entscheidenden Debatten deutlich gesagt, daß unser Ziel nicht die Aufrüstung, sondern die NullLösung bei den Mittelstreckenwaffen war. Unsere Bürger sehen nun, daß dies in einem Teilbereich der Rüstung dieser Welt tatsächlich verwirklicht worden ist. Die, die noch vor einigen Jahren glaubten, uns mit Mahnwachen von diesem Weg abbringen zu sollen, sollten heute wenigstens im stillen Kämmerlein einsehen: Nur dieser Weg hat uns zur Entscheidung gebracht und nicht die Irrwege, die sie gepredigt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Vertrag über die Vernichtung der Mittelstrekkenwaffen hat neben der Beseitigung dieser Systeme eine noch weit tiefergehende Bedeutung. Er ist
    gleichzeitig Signal für das weitere Abrüsten. Sein Erfolg wird hoffentlich dazu beitragen, daß auch für die strategischen Waffensysteme bald die angestrebte 50 %ige Reduktion vereinbart wird. Dieser Vertrag gibt hoffentlich auch ein Signal dafür, daß die Achtung und Vernichtung der chemischen Waffen beschlossen wird und durch geeignete Verifizierungsmaßnahmen überprüfbar wird.

    (Beifall bei der FDP)

    Hier hat man entscheidende Schritte für die Überprüfung getan; wir hoffen, daß das auch im chemischen Bereich möglich sein wird.
    Dieser Vertrag soll auch das Signal für eine umfassende Abrüstung vor allem im Bereich der konventionellen Streitkräfte in Europa sein. Dabei gehen wir ohne Illusionen an diese schwierigen Fragen heran; denn wir wissen, daß beim Abbau der konventionellen Streitkräfte noch viele Probleme zu lösen sein werden. Die Beseitigung der Asymmetrie in diesem Bereich ist für uns unabdingbar; denn nur so wird mehr Stabilität in Europa erreicht. Wir sind sehr froh darüber, daß dies im Warschauer Pakt anerkannt worden ist. Es wird jetzt festgestellt werden müssen, ob das, was dort erklärt worden ist, auch am Verhandlungstisch zu einem Ergebnis führt. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für die Waffen mit weniger als 500 km Reichweite, insbesondere für das nukleare Potential in Europa.
    Der Abschluß des Mittelstreckenraketenvertrages gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß dies tatsächlich der Beginn eines Weges in eine von weniger Waffen geprägte Welt sein kann. Über die Maßnahmen zur Abrüstung hinaus gewinnt das Abkommen doch auch an Bedeutung für die generelle Weiterentwicklung der Ost-West-Beziehungen, für den Handel, die Wirtschaft, Umwelt, Kultur; ich will nicht alles aufzählen. Ich bin sicher, auch die Durchsetzung der Menschenrechte wird leichter möglich sein, wenn man über Vereinbarungen der Abrüstung zum Abbau von Mißtrauen und zur Bildung von Vertrauen kommt. Deshalb ist hier dieser enge Zusammenhang.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Signalwirkung des INF-Abkommens für den OstWest-Dialog veranlaßt mich an dieser Stelle, an den amerikanischen Senat zu appellieren, dieses Abkommen möglichst bald zu ratifizieren.
    Eines hat sich allerdings auch gezeigt, nämlich die Erfahrung, was Einigkeit in der Allianz bedeutet und daß damit auch in politisch schwierigen und anfänglich kaum lösbaren Fragen international ein Ergebnis erzielt werden kann, wenn die Allianz geschlossen auftritt und genau weiß, was sie will, und dies mit Konsequenz gegenüber jedermann vertritt.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, ein paar Bemerkungen zu den Fragen der gegenwärtigen EG-Politik. In diesem Jahr haben wir den 30. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begangen. Ohne Zweifel wurden in den drei zurückliegenden Jahrzehnten wesentliche Fortschritte auf dem Weg zu einer europäischen Einigung erreicht. Dennoch ist unbestritten, daß die Gemeinschaft heute vor schwierigen Aufga-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3423
    Mischnick
    ben steht. Wenn ich immer wieder höre: „Das Ende der Gemeinschaft steht vor der Tür", dann muß ich aus meiner jahrzehntelangen parlamentarischen Erfahrung sagen: In den letzten 30 Jahren stand ihr Ende eigentlich jedes Jahr vor der Tür. Wir sind erfreulicherweise doch jedes Jahr weitergekommen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Bei den Problemen handelt es sich vor allem um die Problemkreise des Delors-Pakets, nämlich die Reform der Agrarpolitik, die Reform des Strukturfonds, Haushaltsdisziplin sowie ein neues Finanzierungssystem für die Gemeinschaft. Eine Lösung dieser Probleme ist die Voraussetzung dafür, daß das, was wir uns mit der Verwirklichung der Europäischen Akte als Ziel gesetzt haben, erreicht werden kann.
    Eine Lösung der Probleme der Agrarpolitik hat weit über den Landwirtschaftsbereich hinaus Bedeutung.
    Über Kohle und Stahl, die natürlich ebenfalls von größter Wichtigkeit sind, wird ja heute und morgen in gesonderten Tagesordnungspunkten gesprochen. Ich will deshalb hier heute morgen nicht dazu Stellung nehmen.
    Die Gemeinschaft leidet unter großen Agrarüberschüssen, damit unter überquellenden Lägern und unvertretbaren Haushaltsbelastungen. Dadurch ist eine Verunsicherung der Bevölkerung in den ländlichen Räumen eingetreten. Ausgewogene und flexible Reformen in der Agrarpolitik der Gemeinschaft sind unumgänglich. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen dürfen wir allerdings nicht nur unter agrarpolitischen Reformnotwendigkeiten betrachten, sondern wir müssen uns auch die Frage stellen und uns auch der Frage stellen, was der europäischen Landwirtschaft insgesamt und in den jeweiligen Mitgliedsländern bei der gegenwärtigen Einkommenslage und der allgemeinen Beschäftigungssituation überhaupt zugemutet werden kann.

    (Paintner [FDP]: Das ist ganz richtig!)

    Wir halten an den Vorstellungen des bäuerlichen Familienbetriebs fest. Das ist nicht nur das Erfordernis einer vernünftigen Strukturpolitik, sondern ein Grundelement der wirtschaftlichen und sozialen Struktur des gesamten ländlichen Raumes überhaupt. Den wollen wir erhalten wissen und nicht zerstört wissen.

    (Beifall bei der FDP)

    Die vordringlichste agrarpolitische Aufgabe ist die Verminderung der landwirtschaftlichen Erzeugung in der Europäischen Gemeinschaft, damit die Märkte entlastet werden und die gemeinsame Agrarpolitik finanzierbar bleibt. Die beste Lösung besteht darin — das fordern wir schon lange —, landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen einer Vorruhestandsregelung für ihre Besitzer stillzulegen. Viele Landwirte in Europa haben keine Nachfolger und tragen sich mit der Absicht, ihre Betriebe über kurz oder lang aufzugeben. Betriebsstillegung gegen Entgelt befreit sie von der Notwendigkeit, bis ins hohe Alter weiterzuwirtschaften, und ermöglicht somit neben der Marktentlastung zugleich einen sozial erträglichen Ausstieg aus
    der Landwirtschaft. Diese Vorruhestandsregelung bietet also eine doppelte positive Möglichkeit.

    (Beifall bei der FDP)

    Viele Landwirte bei uns warten darauf, daß ihnen auf diese Weise geholfen wird. Das dürfte auch in den Mitgliedstaaten kaum anders sein. Aus Wettbewerbsgründen ist es erforderlich, daß alle Mitgliedstaaten ihren Landwirten die Stillegung zu realistischen Konditionen anbieten.
    Eine attraktive Mitfinanzierung durch die Gemeinschaft ist durchaus vertretbar, da Honorierung der Betriebsstillegung, d. h. die Nichtproduktion, für den EG-Fiskus billiger ist als die weitere Beseitigung von Überschüssen, wie die Erfahrung gelehrt hat.

    (Beifall bei der FDP)

    Trotz Überangebots und drastischen Preisverfalls fördern andere Mitgliedstaaten immer noch Investitionen in der Schweine- und Mastrinderhaltung. Ausschlaggebendes Motiv mag sein, daß man mehr Marktanteile in diesen Produktionsbereichen gewinnen will. Es macht aber keinen Sinn, die Errichtung zusätzlicher Kapazitäten in der Ferkelerzeugung, Schweine- und Rindermast mit staatlichen Mitteln zu provozieren, wenn die Märkte ohnehin überlastet sind. Es macht die EG kaputt, wenn ich dort weiterfinanziere, wo ich nicht mehr finanzieren, sondern abbauen muß.

    (Beifall bei der FDP)

    Leidtragend sind doch letztlich die Landwirte in der gesamten Gemeinschaft, die bei den niedrigen Preisen keine Gewinne erzielen. Dadurch sind viele in Existenznot geraten.
    Dringend erforderlich ist ein EG-weites striktes Verbot staatlicher Investitionsförderung in den genannten Erzeugungsbereichen. Leider hat auch der Gipfel in diesen Fragen zu keinem erfolgreichen Abschluß geführt. Wir bedauern das. Wir sollten uns jedoch vor zu einfachen Schuldzuweisungen hüten. Die Bundesregierung für das Ausbleiben eines befriedigenden Kompromisses auf dem Kopenhagener Gipfel verantwortlich zu machen entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
    Der Präsident des Europäischen Parlamentes hat auf eine Frage in diese Richtung — ob die Franzosen und die Deutschen mehr unter Druck hätten gesetzt werden müssen — klipp und klar gesagt: Nein, das stimmt nicht, ich akzeptiere das nicht. Das heißt, auch im Europäischen Parlament ist klar, daß von einer einseitigen Schuldzuweisung nicht die Rede sein kann, wenn man überlegen muß, was zu geschehen hat.
    Es geht darum, daß wir die Realitäten erkennen. Es geht darum, daß wir in den Bereichen, in denen wir seit Jahren konsequente Entscheidungen verlangt haben, endlich zu Ergebnissen kommen.
    In einer Phase der weltwirtschaftlichen Entwicklung, die durch tiefe Veränderungen in den Wirtschaftsstrukturen vieler Länder gekennzeichnet ist und von der ganze Industriezweige betroffen sind, kann es keine Patentrezepte für die Lösung der damit verbundenen vielfältigen Probleme geben. Wir dürfen den Blick für das jeweils Machbare nicht verlieren.
    3424 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Mischnick
    Wir müssen bei den einzelnen Entscheidungen auch die soziale Verträglichkeit — das gilt für alle Bereiche der Strukturreform — für die Betroffenen berücksichtigen.
    Eines darf allerdings nicht eintreten: daß wir uns durch das Nichtergebnis von Kopenhagen entmutigen lassen. Im Gegenteil.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Am 11. und 12. Februar 1988 wird der Rat ja zu einer weiteren Sitzung zusammenkommen. In der Zwischenzeit besteht eine realistische Möglichkeit, Kompromißvorschläge zu erarbeiten. Das wird eine schwierige, aber, wenn es zur Lösung kommt, auch dankbare Aufgabe während der deutschen Präsidentschaft sein. Wir wissen, daß es dazu vieler Unterstützung und Mitarbeit bedarf; denn wenn wir den Binnenmarkt wirklich bis 1992 vollenden wollen und damit für 320 Millionen Menschen in allen Mitgliedstaaten zusätzliche Chancen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung ihrer eigenen Möglichkeiten eröffnen wollen, dann ist es notwendig, Anfang nächsten Jahres in diesen Fragen Lösungen zu finden.
    Meine Damen und Herren, wir werden alles, was in unseren Kräften steht, tun, um die Bundesregierung bei diesen Bemühungen zu unterstützen. Wir sind allerdings auch der Auffassung, daß man den Mut haben muß, in all diesen Fragen die Fakten auf den Tisch zu legen, und nicht durch Versprechungen Hoffnungen erwecken darf, die nicht erfüllt werden können.
    Meine Damen und Herren, zwei Gipfel, wenn ich das so sagen darf, haben stattgefunden: der eine mit einem weithin sichtbaren Erfolg, der andere mit einer Vertagung. Beide Gipfel haben deutlich gemacht, daß die Bundesrepublik Deutschland ein erhebliches Gewicht einbringen kann. Es hat sich gezeigt, wieviel wir durch unsere Möglichkeiten, den mittleren und kleineren Staaten unsere Meinung darzulegen und ihre Auffassungen mit einzubeziehen, erreichen konnten. Das zeigt, daß das Gewicht der Bundesrepublik Deutschland in diesen Fragen gewachsen ist. Es ist um so stärker, je geschlossener wir Deutschen dieses Gewicht auf die Waagschale legen. Deshalb bitte ich alle darum, diese vernünftige Politik für die Zukunft voll zu unterstützen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wieczorek-Zeul.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heidemarie Wieczorek-Zeul


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse der Regierungsparteien und der Regierung scheint heute morgen eher darauf abgestellt zu sein, weniger vom Scheitern eines Gipfels, an dem sie selbst Verantwortung getragen haben, zu sprechen, als von den Ergebnissen eines Gipfels zu reden, für dessen Zustandekommen und dessen Ergebnisse sie keinerlei Verantwortung tragen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich möchte diese Strategie gern durchkreuzen, indem ich von dem Gipfel in Kopenhagen spreche. Übrigens wäre es nach den Ergebnissen wohl angemessen, eher von einem Mittelgebirge als von einem Gipfel zu sprechen.
    Es war jedenfalls ein Offenbarungseid der EG-Regierungschefs in ihrer Mehrzahl. Es war nicht der Offenbarungseid der Europäer und Europäerinnen oder der europäischen Idee. Im Gegenteil: Vor manchen solcher Regierungen muß man die europäische Idee schützen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte deshalb an dieser Stelle insbesondere dem Kommissionspräsidenten Jacques Delors danken, der sich als einer der wenigen mit europäischem Weitblick gezeigt hat und der ein Glück für die Europäische Gemeinschaft ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Entgegen allen Trends der Verharmlosung, die heute morgen im Zusammenhang mit der Bewertung des Gipfel deutlich wurden, will ich aus „Le Monde" vom 8. Dezember 1987 zitieren. Es heißt dort:
    Die Entente Paris—Bonn war in Kopenhagen nichts anderes als eine Art konservativer Komplizenschaft. Die Entente hat mehr als Bremse gewirkt als die britische Unnachgiebigkeit. Frankreich hat, obwohl es den Vorschlägen von Herrn Delors in großen Zügen zugestimmt hat, sich in Kopenhagen auf die deutsche Seite geschlagen und die Starrköpfigkeit gedeckt, die der Bundeskanzler den Vorschlägen entgegensetzte. Diese Blockade hat eine Einigung über die anderen Punkte unmöglich gemacht.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: So schlecht informiert sind die!)

    Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß selbst mehrfache Versuche der Verharmlosung es nicht schaffen können, die öffentliche Meinung und die Bevölkerung in der Europäischen Gemeinschaft über das Scheitern und die Ursachen des Scheiterns dieses Gipfels im unklaren zu lassen.
    Zwei Tage vor dem historischen Vertrag über die Beseitigung der Mittelstreckenwaffen auf europäischem Boden hätten die europäischen Bürger und Bürgerinnen von den zwölf EG-Regierungschefs einen Beweis europäischer Selbstbehauptung erwartet. Statt dessen haben sie einen Akt der Aufgabe europäischer Handlungsfähigkeit erlebt; das war ein wirklicher „Tu-nix-Gipfel".
    Wo ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von über 15 Millionen Menschen in der EG und zur Gegensteuerung gegen die weltwirtschaftliche Rezession notwendig gewesen wäre, haben die Regierungschefs versagt. Wo das Konzept von Jacques Delors zur Abstimmung stand, haben sich die Regierungschefs in Einzelheiten verstrickt, den politischen Überblick verloren, die Reform an Haupt und Gliedern vertan und die Chancen zur Verwirklichung des großen gemeinsamen Binnenmarkts im absehbaren Zeitraum gemindert. Das ist ein Tatbestand, liebe Kolleginnen und Kollegen. Alle Fachleute sagen, daß durch diese Nichtentscheidung die Verwirklichung
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3425
    Frau Wieczorek-Zeul
    des Binnenmarktes sich um mindestens ein Jahr verschieben wird.
    Das Scheitern hat allerdings auch tieferliegende grundsätzliche Ursachen. Diese möchte ich im folgenden nennen: Die Mehrzahl der aktuellen, sich selbst als konservativ begreifenden Regierungen der EG-Mitgliedsländer hat sich einem Wirtschaftskonzept verschrieben, das die wirtschaftlichen Entwicklungen dem Selbstlauf überläßt. Dieser Ansatz hat aber drastische Konsequenzen für die europäische Integration und den europäischen Zusammenhalt. Die Politik des: „Nimm's vom Nachbarn" — „beggar my neighbour" —, des Umverteilungskampfs zwischen den Mitgliedstaaten um Arbeitsplätze und finanzielle Ressourcen, wird schärfer. Die Chancen zu einer Einigung, bei der es einen gerechten Ausgleich gäbe, sinken.
    Deshalb trägt die Bundesregierung von CDU/CSU und FDP mit ihrer wirtschaftspolitischen Reformunfähigkeit zu einer derartigen integrationsfeindlichen Entwicklung bei.
    Ich will in diesem Zusammenhang Helmut Schmidt zitieren, der zu Recht vor wenigen Tagen gesagt hat:
    Diese konservativen Regierungen, die heute in Europa regieren, ob Chirac oder Thatcher oder Kohl, die kommen mir zur größeren Hälfte so vor, daß sie wirtschaftsideologische Prediger sind; und zur kleineren Hälfte sind das Klempner, aber die klempnerischen Fähigkeiten sind relativ geringfügig ausgeprägt.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Scheitern des EG-Gipfels zeigt, wohin eine Politik führt, die zu jeder Reform unfähig ist. Ohne eine Reform der Agrarpolitik hat die EG keine Zukunft. Wer sich wie die Bundesregierung die Agrarpolitik von den Vertretern der Großagrarier im Bauernverband und den Interessierten aus der Industrie diktieren läßt, blockiert die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft und macht sie handlungsunfähig. Diese Verantwortung muß er dann auch tragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ab dem 1. Januar 1988 trägt die deutsche Bundesregierung als Ratspräsidentschaft noch mehr Verantwortung als bisher für die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft. Wir erwarten als allererstes von der Bundesregierung, daß sie durch eine Änderung ihrer Haltung in der Agrarpolitik den Weg freimacht für eine Neuordnung der Agrarpolitik und damit für die Verabschiedung des gesamten Pakets von Jacques Delors. Nur dadurch wird nämlich der Weg frei für neue finanzielle Eigenmittel der Gemeinschaft, die zur Weiterentwicklung der EG notwendig sind. Die bisherige Haltung der Bundesregierung schadet nicht nur der Europäischen Gemeinschaft, sondern — Jochen Vogel hat heute morgen darauf hingewiesen — sie schadet auch der Mehrzahl der deutschen Bauern, die ohnehin von der Preissubventionierung nur noch maximal 30 % erhalten. Deshalb muß dieses Konzept geändert werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Mischnick, Sie haben gesagt, es sei wichtig, daß wir die deutschen Interessen einbringen. Unser Vorwurf lautet, daß die Bundesregierung die Prioritäten in dieser Europäischen Gemeinschaft falsch setzt, daß sie das Gewicht der deutschen Bundesregierung und Deutschlands nicht dafür einsetzt, z. B. den großen gemeinsamen Binnenmarkt zu verwirklichen,

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Unbegründeter Vorwurf!)

    sondern daß sie sich an Konzepte, die längst überholt sind, in der Agrarpolitik klammert, daß sie ihr Gewicht also für die falschen Interessen einsetzt.
    Wir, die SPD, verlangen von der Bundesregierung, daß sie sich für eine Verdoppelung der Strukturfonds engagiert. Ich muß sagen, ich halte es für ein kleinkariertes Feilschen, wenn sich die Bundesregierung weigert, dieser Forderung des Delors-Paketes nachzukommen. Es geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, um zusätzlich 300 Millionen DM pro Jahr in diesem Zeitraum. Man muß wissen, daß zum Beispiel die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft um Spanien allein dazu geführt hat, daß sich der Export der Bundesrepublik Deutschland um 2 Milliarden DM verdoppelt hat.

    (Dr. Spöri [SPD]: Ja!)

    Wer sich dann hinstellt und sagt, wir wollen aber nicht verdoppeln, der leistet eben keinen Beitrag zur Solidarität mit den südlichen Ländern und den Ländern an der Peripherie der EG,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern betreibt kleinkariertes Feilschen, und er wird dazu beitragen, daß der Binnenmarkt nicht zustande kommt. Denn zu Recht werden sich die Spanier und Portugiesen solchen Ansinnen widersetzen, wenn wir keinen Ausgleich dafür leisten, daß sie sich dem großen gemeinsamen Binnenmarkt anschließen.
    Von der Bundesregierung verlangen wir, daß sie sich neben einer Verdoppelung der Strukturfonds auch dafür engagiert, daß Industrieregionen, die in der Krise sind — auch in der Bundesrepublik Deutschland — , weiterhin zusätzlich zu den nationalen Maßnahmen durch die EG-Strukturfonds finanziert werden. Oder wollen Sie sich in Hannover nach dem Gipfel im Juni hinstellen und sagen, daß zum Beispiel Regionen wie das Ruhrgebiet künftig ohne Finanzierung aus den EG-Fonds bleiben sollen? Das halten wir für völlig unerträglich. Deshalb gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Forderung nach Verdoppelung der Strukturfonds — ich habe die dafür notwendigen Finanzmittel vorhin genannt — und der Weiterfinanzierung von Regionen, die in den Industrieländern in der wirtschaftlichen Krise sind.
    Man sieht auch hier: Die Position der Bundesregierung schadet deutschen und europäischen Interessen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, ihre Position in dieser Frage zu revidieren und sich der Position anzuschließen, die Christdemokraten — man höre! — , GRÜNE und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament in dieser Frage eingenommen haben. Sie entspricht dem, was ich hier skizziert habe.

    (Beifall bei der SPD)

    3426 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Frau Wieczorek-Zeul
    Ich habe schon gesagt: Diese Bundesregierung setzt die falschen Prioritäten und deshalb droht eine Fortsetzung der Stagnation der Europäischen Gemeinschaft. Ich frage mich, wenn es schon um Prioritäten geht: Warum wird das Marktprinzip in der EG-Landwirtschaft verweigert, aber von der Bundesregierung zum Beispiel für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Stahlindustrie verteidigt? Hätten sich Herr Kohl und Herr Bangemann so für die Erhaltung der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und gegen die Liberalisierung in diesem Bereich eingesetzt, wie sie es für den Unsinn der Agrarpreissubventionierung in der Landwirtschaft getan haben,

    (Zuruf des Abg. Paintner [FDP])

    dann wären wir heute in der Stahlindustrie auch im Ruhrgebiet in einer anderen Situation.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ist dies auch die Auffassung Ihrer Partei?)

    Wir erwarten von der Bundesregierung — ich habe es vorhin angedeutet — , daß sie sich mit Vorrang für die Verwirklichung des einheitlichen europäischen Binnenmarkts starkmacht. Wann begreift diese Regierung endlich, daß der Binnenmarkt im Rahmen der EG die letzte Chance in diesem Jahrhundert ist, das Modell einer staatenübergreifenden Lösung wirtschaftlicher und politischer Probleme zu verwirklichen?
    Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum die Regierung des größten Industrielandes der EG in der Praxis — nicht mit Worten — ihren Schwerpunkt nicht in dem Bereich setzt, wo die Arbeitsplätze der Exportindustrie der Bundesrepublik den größten Vorteil haben, und warum sie statt dessen auf die Fortsetzung des bisherigen verfehlten Agrarsystems hin orientiert. Wenn sie nicht auf die Sozialdemokratie hört — das tut sie ja leider öfters nicht — , sollte sie wenigstens das Memorandum des BDI einmal lesen, das ihr jedenfalls zu dieser Frage einiges ins Stammbuch geschrieben hat.
    Wir erwarten, daß sich die Bundesregierung in ihrer Ratspräsidentschaft um die wirklich drängenden Fragen kümmert. Der Binnenmarkt bedarf der sozialen Gestaltung. Alles, was bisher vorliegt, orientiert sich an der wirtschaftlichen Integration. Aber genauso notwendig ist es, daß in diesem Prozeß die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht ausgehöhlt wird — die Gefahr besteht — und nicht unterlaufen wird und daß die Mitbestimmungsrechte in diesem Prozeß der Verwirklichung des Binnenmarktes erhalten bleiben, ausgebaut und zum Beispiel verpflichtend für sogenannte europäische Aktiengesellschaften vorgeschrieben werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir verlangen von der deutschen EG-Ratspräsidentschaft, daß sie die Politik verstärkt, die zur Sicherung des Friedens in der Welt beiträgt. Weil Sie im Moment mit den eigenen Problemen beschäftigt sind, haben diese wichtigen Fragen nicht im Vordergrund gestanden.
    Notwendig ist aus unserer Sicht, daß die deutsche EG-Ratspräsidentschaft eine Initiative zur Entschuldigung der Länder der sogenannten Dritten Welt ergreift. Dies ist ein aktiver Beitrag zur Friedenssicherung. Notwendig ist, daß das Mandat für die neuen Lomé-Verhandlungen, das in die Zeit der Ratspräsidentschaft fällt, der dramatisch verschlechterten Situation dieser Länder Rechnung trägt.
    Und wir verlangen, daß die Bundesregierung alles unternimmt, um den Friedensplan für Mittelamerika zu fördern. Dazu muß sie aus unserer Sicht — entsprechend dem Beispiel der EG — die Finanzierung für Nicaragua wiederaufnehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir erwarten, daß die Bundesregierung in der Zeit ihrer Ratspräsidentschaft ihre Bremserrolle bei der Bekämpfung des Apartheid-Regimes in Südafrika endlich aufgibt. Gerade am heutigen Tage der Menschenrechte sagen wir: Die Apartheid kann man nicht reformieren, man kann sie nur beseitigen. Ich fordere Sie auf: Folgen Sie dem Beschluß und dem Appell des Europäischen Parlaments vom 30. Oktober 1987

    (Beifall bei der SPD)

    und beschließen Sie in der EG endlich, wirkliche Sanktionen gegen Südafrika, die die Mehrzahl der EG-Länder längst fordern.
    Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ob eine Regierung europa- oder parlamentsfreundlich ist, erweist sich nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten. Deshalb wollen wir wissen: Ist die Bundesregierung bereit, nicht nur von mehr Rechten für das Europäische Parlament zu sprechen, sondern z. B. auch ein inter-institutionelles Abkommen zwischen den drei EG-Institutionen abzuschließen, mit dem die Rechte des Europäischen Parlaments, wenn die Haushaltsdisziplin verwirklicht wird, von der Bundeskanzler Kohl heute morgen gesprochen hat, ohne etwas zum Europäischen Parlament dazu zu sagen, gesichert werden sollen. Es würde der Ratspräsidentschaft gut anstehen, wenn sie sich dafür einsetzte, daß die Haushaltsrechte des Europäischen Parlaments bei Entscheidungen über die neuen Eigenmittel der EG erweitert werden. 1975 ist das bei der Veränderung der Eigenmittel der EG geschehen. Wir meinen, dies ist ein Beispiel, das nachgeahmt werden muß.
    Und zuletzt — deshalb stellen wir ja diese Forderungen — : „Europäischer Fortschritt darf nicht zu einem Verlust an parlamentarischer Substanz werden. " Das hat Richard von Weizsäcker 1985 vor dem Europäischen Parlament formuliert. Notwendig ist deshalb, daß sich die Bundesregierung dafür engagiert — mit den anderen zusammen — , daß das demokratisch gewählte Parlament, das Europäische Parlament endlich die Rechte erhält, die einer demokratisch gewählten Volksversammlung zukommen, und damit einen Beitrag zur Demokratisierung in der Europäischen Gemeinschaft leistet.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])