Herr Lammert, Ihre Annahme, daß der Bund zwei Drittel aus seinem Haushalt für die Steinkohle zahlt und das Land ein Drittel, ist falsch. Ich komme darauf im Zusammenhang mit der mit der Ihrigen übereinstimmenden Behauptung des Herrn Abgeordneten Grünewald im Verlauf meiner Ausführungen zurück.
Im Rahmen des Länderfinanzausgleichs werden — das unterstützen wir — die Seehafenlasten von Bremen und Hamburg — so ist uns von der Bundesregierung gesagt worden — zur Hälfte der angemeldeten Beträge angesetzt. Nach den Maßstäben, die da zur Anwendung gelangen, müßte Nordrhein-Westfalen verlangen, die Hälfte seiner Sonderlast in Höhe von 1,5 Milliarden DM, d. h. 750 Millionen DM, bei den Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt zu sehen.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat im Gesetzgebungsverfahren eine bescheidenere Forderung gestellt. Sie hat ihre Forderung auf 450 Millionen DM begrenzt und zur Begründung dargelegt, daß in dieser Höhe den übrigen Ländern bei der Verteilung des Umsatzsteueraufkommens auf der Basis der sogenannten Deckungsquotenberechnung nach Art. 106 Abs. 3 GG ein Vorteil in gleicher Höhe entsteht. Leider war nicht einmal diese maßvolle Forderung mehrheitsfähig.
Der Bundesrat hat allerdings die Problematik dieser Haushaltslast des Landes Nordrhein-Westfalen erkannt und ohne Gegenstimmen in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Land NordrheinWestfalen bei seinen Leistungen des Drittelanteils an seinen Kohlelasten, insbesondere bei der Kokskohlebeihilfe, entlastet wird. Ich habe mich im Bundesrat am 10. Juli dieses Jahres für diese Unterstützung bedankt. Ich möchte heute darum bitten, daß auch der Deutsche Bundestag dieses Votum des Bundesrates aufgreift. Es muß nun wirklich ein Ende damit haben, daß das Land Nordrhein-Westfalen mit diesem berechtigten Anliegen immer wieder vom Bund an die Länder und umgekehrt von den Ländern an den Bund verwiesen wird.
Wiederholte Bemühungen, den Bund zu einer Entlastung des Landes bei der Finanzierung der Kohlelasten zu bewegen, sind ohne Erfolg geblieben. Der Bundesminister für Wirtschaft hat zuletzt mit Schreiben vom 12. Januar 1981 — deshalb hat das nichts mit Parteipolitik zu tun, sondern geht um das Verhältnis von Bund und Land Nordrhein-Westfalen; das war schon bei der alten Bundesregierung so, mit Graf Lambsdorff als Wirtschaftsminister — die Forderung des Landes an den Bund auf Entlastung bei der Kokskohlebeihilfe abgelehnt und u. a. ausgeführt:
Ich verstehe andererseits, daß das Land Nordrhein-Westfalen sich bemüht, die besonderen finanziellen Lasten aus der heimischen Steinkohle auf mehr Schultern zu verteilen. Die Bemühungen der Kohleländer sollten dabei auf die übrigen Bundesländer gerichtet werden, wobei eventuell an eine Entlastung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zu denken wäre.
Wir wissen heute, daß das im Länderfinanzausgleich nicht möglich ist. Aber bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen hätte dies möglich gemacht werden können.
Wenn der Bund diesen Weg nicht für richtig hält, so ist er konsequenterweise gehalten, dem Land auf direktem Wege zu helfen. Der Bund hat sich sogar seit 1961 — davon haben Sie nicht gesprochen, Herr Abgeordneter Grünewald, obwohl Sie die Unterlagen von uns seit Ende August haben — mit der Heizölsteuer eine Quelle erschlossen, die ihm zweckgebundene Einnahmen zufließen läßt. Ursprünglich war die Zweckbindung dieser besonderen Steuer auf Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlebergbaus an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten, ausgerichtet.
Dabei ergab sich in einigen Jahren die groteske Situation, daß die Einnahmen aus der Heizölsteuer um ein Mehrfaches höher waren als die gesamten Leistungen des Bundes für die Steinkohle, bis zum Vierfachen.
Deshalb mußte die Zweckbindung im Jahre 1971 auf die, wie es heißt, „Finanzierung allgemein notwendiger energiewirtschaftlicher Maßnahmen" ausgedehnt werden.
Dazu hat die Bundesregierung 1971 in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
Für energiepolitische Maßnahmen werden auch in Zukunft erhebliche finanzielle Mittel erforderlich sein. Im Vordergrund stehen dabei die Maßnahmen zugunsten des Steinkohlebergbaus.
Die formale Ausdehnung der Zweckbindung, die nötig war, weil ein Mehrfaches an Aufkommen gar nicht für die Kohle verbraucht wurde, hat also nichts daran ändern sollen, daß die Einnahmen aus dieser Steuer der deutschen Steinkohle die Anpassung an die veränderte Energiemarktlage erleichtern sollen. An dem Aufkommen der Heizölsteuer beteiligte und beteiligt der Bund Nordrhein-Westfalen weiterhin nicht, obwohl es ein Drittel der Gesamtlasten für die Steinkohle zu tragen hat.
Der Bund hat für die Kohle bis einschließlich 1986 28 649 500 000 DM gezahlt und bis einschließlich 1986 aus der Heizölsteuer eine Einnahme von 20 616 300 000 DM gehabt. Das heißt, aus der Bundeskasse sind 8 033 200 000 DM geflossen. Unser Land hat nicht ein Drittel gezahlt, sondern wir haben
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3287
Minister Dr. Posser
fast zwei Drittel aus Haushaltsmitteln gezahlt und der Bund fast nur ein Drittel. So ist die Lage.
Damit ist Ihre Frage beantwortet. Es stimmt ja nicht.
Und nun erklären Sie weiter, jedes Land habe seine Sonderlasten. Wir haben ja die erste Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht gehabt. Kein Land — kein Land! — hat eine Sonderlast dieses Ausmaßes nennen können. Der in der Finanzverfassung — im X. Abschnitt des Grundgesetzes — verankerte Grundsatz der Ausgewogenheit von Lastenverantwortlichkeit und Finanzkraft wird eklatant verletzt, wenn ein Land mit höchstens noch durchschnittlichen Steuereinnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg derartige Sonderlasten, inzwischen — wenn man den Entwurf 1988, der in diesem Monat im Landtag verabschiedet werden wird, zugrunde legt — über 17 Milliarden DM, zu tragen hat, ohne daß ihm geholfen wird.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat nach dem Ergebnis der Steuerschätzung vom November 1987 im Jahre 1987 Steuereinnahmen von voraussichtlich 97,5 % des Länderdurchschnitts. Zieht man von den Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen die 1,5 Milliarden DM ab, die das Land für die Sicherung der nationalen Energie- und Rohstoffversorgung leisten muß, so verbleiben dem Land zur Erfüllung seiner gesamten sonstigen Aufgaben, wie sie auch in den übrigen Ländern erfüllt werden müssen, nur noch 95 % des Länderdurchschnitts. Das macht überdeutlich, wie weit heute das finanzverfassungsrechtliche System der Aufgaben- und Ertragszuweisung verfremdet wird und daß diese Verfremdungen korrigiert oder kompensiert werden müssen.
Diesem Anliegen dient der Ihnen vorliegende Antrag, der mit dem Beschluß des Bundesrates in der Aufforderung an die Bundesregierung übereinstimmt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Land Nordrhein-Westfalen bei seinen Leistungen für Kohlelasten, insbesondere bei der Kokskohlenbeihilfe, deren Höhe sich aus dem Dollar-D-Mark-Verhältnis ergibt, entlastet wird. Ich bitte dieses Anliegen zu unterstützen. Ich bin erschüttert darüber, daß ich höre, daß die nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten auch diesen Antrag, der noch nicht einmal quantifiziert ist, der nur Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen einleiten soll, nicht unterstützen werden.
Nehmen Sie sich mal an anderen Abgeordneten aus anderen Ländern ein Beispiel!