Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wahr: Das Gesetz, das heute zur Abstimmung steht, ist eines der wichtigsten, weil das Bundesstaatsprinzip hier auch eine Bewährungsprobe zu bestehen hat. Ich will selbstkritisch sagen, daß die Verhandlungen mit den Ländern nicht leicht gewesen sind und daß wir hier auch keine Meisterprüfung bestanden haben. Ich will aber auch sagen, Herr Bürgermeister von Dohnanyi, daß ich sehr bedaure, daß die bisher sachliche Diskussion sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag durch Sie soeben in einer ungewöhnlichen persönlichen und sachlichen Schärfe völlig verkehrt worden ist.
Ich halte es auch für kein Musterbeispiel föderalen Selbstverständnisses, wenn der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg hier erklärt, Hamburg werde an diesem Bundesgesetz ausbluten, und dabei vergißt, daß seine eigenen Entscheidungen in Hamburg zur Ausblutung beitragen, weil nämlich dort die Verantwortung liegt.
Herr Bürgermeister, ich glaube, daß Sie es sich zu leicht machen, wenn Sie Ihre eigene Verantwortung in Bonn abliefern und meinen, Sie hätten in Hamburg keine Entscheidung mehr zu treffen.
Ich sage Ihnen nur: Meine Hamburger Kenntnisse sind gut genug, um sagen zu können, daß ich es mindestens verblüffend finde, daß Niedersachsen Hamburg heute in der Wirtschaftsentwicklung übertroffen hat, weil die Wirtschaftsentwicklung in Hamburg eine negative Entwicklung genommen hat.
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, daß hier auch der Föderalismus eine Bewährungsprobe bestehen muß, denn in den Ländern kann nur dann eigenverantwortlich Politik gemacht werden, wenn diese Politik eigenverantwortlich finanziert werden kann. Nur dann können wir uns den Bürgern gegenüber legitimieren. Natürlich wollen wir keine Notare werden, die Sachzwänge aus Bonn festschreiben, ganz im Gegenteil. Insofern ist dieses Thema ja auch so heiß diskutiert worden.
Ich muß bekennen, daß es dazu interessante Erklärungen gegeben hat. Die Wut über die vermeintlich
3282 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
Minister Frau Breuel
verlorenen Groschen hat manch eigenartige Formulierung hervorgebracht. Das hat Herr Poß soeben in
Richtung Niedersachsen fortgeführt. Er hat dabei
— ich weiß nicht, ob er noch hier im Raum ist — von einem ,,Bubenstück" gesprochen. Insofern müßte ich mich gar nicht angesprochen fühlen. Aber ich gehe einmal davon aus, daß es das schlechte Verständnis der SPD für Gleichberechtigung ist, was zu dieser Formulierung geführt hat.
— Herr Apel, ich dachte, Gleichberechtigung habe auch im Bundestag ihren Wert. Wenn Sie meinen, darüber müsse nur in Landtagen entschieden werden, ist das Ihr Problem. Meine Auffassung ist es jedenfalls nicht.
Ich will deshalb sagen: Ich bin der Auffassung, daß die Länder auf Grund der Entscheidung, die hier heute ansteht, und auf Grund des Zuwachses bei den Bundesergänzungszuweisungen hier insgesamt als Sieger aus dem Rennen hervorgehen und insofern positive Ergebnisse mit nach Hause nehmen können. Ich weiß sehr wohl, daß Niedersachsen lange im Mittelpunkt des Interesses gestanden hat, und zwar nach dem Motto: Ölscheichtum und ähnlichem mehr.
Ich will nur in Ihre Erinnerung rufen, daß wir selbst zum Zeitpunkt der hohen Förderzinseinnahmen immer noch ein finanzschwaches Land gewesen sind und daß sich diese Stituation jetzt naürlich wesentlich verschärft hat, weil 90 % unserer Einnahmen aus dem Förderzins uns seit dem 1. Januar 1987 nicht mehr zur Verfügung stehen und sozusagen nur noch ein durchlaufender Posten sind. Es ist auch bereits darauf hingewiesen worden, daß die Fördereinnahmen insgesamt durch den Dollar- und Ölpreisverfall radikal gesunken sind. Meine Damen und Herren, damit tendiert das finanzwirtschaftliche Ergebnis des Verfassungsgerichtsurteils für alle Beteiligten mit Ausnahme Niedersachsens gen Null. Ich sage dies auch, weil ja hier heute und auch gestern im zuständigen Ausschuß des Bundesrates angeklungen ist, daß neue Klagen in Karlsruhe erwogen werden oder bereits angekündigt sind. Ich frage mich, welchen Vorteil die Länder davon eigentlich haben würden. Sie würden weiterhin erhebliche finanzielle Unsicherheiten haben. Das bisherige Ergebnis des Urteils ist — ich sage das noch einmal — finanzwirtschaftlich nicht interessant. Es ist nur interessant geworden, weil der Bundesfinanzminister bzw. der Bundestag über die Bundesergänzungszuweisungen noch Geld drauflegen. Aber die Instrumente haben enorm an Flexibilität eingebüßt. Das heißt: Unsere Möglichkeiten, vernünftige Lösungen zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Länder zu finden, sind wesentlich geringer geworden. Insoweit kann ich nur warnen, dieses Thema weiter fortzuführen.
Ich habe darauf hingewiesen, daß sich Niedersachsen nach wie vor in einer schwierigen Haushaltslage befindet. Ich will die Auseinandersetzung hier nicht verschärfen, sondern ich will das nur noch einmal betonen.
Aber ich will vielleicht auch erwähnen, weil das jedenfalls bei einem Sprecher der SPD sehr deutlich durchklang, daß hier auch parteiübergreifend nicht nur argumentiert wird, sondern auch entschieden worden ist. Das ist gestern im Bundesratsausschuß sehr eindrücklich klargeworden. Insofern denke ich, daß hier einige vordergründige Argumente vorgetragen werden, die den Sachverhalt nicht treffen, sondern nur von dem wesentlichen Punkt ablenken sollen.
Ich möchte jedenfalls aus Sicht des Landes Niedersachsen sagen, daß wir der Auffassung sind, daß mit der Entscheidung über den Entwurf der Bundesregierung, der heute hier zur Abstimmung steht, und dem Zuwachs bei den Bundesergänzungszuweisungen der Bund eine wichtige Aufgabe wahrgenommen hat, nämlich seine Ausgleichsfunktion in bezug auf die Länder zu verstärken und hiermit insbesondere die Probleme der finanzschwachen Länder stärker zu berücksichtigen. Wir sind dafür dankbar.
Ich will allerdings auch hinzufügen, daß es an dieser Problematik sicherlich weiterzuarbeiten gilt, denn natürlich kann es auf Dauer nicht angehen, daß die Finanzschwachen oder die Armen besonders viel für Sozialhilfe zahlen müssen und damit die Schere zwischen den Ländern immer weiter auseinandergeht und die Finanzschwachen keine Möglichkeit haben, ihre Zukunftsaufgaben sachgerecht zu lösen.
Ich weiß allerdings, daß hier die Finanzsituation des Bundes zu beachten ist und insofern noch viele Themen zu diskutieren sein werden.
Ich denke, ich sollte die mehr technischen Dinge jetzt nicht mehr vortragen, weil auch ich weiß, daß der Freitag ein Tag ist, der nicht zu allzu langem Arbeiten einlädt.
— Ich habe doch nicht von Ihnen gesprochen. Ich bitte um Entschuldigung. Das habe ich überhaupt nicht gesagt.
Ich würde einen Punkt noch gern ansprechen wollen, und das ist die Heranziehung der Jahre 1985, 1986 zur Abrechnung für das Jahr 1987. Ich halte dies nicht nur für vernünftig, sondern auch für zulässig, weil die Zahlenbasis eben bekannt ist. Sie wird in den Folgejahren exakt fortgeschrieben, wie es sich eben aus der finanziellen Entwicklung eines jeden Landes ergibt. Dies heißt, daß zu Beginn eines jeden Haushaltsjahres die Bundesergänzungszuweisungen in den Ländern bekannt sind und uns erspart wird, am Schluß des Jahres abzurechnen, was bisher erhebliche Unsicherheiten für unsere Landeshaushalte geschaffen hat.
Ich sollte auch noch darauf hinweisen, daß die Lösung dazu führt — wir sie dennoch für vertretbar halten — , daß Niedersachsen deshalb im Jahre 1987 30 Millionen DM weniger bekommt.
Ein weiteres Wort noch zu den Sonderlasten, die hier insbesondere von Nordrhein-Westfalen in die Diskussion eingebracht worden sind. Diese sind bekanntlich im eigentlichen Länderfinanzausgleich vom Bundesverfassungsgericht strikt untersagt, mit Aus-
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nahme der hanseatischen Hafenlasten. Bei den Bundesergänzungszuweisungen dürfen sie, müssen aber nicht berücksichtigt werden. Bekanntlich hat jedes Land — das habe ich im letzten Jahr sehr intensiv erfahren und gelernt — seine eigene Sonderlast; Montansonderlasten, Küstensonderlasten, Grenzlandsonderlasten, Werften, Bergbauern; die Latte läßt sich beliebig fortschreiben. Sie werden in den Ländern individuell als drückend empfunden. Das gilt übrigens auch für den Bereich von Militäreinrichtungen. Auch diese werden von vielen als Sonderlast empfunden. Warum soll dann eigentlich eine Sonderlast verfassungsrechtlich geboten sein, eine andere dagegen nicht?
Im übrigen muß ich auch sagen, daß die bisher, ich sage einmal: namhaft gewordenen Sonderlasten eine Summe umfassen, die irgendetwas zwischen 5 Milliarden und 6 Milliarden DM ausmacht. Das ist die Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs der Bundesergänzungszuweisungen überhaupt. Sie übersteigt damit unsere Möglichkeiten entschieden. Derartige Sonderlastenansätze würden die Bundesergänzungszuweisungen sprengen. Insofern glaube ich, daß es richtig ist, wenn der Bundesgesetzentwurf sie vernünftigerweise nicht berücksichtigt, von einigen wenigen und, wie ich meine, vernünftigen Ausnahmen bei den Kosten der politischen Führung oder einer Haushaltsnotlage abgesehen.
Insofern erkläre ich für uns: Insgesamt ist der vorliegende Entwurf verfassungsrechtlich unbedenklich und finanzwirtschaftlich vernünftig. Man darf den bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht überfordern. Er ist kein Allheilmittel gegen alle finanzwirtschaftlichen Mängel und Belastungen in Bund und Ländern. Die Verhandlungserfahrung der vergangenen Monate zeigt, daß diese Neuregelung an der Grenze ihrer politischen Gestaltungsmöglichkeit angelangt ist, will heißen: das Sankt-Florians-Prinzip hilft nicht mehr weiter.
Wenn dennoch einige Beteiligte meinen, mit diesem Entwurf auf Dauer nicht leben zu können, so wiederhole ich, was sich eben angedeutet hat: Dann sollten wir eine umfassende Finanzwirtschaftliche Bestandsaufnahme zwischen Bund und Ländern machen. An dieser Diskussion werden wir uns gerne konstruktiv beteiligen.