Rede von
Matthias
Engelsberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Scheer, Sie haben sich sehr vorsichtig ausgedrückt und haben gesagt: „die Nutzung möglich sein kann". Die Frage ist damit offen. Ich möchte Ihnen sagen, weil Sie Fachmann und Experte sind — ich habe Ihr Buch gelesen — , daß es doch daran liegt, ob wir vernünftige Wirkungsgrade gerade bei der Elektrolyse bekommen werden. Mit heutigen Wirkungsgraden von etwa 50 To können wir wirtschaftlich diese solare Wasserstofftechnik nicht verwirklichen. Wenn Sie sich vorstellen, daß wir bei der Umwandlung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff 50 % Verlust haben, daß wir weiterhin das Transportproblem haben, den Wasserstoff in großen Gasleistungen von Afrika nach Europa zu bringen und daß wir dann bei der Umsetzung des Wasserstoffs in elektrische Energie wieder einen Wirkungsgrad von 40 % haben, wird deutlich, daß nur ein ganz geringer Prozentsatz dieser Energie bei uns in der Bundesrepublik ankommt.
Meine Damen und Herren, ich könnte noch viel dazu sagen. Ich möchte Sie noch darauf aufmerksam machen, daß gestern abend Herr Professor Bednorz hier in Bonn in einem Vortrag eine sehr bedeutende Äußerung im Hinblick auf die Supraleitung gemacht hat. Er hat gesagt, daß möglicherweise schon in den 90er Jahren die Stromübertragung durch Supraleitfähigkeit realisiert werden kann. Meine Damen und Herren, dann brauchen wir keinen Wasserstoff mehr und keine Umwandlung in den Wasserstoff, dann können wir die Solarenergie oder die Wasserkraftenergie direkt in die Industrieländer überführen.
— Ich habe leider nicht die Zeit, Herr Scheer, darauf genauer einzugehen. Es würde mich freuen, ich könnte das.
Meine Damen und Herren, es wäre eine Illusion zu glauben, diese Zeitspanne könnte durch zusätzliche Finanzmittel beliebig verkürzt werden. Deshalb hätte Ihr Antrag nur dann einen Sinn, wenn man der Bundesregierung vorwerfen könnte, sie würde auf dem Gebiet der Solarenergie und der Wasserstoffwirtschaft zu wenig tun. Ein solcher Vorwurf wäre aber angesichts der vorliegenden Fakten und Aktivitäten absurd.
Wenn Sie sich beispielsweise die Ausarbeitung des BMFT „Wasserstoff — Energieträger mit Zukunft", Ausschußdrucksache 009, ansehen, werden Sie auf eine Fülle von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen stoßen, die fast nahtlos mit den von Ihnen erhobenen Forderungen übereinstimmen. Sie fordern also gerade im Bereich der Forschung und Entwicklung Initiativen und Projekte, die vom BMFT längst geleistet werden.
In dem uns ebenfalls zugegangenen Förderungskatalog des BMFT sind nach dem Stand vom 28. Februar 1987 allein 190 Projekte auf dem Gebiet der solarthermischen Kraftwerke, der Photovoltaik, der Brennstoffzellen sowie unterschiedlicher Wasserstoffsysteme mit einem Gesamtaufwand von 880 Millionen DM enthalten. Wer deshalb den Eindruck vermittelt, die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Solar- und Wasserstofftechnik würden bei uns vernachlässigt, ist entweder inkompetent oder er ist böswillig. Aber vermutlich handelt es sich hier nur um ein Ablenkungsmanöver der SPD.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1987 3187
Engelsberger
Meine Damen und Herren, nachdem die SPD vor den energiepolitischen Realitäten der Gegenwart kapituliert hat, träumt sie wieder einmal von der alle Probleme lösenden Energie von morgen. Solarenergie und Wasserstoff sind für die SPD sozusagen als Kontrastprogramm zu ihren kernenergiepolitischen Schreckens- und Ausstiegsszenarien der Stoff, aus dem die Träume sind.
Herr Kollege Scheer, ich möchte Ihnen sagen, es wäre höchst an der Zeit, daß wir auch hier im Deutschen Bundestag zu einem Konsens in der Energiepolitik, wie er vorhanden war, zurückkehren. Ich glaube, wir werden unsere Kohleprobleme nicht lösen können, wenn der Einsatz von Kernenergie in der Bundesrepublik uns nicht letzten Endes einen Preis garantiert, zu dem unsere Wirtschaft und unsere Industrie noch exportfähig bleibt. Das wollte ich dazu sagen.
Im Freistaat Bayern haben wir übrigens schon vor Tschernobyl ein Projekt der Solar-Wasserstoff-Technik zwischen Herrn Dr. Bölkow und der Bayernwerk AG vereinbart. Ziel dieses Projektes ist es, die praktische Stromgewinnung aus verschiedenen Solarzellen, die Einspeisung dieses Stromes in das öffentliche Netz und die Möglichkeit der Gewinnung eines speicherfähigen Energieträgers zu erproben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Herr Kollege von den GRÜNEN zu der dubiosen Vorstellung kommen kann, daß das hier etwas mit der Kernfusion zu tun hat. Vielmehr ist hier der günstigste Standpunkt im Bayerischen Wald gefunden worden, an dem man dieses Projekt erfolgversprechend verwirklichen kann.
Die vielfältigen Aktivitäten der in Bayern ansässigen Wirtschaft auf diesem Gebiet — von der Halbleiterproduktion über die Photovoltaik bis hin zur Herstellung und Montage von Solarkollektoren —, die Vielfalt der bayerischen Forschungsstätten, in denen auch auf diesem Spezialgebiet Ergebnisse mit internationaler Anerkennung erarbeitet werden, der traditionell hohe Anteil des aus Wasserkraft erzeugten Stromes ebenso wie der Bau von Solarhäusern zeigen beispielhaft, daß man diesem Grundsatz unserer Politik auch in der Praxis Rechnung getragen hat.
Herr Kollege Scheer, ich möchte mich bei Ihnen besonders bedanken, daß Sie sich sehr stark gerade für die Wasserkraft einsetzen. Mir scheint nämlich die Möglichkeit, eine Wasserstoff-Technologie zu verwirklichen, viel eher unter dem Einsatz der Wasserkräfte in den Kontinenten gegeben zu sein, in denen die Wasserkraft erst zu nur etwa zwei oder drei Prozent ausgebaut ist. Wir wissen, daß in Kanada vier Großprojekte von Wasserkraftwerken mit je 5 000 Megawatt geplant und im Bau sind. Das sind also riesige Dimensionen. Sie kennen aus der Presse auch die Vorstellung, daß man den Wasserstoff dort erzeugt, mit Transportern in die Industrieländer überführt und wieder in Energie zurückverwandelt. Der Wasserstoff hat einfach das Bestechende, daß er letzten Endes schadstofffrei verbrennt, daß er praktisch zu Wasser verbrennt. Das könnte langfristig unsere Umweltbelastung entspannen und ein Szenario sein, das für Jahrhunderte Gültigkeit hat. Aber leider sind wir bis jetzt noch nicht so weit.
Meine Damen und Herren, so wichtig politische Phantasien und technologische Träume bisweilen sein können, sie dürfen uns aber nicht zur Flucht aus der politischen Realität verleiten. Zumindest für eine Regierungspartei sind Träume oder Phantasien gerade im Energiebereich deshalb kein Politikersatz. Wie ich schon gesagt habe, müssen wir ja die Sicherheit der Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit ausreichender Energie und zu bezahlbaren Preisen letzten Endes verantwortlich gewährleisten.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß die Sechste Weltwasserstoff-Konferenz vor Jahresfrist in Wien im Gegensatz zu Ihren Forderungen im Wasserstoff ausdrücklich keine Alternative zur Kernenergie gesehen hat. Man hat sich auf dieser Wiener Tagung ganz im Gegenteil von der Kernenergie wichtige Schrittmacherdienste für die Wasserstoff-Wirtschaft erhofft, weil man nämlich den billigen Kernenergiestrom in Zeiten geringeren Bedarfes für die Elektrolyse nutzen kann. Sie sehen also, daß Sie sich auch in dieser energiepolitischen Sachfrage einmal mehr ins internationale Abseits gestellt haben; denn Sie wissen ja, die UNO-Konferenz mit 142 Nationen hat sich einstimmig weiter für den Einsatz der Kernenergie auch nach Tschernobyl ausgesprochen. Wir können immer darüber reden, daß wir aus der Kernenergie aussteigen, wenn wir eine vernünftige Ersatzenergie haben. Die steht uns heute natürlich nicht zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, gerade in der Energiepolitik müssen wir immer wieder mit Enttäuschungen und Rückschlägen rechnen. Immerhin konnte selbst Israel — Israel verfügt, wie Sie wissen, über kochentwickelte technische Intelligenz und industrielle Fertigungsfähigkeiten — trotz bester klimatischer Bedingungen den Anteil der Solarenergie an der gesamten Primärenergie bis heute nur auf 2 % bringen. Es sind lediglich 2 % trotz Einsatz höchstmöglicher Summen. Frankreich hat bekanntlich seine Versuchsanlage am Nordrand der Pyrenäen vor Jahresfrist wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt. Ich darf Ihnen auch sagen, daß unser deutsches Projekt in Pellworm erst in 30 Jahren die Energie wieder zurückbringen wird, die eingesetzt werden mußte, um diese Anlage zu bauen. Sie bringt bei 4 700 Quadratmeter Solarfläche lediglich 270 000 Kilowattstunden im Jahr. Das sind noch keine Ergebnisse, die man in das Großtechnische umsetzen könnte.
Es kann deshalb auch nicht damit getan sein, daß wir in der Bundesrepublik immer wieder neue, aufwendige Solarprojekte rund um den Erdball entwikkeln und erproben, wenn dabei am Ende nicht auch greifbare und verwertbare Ergebnisse herauskommen; denn mit Solartourismus allein werden wir die Probleme unserer künftigen Energieversorgung mit Sicherheit nicht lösen können.
Es wäre im übrigen auch unzulässig, so zu tun, als wäre mit der Solartechnologie verbundene Wasserstofftechnik gänzlich unproblematisch. Herr Scheer, Sie wissen, das Wasserstoff mit Sauerstoff das hochexplosive sogenannte Knallgas ergibt. Derartige Gasexplosionen könnten die Sozialverträglichkeit dieser
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Engelsberger
Energieform zwar nicht in Frage stellen, aber zumindest tangieren.
— Wir haben auch bei Stadtgas leider immer wieder Explosionen gehabt, die zu Verlusten von Menschenleben führten. Das ist ganz klar, Herr Stahl. Leider ist das so.
Meine Damen und Herren, wir werden selbstverständlich zustimmen, daß Ihr Antrag an die entsprechenden Ausschüsse verwiesen wird und dort sachgerecht und noch tiefschürfender behandelt werden kann. Aber wir müssen feststellen, daß wir dem Antrag zunächst nicht zustimmen können, weil er einerseits Maßnahmen fordert, die von der Bundesregierung seit Jahren in ausreichendem Maße gefördert werden, und weil er andererseits energiepolitisch wieder einmal alles auf eine Karte setzt, und zwar diesmal auf die Solarenergie und die Wasserstofftechnik.