Rede von
Prof. Dr.-Ing.
Karl-Hans
Laermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Vosen, wollen Sie dann bitte auch zur Kenntnis nehmen, daß auf Grund unserer langjährigen interfraktionellen Bemühungen die Förderungsinstrumente des Forschungsministeriums auch verändert worden sind und daß sich, was die direkte Förderung in Programmen angeht, natürlich das Verhältnis von Industrieaufwendungen zu Aufwendungen der öffentlichen Hand verändert hat. Deswegen sage ich: Auf eine Förderquote von 50 % bezogen, sind wir in der Bilanz wesentlich höher als wir früher je gewesen sind. Wir haben einen kontinuierlich steigenden Anteil.
— Ich gebe Ihnen gerne Rechennachhilfe, Herr Kollege Stahl. Ich glaube aber nicht, daß Sie die nötig haben. Sie tun hier nur so.
Ich verhehle auch nicht — damit Sie ein Bonbon bekommen —, daß die FDP eine raschere Umorientierung sehr begrüßt hätte. Die aus den frühen 70er Jahren herrührenden langfristigen vertraglichen Verpflichtungen in der nuklearen Entwicklung aber haben den Handlungsspielraum doch über die Maßen
— nach unserem Verständnis — eingeschränkt. Sie haben Brüter und Hochtemperaturreaktor genannt. Ich will das den Kollegen von der SPD-Fraktion nur noch einmal in Erinnerung rufen. Ich will Ihnen daraus keinen Vorwurf machen — damit wir uns da nicht mißverstehen —, aber ich meine, Sie sollten sich daran erinnern, woher denn diese Verpflichtungen rühren. Wir sind sicherlich darin einig, daß wir solche eingegangenen Verpflichtungen und Verträge einhalten und abwickeln müssen. In dem gebotenen Rahmen haben wir versucht die Dinge umzuorientieren und umzuschichten. Ansichten und Einsichten können und müssen sich gewiß ändern. Aber daß Regierungsverantwortung auch beinhaltet, von vorherigen Regierungen eingegangene Verträge zu erfüllen, darüber sind wir uns doch sicherlich einig.
Wir sind uns aber auch darin einig — das sage ich ganz deutlich und nachdrücklich und nicht erst hier
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1987 3183
Dr.-Ing. Laermann
und heute; das wissen Sie sicher sehr genau, Sie erinnern sich — , daß die Verminderung der Umweltbelastungen, daß rationelle Energieverwendung in Umwandlungsprozessen wie in der Energienutzung und die Erforschung und Entwicklung von Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu einem zentralen Anliegen der Forschungs- und Technologiepolitik gemacht werden müssen und es ja auch sind. Es wird ja so verfahren, wenn das einigen auch nicht schnell genug geht. Dabei sollten wir die wirtschaftlichen Aspekte und auch die Auffassungen und Interessen anderer Länder der Welt nicht außer acht lassen.
Verehrte Kollegen von der SPD, Sie haben recht, wenn Sie auf die zu befürchtenden langfristigen globalen Auswirkungen einer intensiven weltweiten Energieversorgung auf der Grundlage fossiler Energieträger — sprich: u. a. auch das CO2-Problem —, auf die Begrenztheit der Ressourcen und den steigenden Weltenergiebedarf infolge wirtschaftlicher Entwicklung der Länder der Dritten Welt und der zunehmenden Weltbevölkerung hinweisen. Wir werden davon auszugehen haben — auch wenn die Industriestaaten bei der weiteren Einsparung von Energie noch so erfolgreich sind — , daß wir weltweit einen steigenden Energiebedarf haben. Es liegt in unserer Verantwortung, Lösungen zu finden.
Es stellt sich die Frage, wie wir diesen Bedarf dekken können. Diese Betrachtung im Zeitrahmen sagt mir ganz deutlich, daß wir ohne die Nutzung der Kernenergie vorläufig nicht werden auskommen können und daß wir auch nicht auf mögliche Optionen einer eventuellen Nutzung der Kernfusion verzichten können. Da hat der Kollege Lenzer recht.
In Ihrem Antrag steht in der Tat: Die vorhandenen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten für Fusionsenergie in Europa sind umzuwidmen. — Sie haben dann gesagt, wohin. Das heißt doch Aussteigen aus der Fusionsenergie. Aber wir sind ja nicht allein in Europa. Wir sind sogar internationale Verpflichtungen eingegangen. Ich denke an das ITER-Projekt, das eine Kooperation zwischen der Sowjetunion, den USA, Japan und Europa — sprich: der EG — vorsieht. Ich meine, daß wir langfristig gesehen hier in der Tat auch weiter werden forschen müssen. Ich bin auch nicht sicher, ob das zu einem Ergebnis führt, ob wir das jemals zur Deckung des Energiebedarfs werden nutzen können, aber wir sind dennoch aus dem Aspekt der Vorsorge heraus verpflichtet, dies zu tun.
Aus der Überlegung heraus, daß wir den Weltenergiebedarf nicht durch Kernenergie und nicht durch fossile Energieträger werden decken können, bin ich mit Ihnen darin einig, daß alle erneuerbaren Energiequellen — Sonne, Wind, Biomasse, Geothermik oder was immer es gibt — im kleinen, dezentral genutzt werden müssen. Wenn die Energiedichte auch gering ist, so werden die erneuerbaren Energiequellen in der Summe doch einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Energiebedarfs leisten können, auch in unseren Breiten. Da gibt es gar kein Vertun. Die Frage der Wirtschaftlichkeit will ich hier nicht ansprechen, aber rein technisch gesehen besteht die Möglichkeit. Wir sollten diese Entwicklungen kontinuierlich, in aller
Behutsamkeit und nicht im Hauruck-Verfahren — das sage ich an die GRÜNEN gerichtet, denn damit schaden Sie mehr als Sie nutzen — fördern.
— Ich weiß, daß ich bei Ihnen damit nicht ankomme, aber lassen wir es. Dann brauchen wir uns auch nicht weiter darüber zu unterhalten.
Darüber hinaus — auch dies dürfte unstrittig sein — müssen aber auch die Voraussetzungen für eine zukünftige großtechnische Nutzung von Solarenergie und Wasserstofftechnik geschaffen werden. Es erscheint mir vom heutigen Stand der Erkenntnisse aus gesehen möglich, dazu, wie gesagt, vor allem auf Photovoltaik in Verbindung mit der Erzeugung von Wasserstoff zu setzen, was nach meiner Kenntnis derzeit die einzige sinnvolle wirtschaftliche Möglichkeit eröffnet, kurz- und längerfristig auch elektrische Überschußenergie zu speichern. Vielleicht können wir damit auch dezentral der Sonnenenergienutzung und der Windenergienutzung zum Durchbruch verhelfen. Auf Ihre Spekulationen gehe ich jedoch nicht weiter ein.
Nun muß ich allerdings die Frage stellen, ob nicht aus unseren bisherigen Erfahrungen heraus bezüglich der Akzeptanzproblematik auch die Wirkung einer solchen Technik auf die Umwelt und die Sicherheit beim Umgang mit Wasserstoff von Anfang an begleitend mit untersucht werden muß. Stellen wir uns nur einmal die großtechnische Nutzung vor. Wenn Sie 1 000 Megawatt Nennleistung über Solarzellen gewinnen wollen, dann brauchen Sie nach dem heutigen Erkenntnisstand schon bei polykristallinem Silizium eine Fläche von etwa 65 Quadratkilometern. Wenn dies in großtechnische Nutzung überführt wird, können Sie sich vorstellen, was dies für Akzeptanzprobleme gibt? Sie sagen in Ihrem Antrag: Es ist nicht erkennbar, daß es hier Naturbeschädigungen gibt. Wie verändern denn solche Solarfarmen in der Sahara — um einmal die Vision von Herrn Dr. Dahlberg aufzunehmen — mit solchen riesigen Flächen etwa das Klima im Mittelmeerraum? Ich denke, wir sind richtig beraten, wenn wir auch an dieser Stelle zunehmend begleitende Forschungsaktivitäten unternehmen. Ich jedenfalls halte das für unverzichtbar.
— Ich halte es für unverzichtbar; ich möchte noch einmal betonen, daß ich das für notwendig halte.
Ich sehe, wie gesagt, auch hier einen erheblichen Bedarf an Begleitforschung. Wir sollten aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen und denselben Fehler nicht ein wiederholtes Mal machen.
Lassen Sie mich auch noch anmerken, daß Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Optimierung der Herstellungs- und Nutzungsprozesse eine bedeutende Rolle spielen und ganz entscheidend für die Umsetzungsgeschwindigkeit neuer Energietechniken sind.
Ich möchte hier jetzt — die Zeit ist abgelaufen — nicht weiter auf Einzelheiten des vorliegenden Antrags eingehen. Dazu sollte in den Beratungen der Ausschüsse hinreichend Gelegenheit gegeben sein. Ich würde es begrüßen, wenn wir eine sehr gründliche Beratung in den Ausschüssen vornehmen könnten:
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nicht nur im Forschungsausschuß, sondern eben auch — hier haben wir wirklich wieder ein interdisziplinäres Problem, das wir als Querschnittsaufgabe betrachten müssen — in anderen Ausschüssen, und zwar wegen der nationalen wie der internationalen Bedeutung der Erschließung und Nutzung erneuerbarer Energien. Denn damit erfüllen wir, das Parlament, einen Teil unserer Verpflichtung, einer Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen, auch gegenüber Ländern der Dritten Welt.
Ich meine, daß wir, in diesem wohlverstandenen Sinne auch zu einer Formulierung von forschungs- und energiepolitischen Zielen über Parteigrenzen hinweg kommen sollten. Das müßte, meine ich, möglich sein. Denn das ist ein Gebiet, das sich für kurzfristige parteipolitische Profilierungsakrobatik nicht eignet. Wenn wir uns im Grundsätzlichen einig werden können, dann sollten wir, denke ich, auch unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Weg zu diesem grundsätzlichen Übereinkommen und zu den gemeinsam formulierten Zielen ausräumen können und Schwierigkeiten überwinden können. Das wäre jedenfalls mein Anliegen für die zukünftigen Ausschußberatungen.
Wir stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.
Danke schön.