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    Plenarprotokoll 11/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Flutkatastrophe in der Küstenprovinz Natal und des Taifuns Nina im Süden der Philippinen 3035 A Erweiterung der Tagesordnung 3035 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erhöhung der Mitgliederzahl der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" (Drucksache 11/1351) 3035 B Tagesordnungspunkt III: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969, 11/1051 bis 11/1079, 11/1081, 11/1360) Dr. Dregger CDU/CSU 3035 D Dr. Spöri SPD 3041 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3047 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3051 A Dr. Rose CDU/CSU 3055 A Walther SPD 3057 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3064 B Namentliche Abstimmungen 3069 B Ergebnisse . . . . 3070D, 3072B, 3073D, 3075B, 3076D, 3078A, 3079C Präsident Dr. Jenninger 3056 B Nächste Sitzung 3081 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3083' A Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 . 3083* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3083* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 3035 44. Sitzung Bonn, den 27. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Bahr 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Brandt 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Dr. von Bülow 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Faltlhauser 27. 11. Frau Faße 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Frau Geiger 27. 11. Grünbeck 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Horn 27. 11. Hoss 27. 11. Huonker 27. 11. Jansen 27. 11. Frau Karwatzki 27. 11. Klose 27. 11. Kraus 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Dr. Graf Lambsdorff 27. 11. Leidinger 27. 11. Lenzer * 27. 11. Dr. Lippelt 27. 11. Lowack 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Möllemann 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Müller (Pleisweiler) 27. 11. Niggemeier 27. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Paterna 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Repnik 27. 11. Reuschenbach 27. 11. Scheer 27. 11. Schmidt (München) * 27. 11. Schmitz (Baesweiler) 27. 11. Dr. Schöfberger 27. 11. Frau Steinhauer 27. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Trenz 27. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt) 27. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wilz 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 Auch wenn ich der Bewertung der aktuellen und künftigen Arbeitsmarktentwicklung durch den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Heinrich Franke, in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 24. Oktober zustimme, lehne ich den von der SPD-Bundestagsfraktion gestellten Entschließungsantrag ab. Im besagten Interview hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit keineswegs für den Bundeshaushalt 1988 bereits ein Städtebauprogramm von 10 Milliarden DM gefordert. Eine solche Forderung ist auch von mir in meinem heutigen Interview mit der Kölner Tageszeitung Express nicht erhoben worden. Auch die Sozialausschüsse der CDA sprechen - im Gegensatz zur SPD - von öffentlichen Investitionen im Kommunalbereich zu Lasten des Bundeshaushalts von vier Milliarden DM für die nächste Zeit. Vor allem kann dem SPD-Antrag nicht zugestimmt werden, weil in dem jetzt zur Verabschiedung anstehenden Bundeshaushalt 1988 ein solches Programm nicht finanziert werden kann. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Datenspeicherungspraxis beim Bundeskriminalamt" - Drucksache 11/1015 - zurückzieht. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Änderung der Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nichtjüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung" - Drucksache 11/743 - zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beratung der nachstehenden Vorlagen abgesehen haben: 3084* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 47 Haushaltsausschuß Drucksache 11/840 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/462 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/85 Drucksache 11/86 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 122 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/138 Nr. 3.5 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/138 Nr. 3.24 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/253 Nr, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19 2.20, 2.21 2.22, 2.23, 2.24, 2.25 Drucksache 11/339 Nr. 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/561 Nr. 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/138 Nr. 137 Drucksache 11/883 Nr. 113, 114 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.156 Drucksache 11/883 Nr. 120, 121 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 124 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/929 Nr. 2.32 Drucksache 11/973 Nr. 2.16
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    Rede von Rudi Walther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich habe Ihnen ausdrücklich zugestimmt, aber wenn ich alle Mängelrügen an diesem Haushalt aufzählen müßte, würde ich wahrscheinlich noch länger als eine Stunde nur über dieses Thema reden müssen. Sie haben mir ja freundlicherweise die Arbeit abgenommen, Frau Kollegin.
    An allen diesen Dementis, von denen ich soeben geredet habe, meine Damen und Herren, waren mindestens immer zwei Bundesminister beteiligt. Ein einziges Regierungsmitglied hatte allerdings den dialektischen Freimut, sich mit sich selbst in Widerspruch zu setzen, nämlich der Bundeswirtschaftsminister.

    (Dr. Spöri [SPD]: Ja!)

    Er berichtet dem Ausschuß bei der Beratung seines Einzelplanes am 5. November ganz wohlgelaunt, wie wir das von ihm kennen, freundlich, breit und rund Optimismus ausstrahlend,

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Fröhliche Leute machen gute Arbeit!)

    von einem zufriedenstellenden Wirtschaftswachstum für die Zukunft. Fünf Tage später, am 10. November, schreibt er dem „Sehr verehrten Kollegen Stoltenberg", daß er ernste Gefahren für die Weltkonjunktur und unsere eigene Wirtschaftsentwicklung sehe — Durchschlag an den „Sehr geehrten Herrn Bundeskanzler".

    (Dr. Vogel [SPD]: Strauß soll auch einen Durchschlag bekommen haben! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Also, lieber Herr Bangemann, zwischen beiden Aussagen muß doch mehr als ein mißratenes Wochenende gelegen haben.

    (Bundesminister Dr. Bangemann: Ein Börsenkrach!)

    — Aber doch nicht in den fünf Tagen, lieber Herr Bangemann. Also, so weit reicht unser beider Gedächtnis doch, um zu wissen, daß Ihr Zwischenruf in der Sache falsch ist.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich beschränke meine Verfahrenskritik nicht auf die Überfrachtung der Bereinigungssitzung mit Beratungspunkten infolge der Schwäche der Bundesregierung. Ich kritisiere auch, daß die Koaltitionsfraktionen selbst nicht fähig sind, die Einzelpositionen des Haushalts in den Griff zu bekommen, um einen ausgeglichenen Gesamthaushalt nach ihren Zielen zu gewinnen, sondern sich — genau wie im Vorjahr — auf zweifelhafte Kraftakte verlegen.
    Dazu gehört wiederum die globale Minderausgabe in Höhe von 590 Millionen DM, die ausgebracht wurde, obwohl der Ausschuß ihr mehrfach ausdrücklich abgeschworen hatte, weil sie nämlich die Parlamentsrechte auf den Bundesfinanzminister überträgt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Ich geb ja zu, daß wir diese Dummheit früher auch einmal gemacht haben. Aber wir haben daraus gelernt, daß man das nicht noch einmal machen darf. Doch die Koalition in ihrer Haushaltsnot macht das gleiche noch einmal.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber zu den, meine Damen und Herren, wirklichen Böse-Buben-Streichen, die in der letzten Bereinigungssitzung gemacht worden sind, gehört die Kürzung der Personalstellen um 1 %, mit der ein erheblicher Teil wohlbegründeter und zunächst bewilligter Stellen wieder eingesammelt wird. Damit wird auch die Arbeitslosenzahl in Nürnberg um einige Tausend erhöht und kostet deshalb an anderer Stelle eine Menge öffentliches Geld. Daß Sie damit die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes desavouieren, daß Sie damit Ihren Bundeskanzler desavouieren, der noch wenige Tage vorher beim Deutschen Beamtenbund etwas ganz anderes erzählt hatte, juckt Sie offenbar überhaupt nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu diesen Tollheiten gehört auch die Ausgabensperre von 3 % in den Obergruppen 51 bis 54, die nach der hohen Ausgabensperre des laufenden Jahres die Arbeitsfähigkeit der Bundesbehörden erneut beeinträchtigt. Wir haben ja in diesem Jahr gehört, daß es zumindest ein Bundesministerium gibt, das wegen dieser Sperre nicht in der Lage war, noch richtig zu telefonieren, und die Bürger bitten mußte, selbst anzurufen, weil es kein Geld mehr zum Telefonieren hatte; das haben wir ja im Haushaltsausschuß gehört. Trotzdem wird dieser Fehler wieder gemacht. Aber schwerer noch, meine Damen und Herren — ich wende mich jetzt einmal an die Berichterstatter für die entsprechenden Einzelpläne —, wirkt sich aus, daß diese Sperre diesmal expressis verbis für alle Zuwendungsempfänger, also ohne Ausnahme, gilt. Also, die Deutsche Sportjugend wird wieder jammern, die ganzen karitativen Verbände werden mir Briefe schreiben, wie im letzten Jahr. Sie haben daraus nicht gelernt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Diesmal sind es nur 3 %, letztes Jahr waren es 6 %!)

    — Diesmal sind es zwar nur 3 %, aber dafür für alle.
    Und beim letzten Mal konnte man ausweichen. Das



    Walther
    haben Sie in diesem Jahr ausdrücklich ausgeschlossen. Und damit kriege ich, sage ich einmal, als Ausschußvorsitzender wieder all die Protestbriefe für eine Tollheit, die Sie zu verantworten haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß Sie, meine Damen und Herren, diese Schwächung in Kauf nehmen und daß Sie bei der Personalkürzung die Bereiche der inneren Sicherheit, der Gerichte und des Militärs ausnehmen, zeigt, daß Ihre Parole von der Entstaatlichung zugleich Züge des Nachtwächterstaates traditioneller Art aufweist.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die aufgezählten globalen Kraftakte der Ausschußmehrheit desavouieren die mühevolle Detailarbeit der Berichterstatter des Haushaltsausschusses und machen sie teilweise zunichte.

    (Zuruf von der SPD: Leider wahr!)

    Wieder ist durch den Pauschalcharakter der Maßnahmen ein Stück parlamentarischen Gestaltungsrechts auf den Bundesfinanzminister übertragen. Dies alles tun Sie, um der Chimäre einer Nettokreditaufnahme von weniger als 30 Milliarden DM nachzulaufen, die Sie sich in einer schweren Fehleinschätzung am Anfang der Haushaltsberatungen vorgestellt hatten.

    (Beifall bei der SPD)

    Daraus entwickelt sich ein weiterer Verlust parlamentarischer Rechte, auf den ich nachdrücklich hinweise.
    Was ich Ihnen jetzt vortrage, ist auch für die Mitglieder des Haushaltsausschusses ganz neu. 1987 sind überplanmäßige Ausgaben in Höhe von sage und schreibe 1,6 Milliarden DM angefallen. Normalerweise hätte der Bundesfinanzminister bei einer solchen Summe einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    und sich nicht mit Hunderten über- und außerplanmäßiger Ausgaben ein bißchen am Rand des Haushaltsrechts entlang bewegen dürfen.
    1988 wird das noch schlimmer werden.

    (Zander [SPD]: Ja!)

    Das sage ich schon jetzt voraus. Denn diese Ausgaben sind nicht parlamentarisch bewilligte Ausgaben, sondern Ausgaben, die der Haushaltsausschuß im nachhinein lediglich zur Kenntnis nimmt, weil sie in der Verantwortung des Bundesfinanzministers ergehen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir haben doch die Kreditermächtigung nicht erweitert!)

    — Entschuldigen Sie! Das ist doch nicht eine Frage von Formalismus, sondern das ist eine Frage von Politik, Herr Kollege Dr. Friedmann, wie man mit dem Parlament umgeht.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie sich gefallen lassen, daß dieser Finanzminister nach schleswig-holsteinischer Gutsherrenart mit
    dem Parlament umgeht, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn er Sie weiter so behandelt.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Beratungsverfahren wie in diesem Jahr höhlt Rechte des Haushaltsausschusses, aber auch des gesamten Deutschen Bundestages aus und verlagert die Gestaltungsgewichte auf die Bundesregierung. Ich bitte Sie von der Mehrheit herzlich: Sorgen Sie dafür, daß sich ein solches Verfahren nicht wiederholt!

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist eine Frage des Ansehens des Parlaments.
    Auch inhaltlich kann diesem Haushalt mit gutem Gewissen niemand zustimmen. Er gibt überhaupt keine Antwort auf die drängenden Fragen dieser Zeit. Es ist noch gar nicht so lange her, daß ich nächtens im Autoradio gehört habe, dieser unser aller Bundeskanzler habe vor der Industrie- und Handelskammer — ich glaube, der Pfalz — gesagt, es gebe nun kein drängenderes Problem der deutschen Politik als die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Donnerwetter, habe ich gedacht, merkt der Mann das nach fünf Jahren Kanzlerschaft endlich schon? Und dann habe ich gedacht, der redet jetzt mal mit dem Kollegen Stoltenberg und sagt: Lieber Gerhard — ich vermute, die Herren duzen einander —,

    (Frau Simonis [SPD]: Nie!)

    nun habe ich denen versprochen, wir wollen jetzt mal so richtig die Arbeitslosigkeit bekämpfen; was steht denn in deinem Haushalt drin, und was können wir denn noch machen; vielleicht gibt es, da es sowieso so viele Nachschiebeteile gibt, ja nun mal Vorschläge, wie wir den Investitionsanteil des Bundeshaushalts für 1988 nachträglich erhöhen können. Aber weit gefehlt. Der Investitionsanteil des Bundeshaushalts sinkt auf einen historischen Tiefstand, während die Massenarbeitslosigkeit wächst und wächst, wie uns ja erst in diesen Tagen wieder von den Sachverständigen — was immer man sonst von ihnen halten mag — prophezeit worden ist.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

    — Aber natürlich stimmt das. Lesen Sie es doch mal richtig! In den Krisenbranchen — z. B. Kohle, Stahl und Werften — brennt es lichterloh; weitere Massenentlassungen stehen da bevor.

    (Dr. Struck [SPD]: Und was tut Bangemann?)

    Aber die Bundesregierung verhält sich wie jemand, dem man ein Bein abgehackt hat und der darauf wartet, daß es von selber nachwächst.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

    Jetzt rächt es sich, daß die Bundesregierung zwar zum Teil mit Geldern aus der Europäischen Gemeinschaft scheibchenweise Sterbehilfe geleistet, jedoch nie den Versuch einer entschiedenen Strukturpolitik zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gemacht hat. Es ist das Paradoxon eingetreten, daß Herr Stoltenberg im-



    Walther
    mer mehr sparen wollte und gleichwohl immer mehr Schulden aufgehäuft hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Sparsamkeit, Herr Dr. Stoltenberg, ist sicher eine gute Eigenschaft. Aber Sparsamkeit als Selbstzweck ist phantasielos, wenn sie nicht dem Zweck dient, Mittel für produktive, beschäftigungsfördernde Verwendung freizumachen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Struck [SPD]: Schuldenminister!)

    Ich habe gelesen, Franz Josef Strauß soll über Herrn Stoltenberg gesagt haben, er sei ein phantasieloser Sparer. Wenn er das gesagt hat, stimme ich dem zu.
    In den Jahren 1983 bis 1987 wird dieser Finanzminister 135 Milliarden DM neue Schulden gemacht haben. Neue Schulden! Nicht zurückgezahlt! Neue hat er gemacht! Wären nicht 55 Milliarden DM Bundesbankgewinne und über 6 Milliarden DM für die Verscherbelung von Bundesvermögen dazugekommen, dann betrüge das Haushaltsdefizit in diesen Jahren weit über 190 Milliarden DM. Herr Kollege Cronenberg, das hätten wir uns in sozialliberaler Zeit mal leisten sollen! Wie wäre dann der Hans von der Höppe an diesem Mikrophon auf- und abgehüpft!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Schuldenbilanz des gegenwärtigen Finanzministers wird im Jahre 1988 noch trostloser. Statt der jetzt eingesetzten fast 30 Milliarden DM werden es eher 40 Milliarden DM sein, wie das Haus Bangemann vorausschätzt.
    Natürlich — das wird überhaupt nicht bestritten — haben wir während der sozialliberalen Regierungszeit auch Kredite aufgenommen. Nur haben wir uns immer gefragt: Wofür machen wir neue Schulden? Bei allen Irrtümern, die auch uns gelegentlich unterlaufen sind — überall dort, wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht; das ist völlig unstrittig — , können wir aber sagen, daß wir mit erheblichen Teilen die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit finanziert haben,

    (Beifall bei der SPD)

    während die Schulden von Herrn Stoltenberg zum Stopfen von Haushaltslöchern gebraucht wurden.

    (Zander [SPD]: Und für neue Subventionen!)

    — Und für neue Subventionen. Herr Kollege Zander, Sie haben ausdrücklich recht.
    Der Vorwurf der Konservativen lautet doch immer, unsere kreditfinanzierten Beschäftigungsprogramme seien Strohfeuerprogramme gewesen. Meine Damen und Herren, im Ernst: Bei Ihnen gibt es auf dem Arbeitsmarkt ja noch nicht einmal ein Strohfeuer, während z. B. als Folge des Zukunftsinvestitionsprogramms im Jahre 1980 die Arbeitslosenzahlen deutlich unter 900 000 lagen.
    Es ist doch nicht wahr, wie in den vier Tagen hier vorgetragen wurde, daß es im Jahre 1987, also im fünften Jahr eines — wenn auch bescheidenen und jetzt abrutschenden — Wachstums, in nennenswertem Umfang mehr Beschäftigte in der deutschen Volkswirtschaft gebe als 1982 auf dem Tiefpunkt einer weltweiten tiefsitzenden Rezession. Es ist ja nicht wahr, daß es mehr Beschäftigte gibt.
    Diejenigen Arbeitsplätze, die in den letzten Jahren hinzugekommen sind, sind fast deckungsgleich mit denjenigen, die in den ersten beiden Jahren der Regierung Kohl vernichtet wurden.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Sie können die Zahlen beim Statistischen Bundesamt abfragen. Es gibt im Jahre 1987 nicht mehr Beschäftige als im Krisenjahr 1982.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie das nicht glauben, dann lesen Sie doch einmal die Jahresberichte aus dem Hause Bangemann nach. Dort steht es auch; man muß es nur lesen wollen. Die Bücher sind so dick, weil man hofft, daß sie dann keiner liest. Ich lese das, und daher weiß ich, daß das stimmt, was ich eben vorgetragen habe.
    Meine Damen und Herren, das Credo konservativer Wirtschaftspolitik lautet doch: Die Kleinen müssen Opfer bringen, die Löhne müssen niedrig bleiben, die Gewinne müssen kräftig steigen, und mit diesen Gewinnen müssen mehr Investitionen finanziert werden, die dann wieder zu mehr Arbeitsplätzen führen. Das war doch die ideologische Unterfütterung der Umverteilung von unten nach oben.
    Nun, die Rechnung ist nicht aufgegangen. Abgesehen von den Krisenbranchen sind die Gewinne kräftig gestiegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Explodiert sind sie!)

    Die Lohnquote ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Aber auch die Investitionsquote in der deutschen Volkswirtschaft, Kollege Cronenberg, ist so niedrig wie schon lange nicht mehr. Wir haben in unserer Volkswirtschaft eine Investitionsquote von lediglich 20 %. Wir hatten 1982 noch 23,5 %.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Sie haben die Zusammenhänge nicht begriffen! Die Eigenkapitalquote ist gestiegen!)

    — Wenn es um Zusammenhänge geht, sage ich Ihnen: Die Investitionsquote ist in der deutschen Volkswirtschaft so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr, trotz der gestiegenen Gewinne. Wo ist das Geld geblieben? Es ist zu einem erheblichen Teil ins Ausland gewandert.

    (Zurufe von der CDU/CSU — Zuruf des Bundesministers Dr. Bangemann)

    — Lieber Herr Bangemann, in Ihrem Jahresbericht habe ich doch gerade nachgelesen. 1985 sind 51 Milliarden DM netto an Kapital exportiert worden. 1986 waren es 69 Milliarden DM, und im ersten Halbjahr 1987 waren es 25 Milliarden DM.
    Das sind Beträge, die der deutschen Binnenkaufkraft entzogen wurden. Anders gesagt: Während die Amerikaner jahrelang über ihre Verhältnisse lebten, haben wir unter unseren Verhältnissen gelebt und damit zusätzliche Arbeitslosigkeit produziert.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Massenarbeitslosigkeit kostet unsere Volkswirtschaft jährlich mindestens



    Walther
    60 Milliarden DM. Auf der anderen Seite Seite gibt es Millionen Menschen, die arbeiten wollen und nicht können. Es gibt eine Menge Arbeit, die auf der Straße liegt, Arbeit für Aufgaben, die dringend gelöst werden müßten: im Umweltschutzbereich, im Bereich der Energieeinsparung, bei der Dorf- und Stadterneuerung. Das sind nur Beispiele. Aber niemand in der Regierung macht sich die Mühe, phantasievolle Strategien zu entwickeln, wie Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden kann.
    Unser Programm „Arbeit und Umwelt" ist ein solcher phantasievoller Versuch, der ja immerhin auch nach Schätzung des Forschungsinstituts der Bundesanstalt für Arbeit 750 000 neue Arbeitsplätze brächte. Wir sagen: 450 000. Das ist aber auch eine Menge Holz. Wir bitten Sie deshalb dringend: Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen doch endlich einmal ab, und begeben Sie sich mit uns gemeinsam auf den Weg, der nicht nur hunderttausende neue Arbeitsplätze schafft, sondern auch eine nachhaltige Verbesserung der Umwelt verheißt.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Schilling [GRÜNE])

    Herr Kollege Glos, es ist eben kein bürokratisches Programm, wie Sie fälschlicherweise behauptet haben. Es ist ein marktwirtschaftliches Programm. Es wirkt schnell und hilft endlich der realen Umweltverbesserung auf die Sprünge, und es kostet die öffentliche Hand trotzdem weniger als die zusätzlichen 10 Milliarden DM neue Schulden, die sich nach Schätzung des Hauses Bangemann 1988 über die jetzt genannten 30 Milliarden DM hinaus ergeben werden. Indem man die Arbeitslosigkeit passiv hinnimmt, macht man 10 Milliarden DM mehr neue Schulden, aber niemand ist bereit, aber auch nur einen Pfennig mehr auszugeben zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Sie haben doch gerade die Schulden kritisiert! Sie widersprechen sich doch!)

    Wenn Sie jetzt nicht handeln wollen, wann wollen Sie denn, bitte schön, endlich handeln?

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Hinweise auf die zukünftigen Steuerentlastungen überzeugen doch auch kaum noch jemanden. Das gilt für den 88er-Teil, aber noch viel mehr für den dubios finanzierten 90er-Teil. Denn wenn Sie wirklich Binnennachfrage schaffen wollten, müßten Sie die Entlastungen bei den unteren Einkommen erheblich verstärken, also bei den Menschen, die — wenn sie sich zu Hause umschauen — genau wissen, was ihnen noch fehlt. Statt dessen geben Sie den Kleinen relativ wenig, weit unter 1 000 DM, den Großen aber viel. Damit schaffen Sie wenig kaufkräftige Nachfrage, aber ein erhebliches Potential für Finanzanlagen, die am Arbeitsmarkt vorbeigehen, letztendlich die Investitionshaushalte der Länder und vor allem der Gemeinden erheblich beeinträchtigen und dazu auch noch die Schulden des Bundes kräftig in die Höhe treiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich ökonomischer Unsinn; denn im Zweifel borgt sich der Bund die zusätzlichen Kredite bei denen, die durch seine Steuerpolitik das zusätzliche Geld für weitere Finanzanlagen bekommen. Anders gesprochen: Erst gibt man es denen, und dann borgt man es sich bei denen, damit man die Schulden bezahlen kann.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die wirtschaftspolitische Kompetenz dieser Koalition wird deshalb ernsthaft auch noch kaum von jemandem behauptet. Wer es nicht glaubt, mag heute in „Die Welt" schauen, was der BMW-Chef Eberhard von Kuenheim *) über die wirtschaftspolitische Kompetenz dieser Bundesregierung gesagt hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU und der FDP: Kuenheim **)

    — Dann heißt er eben Kuenheim * * ), aber die Aussage ist doch richtig, Herr Bangemann.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sage mir, wen du zitierst, und ich sage dir, wer du bist!)

    — Daß ausgerechnet ein FDP-Mann einen Unternehmer diskriminiert, wie Sie das tun, Herr Kollege Dr. Weng, das nimmt mich nun wirklich wunder.
    Meine Damen und Herren, obwohl wir ein anderes Konzept haben, sagen wir Ihnen: Wir würden uns nicht versagen, wir würden mitmachen, wenn Sie auf die Idee kommen, noch schnell und unbürokratisch Investitionsprogramme auf den Weg zu bringen, die die dringend notwendige Verstärkung der Nachfrage wahrnehmen würden. Mehr an Kooperationsbereitschaft können Sie heute von uns nicht erwarten.
    Meine Damen und Herren, es fehlt dieser Regierung nicht nur an wirtschaftspolitischer Kompetenz, es fehlt ihr auch an finanzpolitischer Kompetenz. Das moderne Märchen von „Des Kaisers neuen Kleidern" ist nun endgültig geplatzt, nämlich das Märchen, daß da hieß, Herr Stoltenberg sei ein konsequenter Haushaltssanierer. Wir haben immer gesagt, daß der eigentliche Sanierungserfolg der hohe Bundesbankgewinn sei, den es zu sozialliberalen Zeiten in dieser Höhe nie gegeben hat. Die Richtigkeit dieser unserer Behauptung stellt sich jetzt immer mehr heraus. Mit Notoperationen und Flickschusterei will die Koalition die Nettokreditaufnahme unter 30 Milliarden DM halten. Dies wird nicht gelingen; denn für die Risiken aus der zunehmenden Arbeitslosigkeit, aus der Konjunktur, aus den Steuereinnahmen, aus dem Bundesbankgewinn, aus der Airbus-Finanzierung, aus dem Dollar-Verfall, aus dem EG-Haushalt, für all diese Risiken ist nirgendwo Vorsorge getroffen worden, nicht im Haushalt 1988, schon gar nicht in der mittelfristigen Finanzplanung.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben es fertiggebracht, in einem flachen, aber vorhandenen Wachstum eine hohe Nettokreditauf-
    *) „ue" gesprochen wie „ü" * *) „ue" gesprochen wie „u"



    Walther
    nahme zu benötigen, um den Haushalt auszugleichen. Sie haben es fertiggebracht, daß sich die Arbeitslosigkeit trotz steigender Verschuldung erhöht, weil Sie die Haushaltsmittel fehlleiten. Sie haben die Weichen dafür gestellt, daß sich die Schere zwischen den Einnahmen des Staates einerseits und den Ausgaben andererseits mittelfristig weiter öffnet, so daß die hohe Neuverschuldung verstetigt wird. Es fehlt Ihnen an Phantasie und konzeptioneller Kraft, das Grundübel der Massenarbeitslosigkeit auch nur ansatzweise zu lösen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, unser umfassendes Konzept, welches viele Ihrer Redner aus gedanklicher Trägheit erst gar nicht zur Kenntnis genommen haben, weil sie es gar nicht gelesen haben, ergibt sich aus unserem Entschließungsantrag, der ebenfalls nachher zur Abstimmung steht und um dessen Annahme wir das ganze Haus bitten.
    Meine Damen und Herren, zum Schluß: Jedermann muß sich entscheiden, ob er die große Geißel unserer Zeit, die Massenarbeitslosigkeit entschieden bekämpfen oder ob er sie tatenlos hinnehmen will. Wo wir Sozialdemokraten stehen, ist in dieser Debatte hinlänglich klargeworden.
    Meine Damen und Herren, ein Haushalt, der unter so vielen Fehlern und kritikbedürftigen Punkten leidet, kann unsere Zustimmung nicht finden. Wir machen uns nicht mitschuldig daran, daß ein Haushalt verabschiedet wird, der die Massenarbeitslosigkeit verstetigt.
    Vielen Dank.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Finanzen.

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    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen: Herr Kollege Bangemann hat im Hinblick auf die Geschäftslage und die Zeitsituation des Hauses auf eine Zwischenfrage verzichtet, Herr Walther. Statt dessen hat er mich gebeten, darauf aufmerksam zu machen, daß es sich bei der Schreibweise „ue" in bekannten Namen wie z. B. von Kuenheim oder Lueg um das mittelhochdeutsche Dehnungs-e handelt,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    daß also die Schreibweise „ue" nicht dazu führen darf, daß man die Namen solcher bekannten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Publizistik falsch ausspricht. Es heißt also Herr von „Ku(e)nheim", nicht Herr von „Künheim" und Herr „Lu(e)g", nicht Herr „Lüg". Im Hinblick auf einige Bemerkungen der Sozialdemokraten liegt es nahe, auch an die alte Formel von „Lug und Trug" zu erinnern, aber das will ich jetzt hier im einzelnen nicht vertiefen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Lug und Trug in Schleswig-Holstein! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Darauf komme ich noch zu sprechen.
    Meine Damen und Herren, Herr Vorsitzender des Haushaltsausschusses, ich möchte als zweites gerne einen Punkt ansprechen, in dem ich mich Ihnen anschließen kann. Auch ich möchte gerne wie Sie und andere zum Schluß der Haushaltsberatungen allen Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses ein herzliches Wort des Dankes sagen für die ungewöhnlich umfangreiche und schwierige Arbeit in dieser knappen Zeit und dafür, daß die fachliche und sachliche Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzministerium und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut war. Ich bin auch Ihnen, Herr Walther, wie auch den anderen Sprechern der Fraktionen, die es getan haben, dankbar, daß Sie die Arbeit unserer Mitarbeiter gewürdigt haben, und hier vor allem auch — ich unterstreiche das — die Arbeit von Herrn Ministerialdirektor Knott, der nach einer langen verdienstvollen Laufbahn zum letztenmal an einer Plenarsitzung über den Bundeshaushalt teilnimmt.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich muß allerdings unter dem Eindruck Ihrer Ausführungen, Herr Walther, und der von Herrn Spöri — da sagen wir nicht „Spori", sondern „Spöri", das ist kein Dehnungs-e —

    (Heiterkeit)

    sagen, daß schon hier die Gemeinsamkeit ziemlich ihr Ende findet.
    Ich will zu den Ausflügen, die Herr Kollege Spöri in die internationale Wirtschafts- und Währungspolitik vorgenommen hat, nicht sehr ausführlich Stellung nehmen. Die zweite Lesung hat am Mittwoch Gelegenheit zu einer umfassenden und vertieften Erörterung dieser internationalen Situation und möglicher Folgen der jüngsten Turbulenzen an den Aktien- und Devisenmärkten geboten. Heute ist hierzu in der Sache von der Opposition nichts Neues gesagt worden, nichts, was weiterführt. Statt dessen haben wir von dem Herrn Kollegen Spöri, der sich offenbar auf seine Rolle als Wahlkämpfer in Baden-Württemberg vorbereitet, eine Reihe ganz abwegiger Unterstellungen gehört. Das konnte man im verteilten Manuskript nachlesen.
    Ich will dazu ein paar Anmerkungen machen. Die Bundesregierung und besonders auch der Bundesfinanzminister sind für vieles verantwortlich und dem Hohen Hause natürlich auch Rechenschaft schuldig — das ist ja der Sinn parlamentarischer Kontrolle —, aber sie sind ganz sicher nicht, Herr Kollege, verantwortlich für die inneramerikanischen Konflikte im Oktober und die vor allem daraus erwachsenden Turbulenzen. Da überschätzen Sie uns.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das habe ich auch gar nicht gesagt!)

    Die Bundesregierung ist auch in dieser Diskussion nicht isoliert. Ich verweise auf die wichtigen abgestimmten Erklärungen, die wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern zur Stabilisierung des Europäischen Währungssystems erreicht haben. Der Sachverhalt ist bedeutsam, daß wir unter dem Vorzeichen eines rückläufigen Dollars bis heute — ich nehme an, daß das weitergeht — Stabilität im Europäischen Währungssystem haben. Bundesbank und



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Bundesregierung haben in den letzten Wochen, ohne viel darüber zu reden, hier einen ganz erheblichen Beitrag geleistet. Daß wir nicht isoliert sind, Herr Kollege, entnehmen Sie der Tatsache, daß die Stellungnahme der Finanzminister der Europäischen Gemeinschaften, eine gemeinsame Positionsbestimmung, wie zu Recht in Brüssel von den Journalisten in der europäischen Presse berichtet wurde, auf einer deutschen Initiative und mit minimalen Änderungen einem deutschen Entwurf beruht. Also hören Sie auf, derartige Märchen über die Isolierung der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was die Entwicklung der Konjunktur anbetrifft, so können wir heute im Wirtschaftsteil der Zeitungen lesen, daß wir bis Oktober sehr ermutigende Zahlen in den Auftragseingängen haben.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich erlaube mir, aus Statistiken zu berichten, Herr Kollege, die heute zu lesen sind. So hat der zuvor von einem Rückgang betroffene Maschinenbau im letzten Monat seine Auftragseingänge im Vergleich zu dem relativ schwachen Vorjahresmonat um 8 % , preisbereinigt um 6 %, steigern können.

    (Kühbacher [SPD]: Man kann nicht von Monatszahlen ausgehen!)

    — Nein. Aber Sie können die Vormonatszahlen hinzunehmen, Herr Kühbacher. Ich sage dies nur als die neueste Information.
    Dies unterstreicht, daß wir uns bis weit in den Herbst hinein nach der Schwächeperiode im Winterhalbjahr auf dem Weg der Erholung befinden. Es bleibt für mich offen — ich bekräftige es noch einmal — , in welchem Umfang wirklich die jüngsten Turbulenzen hier zu einer spürbaren Abschwächung führen werden.
    Die verstärkte internationale Zusammenarbeit seit Februar zeigt die erste positive Wirkung; insoweit auch die Pariser Vereinbarung, die nicht abgeschrieben werden darf, die nicht tot ist. Ich widerspreche hier auch dem Kollegen Graf Lambsdorff, der eine solche Einschätzung in der wirtschaftspolitischen Diskussion hier gegeben hat.

    (Zuruf von der SPD: Aha!)

    — Ich widerspreche ihm; wir haben hier einen Dissens. Es ist doch vollkommen legitim, daß es in einer solchen Frage auch Auffassungsunterschiede gibt. — Sie muß nach einer erneuten Analyse der eingetretenen Veränderung erneuert werden; das ist das Ziel. Darüber diskutieren wir in ersten Sondierungen und Kontakten auch über Europa hinaus. Aber man kann jetzt nicht über Nacht bei der Schwierigkeit, der Vielschichtigkeit der zugrunde liegenden weltwirtschaftlichen Probleme und auch der inneren Probleme der Beteiligten, etwa der USA, hastig Rezepte zusammenbasteln oder zusammenmischen, sprachlich richtiger gesagt. Wir müssen jetzt feststellen, inwieweit es eine gemeinsame Grundlage gibt, und daran arbeiten wir.
    Herr Kollege Kleinert, die Unterstellung, wir hätten hier am Mittwoch gesagt, es sei alles in Ordnung, ist abwegig. Ich habe auf der ersten Seite — Sie können es im amtlichen Protokoll der Rede nachlesen — eindeutig auf Risiken hingewiesen, die sich aus dieser kurzfristig veränderten Lage auch für die Finanzpolitik ergeben. Wir haben diese Risiken, wie ich glaube, hier in manchen Beiträgen — aber auch von der Regierungsbank — vernünftig erörtert, und deswegen wäre es gut, wenn Sie das in eine spätere Würdigung auch hineinnehmen könnten.
    Ich habe gesagt, die Finanz- und Haushaltspolitik befindet sich unter diesen verschärften Bedingungen und dem Zielkonflikt der unterschiedlichen Erwartungen, die wir hier erörtert haben, jetzt auf einer Gratwanderung, allerdings — das bekräftige ich erneut — durch die Erfolge der Konsolidierungspolitik von 1982 bis 1986 bei Bund, Ländern und Gemeinden auf einem festeren Fundament als zuvor, aber auf einer Gratwanderung. Wir müssen immer wieder Positionsbestimmungen vornehmen, um den richtigen Weg zu finden. Wir sollten das gemeinsam tun, sachorientierter, ernsthafter, als das leider bei Herrn Spöri heute der Fall war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun erlauben Sie mir nach soviel Kritik an der Regierung auch ein paar Bemerkungen der sachlichen Kritik zur Position der Opposition. Die Sozialdemokraten haben — zuletzt Herr Kollege Walther — eine wieder ansteigende Neuverschuldung bitter beklagt, vor allem auch in den Wirkungen für Länder und Kommunen. Sie haben aber, wenn man Ihre vorliegenden Anträge sieht, vor allen Dingen den Entschließungsantrag, über den wir abstimmen, im Grunde Forderungen erhoben, die eine massive Steigerung der Neuverschuldung bewirken würden, nach einer ersten Berechnung meiner Mitarbeiter zu dem Antrag, über den wir abstimmen, von über 10 Milliarden DM jährlich gegenüber dem, was wir an Neuverschuldung eingeplant haben und was man an zusätzlichen Risiken aus den genannten Gründen durchaus diskutieren kann: Rückverlagerung von Ausgaben von der Bundesanstalt zum Bund, noch höhere Leistungen an Kohle und Stahl, höhere Finanzzuweisungen an bestimmte Länder wegen Kohle und Stahl, Erhöhung der Investitionen des Bundes, Übernahme aller Volkszählungskosten, Verbesserung von Ausbildungsleistungen, zusätzliche Leistungen des Bundes im sozialen Bereich; das sind Stichworte. Herr Kollege Walther, es ist überhaupt nicht glaubwürdig, wenn Sie die höhere Neuverschuldung beklagen und zur selben Zeit die Annahme eines solchen Antrags empfehlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe hier nur die wichtigsten Punkte genannt. Die Liste kann man weiterführen.
    Genauso wenig glaubwürdig ist die Wiederholung sattsam bekannter Behauptungen durch Herrn Walther und Herrn Apel anläßlich der zweiten Lesung am Mittwoch, die Bundesregierung habe die öffentlichen Investitionen verkommen lassen. Herr Walther hat hier mit großem Pathos erklärt: Die hohen Schulden unserer Regierungszeit haben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegolten. — Was haben Sie mit den



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    öffentlichen Investitionen des Bundes gemacht, meine Damen und Herren der Opposition?

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Wir haben Arbeitsplätze beschafft, was Sie nicht können!)

    Die Investitionsquote des Bundes betrug 1969 17 %. Sie stieg die ersten Jahre an, bis 1973 auf 18,7 %, und ist dann in einem jähen Fall bis 1982 auf 13,1 % zurückgegangen.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Und wie hoch ist sie heute?)

    — Ich komme darauf. Sie brauchen sich nicht zu erregen. Ich nehme zur aktuellen Lage Stellung. Ich brauche dazu nicht Ihre Zwischenrufe.

    (Sielaff [SPD]: Es wird Zeit! Wir haben 5 nach 12!)

    Die Investitionsquote des Bundes liegt jetzt bei 12,9 %. 97 % des Rückgangs fallen in die Zeit sozialdemokratischer Regierungstätigkeit, mit negativen Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung. Das ist die schlichte Wahrheit, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Genauso verzerrend sind Ihre Behauptungen über die Finanzsituation der Kommunen. Die höchsten Defizite der Städte, Kreise und Gemeinden hatten wir in den Jahren 1981 und 1982 mit 10,1 bzw. 7,3 Milliarden DM. 1986 betrugen die Defizite der Städte, Kreise und Gemeinden nur noch 1,6 Milliarden DM. Sie wachsen in diesem Jahr auf über 3 Milliarden DM an, liegen damit aber lediglich ein Drittel so hoch wie im Jahre 1981. Sie sind wirklich nicht geeignet, sich hier als die Anwälte der Städte, Kreise und Gemeinden und ihrer Investitionen darzustellen. Die Sachinvestitionen der Städte, Kreise und Gemeinden sind in Ihren letzten drei Regierungsjahren zurückgegangen. Sie sind seit 1984 wieder um 13 % angestiegen, im ersten Halbjahr dieses Jahres noch einmal um 3 %. Die Tatsachen widerlegen Sie, meine Damen und Herren der Opposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das, was Sie dem deutschen Volk durch falsche Behauptungen unbeirrt vormachen wollen, bedarf der Richtigstellung. Das gilt vor allem auch für den Beitrag des Kollegen Spöri zu den steuerpolitischen Diskussionen. Ich will hier gerne hervorheben, daß ich in dieser Woche mit einem Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion eine faire und sachorientierte Debatte zur Steuerpolitik geführt habe. Das war allerdings nicht im Deutschen Bundestag, sondern gestern abend im „Zweiten Deutschen Fernsehen" mit dem Kollegen Hermann Rappe. Ich hebe das hervor und freue mich, daß das möglich ist. Es wäre auch schön, wenn das mit der ersten Bank der SPD einmal wieder möglich wäre, hier, in der deutschen Öffentlichkeit, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit Herrn Spöri ist das nicht möglich. Ich stelle das einfach fest, nach dem, was er heute hier geboten hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Im übrigen war die Diskussion vor allem deshalb interessant, weil zunächst Herr Rappe Kritik aus der Sicht eines sozialdemokratischen Gewerkschafters und anschließend der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sachorientiert Kritik an der zu geringen Senkung der Unternehmenssteuern geübt hat. Nachdem ich dies beides gehört und erörtert habe, bin ich mit anderen zu der Überzeugung gekommen, daß wir, wenn diese Kritik von beiden Seiten kommt, Unternehmen wie Gewerkschaften, wahrscheinlich mit Steuersenkungen in Höhe von 45 Milliarden DM den richtigen und gerechten Mittelweg gefunden haben, der allen Bürgern und Bürgerinnen unseres Landes dient, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Weng hat die Frage gestellt — ich nehme sie auf — , ob manche unfreundlichen Kommentare in großen deutschen Zeitungen zu den Diskussionen dieser Wochen nicht auch darauf beruhten, daß bestimmte Debatten immer wiederholt werden müssen, ohne jede Wirkung einer vorhergehenden klärenden Diskussion.
    Herr Kollege Apel hat zum drittenmal versucht,

    (Dr. Apel [SPD]: Nein, zum zehnten!)

    die Entlastungswirkung unserer Steuergesetzgebung nur am Jahr 1988 darzustellen. Zweimal haben wir darauf hingewiesen, daß wir in einem Gesetz eine abgestimmte Konzeption verwirklicht haben, 1986 zunächst bevorzugt Entlastungen für die sozial Schwachen und die Familien, 1988 im Tarif — ein Gesetz.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das vergessen die immer wieder!)

    Man kann, Herr Apel — ich sage es Ihnen zum drittenmal — fairerweise, redlicherweise die sozialen Wirkungen eines Gesetzes auch nur im Zusammenhang beider Schritte bewerten. So müßte es eigentlich sein, wenn wir vernünftig debattieren wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Spöri, Sie haben in Ihrem Hinweis auf die Wahlaussagen der CDU, meiner Partei, vor der Bundestagswahl und die damalige Schlagzeile in der Wahlkampfzeitung die Unwahrheit gesagt. Wir haben das hier schon einmal ausgetragen. Damals hatte ich das Exemplar hier. Ich habe nicht gedacht, daß Sie das ein zweites Mal versuchen würden. Es hieß dort: im Schnitt 1 000 DM. — Wenn man Ihnen das vorhält, weichen Sie auf eine regionale Anzeige in Hessen, zwei Monate später, aus. Das ist nicht in Ordnung. Das ist unfair. Machen Sie Schluß mit diesen Methoden im Deutschen Bundestag.

    (Zahlreiche Mitglieder der Fraktion der SPD halten Kopien der Anzeige hoch)

    — Ja, das ist die Anzeige vom Februar. Aber Herr Spöri hat hier von der Wahlkampfzeitung der CDU Deutschlands vor der Bundestagswahl geredet.