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ID1104404500

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    Plenarprotokoll 11/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Flutkatastrophe in der Küstenprovinz Natal und des Taifuns Nina im Süden der Philippinen 3035 A Erweiterung der Tagesordnung 3035 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erhöhung der Mitgliederzahl der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" (Drucksache 11/1351) 3035 B Tagesordnungspunkt III: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969, 11/1051 bis 11/1079, 11/1081, 11/1360) Dr. Dregger CDU/CSU 3035 D Dr. Spöri SPD 3041 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3047 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3051 A Dr. Rose CDU/CSU 3055 A Walther SPD 3057 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3064 B Namentliche Abstimmungen 3069 B Ergebnisse . . . . 3070D, 3072B, 3073D, 3075B, 3076D, 3078A, 3079C Präsident Dr. Jenninger 3056 B Nächste Sitzung 3081 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3083' A Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 . 3083* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3083* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 3035 44. Sitzung Bonn, den 27. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Bahr 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Brandt 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Dr. von Bülow 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Faltlhauser 27. 11. Frau Faße 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Frau Geiger 27. 11. Grünbeck 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Horn 27. 11. Hoss 27. 11. Huonker 27. 11. Jansen 27. 11. Frau Karwatzki 27. 11. Klose 27. 11. Kraus 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Dr. Graf Lambsdorff 27. 11. Leidinger 27. 11. Lenzer * 27. 11. Dr. Lippelt 27. 11. Lowack 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Möllemann 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Müller (Pleisweiler) 27. 11. Niggemeier 27. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Paterna 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Repnik 27. 11. Reuschenbach 27. 11. Scheer 27. 11. Schmidt (München) * 27. 11. Schmitz (Baesweiler) 27. 11. Dr. Schöfberger 27. 11. Frau Steinhauer 27. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Trenz 27. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt) 27. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wilz 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 Auch wenn ich der Bewertung der aktuellen und künftigen Arbeitsmarktentwicklung durch den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Heinrich Franke, in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 24. Oktober zustimme, lehne ich den von der SPD-Bundestagsfraktion gestellten Entschließungsantrag ab. Im besagten Interview hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit keineswegs für den Bundeshaushalt 1988 bereits ein Städtebauprogramm von 10 Milliarden DM gefordert. Eine solche Forderung ist auch von mir in meinem heutigen Interview mit der Kölner Tageszeitung Express nicht erhoben worden. Auch die Sozialausschüsse der CDA sprechen - im Gegensatz zur SPD - von öffentlichen Investitionen im Kommunalbereich zu Lasten des Bundeshaushalts von vier Milliarden DM für die nächste Zeit. Vor allem kann dem SPD-Antrag nicht zugestimmt werden, weil in dem jetzt zur Verabschiedung anstehenden Bundeshaushalt 1988 ein solches Programm nicht finanziert werden kann. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Datenspeicherungspraxis beim Bundeskriminalamt" - Drucksache 11/1015 - zurückzieht. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Änderung der Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nichtjüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung" - Drucksache 11/743 - zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beratung der nachstehenden Vorlagen abgesehen haben: 3084* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 47 Haushaltsausschuß Drucksache 11/840 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/462 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/85 Drucksache 11/86 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 122 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/138 Nr. 3.5 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/138 Nr. 3.24 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/253 Nr, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19 2.20, 2.21 2.22, 2.23, 2.24, 2.25 Drucksache 11/339 Nr. 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/561 Nr. 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/138 Nr. 137 Drucksache 11/883 Nr. 113, 114 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.156 Drucksache 11/883 Nr. 120, 121 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 124 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/929 Nr. 2.32 Drucksache 11/973 Nr. 2.16
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    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Kollege, ich bin für eine Neuwahl; denn eine Neuwahl ist die einzige Möglichkeit, die einzige politische Konsequenz, die auf dieser Ebene zu ziehen ist. Noch wichtiger ist aber in diesem Zusammenhang, daß man, wenn man hier schon von Bewältigung und Konsequenzen spricht, sehr genau hinsieht, wo die eigentlichen Ursachen für solche Entwicklungen wie in Kiel zu suchen sind. Da wird man sehr schnell feststellen, daß die eigentlichen Ursachen auch darin liegen, daß es darum geht, aus rein parteitaktischem Kalkül mit dem umzugehen, was dort ans Tageslicht kommt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Im übrigen, Herr Kollege, ist es natürlich grotesk, wie die CDU versucht, Ursache und Wirkung durcheinanderzubringen. Gerade wenn Sie, Herr Stoltenberg, die reine Weste haben, die Sie im Zusammenhang mit Kiel immer wieder für sich in Anspruch nehmen, muß man Sie doch fragen, was Sie daran hindert, hier im Bundestag zu erklären: Jawohl, ich bin Landesvorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein, und deshalb entschuldige ich mich als Landesvorsitzender in aller Form bei Herrn Engholm. Was hindert Sie daran, gerade wenn die weiße Weste so weiß ist, wie Sie am Dienstag hier wieder erklärt haben?

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Ich meine, daß auch da wieder offensichtlich wird: Schon in der Reaktion auf die Ereignisse kommt etwas von dem zum Vorschein, was zu diesen Ereignissen selbst erst beigetragen hat.
    Meine Damen und Herren, wer nach dem Kieler Politskandal wirklich Konsequenzen ziehen wollte, der wird sich nicht mit dem Auftrag an seinen Redenschreiber begnügen können, ein paar wohlgesetzte Worte für den Auftritt im Bundestag vorzusehen. Er wird sich die Frage stellen müssen, ob nicht solche Vorgänge vielleicht mit dem Zustand einer Gesellschaft zusammenhängen könnten, in der der Satz „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg" mittlerweile schon zur selbstverständlichen Grundausstattung zumindest all jener geworden ist, die eben diesen Erfolg auf ihre Fahnen geschrieben haben, wo all das als legal oder legitim gilt, was einer hinkriegt, und dies zum Lebens- und Karriereideal erhoben wird.
    Ist es in einer solchen Gesellschaft nicht geradezu folgerichtig, daß solche Dinge dann irgendwann vorkommen können? Es ist in diesem Zusammenhang eine fast schon bittere Ironie, daß gerade die CDU, die ansonsten gern über den Verfall von Sitte, Moral und Anstand hier lamentiert, einen solchen Skandal produziert hat. Herr Geißler führt die Moral ständig im Munde, Ihre intellektuellen Berater warnen seit mehr als zehn Jahren vor der Verflüssigung der Grundwerte, und Sie selbst beweisen dann praktisch, wie es



    Kleinert (Marburg)

    um Ihre eigene Bindung an Anstand und Moral bestellt ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Walther [SPD])

    Ich muß Ihnen in diesem Zusammenhang auch einmal ganz offen sagen, daß gerade deshalb Ihr ständiges Einfordern strikter Rechtsstaatlichkeit — das ist Ihre Lieblingsveranstaltung hier — für mich häufig genug den Geruch des bloß Phrasenhaften hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Man muß sich weiter fragen, ob es nicht vielleicht sogar so ist, daß gerade unter der Käseglocke des Bonner Politspektakels, in der die Politik selbst mehr und mehr zur bloßen Inszenierung degradiert wird

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Nicht nur über die eigene Partei reden!)

    — ich habe überhaupt keine Probleme, über die eigene Partei zu reden — , genau jene Eigenschaften auf das Vortrefflichste gedeihen, die Kiel und ähnliches erst möglich machen?
    Ich habe den Eindruck, daß gerade der Kanzler dieser Bundesregierung nach außen ziemlich exakt gerade das verkörpert, was zur Zeit in allen möglichen gelehrten und weniger gelehrten Diskussionsrunden über die politische Kultur in der Bundesrepublik in besonderer Weise angeprangert wird: die Reduktion des Politischen auf die Machtfrage an sich. Wer sich nämlich wie Herr Kohl allzu deutlich allein schon an der bloßen Tatsache berauscht, das höchste Amt selbst auszuüben, wer im selbstzufriedenen Genuß daran und der gewiß gekonnten Absicherung dieser persönlichen Macht schon den eigentlichen Zweck seines eigenen politischen Handelns sieht, der muß sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht gerade selbst noch einen Beitrag zu dem leistet, was am Ende Kiel möglich gemacht hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Glos [CDU/CSU]: Sie sind unverschämt!)

    Damit, meine Damen und Herren, schließt sich auch der Kreis zur Rede vom Dienstag, und deshalb sage ich hier auch in aller Offenheit: Herr Bundeskanzler, ich glaube Ihnen das alles nicht, was Sie da so wortreich und so wohlgesetzt vorgetragen haben. Für mich sind Sie in dieser Frage völlig unglaubwürdig.
    Ich fürchte, daß sich durch den Kieler Politskandal eigentlich nichts Entscheidendes ändern wird. Es wird sicher noch einige Zeit der Aufregung geben, mal mehr, mal weniger; aber eines Tages wird das Ganze ebenso in die Skandalchronik dieser Republik eingehen wie der Flick-Skandal und andere Skandale zuvor. Ein Unterschied freilich wird vermutlich bleiben: Der Kieler Politskandal hat die Krise der Politik und die Krise der politischen Repräsentanten sichtbarer gemacht als jemals zuvor.

    (Kuhlwein [SPD]: Die Krise der CDU, Herr Kollege! — Bohl [CDU/CSU]: Das ist Ihre Krise! Reden Sie doch mal von der Krise der GRÜNEN)

    Aber da kaum jemand wirklich an die Ursachen dieser Krise heran will, wird sich so schnell vermutlich nichts ändern; die Selbstgerechtigkeit wird weiter bleiben, und auch das unbehagliche Gefühl wird weiter bleiben, einmal mehr Zeuge wohlinszenierter Betroffenheit geworden zu sein, die selbst zu nichts anderem als zur Durchsetzung des nackten machtpolitischen Kalküls dient.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es ist in Zwischenrufen verschiedentlich die Frage aufgeworfen worden: Wie ist es denn mit Ihnen?

    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wir haben verdammt viele Probleme in unserer Partei. Wir haben verdammt viele Probleme in dieser Fraktion. Und wir machen auch verdammt viele Fehler. Aber eines, denke ich, haben wir uns bis heute immer noch bewahren können. Ich will uns hier auch nicht zu den Gralshütern der politischen Moral in der Bundesrepublik hochstilisieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dazu besteht auch kein Anlaß!)

    Das wäre falsch. Aber eines können Sie uns abnehmen, meine Damen und Herren: Wir sind wenigstens noch in der Lage, über das zu diskutieren, was zu so etwas führt wie in Kiel,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und wir sind in der Lage, über das zu reflektieren, was den politischen Prozeß zu dem bringt, was dann in Kiel an Auswirkungen sichtbar geworden ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das, glaube ich, können die GRÜNEN nach wie vor für sich beanspruchen.
    Noch ein paar Bemerkungen zur Haushaltsdebatte. Der Kanzler stand in seiner Selbstgerechtigkeit in dieser Woche nicht allein. Selbstgerecht war auch die Rede des Finanzministers,

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Auch die von Kleinert [Marburg] ! )

    der angesichts finanzpolitischer Verwerfungen, wie sie in den letzten Tagen schon häufig genug deutlich geworden sind, dennoch von begründeter Zuversicht und Stabilität für 1988 gesprochen hat. Herr Minister Stoltenberg, wenn selbst die sicher nicht gerade oppositionsfreundliche „Wirtschaftswoche" in ihrem Vorbericht über den Haushaltsentwurf von wackliger Etatakrobatik spricht, wenn schon jetzt feststeht, daß Sie 1988 einen Kreditrahmen von 40 Milliarden DM brauchen werden, dann finde ich es eigentlich ziemlich unverfroren, wenn Sie sich hier hinstellen und der Öffentlichkeit verkünden, Sie würden den bewährten Weg fortsetzen und alles sei im Grunde zum besten geregelt. Es hat mit der finanzpolitischen Wirklichkeit überhaupt nichts mehr zu tun, was Sie hier erklärt haben.
    Haushaltspolitik muß sich an ihrem Beitrag zur Lösung der Probleme in der Gesellschaft messen lassen. Genau da aber haben Sie herzlich wenig zu bieten. Wo ist denn der Beitrag dieser Bundesregierung zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit? Wo ist die umweltpolitische Initiative, die mit diesem Haushalt er-



    Kleinert (Marburg)

    griffen würde? Wo ist Ihr wirksamer Beitrag zur Bekämpfung der neuen Armut? Nichts davon ist in diesem Haushaltsentwurf zu spüren.
    Nichts ist es mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit, wie wir mittlerweile längst wissen. Wir müssen nach den jüngsten Prognosen des Sachverständigenrats davon ausgehen, daß wir für 1988 eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit erleben werden. Wir haben heute schon über 2 Millionen Arbeitslose. Wir haben heute schon über 2 Millionen registrierter Sozialhilfeempfänger. Diese Haushaltspolitik, meine Damen und Herren, schreibt die Massenarbeitslosigkeit fort. Was fast noch schlimmer ist: In Ihren Haushaltsreden kommt das ganze Problem schon gar nicht mehr vor.
    Bundesarbeitsminister Blüm hat sich gestern hier hingestellt und einen Beitrag gehalten, wo er sich als Streiter gegen Rekordgewinne der Pharmaindustrie und ärztliche Einkommensprivilegien zu profilieren versucht hat. Er hat dabei das Kunststück fertiggebracht, nicht ein Wort zur Arbeitslosigkeit zu verlieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nicht ein Wort zur Arbeitslosigkeit in der Haushaltsrede des Arbeitsministers, nicht ein Wort zur sozialen Armut, nicht ein Wort zur Altersarmut! Früher hörten wir wenigstens noch geschönte und äußerst kühne Prognosen, wie diese Regierung der Arbeitslosigkeit beikommen werde. Heute ziehen Sie es vor, sich dazu lieber erst gar nicht zu äußern. Heute lautet Ihr Rezept: Wenn schon die soziale Realität so aussieht, dann wollen wir wenigstens nicht mehr darüber reden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die ökologische Bilanz der Bundesregierung sieht nicht besser aus. Die minimalen Zuwachsraten im Etat des Umweltministers können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich außer etwas Umweltkosmetik und Reparaturbetrieb praktisch nichts bewegt hat. Die Möglichkeiten des Bundes, präventive Umweltpolitik zu betreiben, bleiben weiter ungenutzt. In wichtigen Bereichen wie der Energiepolitik oder der Chemiepolitik schreiben Sie einen schlechten Stillstand fest. Statt Mittel in den Umbau der Energiewirtschaft zu stecken, setzen Sie weiter auf Atomkraft. Altlastensanierung, Kraftwerksentschwefelung, Forschungsanstrengungen bei den Umwelttechnologien: überall Fehlanzeige. Die größte umweltpolitische Leistung in der Kanzlerschaft von Helmut Kohl war die Ernennung eines Umweltministers.

    (V o r sitz : Präsident Dr. Jenninger)

    Das hat Ihnen gewiß geholfen, damals die Wahl in Niedersachsen zu überstehen. Die Umwelt freilich und die Menschen haben bis heute wenig davon gehabt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Äußerste Großzügigkeit allerdings legt der Finanzminister da an den Tag, wo es um die Begüterten in dieser Gesellschaft geht. Ihre Freunde in den Chefetagen, alle die, die es heute schon so schlecht nicht haben, sie werden bestens bedient. Sie wissen, was sie an dieser Regierung haben. Wo im Umweltbereich um jede Million gefeilscht wird, ist der Finanzminister bei der Steuerrefom äußerst spendadel: 25 Milliarden DM Steuermindereinnahmen pro Jahr, das macht gar nichts, wenn bloß die bevorzugte Klientel der Regierungsparteien dabei gut bedacht wird. Daß Sie den Kommunen dabei den Finanzhahn zudrehen, daß das Geld fehlt für dringende ökologische und soziale Aufgaben, es stört Sie nicht weiter.
    Das einfache Grundmuster dieser Politik, das aber der Wahrheit ziemlich nahe kommt, lautet: Oben wird spendiert, und unten wird kassiert. So einfach liegt das zutage.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, dieser Bundeshaushalt und die finanzpolitische Gesamtstrategie dieser Regierung werden die ökologischen und sozialen Probleme dieser Gesellschaft nicht lösen helfen. Notwendige Impulse zu ökologischen Investitionen werden ignoriert. Die Schere zwischen oben und unten wird durch diesen Haushalt eher noch größer werden. Gesellschaftliche Minoritären werden noch mehr an den Rand gedrückt. Ökologisch perspektivlos und sozial verheerend, das ist die Gesamtbilanz dieser Politik. Die ganze Grundrichtung ist falsch.
    Deshalb muß eine grundsätzliche Neuorientierung her. Wie das aussehen könnte, dazu haben wir in dieser Haushaltsdebatte konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben Anträge zum Umbau der Energiewirtschaft vorgelegt. Wir haben ein Programm zum Umbau der Chemieindustrie vorgelegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bringen Sie erst mal Ihre Partei in Ordnung!)

    Wir haben Vorschläge gemacht für die Sicherung des Trinkwassers. Wir haben Maßnahmen zur Stadtsanierung gefordert. Wir haben beantragt, die Mittel für ökologische Forschung auszuweiten. Wir haben als GRÜNE ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgelegt. Wir haben konkrete Schritte zur Abrüstung gefordert, durch die erhebliche Mittel frei würden. — Das Thema Abrüstung ist ja schließlich nicht dadurch erledigt, daß übernächste Woche in Washington ein Abkommen unterschrieben wird. Diesem wichtigen Schritt nach vorn müssen weitere folgen. Die Bundesrepublik kann durch Abrüstungsschritte im konventionellen Bereich dazu einen wichtigen Beitrag leisten, auch wenn Sie hier hergehen und die Sondersitzung, die wir aus diesem Anlaß beantragt haben, ablehnen, was ich, gerade was das Verhalten der SPD betrifft, überhaupt nicht verstehe. Meine Damen und Herren, Sie haben diese Vorschläge niedergestimmt. Ein Beweis mehr dafür, daß Sie trotz aller schönen Sonntagsreden über Umweltpolitik immer noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben. Die grüne Tünche bröckelt rasch ab, wenn es um konkrete Maßnahmen geht, die Geld kosten.
    Meine Damen und Herren, der Streit, der darüber zu führen ist, geht um die ganze Grundrichtung der Politik, nicht allein um Einzelanträge und um Haushaltslöcher. Diesen Streit werden wir weiter führen. Sie haben mit diesem Haushalt die Weichen in die falsche Richtung gestellt. Das macht es uns leicht, diesen Haushalt abzulehnen.



    Kleinert (Marburg)

    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rose.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Rose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vergleiche immer gerne mit dem Sport. Wie ein Sportvergleichskampf kamen mir die vier Tage dieser Haushaltsdebatte in Bonn vor.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie bekommen gleich eine rote Karte!)

    Jede Seite versuchte Punkte zu sammeln und für künftige politische Entscheidungen Startvorteile zu erreichen. Bei Ihnen hatte ich allerdings den Eindruck — und die letzte Rede war genau so — daß Sie ein bißchen auf die Schienbeine geklopft, aber sonst nichts erreicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zusammengezählt wird nämlich am Schluß. Und da stehen Sozialdemokraten und GRÜNE ohne Lorbeer da.
    Was haben diese Herrschaften in dieser Woche nicht alles empfohlen? Es begann schon am Dienstag mit Herrn Vogel.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Ich dachte, Sie wollten über Sport reden!)

    Finanzpolitisch hat dieser eigentlich gar nichts geboten. Außer seiner salbungsvollen Ankündigung, er wolle nicht abrechnen, sondern nur die Sorgen der Bürger ausbreiten, ist er so ziemlich alles schuldig geblieben;

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    denn er und seine Fraktionskollegen, auch heute noch mal Herr Kollege Spöri,

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Wer hat Ihnen denn diesen Unsinn aufgeschrieben?)

    sagten „Haushalt" und meinten „Kiel", sie sagten „Neubeginn" und zogen Stoltenberg in den Dreck,

    (Bindig [SPD]: Der liegt schon drin!)

    sie forderten Entschuldigung und betrieben gleichzeitig Beschuldigung. Das war Ihr Auftakt in die Haushaltsdebatte und nicht die Sorge um die Bürger.
    Der Versuch, meine Damen und Herren, dem hochangesehenen Bundesfinanzminister am Zeug zu flikken oder ihn in den Sumpf zu ziehen, ist mißlungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bindig [SPD]: Der steckt schon im Sumpf!)

    Genausowenig gelang der wirtschafts- und finanzpolitische Schlagabtausch. Was hätten Sie von der sozialdemokratischen Seite und Sie von den GRÜNEN auch wirtschafts- und finanzpolitisch bieten sollen? Außer der Pauschalkritik an allem doch nichts Konstruktives. Das ist — ich sage es wirklich mit Bedauern — eigentlich schade.
    Herr Vogel, Herr Apel und Herr Spöri haben nur vorgerechnet, was ihrer Meinung nach nicht gut ist.
    Aber sie haben nicht vorgedacht, was besser gemacht werden kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das können sie auch nicht!)

    Sollen wir denn, meine Damen und Herren, das sogenannte Acht-Punkte-Programm des Herrn Apel ernst nehmen? Er hat doch nur sattsam Bekanntes wiederholt.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das unterstützt doch Herr Franke! Zuruf von der SPD: Oder Herr Scharrenbroich heute im „Express"!)

    Er hat bei seinen Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen, nach anderen Steuerplänen und nach einer Beseitigung der Verschuldung der Dritten Welt alles schön dargestellt. Aber eines hat er vergessen: Er hat schlichtweg nichts zu den Kosten gesagt. Wer sich hier nur hinstellt und auflistet, was zusätzlich getan werden muß, der ist unglaubwürdig,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Garbe [GRÜNE]: Das war alles gedeckt!)

    vor allem dann, wenn er dann gleichzeitig auch eine zu hohe Verschuldung beklagt.
    Unsere Aufgabe ist nach wie vor, durch eine verhaltene Ausgabenentwicklung zur öffentlichen Sparsamkeit beizutragen. Die großen Aufblähungen, die die SPD-Haushalte hatten, wollen wir dem Steuerzahler nicht zumuten. Im Gegenteil: Wir wollen die Steuern senken. Das wird auch von vielen im Lande begrüßt.
    Warum ist denn die SPD so sehr dagegen — übrigens wieder einmal im Schulterschluß mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund? Wollen diese Leute, daß der Staat immer tiefer in den Geldbeutel der Bürger greift, oder sind sie nur dagegen, weil SPD-geführte Länder und Kommunen pleite sind? Haben sie tatsächlich die Sorge, wie Herr Vogel sagte, daß die Gewinne aus der Steuerreform ins Ausland transferiert oder daß, wie Apel meinte, neue Steuerhinterzieher hervorgebracht werden?
    Ich kann nur sagen: Die Herren müssen ja saubere Bekannte haben. Ich erinnere mich dunkel an so manche DGB-Bosse und deren Villen im Tessin oder an die Neue Heimat und deren Verbindung zu Südamerika.