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ID1104400200

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    Plenarprotokoll 11/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Flutkatastrophe in der Küstenprovinz Natal und des Taifuns Nina im Süden der Philippinen 3035 A Erweiterung der Tagesordnung 3035 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erhöhung der Mitgliederzahl der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" (Drucksache 11/1351) 3035 B Tagesordnungspunkt III: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969, 11/1051 bis 11/1079, 11/1081, 11/1360) Dr. Dregger CDU/CSU 3035 D Dr. Spöri SPD 3041 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3047 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3051 A Dr. Rose CDU/CSU 3055 A Walther SPD 3057 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3064 B Namentliche Abstimmungen 3069 B Ergebnisse . . . . 3070D, 3072B, 3073D, 3075B, 3076D, 3078A, 3079C Präsident Dr. Jenninger 3056 B Nächste Sitzung 3081 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3083' A Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 . 3083* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3083* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 3035 44. Sitzung Bonn, den 27. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Bahr 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Brandt 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Dr. von Bülow 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Faltlhauser 27. 11. Frau Faße 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Frau Geiger 27. 11. Grünbeck 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Horn 27. 11. Hoss 27. 11. Huonker 27. 11. Jansen 27. 11. Frau Karwatzki 27. 11. Klose 27. 11. Kraus 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Dr. Graf Lambsdorff 27. 11. Leidinger 27. 11. Lenzer * 27. 11. Dr. Lippelt 27. 11. Lowack 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Möllemann 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Müller (Pleisweiler) 27. 11. Niggemeier 27. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Paterna 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Repnik 27. 11. Reuschenbach 27. 11. Scheer 27. 11. Schmidt (München) * 27. 11. Schmitz (Baesweiler) 27. 11. Dr. Schöfberger 27. 11. Frau Steinhauer 27. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Trenz 27. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt) 27. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wilz 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abg. Scharrenbroich (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/1314 Auch wenn ich der Bewertung der aktuellen und künftigen Arbeitsmarktentwicklung durch den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Heinrich Franke, in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 24. Oktober zustimme, lehne ich den von der SPD-Bundestagsfraktion gestellten Entschließungsantrag ab. Im besagten Interview hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit keineswegs für den Bundeshaushalt 1988 bereits ein Städtebauprogramm von 10 Milliarden DM gefordert. Eine solche Forderung ist auch von mir in meinem heutigen Interview mit der Kölner Tageszeitung Express nicht erhoben worden. Auch die Sozialausschüsse der CDA sprechen - im Gegensatz zur SPD - von öffentlichen Investitionen im Kommunalbereich zu Lasten des Bundeshaushalts von vier Milliarden DM für die nächste Zeit. Vor allem kann dem SPD-Antrag nicht zugestimmt werden, weil in dem jetzt zur Verabschiedung anstehenden Bundeshaushalt 1988 ein solches Programm nicht finanziert werden kann. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Datenspeicherungspraxis beim Bundeskriminalamt" - Drucksache 11/1015 - zurückzieht. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Änderung der Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nichtjüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung" - Drucksache 11/743 - zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beratung der nachstehenden Vorlagen abgesehen haben: 3084* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1987 Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 47 Haushaltsausschuß Drucksache 11/840 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/462 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/85 Drucksache 11/86 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 122 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/138 Nr. 3.5 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/138 Nr. 3.24 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/253 Nr, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19 2.20, 2.21 2.22, 2.23, 2.24, 2.25 Drucksache 11/339 Nr. 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/561 Nr. 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/138 Nr. 137 Drucksache 11/883 Nr. 113, 114 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.156 Drucksache 11/883 Nr. 120, 121 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 124 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/929 Nr. 2.32 Drucksache 11/973 Nr. 2.16
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    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Beginn der dritten Lesung erkläre ich im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, daß wir nicht nur das Zahlenwerk des Haushaltes billigen, sondern auch die Politik, die sich darin verkörpert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, wir danken Ihnen und Ihrer Regierung,

    (Dr. Vogel [SPD]: Ist ein bißchen ausgedünnt!)

    daß Sie durch Ihre Politik das exzessive Ausgabenwachstum beendigt, reales Wirtschaftswachstum genauso ermöglicht haben wie reale Einkommenssteigerungen für Rentner und Arbeitnehmer, daß unter



    Dr. Dregger
    Ihrer Verantwortung Hunderttausende neuer Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen wurden

    (Walther [SPD]: Die vorher von Ihnen vernichtet worden sind!)

    und daß auf diese Weise ein festes und solides Fundament entstanden ist, von dem aus wir künftigen Herausforderungen begegnen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mein zweites Wort richte ich an das ganze Haus, an die Koalition und an die Opposition. Der Bundestag sollte nicht nur Kampfplatz polemischer Auseinandersetzungen sein, hinter denen sich nicht selten ein Stück Ratlosigkeit und Rechthaberei verbergen. Der Bundestag sollte auch Forum gemeinsamer Überlegungen sein, insbesondere dann, wenn neue Tatbestände neue Entschlüsse verlangen.

    (Frau Traupe [SPD]: Das wäre gut!)

    Diese neuen Tatbestände gibt es zur Zeit in großer Fülle. Ich nenne die Eskalation der Gewalt auf unseren Straßen mit zunehmender Gefährdung unserer Polizeibeamten. Ich nenne die beiden Null-Lösungen im Mittelstreckenbereich, die die Sicherheitsstrukturen Europas grundlegend verändern. Ich nenne die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten und im Währungsgefüge.
    Diese Veränderungen verlangen neue Bewertungen. Sie enthalten Risiken, aber auch Chancen, die wir nutzen sollten, vielleicht auch die Chance zu mehr Gemeinsamkeit hier in diesem Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Traupe [SPD]: Aber nicht nur verbal!)

    Meine Damen und Herren, das setzt allerdings voraus, daß wir uns gegenseitig respektieren. Regierung und Opposition stehen sich im parlamentarischen System als Gegenspieler, vielleicht auch als Gegner gegenüber, aber nicht als Feinde.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Es ist die gemeinsame Bindung an die Verfassung, die Respektierung der Menschenwürde des anderen, wozu gewiß auch der Schutz seiner Privatsphäre gehört, was den demokratischen Konsens ausmacht. Kein politisches Ziel, keine politische Lage können es rechtfertigen, diesen Konsens zu verletzten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Das muß auch bei der Aufklärung schlimmer Vorgänge gelten. Ich sage das ganz emotionslos und wohlüberlegt. Es widerspricht menschlichem Anstand, persönliche Schuld auf davon nicht Betroffene übertragen zu wollen. Ich denke, daß das alle Seiten beachten sollten.
    Meine Überlegungen zur inneren Sicherheit möchte ich mit einem Zitat einleiten. Richard von Weizsäcker sagte am 6. November in München — ich zitiere:
    Die einzigartige Chance, die die Freiheit als Verfassungsprinzip bietet, ist die Fähigkeit zur Selbstkorrektur . . .
    In der Politik der inneren Sicherheit sind Korrekturen, auch Selbstkorrekturen erforderlich. Der Bundesvorstand der FDP hat dazu ein Zeichen gesetzt. Der Parteivorsitzende der FDP, Bundeswirtschaftsminister Bangemann, hat das am Dienstag überzeugend begründet. Ich warne wie er davor, die sich darin zeigende Fähigkeit zur Selbstkorrektur jetzt als Schwäche oder Umfall oder ähnliches abzuwerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn sich die Umstände ändern, müssen sich auch die politischen Bewertungen ändern, und die Umstände haben sich geändert. Die Gewalt der öffentlichen Demonstrationen geht nicht mehr — wenn es denn jemals so war — von jugendlichem Überschwang aus. Heute sind Profis am Werk. Ihre Gefährlichkeit nimmt zu. 1984 sind 139, 1987 schon 818 Polizeibeamte im Einsatz verletzt worden.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wieviel Demonstranten?)

    Zwei Beamte wurden im Zuge einer Gewaltdemonstration ermordet.
    Wir können — ich sage das ohne Häme — unrechtmäßige Gewalt nicht dadurch aus der Welt schaffen, daß wir vor ihr kapitulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die schwerwiegendere Fehlentscheidung des Hamburger Senats wurde nicht jetzt — auch das war eine Fehlentscheidung — sondern bereits vor sechs Jahren getroffen.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: So ist es!)

    Damals verzichtete der Senat darauf, besetzte Häuser unverzüglich, d. h. binnen 24 Stunden, räumen zu lassen, wie es in anderen Bundesländern geschieht.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Da hätten Sie einmal die Berufsverbote abgeschafft!)

    Meine Damen und Herren, wer das staatliche Gewaltmonopol aufweicht, wer dem Faustrecht Raum schafft, kommt in eine ausweglose Lage, wie sie jetzt in Hamburg entstanden ist. Sosehr der „Friedensvertrag mit der Hafenstraße ", wie es in der „Bild"-Zeitung hieß, zunächst als Erleichterung empfunden wird: In Wahrheit ist es eine schwere Niederlage des Rechtsstaates. Niemand von uns hat Anlaß, diese Niederlage von Recht und Gesetz als Sieg zu feiern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie kommt es zu diesen Gewalttaten? Stehen Not oder Unterdrückung dahinter? Nein, eher Haß und Verachtung.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Die sind vielleicht aufgeschlossener als Sie!)

    Sie richten sich gegen den Staat, der seine „Bullen" — so heißt dieses menschenverachtende Schimpfwort — aufmarschieren läßt. Die Ohnmacht dieses Staates sichtbar zu machen, ihn dadurch der Lächerlichkeit und der allgemeinen Verachtung preiszugeben, das ist wesentliches Motiv dieser Gewaltanwendung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Dregger
    Daß dieser Staat der freiheitlichste und zugleich sozialste der deutschen Geschichte ist,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das „sozialste" lassen Sie bitte weg!)

    ein Staat, der von keinem anderen Staat der Welt an Bürgerrechten und Bürgerfreiheiten übertroffen wird — all das hat ihn vor Haß und Feindschaft nicht geschützt.
    Woran liegt das? Was hat Haß und Verachtung geweckt? Die Schläger selbst geben darauf keine verstehbare Antwort. Sie wollen Randale. Warum? Was steht dahinter? Ich zitiere jetzt einige Äußerungen, die uns nachdenklich machen sollten.
    Die Studentenvertretung der kirchlichen Hochschule Berlin schrieb vor kurzem an die Synode der EKD — ich zitiere — , die „Wahllosigkeit Kreuzberger Knüppelnächte und Wackersdorfer Hetzjagden" haben nun ihre „Entsprechung in den Ausdrucksformen eines Teils des linken Spektrums gefunden" . Ein neues Zitat: „So blüht das Alibi für die kommenden Morde im Kreise der kommenden Pfarrer" — Kommentar einer angesehenen Tageszeitung, dem zu widersprechen schwerfällt. Diese Studenten haben wahrscheinlich Schulen besucht, auf denen sie von Vertretern der „Konfliktpädagogik" belehrt wurden, Konflikt sei „die einzige Wahrheit der Gesellschaft".

    (Zuruf von der SPD: Lösungen!)

    Die Ordnung des Grundgesetzes sei keine Friedensordnung, sondern eine Konfliktordnung; die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sei eine Klassengesellschaft.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Denken Sie einmal an Beamte und Arbeitslose!)

    Günther Anders, den Sie sicherlich kennen — er nennt sich Philosoph — schrieb in der den Grünen nahestehenden Tageszeitung „taz" im Sommer — ich zitiere ihn wörtlich — :

    (Frau Olms [GRÜNE]: Die ist nicht grünnah!)

    Wir werden nicht davor zurückschrecken, diejenigen Menschen zu töten,
    — ich wiederhole: „Wir werden nicht davor zurückschrecken, diejenigen Menschen zu töten" —

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Das ist keine grüne Position!)

    die aus Beschränktheit der Phantasie oder aus Blödheit des Herzens vor der Gefährdung ... der Menschheit nicht zurückschrecken.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Das ist eine Beleidigung! — Frau Unruh [GRÜNE]: Sie sind ein Demagoge!)

    Menschen also sollen getötet werden, um die Menschheit zu retten, jedenfalls dann, wenn ihnen „Beschränktheit der Phantasie"

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Dann ist der Redakteur beschränkt, wenn er sowas schreibt!)

    oder „Blödheit des Herzens" vorzuwerfen ist.
    Das nun schon berühmt gewordene Zitat der Vorstandssprecherin Ihrer Partei, Jutta Dithfurt, kann,
    Frau Unruh, in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Es wurde wenige Tage vor der Ermordung der beiden Polizeibeamten in Frankfurt ausgesprochen. Es lautet — ich zitiere — :
    Dieser Staat brauchte und braucht nichts so sehnsüchtig wie den Terror, den Schrecken. Er braucht ihn, um von seiner eigenen tagtäglich geübten Gewalt abzulenken.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Diese Kostproben, die vermehrt werden könnten, sollen genügen. Sie erhellen den geistigen Hintergrund, vor dem Gewaltverharmlosung und Gewaltneigung wachsen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Der Ungeist!)

    Nun sind, meine Damen und Herren, die von mir Zitierten keine originellen Denker. Sie sind ideologische Nachfahren Herbert Marcuses, der eine ganze Studentengeneration beeinflußt hat.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Marcuse bezeichnete schon in den 60er Jahren Gewalt als legitimes Mittel

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Regelrechte intellektuelle Höhenflüge sind das!)

    gegen die — wie er sagte, und ich zitiere ihn — „strukturell gewalttätig angelegte liberale Demokratie". An anderer Stelle seines Buches „Repressive Toleranz" diffamiert er diese liberale Demokratie sogar als „totalitär".
    Die Herabsetzung unseres Staates und seiner freiheitlichen Verfassung konnte nicht ohne Folgen bleiben. Machen wir uns klar: Es ist Verachtung, die zu Haß, und es ist Haß, der zu Gewalt und schließlich zu Mord führt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die vom Bundespräsidenten angemahnte Selbstkorrektur ist daher nirgendwo so notwendig wie in diesem Bereich.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Den nehmen wir ja auch ernst! — Gegenruf von der CDU/CSU: Aber Sie nimmt keiner ernst!)

    Wir müssen Pädagogen, Publizisten, Politiker jeder Richtung aufrufen, die einzigartige Freiheit unseres Gemeinwesens als kostbares Gut zu begreifen und es vor dem Größenwahn von Ideologen zu schützen, die ihre Meinung verabsolutieren und mit Gewalt durchsetzen wollen.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Sie sollten etwas zu den Ursachen der Gewalt sagen!)

    Diese geistige Umkehr ist das Wichtigste, was wir bewirken müssen.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Die Wende!)

    Geeignete rechtsstaatliche Instrumente für Polizei und Justiz müssen hinzukommen. Ich weiß, daß es einige Politiker und Polizeiexperten gibt, die das nicht für notwendig oder gar für schädlich halten — wie ich meine, aus einer allzu verengten Sicht. Normen können nicht allein an der Frage gemessen werden, ob



    Dr. Dregger
    und inwieweit sie der Polizei die Arbeit erleichtern. Wichtiger ist die Grenzziehung zwischen dem, was demokratisch legitim, und dem, was demokratisch illegitim ist.
    Zur Grenzüberschreitung gehören — und das müssen wir klarmachen, nicht irgendwelche Polizeiexperten — jede Art der Uniformierung,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    jede Art der Vermummung, d. h. Tarnung, und jede Form der Bewaffnung, auch der sogenannten passiven Bewaffnung. Wer diese Mittel anwendet, überschreitet bereits die Grenze zur öffentlichen Gewaltanwendung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Grenzüberschreitung kann nicht wie das Überschreiten eines Parkverbots mit einer Ordnungsstrafe belegt werden. Es handelt sich hier um kriminelles Unrecht. Unsere Aufgabe, die des Gesetzgebers, ist es, dieses Unrecht im Strafgesetzbuch als kriminell zu bewerten. Meine Damen und Herren, das ist unsere Pflicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Untergang der ersten deutschen Republik begann mit der Aufstellung paramilitärischer Verbände

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, daraus haben Sie nichts gelernt!)

    — von der SA bis zum Rot-Front-Kämpferbund —, mit Gewaltdemonstrationen und politischen Morden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Warum denn?) Das darf sich nicht wiederholen.


    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Nie was von Eskalation gehört?)

    Die „Schwarzen Blocks", die sich wie die Kader einer Bürgerkriegsarmee aufführen, dürfen auf unseren Straßen nicht die Überhand gewinnen. Die Polizei darf nicht in eine rein passiv-defensive Rolle gedrängt werden — unter ständiger unzumutbarer Gefährdung der Beamten, für die wir Politiker auch eine Fürsorgepflicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Gewalttäter müssen festgenommen, von den Gerichten verurteilt und einer Strafe zugeführt werden, die der Bedeutung der Rechtsgüter entspricht, um die es geht, nämlich um die Sicherung der Demonstrationsfreiheit und die Wahrung des inneren Friedens.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Koste es, was es wolle!)

    „Recht ohne Macht ist Anarchie, und Macht ohne Recht ist Diktatur" , so sagte es Blaise Pascal. Gewaltlosigkeit der politischen Auseinandersetzung ist die Grundlage der Demokratie. Sie zu sichern ist unsere gemeinsame Aufgabe. Darüber sollte Konsens in diesem Hause zwischen Regierung und Opposition möglich sein.
    Meine Damen und Herren, auch die Wahrung des äußeren Friedens, die Wahrung der Sicherheitsinteressen des deutschen Volkes stellt uns vor neue Herausforderungen. Die zwischen den beiden Weltmächten vereinbarte sogenannte doppelte Null-Lösung wird die Sicherheitsstrukturen Europas verändern.
    Wir haben der doppelten Null-Lösung zugestimmt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die einen sehen in jeder Abrüstung einen Gewinn — ohne Rücksicht darauf, welche Auswirkungen das auf das Gleichgewicht der Kräfte und damit auf unsere Sicherheit hat. Die anderen — zu denen wir gehören — sind der Meinung, daß Abrüstung gut ist, wenn sie zu mehr Gleichgewicht — und das heißt: zu mehr Sicherheit — führt, für alle, auch für uns.
    Wir, die Union, begrüßen die doppelte Null-Lösung als Einstieg in weitere Abrüstungsmaßnahmen, die durch die Teilabrüstung im atomaren Mittelstreckenbereich nicht überflüssig, sondern dringlicher geworden sind.
    Unsere Haltung hat ihren Niederschlag in den Beschlüssen des Deutschen Bundestages vom 4. Juni und 15. Oktober dieses Jahres gefunden. Diese Beschlüsse stimmen mit der Position überein, die die Außenministerkonferenz der NATO am 12. Juni 1987 ebenfalls eingenommen hat. In Übereinstimmung mit unseren eigenen Beschlüssen und der Position der Außenministerkonferenz sage ich:
    Erstens. Wir wollen Abrüstung und Gleichgewicht im konventionellen Bereich, d. h. bei Panzern und Flugzeugen, die sich in Deutschland hautnah gegenüberstehen. Die Sowjetunion verfügt hier über einen Waffenüberhang, den selbst sie nicht mehr generell bestreitet. Aus dieser Erkenntnis sollten unverzüglich Schlußfolgerungen gezogen werden. Statt die Zeit damit zu vergeuden, das jetzige Kräfteverhältnis zu zählen, sollte vereinbart werden, was jeder Seite für die Zukunft zuzugestehen ist, und auf diesen Stand kontrolliert abgerüstet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, über diese Position besteht Übereinstimmung.
    Zweitens. Wir wollen totale und globale chemische Abrüstung. Wir fordern Ost und West auf, sie sobald wie möglich zu vereinbaren und zu verwirklichen. Aber da der Zeitpunkt nicht abzusehen ist, wann das geschieht, wollen wir auch an der Vereinbarung festhalten, die Bundeskanzler Kohl und Präsident Reagan am Rande der Konferenz von Tokio getroffen haben. Die Kollegen Wimmer, Todenhöfer und ich haben das vor zwei Jahren bei unserem Besuch in Washington vorbereitet. Danach sollen alle chemischen Waffen der USA von deutschem Boden verschwinden, sobald neue chemische Waffen in den USA produziert und dort gelagert werden.
    Drittens. Wir wollen atomare Abrüstung auch bei den Systemen, die von der doppelten Null-Lösung nicht erfaßt werden.
    Das gilt für die strategischen Systeme, deren Reduzierung auf 50 % die beiden Weltmächte bereits in Aussicht genommen haben. Was übrig bleibt, reicht sicher.



    Dr. Dregger
    Es gilt vor allem für die landgestützten atomaren Systeme der Weltmächte, die wegen ihrer geringen Reichweiten von weniger als 500 km nahezu ausschließlich uns, die Deutschen beiderseits der Teilungsgrenze, bedrohen.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Auch die französischen!)

    — Auch das muß so geregelt werden, wie das andere in der Allianz geregelt wird. Ich wirke in diese Richtung. — Das Kräfteverhältnis beträgt hier 1 365 Flugkörper auf östlicher und 88 auf westlicher Seite. Das ist ein Verhältnis von 15 : 1; das ungünstigste für den Westen, das es in irgendeinem Rüstungsbereich gibt. Es besteht daher nicht der geringste Anlaß, den Abbau sowjetischer Überrüstung im Kurzstreckenbereich zu verschieben, bis die Überrüstung der Sowjetunion bei den chemischen oder konventionellen Waffen beseitigt ist. Ich freue mich, daß Herr Kollege Genscher sich diesen meinen Standpunkt schon vor einiger Zeit ausdrücklich zu eigen gemacht hat.

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Vogel [SPD]: Da seid ihr sprachlos! Lernt mal was hier!)

    — Ich freue mich, daß das allgemeine Zustimmung findet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir wollen — auch diese Klarstellung ist notwendig — bei den atomaren Kurzstreckenwaffen Abrüstung auf einen Mindestbestand, der nach meiner Auffassung die Massierung konventioneller Angriff s-verbände verhindern soll. Eine Null-Lösung ist in diesem Bereich so lange nicht diskutabel, wie das ungeheure Ungleichgewicht bei chemischen und konventionellen Waffen fortbesteht.
    Wenn von atomaren Waffen mit Reichweiten unter 500 km die Rede ist, bleibt die atomare Rohrartillerie mit ihrer ungeheuren Zerstörungsgewalt auf deutschem Boden in der Regel unerwähnt. Bei der Erarbeitung des westlichen Abrüstungs- und Sicherheitskonzepts muß sie in die Überlegungen einbezogen werden. Wenn die atomare Rohrartillerie neben den verbleibenden Kurzstreckenraketen zur Abwehr konventioneller Angriffsmassierungen entbehrlich sein sollte — was militärisch zu prüfen ist — , dann sollte diese atomare Rohrartillerie von deutschem Boden verschwinden.

    (Richtig! bei den GRÜNEN)

    Ich fasse zusammen: Die doppelte Null-Lösung bei den atomaren Raketen der Weltmächte hat weitere Abrüstungsfortschritte nicht überflüssig, sondern dringlicher gemacht. Wir wollen ein Sicherheits- und Abrüstungskonzept der Allianz, das Gleichgewicht nicht durch westliche Aufrüstung, sondern durch sowjetische Abrüstung herstellt und das die Sicherheits- und Überlebensinteressen des deutschen Volkes voll berücksichtigt.
    Generalsekretär Gorbatschow fordere ich auf, gerade in diesem Bereich ein Zeichen zu setzen. Die sowjetische Überlegenheit an atomaren Kurzstrekkensystemen von 1365 zu 88 zu Lasten des Westens kann mit Verteidigungsnotwendigkeiten nicht begründet werden. Diese Überlegenheit ist bedrohlich. Sie führt nicht zu Vertrauen und Zusammenarbeit, auf die es jetzt ankommt, sondern gefährdet sie. Die Sowjetunion sollte daher auf diesem Felde, auch ohne ein neues Abrüstungsabkommen, einseitig einen wesentlichen Abrüstungsschritt tun, um ihren Willen zur Abrüstung glaubhaft zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Opposition, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD, bitte ich, zu prüfen, ob sie die von mir vorgetragenen Sicherheits- und Abrüstungspositionen unterstützen kann. Zu Gesprächen darüber sind wir bereit. Nationaler Konsens ist auf keinem Felde wichtiger als in der Außen- und Sicherheitspolitik. Wir sind dazu bereit.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute einen nationalen Haushalt vor dem Hintergrund europäischer und weltwirtschaftlicher Unsicherheit. Wenn wir ihn trotzdem auf feste Daten stützen und die Risiken eingrenzen können, dann auf Grund unserer Konsolidierungserfolge seit 1982, seit Übernahme der Kanzlerschaft durch Helmut Kohl.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Um die finanzpolitische Wende zu verdeutlichen: In der Ära Brandt/Schmidt stiegen die Bundesausgaben im Jahresdurchschnitt um 9 %. Von 1983 bis 1986 stiegen sie jährlich um 1,7 %. Diese Linie behalten wir bei.
    Das hat nicht nur zu totaler Geldwertstabilität, zu realem Wirtschaftswachstum, zur Vermehrung der Zahl der Arbeitsplätze um netto über 600 000 beigetragen; diese Konsolidierungsleistung hat uns auch ein Stück finanzieller Handlungsfähigkeit gerettet und wiedergewonnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir wären völlig hilflos, wenn es nach 1982 so weitergegangen wäre wie vorher.
    Um den Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft zu begegnen, müssen die USA ihr Haushaltsdefizit verringern durch Ausgabenkürzung und Steuererhöhung. Dazu sind in Washington erste Beschlüsse gefaßt worden, die wir begrüßen.
    Die Überschußländer Japan und Deutschland — wir sind nicht die einzigen, aber wir werden immer genannt — werden aufgefordert, das Gegenteil zu tun. Von den Überschußländern wird erwartet, daß sie ihre Haushaltsdefizite erhöhen. Wir tun das vor allem durch unsere Politik der Steuersenkung. Sie war von Anbeginn nicht nur binnenwirtschaftlich, sondern auch außenwirtschaftlich motiviert. Sie erinnern sich, daß ich darauf immer wieder hingewiesen habe. Dieser außenwirtschaftliche Aspekt hat jetzt natürlich an Bedeutung gewonnen.
    Inzwischen wird uns nicht mehr vorgeworfen, wir täten in dieser Hinsicht zuviel, sondern eher zuwenig. Ich möchte dazu fünf Anmerkungen machen.
    Erstens. Wir könnten uns jetzt höhere Staatsausgaben und noch höhere Haushaltsdefizite, z. B. durch weitere Steuersenkungen, leisten, wenn die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung am Anfang der



    Dr. Dregger
    70er Jahre darauf verzichtet hätte, zur Unzeit, als keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeiten dafür vorhanden waren, in dieser immensen Weise Schulden zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Rezession, mein Junge!)

    Sie haben in guten Jahren nicht vorgesorgt, sondern Sie haben in guten Jahren das Geld zum Fenster hinausgeworfen, und das vermindert unseren Spielraum.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die 30 Milliarden DM Zinslast jährlich, die wir aus der Ara Brandt/Schmidt übernehmen mußten, verringern natürlich unseren heutigen Handlungsspielraum.

    (Walther [SPD]: Wer hat denn den Unsinn aufgeschrieben? — Frau Traupe [SPD]: Sie sollten Ihren Referenten entlassen!)

    Zweitens. Trotzdem haben wir zu den Stabilisierungsbemühungen der großen Industrienationen angemessen beigetragen, und wir werden das auch in Zukunft tun. Beitragen können wir dazu allerdings nur dann, wenn die anderen mitmachen. Deutsche Alleingänge zur Rettung der Weltwirtschaft wären eine absurde Selbstüberschätzung.

    (Frau Traupe [SPD]: Richtig!)

    Im Vergleich zu Japan ist die deutsche Wirtschaft mittelgroß, im Vergleich zu den USA ist sie eher klein. Um an Hand von Zahlen eine Vorstellung zu vermitteln: Das Bruttosozialprodukt 1986 betrug bei uns 890 Milliarden Dollar, in Japan 1 958 Milliarden Dollar, also mehr als das Doppelte, und in den USA 4 166 Milliarden Dollar, das ist das Viereinhalbfache.
    Drittens. Für uns ist es von großer Bedeutung, daß unsere Wirtschaft eingebettet ist in die Europäische Gemeinschaft und das Europäische Währungssystem. Ihre Fortentwicklung zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hat an Bedeutung gewonnen. Wir begrüßen die darauf gerichteten Bemühungen der Bundesregierung, wozu auch, Herr Bundeskanzler, die Vereinbarung zwischen der deutschen und der französischen Regierung zur Gründung eines Wirtschafts- und Finanzrats gehört. Wir sehen darin einen Schritt auf dem richtigen Weg, der nicht exklusiv bleiben wird, sondern Europa insgesamt einschließen wird.
    Viertens. Wir bereiten uns darauf vor, im Rahmen eines mit den anderen Industrienationen abzustimmenden Konzepts neue Entschlüsse zu fassen, wenn die Lage es erfordert. Weitere allgemeine steuerliche Entlastungen können bei uns nicht im Vordergrund stehen, erst recht keine Erhöhung der Staatsausgaben. Vordringlich ist die Förderung von Inlandsinvestitionen,

    (Walther [SPD]: Das wird langsam Zeit! Es werden immer weniger!)

    insbesondere die Förderung privater Inlandsinvestitionen, die privates Kapital an den Industriestandort Deutschland binden.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Also doch „Arbeit und Umwelt" !)

    Nicht Kapitalexport, sondern Investitionen in Deutschland müssen jetzt im Vordergrund stehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Das setzt aber voraus, daß Staat und Tarifpartner kein Kostenniveau schaffen, das dazu Anreiz gibt, anderswo die Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Spät kommt ihr, doch ihr kommt!)

    Fünftens. Auch eine Verbrauchssteigerung wäre situationsgerecht, nicht durch unangemessene Erhöhung der Lohnkosten; davor haben auch die Fünf Weisen und die wirtschaftswissenschaftlichen Institute gewarnt.

    (Walther [SPD]: Die irren sich nun laufend!)

    Es kann nur darum gehen, den vorhandenen Spielraum jetzt weniger für Arbeitszeitverkürzungen und mehr für Lohnerhöhungen zu nutzen, da das die Binnennachfrage steigern und dadurch Arbeitsplätze sichern würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Wie soll die denn gesteigert werden, wenn die Löhne niedriger sind?)

    Der diesbezügliche Hinweis des Bundesfinanzministers war durchaus berechtigt.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Geben Sie den Armen Geld, dann haben Sie Binnennachfrage!)

    — Sie gehören offenbar zu den Armen.
    Meine Damen und Herren, noch wichtiger allerdings ist es, den Sprung der Deutschen von der Konsumfähigkeit zur Konsumbereitschaft nicht durch unüberlegtes Krisengerede zu gefährden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch sehr wichtig!)

    Wir Deutschen gehören im Sparen ja zu den Weltmeistern. Das ist gewiß eine Tugend, aber eine, die in der gegenwärtigen Situation nicht übertrieben werden sollte.

    (Frau Traupe [SPD]: Ach nein!)

    An Konsumfähigkeit fehlt es jedenfalls nicht. Das zeigt der erhebliche Anstieg der verfügbaren Einkommen. Sie steigen nach Schätzung der Sachverständigen 1987 real um 3,5 % und 1988 real um 4,5 %. Auch das ist ein großer Erfolg unserer Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik; denn vor 1982, Herr Kollege Vogel, sanken die Realeinkommen der Rentner und Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Der Arbeitnehmeranteil war noch nie so niedrig wie jetzt! Noch 58 %!)




    Dr. Dregger
    Abschließend hierzu: Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung Optionen vorbereiten muß für den Fall, daß zusätzlicher Handlungsbedarf entsteht. Das geschieht. Im internationalen Vergleich stehen wir gut da. Die Politik von Regierung und Koalition hat das möglich gemacht.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, trotz unserer Spitzenstellung im internationalen Vergleich stehen wir infolge expansiver Ausgabenpolitik in den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre jetzt an der Grenze dessen, was der Staat für seine Bürger tun kann. Haushaltskonsolidierung, Kostendämpfung im Gesundheitswesen und Rentenstrukturreform sind Stichworte, die das anzeigen. Die Aufgaben, die jetzt zu erfüllen sind, sind trotzdem viel leichter als das, was nach dem Kriege beim Wiederaufbau zu leisten war. Damals hat unser Volk gezeigt, über welch ungeheure geistige und moralische Kraft es verfügt, wenn die Lage es erfordert. Jetzt kommt es vor allem auf die junge Generation an. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie weniger leistungsbereit, weniger befähigt und weniger dynamisch sein könnte als die Generation ihrer Väter und Mütter.
    Unserer Jugend sage ich: Denkt daran, daß in anderen Teilen der Welt, nicht nur in den alten Industrienationen, sondern z. B. auch in Südostasien eine junge Elite heranwächst, mit der ihr euch in Zukunft messen müßt. Ihr werdet es schaffen, wenn ihr nicht wehleidig seid, wenn ihr euch anstrengt, wenn ihr eure Fähigkeiten ausbildet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Deshalb rufe ich euch das zu, was vor 25 Jahren John F. Kennedy seinen Mitbürgern gesagt hat: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt euch, was ihr für euer Land tun könnt!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich füge dem einen Satz hinzu, den einer der Gründungsväter unserer Republik, Konrad Adenauer, in der letzten Rede seines Lebens gesagt hat: „Entscheidend aber ist die Liebe zu unserem Volk." So ist es: Ihm, dem deutschen Volk, wollen wir dienen, noch besser und wirkungsvoller als bisher.
    Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Spöri.

(Frau Unruh [GRÜNE]: Jetzt kommt der Kennedy-Typ! — Heiterkeit)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Spöri


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Vielen Dank für das Kompliment.
    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dregger ist in seiner Tour d'horizon vor allen Dingen auch auf die Perspektiven der Abrüstung eingegangen, die sich jetzt abzeichnen, wenn das INF-Abkommen zustande kommt, was wir alle hoffen.
    Ich, Herr Kollege Dregger, erlebe es in meinem Wahlkreis Heilbronn, einem Pershing-II-Standort, hautnah, welche Erleichterung auf Grund dieses Abkommens entstanden ist. Wir danken allen Verantwortlichen auf beiden Seiten, daß dieses Abkommen möglich war. Wir danken auch der Friedensbewegung, die unser Bewußtsein für diese Dinge geschärft hat.

    (Beifall bei der SPD — Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Der Bundesregierung auch!)

    — Ich habe gesagt: Allen Verantwortlichen auf beiden Seiten in dem Paktsystem.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung des Herrn Kollegen Dregger, daß wir die Chance nutzen sollten, den Prozeß, der jetzt in Gang gekommen ist, auf anderen Ebenen über die Mittelstreckenraketenebene hinaus fortzusetzen im Bereich der strategischen Interkontinentalwaffen.
    Dabei sind Ziele für uns Sozialdemokraten zunächst einmal der Abbau der konventionellen Ungleichgewichte in Mitteleuropa und gleichzeitig parallel, Herr Kollege Dregger, auch der Abbau der nuklearen Kurzstreckensysteme unter 500 km Reichweite. Für uns sind weitere Ziele — ich weiß nicht, ob Sie damit einverstanden sind — der Einstieg in eine chemiewaffenfreie Zone und in einen atomwaffenfreien Korridor. Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich sagen, daß wir froh sind, daß Sie unser Gesprächsangebot des letzten Jahres für größere Gemeinsamkeiten im Bereich der Abrüstungspolitik und der Sicherheitspolitik hier in Ihre Rede aufgenommen haben, und ich sehe durchaus hoffnungsvolle Ansätze, daß es zu dieser Gemeinsamkeit in diesem Hause kommt. Denn das Gewicht der Bundesrepublik ist um so größer, je geschlossener wir hinter diesen Abrüstungszielsetzungen stehen.
    Eine Bedingung aber haben wir für diese Zusammenarbeit, Herr Kollege Dregger. Wenn diese Zusammenarbeit auf dem Feld der Sicherheitspolitik in diesem Hause zwischen unseren Fraktionen besser werden soll, dann darf es keine mehrheitliche Meinungsbildung in Ihrer Fraktion für eine Nachrüstung bei nuklearen Kurzstreckenraketen in Europa geben.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die gibt es nicht!)

    Und dann, Herr Kollege Dregger, müssen Sie jene in Ihrer Fraktion zurückdrängen, die schon gegen die doppelte Null-Lösung gewesen sind, und Sie müssen jene zurückdrängen, die Sicherheitspartnerschaft als Selbstaufgabe des Westens denunzieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Und Sie müssen jene in Ihrer Fraktion zurückdrängen, die für eine Militarisierung des Weltraums eintreten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies sind unsere Bedingungen für eine Zusammenarbeit auf diesem Feld.
    Sie haben im Bereich der inneren Sicherheit viele Dinge angesprochen, die mich bedrücken, aber die sind schon in der Debatte vorgestern ausgeräumt worden. Ich möchte nur noch einmal auf die Hafenstraße, auf das Stichwort „Hamburg", eingehen. Sie haben



    Dr. Spöri
    den Bürgermeister der Hansestadt Hamburg attakkiert, und Sie haben hier wörtlich gesagt, das, was Herr Dohnanyi gemacht habe, sei eine Niederlage unseres Rechtsstaats. Ich sage Ihnen: Das, was Herr von Dohnanyi gemacht hat, ist ein humaner Sieg des Rechtsstaats,

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Nein, das war ein Verrat am Rechtsstaat!)

    der die Verhältnismäßigkeit der Mittel in diesem Rechtsstaat beachtet hat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das war die Kapitulation vor der Gewalt!)

    Ich sage Ihnen — die Bevölkerung sieht es mehrheitlich genauso — : Dieser Mann ist mit seinem Handeln zum Symbol für einen politischen Mut geworden, der dem Gesetz Geltung verschafft ohne weitere unnötige Gewalteskalation und unnötiges Blutvergießen. Wir alle, auch Sie in der Union, sollten diesem Mann zu Dank verpflichtet sein.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Klaus von Dohnanyi zeigte uns beispielhaft politische Kultur, auch indem er Fehler im politischen Handeln eingestanden und sich dafür entschuldigt hat, was eine wahre Wohltat im Geschrei der Rechthaberei dieses Hauses war.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Daran sollte sich Stoltenberg ein Beispiel nehmen!)

    Herr Kollege Dregger, Ihre Kritik an Klaus von Dohnanyi ist aus dieser Sicht erbärmlich und disqualifiziert Sie nur selbst.
    Nun zum eigentlichen Thema des heutigen Tages oder dieser Woche, nämlich zum Haushalt 1988. Seit der letzten Haushaltsdebatte im September hat sich die wirtschaftliche Situation weltweit dramatisch verändert. Auf den ersten schwarzen Montag folgte ein zweiter und dann noch ein rabenschwarzer Dienstag. Der Dollarkurs lag 1985 noch bei einem Spitzenwert von 3,47 DM, gestern beim Fixing lag er bei 1,66 DM. Die Bundesregierung hat dies, wenn man das praktische Handeln zugrunde legt, völlig reaktionslos zur Kenntnis genommen. Der Bundesfinanzminister, der in dieser Situation eigentlich in erster Linie gefordert wäre, hält sich unentschlossen und in Kiel beschäftigt zurück, und der Bundeskanzler sitzt mal wieder alles aus.
    Statt endlich in dieser Debatte der tiefgreifenden wirtschaftlichen Vertrauenskrise durch eine glaubwürdige aktive Politik konjunktur- und beschäftigungspolitisch entschlossen entgegenzutreten, hat der Herr Bundesfinanzminister wieder mal nur mit geringen Abstrichen noch an seinem Bild von der ökonomisch heilen Welt gezeichnet. Über die wirklichen Gefahren, nämlich z. B. auf die zunehmende Kurzarbeit in der Exportindustrie, Herr Stoltenberg, sind Sie nur mit unverbindlichen Ankündigungen hinweggegangen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider wahr!)

    Sie verspielen so auch noch den letzten Rest an Vertrauen in die Finanzpolitik dieser Bundesregierung. Dieser Vertrauensverlust ist aber nicht nur Ihr persönliches Problem, mit dem wir leben könnten, Ihre Finanzpolitik wird zunehmend auch zum Konjunktur- und Beschäftigungsrisiko, das die schon vorhandene wirtschaftliche Unsicherheit bei Bürgern und Wirtschaft verstärkt.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir beraten hier über einen Haushaltsplan, der ganz offensichtlich nur noch wenig mit der Realität zu tun hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Mann kommt aus Baden-Württemberg und redet so daher!)

    Die Koalition wird hier mit ihrer Mehrheit ein Haushaltsgesetz beschließen,

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Das ist richtig!)

    von dem sie schon heute weiß, daß es so nicht vollzogen werden kann.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Das ist falsch!)

    Die zentralen Schwachstellen dieses Haushalts hat nicht der Bundesfinanzminister und schon gar nicht Herr Dregger heute morgen in dieser Debatte ausräumen können.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, wo sollen denn eigentlich die 222 Milliarden DM Steuereinnahmen in diesem Haushalt herkommen, wenn nicht ein konjunkturelles Wunder geschieht?, frage ich Sie. Aus der neuen Wirtschaftsprognose des Sachverständigenrates — und die ist noch sehr optimistisch — ergibt sich schon ein zusätzlicher Steuerausfall von mindestens 3 Milliarden DM, und der ist noch gar nicht berücksichtigt.
    Wo, Herr Bundesfinanzminister, soll eigentlich der Bundesbankgewinn von 6 Milliarden DM in diesem Haushalt herkommen? Wenn der Dollar bei 1,66 DM bleibt, dann fehlen Ihnen in diesem Haushalt mindestens 3 Milliarden DM. Auch das ignoriert Ihr Haushaltsplan.
    Wo sind in Ihrem Haushalt die berühmten unabweisbaren Milliarden für die Europäische Gemeinschaft eingestellt? Sagen Sie doch endlich einmal konkret und verbindlich, wie Sie das im Jahre 1988 finanzieren wollen. Dazu ist diese Debatte da.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, Ihr Ziel, die Neuverschuldung des Bundes im nächsten Jahr unter 30 Milliarden DM zu halten, haben Sie nur auf geduldigem Papier erreicht. Merken Sie eigentlich nicht, daß Ihnen diese Zahl draußen niemand mehr abnimmt?

    (Walther [SPD]: Hier drinnen auch niemand!)

    Damit wir uns richtig verstehen: Ich werfe Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, in dieser konjunkturellen Situation nicht vor, daß die tatsächliche Nettokreditaufnahme im Jahr 1988 höher sein wird, als es auf diesem geduldigen Haushaltspapier steht. Ich werfe Ihnen



    Dr. Spöri
    vor, daß Sie dieses der Öffentlichkeit und dem Parlament bewußt verheimlichen wollen und daß die erhöhte Neuverschuldung nicht zur Finanzierung wirklich beschäftigungswirksamer Maßnahmen genutzt wird.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: In der Gegenwart hat man nichts zu kritisieren! Da muß man in die Zukunft gehen!)

    Ihre finanzpolitische Glaubwürdigkeit — das wissen Sie — ist erschüttert, nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren internationalen Partnern. Sie haben unseren Partnern im Februar im Louvre-Abkommen zur Wechselkursstabilisierung zugesagt, zur Stärkung unserer Binnennachfrage die Steuersenkung 1988 um 5,2 Milliarden DM aufzustocken. Das haben Sie gemacht. Okay. Ebenfalls im Februar wurde aber in der Koalitionsvereinbarung die Erhöhung von Verbrauchsteuern für 1988 festgeschrieben. Sie haben das extra vor kurzem noch einmal bestätigt. Das hat fatale Folgen auf internationaler Ebene.

    (Seiters [CDU/CSU]: Zitieren Sie doch einmal genau!)

    Wie sollen Sie denn gegenüber unseren Partnern noch glaubwürdig sein, Herr Stoltenberg, wenn Sie Versprechungen — zusätzliche Steuersenkungen — , die Sie international abgegeben haben, zu Hause klammheimlich in Form von höheren Verbrauchsteuern wieder einsammeln? Bei diesem Spiel mit gezinkten Karten darf sich niemand wundern, daß negative Reaktionen unserer Partner kommen.
    Es stimmt: Sie, Herr Bundesfinanzminister, können nicht für die großen Fehler verantwortlich gemacht werden, die anderswo gemacht worden sind, z. B. in den USA. Das wäre töricht. Niemand will und soll hier die verheerenden Folgen der verantwortungslosen Finanz- und Geldpolitik der Reagan-Administration für die Weltwirtschaft verniedlichen, meine Damen und Herren. Aber ich frage mich manchmal: Wo sind heute eigentlich die großen Bewunderer der Reaganomics aus den Koalitionsreihen geblieben? Wo sind die großen Fans der Reaganomics geblieben?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben doch noch vor Jahresfrist wahre Wallfahrten in die USA organisiert, um mit glänzenden Augen das Wirtschaftswunder dort zu bestaunen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wer denn? Kein Mensch!)

    Meine Damen und Herren, unabhängig von der verheerenden Hypothek dieser amerikanischen Finanzpolitik:

    (Dr. Vogel [SPD]: Alles ins Weltall geschmissen, das schöne Geld!)

    Daß das Louvre-Abkommen geplatzt ist und die Bundesrepublik heute mit als Störenfried der Weltwirtschaft dasteht, hat Ihre Finanzpolitik, Herr Stoltenberg, mit zu verantworten.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Schaden, den Sie dadurch für unsere Wirtschaft mit zu verantworten haben, ist unabsehbar. Das Exportwachstum, das im kommenden Jahr die Konjunktur über Wasser halten sollte, wird bei dem heutigen Dollarkurs blanke Illusion bleiben. Vor allem unsere Exportwirtschaft, die ein Drittel unseres Sozialproduktes erwirtschaftet, wird die Zeche zu zahlen haben und ebenso die Arbeitnehmer, von denen jeder vierte für den Export arbeitet.
    Wir brauchen, Herr Bundesfinanzminister, endlich eine wirksame Politik zur Stabilisierung der Wechselkurse. Stabilere Wechselkurse setzen aber voraus, Herr Stoltenberg, daß nicht allein die Notenbanken wie bisher die Last der Wechselkursstabilisierung tragen müssen, sondern daß sie in dieser Aufgabe durch eine glaubwürdige, vertrauenschaffende Wirtschafts- und Finanzpolitik entlastet werden, damit die Weltwirtschaft ohne tiefen Einbruch wieder ins Gleichgewicht kommt, damit die Handelsströme auf hohem Niveau angeglichen werden können.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Wer tut das mehr als wir?)

    Wenn die gegenwärtigen Unsicherheiten andauern, ist die Weltkonjunktur und unsere eigene Wirtschaftsentwicklung in unabsehbarer Weise gefährdet. Natürlich waren die Budget- und Handelsbilanzdefizite der USA der zentrale Auslöser der heutigen Krise. Aber, Herr Stoltenberg, die Lösung dieser Probleme in der Perspektive, in der Zukunft liegt nicht in einem Billardspiel internationaler Schuldzuweisungen, wie Sie es gegenwärtig betreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Herr Bangemannn hat doch in einem Punkt seines wirtschaftspolitischen Brandbriefs an Sie vom 10. November völlig recht: Hören Sie endlich mit dem Spiel auf, Herr Bundesfinanzminister, nur tatenlos den Schwarzen Peter über den Atlantik hin- und herzuschieben! Wir laufen sonst tatsächlich Gefahr, daß die internationale Kritik an der Bundesrepublik immer größer wird und wir noch weiter in eine isolierte Position hineingeraten.