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ID1104313000

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    Plenarprotokoll 11/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 Inhalt: Wahl der Abg. Frau Dempwolf zur Schriftführerin als Nachfolgerin der Abg. Frau Hoffmann (Soltau) 2923 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 11/1061, 11/1081) Sieler (Amberg) SPD 2923 C Strube CDU/CSU 2926 B Hoss GRÜNE 2930 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 2931D Dreßler SPD 2934 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 2937 B Frau Unruh GRÜNE 2942 A Egert SPD 2943 A Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Drucksachen 11/1065, 11/1081) Waltemathe SPD 2945 D Rossmanith CDU/CSU . . 2948 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 2951 C Zywietz FDP 2954 A Jaunich SPD 2956 D Link (Diepholz) CDU/CSU 2958 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2960 B Eimer (Fürth) FDP 2962 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2963 B Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 11/1066, 11/1081) Waltemathe SPD 2967 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2970 A Dr. Knabe GRÜNE 2973 D Baum FDP 2975 C Dr. Hauff SPD 2976 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 2979 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 2980D, 2985 B Schäfer (Offenburg) SPD 2984 A Frau Vennegerts GRÜNE 2985 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 11/1057, 11/1081) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 11/1067, 11/1081) Bachmaier SPD 2986 C Marschewski CDU/CSU 2988 B Häfner GRÜNE 2992 A Kleinert (Hannover) FDP 2993 C Wiefelspütz SPD 2994 D Engelhard, Bundesminister BMJ 2996 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 11/1070, 11/1081) Nehm SPD 2998 A Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU . . . 2999 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 3001D Grünbeck FDP 3003 A Scherrer SPD 3005 A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau . . 3006 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 3008 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 11/1062, 11/1081) Purps SPD 3009 C Windelen CDU/CSU 3013 A Weiss (München) GRÜNE 3015B Zywietz FDP 3017 A Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 3019B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 11/1063) Börnsen (Ritterhude) SPD 3021 A Deres CDU/CSU 3025 B Dr. Briefs GRÜNE 3026 C Funke FDP 3028 C Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 3030 C Haushaltsgesetz 1988 (Drucksachen 11/1079, 11/1080) Kühbacher SPD 3032 C Frau Vennegerts GRÜNE 3032 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 3033 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3033 B Tagesordnungspunkt II: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksachen 11/701, 11/970, 11/1183) Nächste Sitzung 3033 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3034* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 2923 43. Sitzung Bonn, den 26. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Dr. Biedenkopf 26. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Glotz 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Hörster 26. 11. Frau Kelly 26. 11. Kiechle 26. 11. Dr. Klejdzinski * 26. 11. Klose 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Knabe 26. 11. Kreuzeder 27. 11. Lemmrich * 26. 11. Lenzer * 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 27. 11. Niegel 26. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Reddemann * 26. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. Schmidt (München) * 27. 11. von Schmude 27. 11. Dr. Spöri 26. 11. Spranger 26. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Dr. Vollmer 26. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11. Dr. Zimmermann 26. 11.
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    Rede von Erwin Marschewski


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bin sicherlich bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen; ich bitte Sie nur, auch zu handeln und uns zu unterstützen. Lieber Kollege, Sie kommen genau wie ich aus dem Ruhrgebiet. Nehmen Sie in unserer Heimat auch Ihre Genossen einmal ernst! Wenn ich mit denen vor Ort spreche, sagen sie mir doch folgendes: Das schlimmste Übel, an dem wir offensichtlich leiden, ist nicht die Stärke der Rechtsbrecher, sondern leider das Zögern vieler Demokraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber doch nicht des Gesetzgebers, Herr Marschewski! Man muß ein bißchen differenzierter denken!)

    Daher werden wir auch nicht zögern, Unklarheiten und Unsicherheiten bei der Beurteilung von Sitzdemonstrationen zu beseitigen. Sie wissen natürlich: Das Bundesverfassungsgericht hat uns dazu vor ein paar Tagen erneut aufgefordert.
    Das friedliche Recht auf Demonstration ist selbstverständlich gewährleistet, aber, meine Damen und Herren, auch dies ist eindeutig: Es gibt kein Grundrecht, das es dem einzelnen erlaubte, sich über gleichwertige Rechte anderer hinwegzusetzen und die eigenen Meinung letztlich zum Maßstab aller Dinge zu machen. Wer jemanden daran hindert, sein Heim zu betreten, oder wer Angehörige militärischer Einrichtungen daran hindert, in die Kasernen hinein- oder aus ihnen herauszukommen, der kann sich zur Rechtfertigung dieses Verhaltens nicht auf das eigene Gewissen berufen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Er hat's immer noch nicht verstanden!)

    Wer dies tut, verkennt die pluralistische Demokratie.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wovon redet der denn?)

    Dieser Pluralismus setzt eben voraus, Frau Kollegin, daß wir das akzeptieren, was verfassungsgemäß beschlossen worden ist, auch wenn das eine oder andere bei Ihnen oder bei wem auch immer auf Ablehnung stößt.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie bauen doch wieder einen Popanz auf!)

    — Ich werde Ihnen gleich etwas sagen und Sie um Antworten bitten; dann kommen wir zu dem „Popanz". — Meine Damen und Herren, ich meine, der Absolutheitsanspruch und das Sitzblockieren der GRÜNEN sind in keiner Weise mit unserer Rechtsordnung vereinbar; das haben die Gerichte jetzt ja auch bestätigt.
    Jetzt zu dem „Popanz", Frau Kollegin DäublerGmelin. Ich bitte Sie um eine Antwort, und Sie haben ja gleich Zeit, dazu Stellung zu beziehen. Ich habe den Nürnberger Parteitag schon einmal angesprochen. Ich habe den Eindruck, die Rechtspolitiker, die ich sonst kennengelernt habe, alles sehr sachliche Menschen, sind da gar nicht gewesen, denn wie könnte sonst so etwas beschlossen werden?

    (Bachmaier [SPD]: Wacker waren wir dabei!)

    Wie könnte sonst beschlossen werden — ich zitiere —:

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Jetzt aber richtig zitieren!)




    Marschewski
    Passiver Widerstand von Demonstranten gegenüber staatlicher Machtausübung darf nicht mehr als Gewalt interpretiert werden.
    Meine Damen und Herren, das ist Nürnberg gewesen! Das ist also offensichtlich Ihre Meinung.

    (Zuruf von der SPD: Bundesverfassungsgericht!)

    Ich bitte Sie, dazu gleich etwas zu sagen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber Sie wissen es doch viel besser, Herr Marschewski!)

    Denn die Folgen Ihrer Regelung von Nürnberg wären klar: Blockierung von Straßen und Plätzen, von Schienenwegen, von Hauseingängen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ein bißchen differenzierter denken! Das geht doch!)

    — Sie haben gleich genügend Zeit, sich zu diesen Punkten zu äußern.

    (Weitere Zurufe der Abg. Frau Dr. DäublerGmelin [SPD] — Bachmaier [SPD]: Hin und wieder einmal in eine Gerichtsentscheidung schauen oder einen Blick ins Gesetz werfen!)

    Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich aus der Fülle von mehr als einem halben hundert rechtspolitischer Vorhaben dieser Periode noch zwei wichtige Bereiche anspreche, weil ich mit den Kollegen darüber auch gerne diskutieren möchte. Ich begrüße es, Herr Bundesjustizminister, daß in Ihrem Ministerium die Vorarbeiten zur Reform des Entmündigungs-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts sehr weit gediehen sind.

    (Zustimmung des Abg. Kleinert [Hannover] [FDP])

    Die von einer Kollegin stammende Bemerkung, sie traue diesen Burschen nicht, oder es geschehe gar nichts, wenn der Druck nicht bliebe, entbehrt jeder Grundlage. Meine Damen und Herren, Sie und wir wissen doch, daß das geltende Recht den einzelnen unnötig stark in seiner Rechtsausübung einschränkt, daß kranke und behinderte Menschen rechtlich Kleinkindern gleichgestellt werden. Wir sind doch einer Meinung: Begriffe wie „Mündel" und „Pflegling" werden zu Recht als diskriminierend empfunden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wie schön!)

    — Frau Kollegin, wir werden dies vordringlich, aber mit Augenmaß ändern. Wir werden die Totalentmündigung abschaffen, wir werden Vormundschaft und Pflegschaft in ein Institut der Betreuung umsetzten, und wir werden die individuelle Betreuung zum einzigen Maßstab unseres und des staatlichen Handelns machen.
    Herr Kollege Bachmaier, Sie haben das Insolvenzrecht angesprochen. Ich will das auch tun. Wir beide wissen, daß das Insolvenzrecht heute nicht mehr die Funktion erfüllt, die es einst besaß. Sie wissen, daß damals 90 % der Insolvenzen nach der Vergleichsoder der Konkursordnung abgewickelt wurden; heute sind es ungefähr noch 20 %.

    (Bachmaier [SPD]: Wenn's hoch kommt!)

    Wir sind einer Meinung: Der Konkurs ist nicht mehr die Reinigungsprämie der Wirtschaft. Es geht heute um neuere Dinge. Es geht darum, eine wertezerschlagende Liquidation zu verhindern. Es geht darum, eine gerechte Erlösverteilung zu erreichen, fair und äquitabel. Das ist das Problem. Es geht darum, die Arbeitnehmer in angemessener Weise zu schützen. Ich danke auch hier dem Herrn Bundesjustizminister, der dabei ist, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten.
    Verehrter Kollege Bachmaier, ist es nicht unseriös, schon jetzt fertige Gesetze zu verlangen? Sie wissen doch genausogut wie ich: Allein die Leitsätze der Kommission zur Reform des Insolvenzrechts umfassen mehr als 80 Seiten.
    Noch eines: Ein funktionsfähiges Insolvenzrecht läßt sich nicht allein durch den Gesetzgeber verordnen. Unsere Aufgabe ist es doch, möglichst breite Akzeptanzen zu schaffen.
    Noch eine Mahnung an Sie — ich hoffe, Sie verstehen es richtig — : Auch der Bereich des Insolvenzrechts ist — ich denke an Nürnberg, Herr Kollege Bachmaier — kein Tummelplatz für Umverteilungen aus dem Bereich der Utopie. Die ideologischen Scheuklappen sind auch hier ganz fehl am Platze.

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Sehr wahr!)

    Ich komme zum Schluß. Geld, meine Damen und Herren, war traditionell noch nie ein Thema dieser rechtspolitischen Debatte. Das ist ja auch bei einem Etatanteil von einem Siebenhundertstel nicht weiter verwunderlich. Es bleibt nur ein Gedanke aus der Vielfalt rechtlicher Probleme: Wie schaffen wir es endlich, Gesetze zu entschlacken und ihre Flut einzudämmen, so daß in angemessener Frist endgültig Urteile gesprochen werden? Spätes Recht ist halbes Recht; so haben wir es gelernt.
    Ich selbst bin da noch zweifelnd oder nachdenklich. Es wird auch kaum ausreichen, Herr Kollege Kleinert, die Zahl der Richter zu erhöhen. Ich weiß auch nicht: Ist dies überhaupt ein akzeptabler Weg? Ist es der richtige Weg, den Gang zu den Gerichten vielleicht durch Verfahrensvorschriften zu Lasten des Schwächeren zu erschweren?
    Ich hoffe, Herr Minister, die Strukturkommission wird Wege weisen. Ich weiß: Patentrezepte gibt es nicht. Diese hatte, meine Damen und Herren, damals nur Jonathan Swift im Land der Riesen, wo es hieß: Kein Gesetz darf an Worten die Zahl der Buchstaben des Alphabets, nämlich 22, überschreiten. Weiter hieß es dort: Die Herausgabe eines Kommentars zu einem Gesetz gilt als Kapitalverbrechen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wir sind alle Kapitalverbrecher!)

    Wie dem auch sei, wir sind uns einig: Gerechtigkeit und Wahrheit soll man walten lassen und dabei nicht viel Worte machen — ein guter Vorsatz auch oder insbesondere für Juristen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Häfner.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bundesjustizminister! Ich glaube, daß das, was wir eingangs in der Rede des Abgeordneten Marschewski hören konnten, ein ziemliches Mißverständnis über das zum Inhalt hatte, was Rechtspolitik sein sollte. Das ist jedenfalls meine Auffassung, Herr Kollege.
    Kern der Rechtspolitik sollte nicht die Ausübung von Macht mit allen Mitteln — auch der Gewalt — sein, sondern Kernprinzip des Rechts überhaupt sollte der Versuch sein, daß Menschen aufeinander zugehen und sich miteinander verständigen. Daß das in Hamburg geschehen ist und möglich war, ist, meine ich, ein gutes Zeichen und ganz etwas anderes als das, was Sie hier gefordert haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Herr Bundesjustizminister, ich wohne in Bonn in einer relativ teuren Wohnung. Seit meinem Einzug regnet es durch das Dach. Sie werden gleich hören, warum ich Ihnen das erzähle. — Ich hoffe übrigens, daß mein Vermieter jetzt zuhört.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wer ist das? Die Neue Heimat?)

    Seit Wochen und Monaten ist dieser schlimme Zustand bekannt. Es wird hin- und hertelefoniert, es wird festgestellt, daß dringender Handlungsbedarf besteht. Aber es passiert überhaupt nichts.

    (Zuruf des Abg. Funke [FDP])

    — Ich komme auf Sie zurück, Herr Funke.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Brauchen Sie einen Anwalt? Ich berate Sie!)

    — Sie auch, Herr Stark? Dann sind wir eine starke Gruppe! Aber lassen Sie mich bitte jetzt fortfahren!
    Mein Vermieter sagt dann immer zu mir: „Sie wissen ja, die Handwerker!" Ich sage heute: Sie wissen ja, die Juristen! Denn genau an diese Geschichte habe ich gedacht, als ich in Ihrem Etatentwurf wieder Ihren grandiosen Plan mit diesem so mutigen und entschlossenen Vorhaben las, eine Broschüre herauszugeben, im Einzelplan 07, aus Mitteln der Steuerzahler finanziert, die den Titel tragen soll „Das Bundesjustizministerium — 40 Jahre Bauhütte des Rechts". Ich habe diese „Hütte" in meiner ersten Etatrede — sicherlich etwas hart — als „Abbruchunternehmen des Rechtes" gekennzeichnet. Ich rücke davon auch nicht ab. Und bei Betrachtung Ihres Ministeriums fällt mir auf: Die „Hütten" werden immer teurer, werden immer höher, und der Ausstoß wird immer geringer.
    Der Kollege Bachmaier hat z. B. schon auf die Notwendigkeit einer Insolvenzrechtsreform sehr deutlich hingewiesen. Was bedeutet das für die Menschen? Tausende von Betroffenen gehen bei den Konkursen immer wieder leer aus. Konkursverwalter
    — ich erinnere nur an die Maxhütte — kassieren im großen Stile ab, ebenso die Banken. Erst ein einziges Mal ist es in der Bundesrepublik zu einem Konkurs gekommen, bei dem tatsächlich alle Gläubiger befriedigt werden konnten.
    Was ist z. B. beim Konkurs Privater, was passiert denn hier mit Menschen, die sich in hohem Maße verschuldet haben und denen man eigentlich, wie das auch in anderen Ländern möglich ist, einen Neuanfang ermöglichen müßte? Hier ist dringender Handlungsbedarf geboten. Aber das wird seit Jahren aufgeschoben. Man brütet und brütet, offenbar immer noch erfolglos.
    Mit dem Abbruch des Rechtes wird auch unter Ihrer ministeriellen, politischen Verantwortung in furchterregendem Ausmaß fortgefahren. In diesem Zusammenhang möchte ich doch auf ein sehr aktuelles und, wie ich meine, wichtiges Beispiel zu sprechen kommen: die entsetzlichen Morde in Frankfurt, die unser aller Abscheu und unser aller Ablehnung hervorrufen und die eigentlich dazu führen müßten, darüber nachzudenken, wie man die Spirale der Gewalt zurückdrehen kann, wie man für Deeskalation sorgen kann. Sofort wird in der Koalition der Schrei nach gesetzgeberischen Maßnahmen laut. Und worin sollen diese bestehen? In einem „Vermummungsverbot"!
    Wissen Sie, was mir hierzu einfällt? Wissen Sie, was ich an dieser Stelle eigentlich gerne fordern würde, vor allen Dingen von Ihnen? Ein Verdummungsverbot scheint mir nötig zu sein;

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    denn Sie wissen genauso gut wie ich: Die Vermummung steht schon heute als Ordnungswidrigkeit unter Strafe. Unter bestimmten Umständen ist sie sogar eine Straftat. Sie wissen auch, daß der wesentliche Unterschied zwischen der heutigen und der von Ihnen angestrebten Regelung nur derjenige ist, daß die Polizei heute eingreifen kann, während sie bei der Neuregelung eingreifen m u ß , was bedeutet, daß die Strafbarkeit auf Tausende ausgedehnt würde, die möglicherweise überhaupt keine Straftat begangen haben oder begehen wollen.
    Sie wissen auch, daß eben das der beste Weg ist, um friedliche Demonstrationen möglicherweise zu unfriedlichen zu machen!
    Auch ich mag diese vermummten Gestalten nicht. Aber haben Sie denn vergessen, warum Menschen angefangen haben, sich zu vermummen, wie Sie das nennen?
    Gehen Sie einmal — ich möchte Sie dazu einladen — auf eine Demonstration, z. B. in Wackersdorf. Da stehen heute überall Spezialtrupps der Polizei mit Foto- und Videokameras. Jeder Demonstrant wird aufgenommen und festgehalten. Die Bilder werden nicht vernichtet, sondern sie werden aufbewahrt und gespeichert. Der Bürger muß Angst haben, in irgendwelchen Karteien zu landen. Solange es Berufsverbote, solange es Sicherheitsüberprüfungen gibt, kann ich verstehen, daß diese — —

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wer nichts anstellt, braucht keine Angst zu haben!)

    — Ich habe einen Schulfreund, der wegen der Teilnahme an Demonstrationen und wegen des Betreibens eines Büchertisches vor der Mensa der Universität nicht als Lehrer in den Staatsdienst übernommen worden ist. Solange solche Dinge möglich sind, Herr Dr. Stark, kann ich die Angst der Menschen verstehen.
    Ich frage Sie umgekehrt, warum beispielsweise die Polizei vermummt ist. Ich erinnere Sie an das Abräu-



    Häfner
    men des friedlichen Hüttendorfes an der Baustelle in Gorleben — Freie Republik Wendland — , als die Polizei mit maskierten, mit schwarz bemalten Gesichtern angerückt ist.
    Ich frage Sie — und ich füge gleich hinzu: noch niemend hat mir diese Frage bis heute beantworten können —, wo denn der Zusammenhang besteht zwischen dem geforderten Vermummungsverbot und den Schüssen in Frankfurt. Wenn nachts aus einem dunklen Wald, wo man niemanden erkennen kann, aus der Entfernung hinterrücks geschossen wird, wer will denn da glaubhaft behaupten, ein Vermummungsverbot könnte in diesem Zusammenhang irgend etwas bewirken?

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das behauptet doch kein Mensch außer Ihnen!)

    Hier geht es um ganz anderes. Ich denke, daß das auch deutlich gemacht werden muß, und zwar nicht zuletzt auf Grund rechtspolitischer Gesichtspunkte; denn hier geht es nicht mehr um ein Tatbestandsstrafrecht, sondern um ein Verdachtsstrafrecht.

    (Dr. Langner [CDU/CSU]: Falsch!)

    Die Begründung, die immer wieder gegeben wird, die auch Sie, Herr Langner, mir neulich in der Podiumsdiskussion in Bonn gegeben haben, lautet: Ein hoher Prozentsatz — behaupten Sie — der von Ihnen so genannten vermummten Täter würde auch später Straftaten begehen. Ich habe zu Ihnen auf der Podiumsdiskussion gesagt — das ist Lernstoff im ersten Semester des Jura-Studiums — daß, wenn fünfmal ein Herr im Lodenmantel einen Verkehrsunfall verursacht, dann immer noch die Verursachung eines Verkehrsunfalls, nicht aber das Tragen von Lodenmänteln strafbar ist. Dahin sollten wir zurückkehren.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Langner [CDU/CSU]: Ein abwegiger Vergleich!)

    Ich denke, das ist eine sehr wesentliche rechtspolitische Grundsatzfrage.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das spricht sehr stark für Verdummung! — Dr. Langner [CDU/CSU]: Sie haben doch vom Verdummungsverbot gesprochen!)

    — Sie haben sich ja in der FDP Zeit genommen, noch einmal darüber nachzudenken. Deshalb habe ich so deutlich auf diesen Punkt hingewiesen. Ich bitte Sie, über diese Frage einfach noch einmal nachzudenken. Ich bitte Sie, auch über alle anderen im Zusammenhang mit einer Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts geplanten Maßnahmen noch einmal gründlich nachzudenken.
    Ich bitte Sie damit, in dem von Ihnen angekündigten Sinn tätig zu werden, nämlich zu einer wirklich liberalen Rechtspolitik, zu den Grundlagen zurückzukehren, die Ihre Partei ursprünglich einmal — ich erinnere an die Freiburger Thesen usw. — gehabt hat.
    Ich möchte, was den Haushalt betrifft, zum Abschluß darauf hinweisen: Der Haushalt ist wie Ihre Politik, nach außen hin wenig spektakulär. Einen Punkt haben wir schon streichen können. Das war das Ölbild für Generalbundesanwalt Rebmann. Merke:
    Auf Öl rutscht man leicht aus. Es war im Etatposten „Erwerb beweglicher Geräte" versteckt. Wir haben es trotzdem gefunden.
    Ein Punkt muß abschließend noch hervorgehoben werden: Das ist die Wehrstrafgerichtsbarkeit. Hierzu liegt Ihnen allen auch ein Antrag von uns vor. Die Unterstellung der Gerichtsbarkeit unter militärische Gesichtspunkte sollte in der Bundesrepublik Deutschland gerade nach den Erfahrungen mit den Kriegsgerichten im Dritten Reich eigentlich indiskutabel sein. Wir lehnen dies, was bisher hinter dem Rücken der Bevölkerung und auch hinter dem des Gesetzgebers geschehen ist, ausdrücklich ab und bitten Sie, diesen Punkt im Einzelplan 07 zurückzuweisen und auch unseren anderen Änderungsanträgen zuzustimmen.
    Ich danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)