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ID1104304200

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    Plenarprotokoll 11/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 Inhalt: Wahl der Abg. Frau Dempwolf zur Schriftführerin als Nachfolgerin der Abg. Frau Hoffmann (Soltau) 2923 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 11/1061, 11/1081) Sieler (Amberg) SPD 2923 C Strube CDU/CSU 2926 B Hoss GRÜNE 2930 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 2931D Dreßler SPD 2934 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 2937 B Frau Unruh GRÜNE 2942 A Egert SPD 2943 A Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Drucksachen 11/1065, 11/1081) Waltemathe SPD 2945 D Rossmanith CDU/CSU . . 2948 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 2951 C Zywietz FDP 2954 A Jaunich SPD 2956 D Link (Diepholz) CDU/CSU 2958 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2960 B Eimer (Fürth) FDP 2962 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2963 B Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 11/1066, 11/1081) Waltemathe SPD 2967 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2970 A Dr. Knabe GRÜNE 2973 D Baum FDP 2975 C Dr. Hauff SPD 2976 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 2979 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 2980D, 2985 B Schäfer (Offenburg) SPD 2984 A Frau Vennegerts GRÜNE 2985 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 11/1057, 11/1081) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 11/1067, 11/1081) Bachmaier SPD 2986 C Marschewski CDU/CSU 2988 B Häfner GRÜNE 2992 A Kleinert (Hannover) FDP 2993 C Wiefelspütz SPD 2994 D Engelhard, Bundesminister BMJ 2996 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 11/1070, 11/1081) Nehm SPD 2998 A Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU . . . 2999 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 3001D Grünbeck FDP 3003 A Scherrer SPD 3005 A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau . . 3006 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 3008 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 11/1062, 11/1081) Purps SPD 3009 C Windelen CDU/CSU 3013 A Weiss (München) GRÜNE 3015B Zywietz FDP 3017 A Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 3019B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 11/1063) Börnsen (Ritterhude) SPD 3021 A Deres CDU/CSU 3025 B Dr. Briefs GRÜNE 3026 C Funke FDP 3028 C Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 3030 C Haushaltsgesetz 1988 (Drucksachen 11/1079, 11/1080) Kühbacher SPD 3032 C Frau Vennegerts GRÜNE 3032 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 3033 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3033 B Tagesordnungspunkt II: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksachen 11/701, 11/970, 11/1183) Nächste Sitzung 3033 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3034* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 2923 43. Sitzung Bonn, den 26. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Dr. Biedenkopf 26. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Glotz 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Hörster 26. 11. Frau Kelly 26. 11. Kiechle 26. 11. Dr. Klejdzinski * 26. 11. Klose 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Knabe 26. 11. Kreuzeder 27. 11. Lemmrich * 26. 11. Lenzer * 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 27. 11. Niegel 26. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Reddemann * 26. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. Schmidt (München) * 27. 11. von Schmude 27. 11. Dr. Spöri 26. 11. Spranger 26. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Dr. Vollmer 26. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11. Dr. Zimmermann 26. 11.
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    Rede von Heike Wilms-Kegel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Millionen Menschen hören und sehen heute vormittag nach Bonn, weil kein anderes Thema so wie „Gesundheit" alle Bürgerinnen und Bürger anspricht. Sie wollen heute wissen, was der Regierung die Lebensqualität der Gesunden und Kranken wert ist. Die meisten Menschen haben zu Recht Angst vor den Wertvorstellungen der Regierung über Krankheit und Gesundheit.
    Einerseits scheut sich die Regierung nicht vor der gnadenlosen Ausbeutung der arbeitenden Menschen. Ich erinnere nur an den Wahlslogan „Leistung muß sich wieder lohnen". Andererseits ist die Regierung immer weniger bereit, für die gesundheitlichen Schäden, die durch die Ausbeutung entstehen, aufzukommen. Viel schlimmer: Die, die krank geworden sind, sollen jetzt noch drastisch zur Kasse gebeten werden, damit sie wieder fit werden, um sich weiter ausbeuten zu lassen. Das ist ein Teufelskreis, dem sich nur der entziehen kann, der einer höheren sozialen Schicht angehört und über ein entsprechend hohes Einkommen verfügt; eine vom Staat total entwertete Solidargemeinschaft, die übrigens faktisch nie existiert hat.
    Aber lassen Sie mich jetzt zu einzelnen Punkten des Einzelplans 15 kommen.
    Da ist zunächst das für alle interessante Thema AIDS. Dafür werden jetzt über 130 Millionen DM ausgegeben. Schon vor Jahren hatten wir GRÜNEN Geld für AIDS-Forschung gefordert. Sie haben das damals abgelehnt; sonst wären wir in diesem Bereich jetzt mindestens zwei Jahre weiter. Leider hat sich nämlich auch in diesem Bereich die weit vorausschauende Sicht der GRÜNEN bewahrheitet.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Von den im nächsten Jahr für AIDS vorgesehenen Geldern geht erst einmal eine riesige Summe in Personalkosten in Ämtern und im Ministerium. Über 50 Millionen DM werden an Werbeagenturen gegeben, damit weiter Broschüren, Anzeigen und Fernsehoder Kino-Spots gegen AIDS gemacht werden, alles natürlich völlig prüde, ohne Mut, die Dinge beim Namen zu nennen.



    Frau Wilms-Kegel
    Weiter wird also versucht, in moralisierender und schuldzuweisender Art Verwirrung über AIDS zu stiften. Auch in den Materialien zum Schulunterricht wird kein Kondom erwähnt, geschweige denn abgebildet oder seine Benutzung erklärt. Jugendlichen ohne Partner wird der Rat gegeben, treu zu sein. Wem denn?

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Unglaublich! — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht, was Sie erzählen! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

    Das Geld, das in die Forschung gesteckt wird, läßt so wichtige Bereiche wie die Erforschung der Veränderung der Gesellschaft durch AIDS oder die Erforschung der seelischen und sozialen Faktoren, die den Ausbruch der AIDS-Erkrankung bei HIV-Infektion fördern, außer acht.
    Es gibt aber, wie wir alle wissen, schon lange Einrichtungen, in denen, meist ehrenamtlich und engagiert, Menschen wichtige Arbeit in bezug auf Aufklärung über AIDS und zur Krankheitsbewältigung für die Betroffenen leisten. Ich meine die AIDS-Hilfen.
    Die Deutsche AIDS-Hilfe erhält jedoch nur 7 Millionen Mark — so viel, wie ein Leopard-Panzer plus Mannschaft kostet — und muß also weiter als Bittstellerin umherlaufen, um das nötige Geld für ihre sinnvolle, weil zielgruppengerichtete, Arbeit zu erhalten.
    Die Mittel für den Bundesjugendplan werden auch im kommenden Jahr — trotz leichter Aufstockung — nicht ausreichen, um den Jugendverbänden eine angemessene Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.
    Frau Ministerin, Sie raten der Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings — ich zitiere aus den Bremer Nachrichten — :
    Jammern Sie nicht über die Jugendpolitik, sondern schauen Sie auf das, was gelungen ist!
    Was Ihnen gelungen ist? Daß Sie die knappen Gelder der Jugendverbände auch noch erbarmungslos gestrichen haben, wenn die Jugendverbände sich nicht in Wohlverhalten der Regierung gegenüber geübt haben. Sind Sie darauf stolz?

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Auch das stimmt nicht!)

    Mit knappen Mitteln und dem damit verbundenen Zwang zu Wohlverhalten schaffen Sie nur angepaßte Jugendliche. Wenn Sie das wollen und Kritik und eigenständige Entwicklungen der Jugendlichen unterdrücken wollen, dann haben Sie auch den Mut, dies offen zuzugeben!

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Die Jugendverbände sind anderer Meinung als Sie!)

    Oder sorgen Sie dafür, daß im kommenden Jahr der Bundesjugendplan von jeder Mittelkürzung und Haushaltssperre ausgenommen wird!

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Für Kinderpolitik gibt es gar kein Geld. Wir sehen da einen erheblichen Bedarf und fordern daher die Einrichtung und Förderung zentraler Institutionen, überregionaler Maßnahmen und Modellvorhaben auf dem Gebiet des Kinderschutzes, besonders des Schutzes von Mädchen vor sexuellem Mißbrauch. Gerade in diesem Bereich wäre es Aufgabe des Staates, Vorreiter für gute Kinderpolitik zu sein. Kinder haben keine Lobby, kein Geld und keine Möglichkeiten, sich selbst zu schützen. Politik für Kinder beschränkt sich nicht auf die Verteilung von Kindergeld.
    Geld gibt es aber für die Stiftung „Mutter und Kind". Wie Sie wissen, lehnen wir diese Stiftung ab. Das Geld, das da ausgegeben wird,

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Ist gut angelegt!)

    um Frauen mit ein paar Almosen zu ködern, ihr Kind zu bekommen, sollte besser eingesetzt werden, um Familienplanung und Beratungsstellen zur Lösung von Schwangerschaftskonflikten zu fördern.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Bei diesem Punkt tritt Ihre Scheinheiligkeit zutage!)

    Gerade in der Frauenpolitik gäbe es für eine Frauenministerin Aufgaben zuhauf. Aber Ihre MinisterKollegen haben bisher erfolgreich Ihre Kompetenzen verhindert und Sie zu einer Ministerin für angepaßte Jugend, heile Familie und Hausfrauen degradiert.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Sie kennen die Kompetenzen nicht!)

    Zur Gesundheit komme ich jetzt. Nur 0,1 % seines Haushalts gibt das Ministerium — neben AIDS — für die Gesundheit in der Bundesrepublik aus. Allergien, Krebserkrankungen, Neurodermitis, Rheuma, Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und chronische Krankheiten nehmen ständig zu. Hier erwarten wir und die betroffenen Menschen von der Gesundheitsministerin Engagement und finanzielle Mittel, um diese Krankheiten zu erforschen, um hier erfolgreiche Therapie, Linderung oder gar Heilung aufzuzeigen. Wann endlich wendet sich das Ministerium neben AIDS angemessen auch den großen Volkskrankheiten zu, unter denen Millionen Menschen leiden?

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Bewältigung dieser Krankheiten muß staatliche Aufgabe sein und darf sich nicht auf Benefiz-Veranstaltungen, Spendenaufrufe und Schallplattenverkäufe beschränken.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Das ist Heikes Märchenstunde! — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Wie immer!)

    Aber daß die Politik des Ministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit katastrophal ist, sage nicht nur ich als GRÜNEN-Abgeordnete. Der Kommentator der konservativen „Arztezeitung" kommt in seinem Leitartikel vom 17. Juli zu folgender Einschätzung:
    Ein Parlamentarischer Staatssekretär, der zumindest das Gesundheitswesen abdeckt, ist nicht in
    Sicht. Für den beamteten Staatssekretär Werner



    Frau Wilms-Kegel
    Chory ist es eine Sisyphusarbeit, den Laden zusammenzuhalten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der macht das aber gut!)

    Und für wichtige Abteilungsleiter — wie zum Beispiel Manfred Steinbach — ist es notwendig, daß die politische Marschrichtung vorgegeben wird. Das alles stimmt derzeit nicht. Die Auswirkungen sind fatal. Es hakt personell im Ministerium und in angeschlossenen Ämtern wie beim Bundesgesundheitsamt. Alle Gesetzgebungsvorhaben im Arzneimittelbereich sind betroffen, die Zulassungen beim BGA sind eine Katastrophe. Und in dieser Situation bekommt Ministerin Süssmuth neue Aufgaben im Frauenbereich. Wahrlich trübe Aussichten für das Gesundheitswesen.

    (Dreßler [SPD]: Leider wahr!)

    Über die Situation im Arzneimittelinstitut des Bundesgesundheitsamtes wollte ich mich vor einigen Wochen vor Ort erkundigen, um mich über den Zulassungsstau von Arzneimitteln und die Gefahr des zunehmenden Verbots von Naturheilmitteln zu informieren. Womit ich jedoch nicht gerechnet hatte: daß das Gesundheitsministerium mir — ungefragt! — einen Regierungsdirektor nachfliegen läßt — auf Kosten der Steuerzahler natürlich —,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Skandal! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Auf wessen Kosten waren Sie denn da?)

    um die Gespräche zu beaufsichtigen. Dies ist nicht nur eine Beleidigung für eine demokratisch gewählte Abgeordnete, sondern zeigt auch, an welch kurzem Zügel das angeblich unabhängige Bundesgesundheitsamt läuft.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Tun Sie bloß nicht so, als wenn Sie alles aus der Ökokasse bezahlten!)

    Ich muß hier jetzt kurz auf eine interessante Zweierkonstellation bei der Kompetenzverteilung zur Gesundheit eingehen. Die Gesundheitsministerin hat nämlich weder Geld noch Einfluß im Gesundheitsbereich — sie darf nur warnen und schöne Worte machen.

    (Dreßler [SPD]: Leider auch wahr!)

    Für die harten Fakten ist der Arbeitsminister zuständig. Was der unter Gesundheitspolitik versteht, sehen wir an der unter seiner Regie entstehenden Verschärfung des Zwei-Klassen-Systems im Gesundheitswesen, gegen die Frau Süssmuth als Gesundheitsministerin kein Veto einlegt.

    (Dreßler [SPD]: Die denkt gar nicht daran!)

    Die kommende Selbstbeteiligung wird Kranke für ihre Krankheit bestrafen. Wer gegen seine Sehschwäche eine Brille braucht, wer wegen seiner Behinderung einen Rollstuhl oder eine Prothese braucht, wer ein Heilmittel oder ein Medikament braucht, muß in Zukunft kräftig in die Tasche langen. Der Staat wird seinen Bürgerinnen und Bürgern künftig nur so viel Gesundheit ermöglichen, wie die einzelnen selbst bezahlen können, ganz nach dem Motto: „Wirst du krank — geh' erst zur Bank." Sehr treffend hat das Ergebnis Ihres Kostendämpfungsgesetzes Thomas Linke am 23. November 1987 in der „Welt" zusammengefaßt: Operation gelungen — Patient tot. Sie können das christliche Menschenbild, das Sie immer wieder propagieren, mit einer Kapital- und Machtkoalition zwischen Pharmaindustrie, Ärztelobby und den Regierungsparteien zu Lasten von kranken und alten Menschen offenbar vereinbaren.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)

    Wir nicht, wie stehen an der Seite derer, die krank sind oder es noch werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bei den ewigen Klagen, daß die Kranken das Gesundheitswesen so teuer — ja, es wird sogar behauptet: ganz unbezahlbar — machen, sind wir GRÜNEN der Meinung, daß das Gesundheitswesen sehr wohl bezahlbar ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Durch den Ökofonds!)

    allerdings nicht in der Form, daß die Gewinne der Anbieterseite weiter explodieren und dies von den krankenversicherten Menschen bezahlt werden muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Sicherlich glaubt hier keiner ernsthaft daran, daß ich meiner Gesundheit etwas Gutes tun kann durch morgendliches Joggen im sauren Regen oder entlang am neuen Autobahnzubringer,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Im Gegenteil!)

    mit anschließendem kaltem Duschen mit formaldehydhaltigem Duschbad, mit dem Genuß eines radioaktiv hochbelasteten Brötchens zum Frühstück

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Sie sehen aber noch sehr gesund aus!)

    und — nicht zu vergessen — mit dem sofortigen, braven Zähneputzen danach zur Karies- und Parodontoseprävention — mit texaponhaltiger Zahncreme, versteht sich.

    (Heiterkeit bei den GRÜNEN — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie müssen ja jeden Morgen überrascht sein, daß Sie noch leben! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Für Prävention im Gesundheitsbereich ist in diesem Haushalt — neben AIDS — kaum Geld vorhanden. In diesem wichtigen Bereich gibt's — wie immer — kein Geld oder Kompetenzabschiebungen.
    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen unsere Kritik genannt:

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Da haben Sie wider besseres Wissen gesprochen, Frau Wilms-Kegel!)

    Einer Jugendpolitik mit Zwang zum Wohlverhalten, einer Frauenpolitik, die nur dem Namen nach existiert, einer Kinderpolitik, die allenfalls KindergeldPolitik ist, einer Gesundheitspolitik, die dem An-



    Frau Wilms-Kegel
    Spruch der Gesunderhaltung der Bürgerinnen und Bürger nicht dient, können wir GRÜNEN nicht zustimmen.
    Deshalb fällt es uns leicht, diesen Haushalt abzulehnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Zywietz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es im Rahmen einer Haushaltsdebatte weniger dramatisch als meine Vorrednerin angehen lassen und möchte versuchen, in der Kürze der Zeit zwei Dinge auszudrücken. Zum einen will ich einige wenige Kennzahlen zum Einzelplan 15 darlegen, um dann in zweiter Linie einige politische Anmerkungen zu einzelnen Themen zu machen.
    Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß es bislang auch in einer Haushaltsdebatte recht ungewöhnlich ist, sich zunächst einmal mit der Ist-Struktur, mit der Nüchternheit der Zahlen, zu beschäftigen. Schaut man sich den Einzelplan 15 an, stellt man fest, daß er sich auf eine Größenordnung von 19,1 Milliarden DM beläuft. 17,5 Milliarden, der ganz dicke Brocken, werden für Zuschüsse und Zuweisungen verausgabt, davon etwa 13,7 Milliarden für das Kindergeld und ca. 3 Milliarden für das Erziehungsgeld, also insgesamt, simpel addiert, 16,7 von ca. 17,5 Milliarden DM Zuschüssen in diesem Haushalt.

    (Zuruf von der SPD: Da bleibt nicht mehr viel übrig!)

    — Sie sagen es!
    Als Differenz zwischen 19,1 Milliarden Gesamthaushalt und 17,5 Milliarden Zuschußverwendung insbesondere für die aufgezeigten zwei Hauptzwecke verbleiben rund 1,6 Milliarden DM. Diese 1,6 Milliarden werden, grob gesprochen, wie folgt verwendet: 1 Milliarde für den Personalaufwand, 0,2 Milliarden für den Sachbedarf, 0,2 Milliarden für Investitionen, und dann gibt es noch kleine Restgrößen.
    Das ist die nüchterne grobe Zahlenstruktur des Einzelplans 15. Fragen wir uns nun, durch welche Organisationen diese Mittel verwendet werden. In die Mittelverwendung eingeschlossen sind logischerweise das Ministerium selbst und dann gewisse Bundesbehörden und Institute. Ich nenne die wesentlichen: Da ist einmal das Bundesgesundheitsamt, hier schon mehrfach erwähnt, dann die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information, das Paul-Ehrlich-Institut, das mit der Prüfung und Zulassung von Impfstoffen beschäftigt ist, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und das Bundesamt für Zivildienst.
    Beziehen wir nun den Personalkörper in die Betrachtung ein. Er beläuft sich bei dem Ministerium und den genannten Behörden und Instituten auf ca. 3 100 Mitarbeiter, wobei etwa 550 auf das Ministerium selbst, 1 500 auf das Bundesgesundheitsamt und etwa 670 auf das Bundesamt für den Zivildienst entfallen, um die wichtigsten Größen zu nennen, mit denen man es bei diesem Einzelplan zu tun hat.
    Von den Zahlen komme ich jetzt zu den politischen Anmerkungen, zur Gewichtung und Bewertung, wie sie hier teilweise auch schon von den Vorrednern aus den anderen Fraktionen angesprochen worden ist. Ich meine, diese nüchterne Zahlenstruktur macht unmißverständlich den Schwerpunkt deutlich, zu dem wir von der FDP uns auch eindeutig bekennen, nämlich den Familienlastenausgleich, der sich ja auf drei Bereiche abstützt, auf die Kindergeldleistungen in der genannten Größe von über 13 Milliarden, auf das Erziehungsgeld von 3 Milliarden, aber auch — was teilweise nicht erwähnt und, wenn erwähnt, mit einem negativen Unterton erwähnt worden ist — auf all das, was es an steuerlichen Entlastungen für die Familien gibt.
    Diesen Bereich als eine dritte unterstützende Säule möchte ich jetzt doch einmal mit dem Rang darstellen, der ihm gebührt.
    Unser Ziel ist es, die Familie als die kleinste Einheit der Gesellschaft zu stärken, und die steuerliche Entlastung der Familie hat für uns einen hohen Stellenwert. Wir wollen, daß die eigene finanzielle Leistungskraft, die in den Familien vorhanden ist, nicht durch den Zugriff des Staates geschwächt wird.
    Wir stellen fest, daß sich die Gesamtleistungen für die Familien auf eine Größenordnung von 70 Milliarden DM belaufen. Ich sage in aller Nüchternheit: Das ist, in Zahlen, in Geld ausgedrückt, die größte Unterstützung, die den Familien bislang aus dem Bundesetat zuteil geworden ist.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir wollen uns ja nicht nur um die Facetten, um das Dritt- und Viertrangige, kümmern, sondern auch um das, was wirklich in die meisten Familien, in die meisten Häuser Hilfe bringt, und zwar in der richtigen, am schnellsten und am besten verwertbaren Form. Das sind eben diese dargelegten Unterstützungen. Es ist also nicht ganz einfach — wenn ich zur linken Seite des Hauses hinüberschaue — , hier so nonchalant Kritik anzubringen, wenn man diese Zahlen für so bedeutsam hält, wie sie halt sind. Da hilft es auch nicht, über die Steuerreform zu negativ zu sprechen; denn sie bringt gerade Entlastungen für die normal verdienenden Haushalte. Es ist verkehrt, sich immer wieder allzu lange an dem Marginalpunkt der Spitzensteuerbelastung zu reiben und bei ihm aufzuhalten.
    Wir wissen für die Zukunft aber auch, daß wir mehr tun müssen, als nur auf die gegebene Ist-Situation beklagenswerter Zustände einzugehen, sondern wir müssen neben dem Geld vor allem auch im Bereich der Bewußtseinsbildung aktiver sein, um die Leistung von alleinerziehenden Müttern nachhaltiger in das Bewußtsein unserer Gesamtgesellschaft zu bringen. Ich glaube, hier liegen noch Aufgaben, denen wir uns intensiver zu stellen haben.
    In diesem Bereich gilt es, innovative Programme zu erstellen. Mit der Verlängerung des Erziehungsurlaubs auf 12 Monate haben wir die Erziehungsarbeit noch nicht in vollem Umfang gewürdigt. Wir wissen aber auch: Die finanzielle Machbarkeit ist entscheidend. Wir sind in der Pflicht, in den nächsten zwei Jahren keine Leistungsgesetze in Kraft zu setzen. Es



    Zywietz
    gilt auch in diesem Bereich, an der Konsolidierung des Haushalts mitzuwirken. Ich sage das sehr ruhig und sehr betont, weil ich weiß, daß es viel Wünschenswertes gibt, und zwar nicht nur in diesem Bereich. Aber es muß immer in Relation gebracht werden mit der finanziellen Machbarkeit und im Hinblick darauf geprüft werden.

    (Zuruf von der SPD: Alles muß bezahlt werden!)

    — Alles muß bezahlt werden. — Ich mache angesichts der Beträge in Höhe von 13 Milliarden DM oder 14 Millarden DM für Kindergeld und in Höhe von 3 Milliarden DM für die Erziehungsbeihilfe gar keinen Hehl aus meiner Einschätzung, daß ich in absehbarer Zeit keine Chancen dafür sehe, diesen Bereich nachhaltig auszudehnen.

    (Waltemathe [SPD]: Aha!)

    — Da hilft auch kein „Aha". Wohltat für die Familien, worüber wir sprechen, soll ja in klingender Münze erbracht werden.

    (Zuruf von der SPD: Sie sprechen von Wohltaten!)

    Bewußtseinsbildung hilft zwar auch mit, aber das meiste soll ja in Form von Geld erbracht werden. Dann muß man auch über die Finanzierung reden. Da lasse ich es auch nicht so einfach durchgehen, daß nur das Wünschbare angesprochen wird.

    (Zurufe von der SPD)

    — Auch das Stichwort des Weltraums hilft in diesem Zusammenhang nicht. Wir alle werden uns darauf zu verständigen haben, erst einmal die Wirtschaftskraft leistungsfähig zu halten und für Wachstum zu sorgen. Erst danach können wir uns darüber unterhalten, welche Anteile von diesem allgemein gewachsenen volkswirtschaftlichen Kuchen für welche Zwecke zu verwenden sind.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Das ist doch ein dummer Zusammenhang, den Sie herstellen!)

    Ich möchte noch einen zweiten Punkt kurz ansprechen. Wir werden an anderer Stelle weiter darüber zu diskutieren haben. Wohlfahrt ist jedenfalls mehr, als nur mit Worten Hoffnung zu machen, die man dann materiell nicht bedienen kann. Das haben sie vielleicht etwas zu intensiv gemacht.

    (Zuruf von der SPD: Man kann's, Sie wollen nur nicht!)

    Bei der Arzneimittelzulassung — um auch noch auf ein anderes wichtiges und aktuelles Stichwort einzugehen — hat sich ein Stau gebildet, der für alle Beteiligten unzumutbar geworden ist. Das Arzneimittelgesetz garantiert ein weltweit anerkannt hohes Niveau bei der Arzneimittelsicherheit. Der damit verbundene administrative Aufwand darf aber nicht dazu führen, daß wichtige, wenn nicht sogar überlebenswichtige Medikamente den Prozeß der Zulassung und Sicherheitsüberprüfung nur in einem Zeitraum meistern, der einfach zu lang ist und gegen die gesetzlich vorgesehenen Fristen verstößt. Diese Situation ist beim Gesundheitsamt inzwischen aber eingetreten.

    (Zuruf von der SPD: Aber doch nicht erst seit gestern!)

    Der Antragsstau hat mehrere Ursachen. Eine ist sicherlich darin zu sehen, daß das Arzneimittelinstitut des Bundesgesundheitsamtes personell unterausgestattet ist. Das hat selbst der in Fragen der Personalausstattung eher kritisch einzustufende Bundesrechnungshof bestätigt. Die besondere Situation bei der Arzneimittelzulassung rechtfertigt deshalb die Schaffung zusätzlicher Stellen. Wir verbinden mit dieser Aufstockung aber auch den Wunsch, daß die gestellten Aufgaben durch interne organisatorische Maßnahmen und gegebenenfalls auch durch eine gewisse Übertragung von Leistungen außerhalb des Amtes in Zukunft besser bewältigt werden können.
    Auch für die wichtige Aufgabe der Lebensmittelüberwachung sind beim Bundesgesundheitsamt zusätzliche Stellen vorgesehen, um sicherzustellen, daß dieses Amt flexibel und schnell reagieren kann, wenn der Verdacht aufkommt, daß sich gefährliche Lebensmittel im Verkehr befinden.
    Ein vorletzter Punkt. Das Thema AIDS, das sehr bewegt, ist hier bereits angesprochen worden. Für das Programm der Bundesregierung zur Bekämpfung von AIDS stehen 132 Millionen DM im Einzelplan 15 zur Verfügung. 56 neue Stellen sind vorgesehen. Solange es weder einen Impfstoff noch ein Heilmittel gibt, muß die Aufklärung im Vordergrund stehen. Dabei muß mit allen Organisationen, die über zielgruppenspezifische Erfahrungen verfügen, insbesondere mit den Selbsthilfegruppen, eng zusammengearbeitet werden.
    Die Forschung im Kampf gegen das heimtückische Virus soll und darf nicht am Geld scheitern. Auch diesem Grundsatz wird mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf Rechnung getragen. Auf der Grundlage des Berichts der Enquete-Kommission wird über das weitere Vorgehen zu diskutieren sein.
    Ausgrenzung und Diskriminierung wird es mit uns Liberalen nicht geben.

    (Beifall bei der FPD und der SPD — Rossmanith [CDU/CSU]: Niemand will ausgrenzen!)

    Humanität und Liberalität unserer Gesellschaft werden daran gemessen, wie wir es schaffen, mit den hart vom Schicksal geschlagenen Infizierten und Erkrankten umzugehen.
    Ich möchte aus unserer Sicht die Anmerkung der Vorrednerin zurückweisen, daß in diesem Bereich zu wenig getan werde. Ich erinnere mich als Mitglied des Haushaltsausschusses, daß gerade bei diesem Thema, das wir immer sehr sensibel behandelt haben, nichts am Geld gescheitert ist. Ich kann mich nicht an einen einzigen Antrag erinnern, der abgelehnt wurde.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wenn die Mitglieder der GRÜNEN nicht in den Ausschuß kommen, können sie das auch nicht wissen!)




    Zywietz
    Wer behauptet, hier werde zuwenig getan, muß nachweisen, wo mehr möglich und erwünscht ist. Mit den Mitteln des Einzelplans wird das Mögliche geschehen. Diesbezüglich wurde nichts abgelehnt. Diesem Thema gegenüber haben wir uns — ebenso wie die Ministerin — überhaupt nicht prüde verhalten.
    Einige Schlußanmerkungen zu einem Thema, das viele Schattierungen hat, nämlich zur Frauenpolitik. Dieses Thema bedeutet für uns u. a. auch, daß Strukturen auf dem Arbeitsmarkt und dem Arbeitsleben flexibler, differenzierter und wenig zentralistisch zu gestalten sind. Wir wollen, daß Frauen mit denselben Maßstäben wie Männer am Wirtschaftsleben partizipieren. Frauen sollen auch in Männerberufe gehen. Wir sind aufgefordert, Gesetze zu ändern, damit dieses möglich wird.
    Ich will, weil das auch bei den Beratungen im Haushaltsausschuß und weit darüber hinaus eine Rolle spielte bzw. spielt, ein paar Anmerkungen zum Beratungsgesetz machen, dem in den Koalitionsvereinbarungen auch von unserer Seite zugestimmt wurde. Ich erinnere mich noch sehr gut an Debatten in diesem Hause und, wie die meisten Kolleginnen und Kollegen, an Debatten auch im allgemeinpolitischen Raum. Die FDP hat die Reform des § 218 gewollt und in der Vergangenheit mit guten Argumenten und viel politischer Zähigkeit durchgesetzt. Das will ich in aller Nüchternheit feststellen.
    Die Absicht war, die Abtreibung nicht unter Strafe zu stellen, weil wir damals wie auch heute nicht überzeugt sind, daß eine Strafandrohung die Zahl der Abtreibungen wirklich reduziert. Sie läßt die Betroffenen vielmehr in die Illegalität abdriften. Dies war für die Betroffenen viel schlimmer. Die Zahl der Abtreibungen wurde nicht nachhaltig reduziert, aber die Formen der Abtreibung wurden dadurch sehr viel gefährlicher.
    Es handelt sich hier um einen sehr sensiblen Bereich. Wir sind lernfähig. Wir sind für das Leben; wir wollen unterstützende Hilfe geben. Das ist der Grundsatz. Das kann man nicht mit Ja oder Nein oder einfachen Formeln machen. Wir sind zum Dazulernen bereit, aber mit der entsprechenden Sensibilität.
    Wir wollen Hilfestellung für das Ja zum Leben geben. Auf dieser Basis kann man auch über diesen sensiblen Themenbereich sprechen. Wer glaubt, hier gebe es Veranlassung, die FDP zu einer Rolle rückwärts zu drängen, verkennt, glaube ich, die Situation.
    Von dieser Ausgangsposition her werden wir uns dem Thema stellen.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Das Beratungsgesetz ist Inhalt der Koalitionsvereinbarung!)

    — Nicht die gesamte Politik für die Fraktion wird in Koalitionsvereinbarungen festgelegt, schon gar nicht für vier Jahre. Das sind Grundlagen, auf denen man weiterarbeiten muß und die die Richtung angeben.
    Ich möchte für meine Person sagen, daß dieser Bereich ein sehr sensibler ist.

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Das gilt für die ganze Fraktion!)

    Hier muß man die Umgangsformen wahren und die Fakten wirklich sorgfältig prüfen.
    Daß wir dazu bereit sind, haben wir auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß wir die Stiftung „Mutter und Kind" mit höheren Finanzbeiträgen dotiert haben. Daß dies von den GRÜNEN abgelehnt wurde, ist mir vollkommen unverständlich. Wir wissen auch sehr wohl um Gefahrenmomente, die mit dieser Ausstattung verbunden sind, Mitnahmeeffekte, die denkbar sind.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Erst die Sozialhilfe ändern!)

    Da wird man aufzupassen haben. Aber der Grundsatz ist letztlich eine Hilfestellung, die damit zum Ausdruck gebracht wird. Das, was wir in Einzelheiten vorzubringen haben, werden wir dann in Form von Verbesserungsvorschlägen tun. Wir stimmen zu. Wir verweigern uns dieser Aufgabe nicht. Wir werden Verbesserungen dort anbringen, wo es angemessen ist.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)