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    Plenarprotokoll 11/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 Inhalt: Wahl der Abg. Frau Dempwolf zur Schriftführerin als Nachfolgerin der Abg. Frau Hoffmann (Soltau) 2923 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 11/1061, 11/1081) Sieler (Amberg) SPD 2923 C Strube CDU/CSU 2926 B Hoss GRÜNE 2930 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 2931D Dreßler SPD 2934 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 2937 B Frau Unruh GRÜNE 2942 A Egert SPD 2943 A Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Drucksachen 11/1065, 11/1081) Waltemathe SPD 2945 D Rossmanith CDU/CSU . . 2948 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 2951 C Zywietz FDP 2954 A Jaunich SPD 2956 D Link (Diepholz) CDU/CSU 2958 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2960 B Eimer (Fürth) FDP 2962 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2963 B Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 11/1066, 11/1081) Waltemathe SPD 2967 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2970 A Dr. Knabe GRÜNE 2973 D Baum FDP 2975 C Dr. Hauff SPD 2976 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 2979 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 2980D, 2985 B Schäfer (Offenburg) SPD 2984 A Frau Vennegerts GRÜNE 2985 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 11/1057, 11/1081) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 11/1067, 11/1081) Bachmaier SPD 2986 C Marschewski CDU/CSU 2988 B Häfner GRÜNE 2992 A Kleinert (Hannover) FDP 2993 C Wiefelspütz SPD 2994 D Engelhard, Bundesminister BMJ 2996 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 11/1070, 11/1081) Nehm SPD 2998 A Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU . . . 2999 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 3001D Grünbeck FDP 3003 A Scherrer SPD 3005 A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau . . 3006 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 3008 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 11/1062, 11/1081) Purps SPD 3009 C Windelen CDU/CSU 3013 A Weiss (München) GRÜNE 3015B Zywietz FDP 3017 A Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 3019B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 11/1063) Börnsen (Ritterhude) SPD 3021 A Deres CDU/CSU 3025 B Dr. Briefs GRÜNE 3026 C Funke FDP 3028 C Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 3030 C Haushaltsgesetz 1988 (Drucksachen 11/1079, 11/1080) Kühbacher SPD 3032 C Frau Vennegerts GRÜNE 3032 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 3033 A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3033 B Tagesordnungspunkt II: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksachen 11/701, 11/970, 11/1183) Nächste Sitzung 3033 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3034* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1987 2923 43. Sitzung Bonn, den 26. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Dr. Biedenkopf 26. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Glotz 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hiller (Lübeck) 27. 11. Hörster 26. 11. Frau Kelly 26. 11. Kiechle 26. 11. Dr. Klejdzinski * 26. 11. Klose 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Knabe 26. 11. Kreuzeder 27. 11. Lemmrich * 26. 11. Lenzer * 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 27. 11. Niegel 26. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Petersen 27. 11. Pfeifer 27. 11. Reddemann * 26. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. Schmidt (München) * 27. 11. von Schmude 27. 11. Dr. Spöri 26. 11. Spranger 26. 11. Dr. Todenhöfer 27. 11. Frau Dr. Vollmer 26. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11. Dr. Zimmermann 26. 11.
Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich bekanntgeben, daß die Frau Abgeordnete Hoffmann ihr Amt als Schriftführerin niedergelegt hat. Ich danke für die gute Zusammenarbeit.
Die Fraktion der CDU/CSU schlägt als Nachfolgerin für das Amt als Schriftführerin die Abgeordnete Frau Dempwolf vor. Sind Sie damit einverstanden? —

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist Frau Abgeordnete Dempwolf zur neuen Schriftführerin gewählt.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Haushaltsberatungen fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988

(Haushaltsgesetz 1988)

— Drucksachen 11/700, 11/969 —
Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß)

— Drucksachen 11/1051 bis 11/1079 und 11/1081 —
Ich rufe auf: Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksachen 11/1061, 11/1081 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Sieler (Amberg) Strube
Zywietz
Frau Rust
Zu diesem Einzelplan liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 11/1274 und 11/1275 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung zwei Stunden vorgesehen. — Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Sieler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Sieler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Generalaussprache über den Bundeshaushalt 1988 gibt mir heute mit dem vorliegenden Einzelplan 11 im Bundeshaushalt Gelegenheit, die Fehlentwicklung der Politik dieser Regierung im allgemeinen und der Sozialpolitik im besonderen aufzuzeigen.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Sie sprechen wohl noch von der Zeit vor 1982!)

    — Ich komme noch auf die Tatsachen, Herr Kollege. Lassen Sie mich mit drei Feststellungen beginnen.
    Erstens. Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit findet in diesem Bundeshaushalt nicht statt.

    (Dreßler [SPD]: So ist es!)

    Der Mangel der Beschäftigung wird weiter in Buchhaltermanier verwaltet.

    (Dreßler [SPD]: Leider wahr!)

    Zweitens. Der Einzelplan 11 und der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit werden wieder einmal zum Verschiebebahnhof für den Bundeshaushalt gemacht.
    Drittens. Die sich abzeichnenden Konturen der angekündigten Strukturreform im Gesundheitswesen zeigen einen verhängnisvollen Weg aus der gesellschaftlichen Solidarität in ein System der Ellbogengesellschaft, die wir als Sozialdemokraten in unserer Regierungszeit abzubauen versucht haben.
    Nun zum ersten Punkt: Wir wissen natürlich auch, daß die Ausgaben im Einzelplan 11 mit über 60 Milliarden DM zu 99,5 v. H. rechtlich gebunden sind und kaum Raum für investive Aufgaben lassen. Aber angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit müßte es zur selbstverständlichen Aufgabe eines Bundesministers für Arbeit gehören, um Arbeit für alle zu kämpfen und auch darum zu streiten.

    (Kolb [CDU/CSU]: Und was machen die Tarifpartner?)

    Im Kabinett und in der Öffentlichkeit, Herr Kolb, müßte eigentlich der Herr Minister angesichts der traurigen und hoffnungslosen Situation von mehr als



    Sieler (Amberg)

    2 Millionen arbeitsloser Bürger Laut geben. Doch da hören wir leider nichts, Fehlanzeige. Die Allzweckwaffe Norbert Blüm im Kabinett Kohl hat in dieser Frage sichtbare Ladehemmung. Die Finanzierung der Steuerreform zugunsten hoher und höchster Einkommen hat wohl Vorrang vor staatlichen Investitionsprogrammen, die tatsächlich mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslose zur Folge hätten. Ist es denn nicht bedauerlich, Herr Minister, daß Sie angesichts dieser Tatsachen gezwungen sind, Zahlenkosmetik zu betreiben, damit die noch arbeitenden Bürger die Zahl der Arbeitslosen noch als erträglich betrachten, statt aktiv Arbeitsmarktpolitik machen zu können?
    Bezeichnend dafür war doch Ihre Reaktion im Haushaltsausschuß am 4. November: Als der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, der Arbeitgebervertreter Dr. Himmelreich, auf die wachsende Arbeitslosigkeit und ihre sich verschärfende Strukturproblematik hinwies, erklärten Sie erregt, es gebe keine wachsende Arbeitslosigkeit,

    (Egert [SPD]: Ist ja ungeheuerlich!)

    es könne eigentlich nur davon gesprochen werden, daß die Arbeitslosigkeit nicht genügend gesunken sei.

    (Dreßler [SPD]: Hört! Hört!)

    Herr Minister, mich erinnert das an das Beispiel mit der gefüllten Flasche: Sie behaupten, die Flasche sei noch halbvoll; Herr Himmelreich hat gesagt, die Flasche sei schon halbleer. Im Grunde der gleiche Tatbestand, aber Sie bestreiten zunächst einmal, daß wir eine steigende Arbeitslosigkeit haben.

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Die 800 000 neuen Beschäftigten sind vergessen?)

    — Langsam, ich komme noch auf die Zahlen zu sprechen.
    Herr Himmelreich hat Ihnen dann vorgehalten, daß nur durch die zeitlich begrenzte Herausnahme von 110 000 Personen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und 150 000 Arbeitslosen in Qualifizierungsmaßnahmen aus dem Kreis der über 2 Millionen Arbeitslosen, die Tatsache der steigenden Arbeitslosigkeit verdeckt werde.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch der stellvertretende DGB-Vorsitzende Gerd Muhr, der auch Stellvertreter im Vorstand der Bundesanstalt ist, hat dies bestätigt. Er hat noch einmal darauf verwiesen, daß im Oktober dieses Jahres 85 000 mehr Arbeitslose vorhanden waren als im gleichen Monat des Vorjahres.
    Die Sachverständigen, meine Damen und Herren, haben erst vor kurzem für 1988 eine weitere Zunahme um 70 000 Arbeitslose prognostiziert. Dabei gehe ich davon aus, daß diese Herren sehr, sehr vorsichtig geschätzt haben.
    Sie, Herr Minister, haben sich in der vergangenen Haushaltsdebatte, aber auch in der ersten Lesung, nicht mit den tatsächlichen Arbeitslosenzahlen auseinandergesetzt, sondern Sie haben, immer ausweichend, auf die Zunahme der Beschäftigung verwiesen.

    (Andres [SPD]: So macht der das doch immer!)

    Betrachten wir doch genau diesen Punkt einmal vor dem Hintergrund des Zahlenmaterials der Bundesanstalt für Arbeit — ich zitiere hier aus der offiziellen Statistik der Bundesanstalt — :
    Von 1975 bis 1981
    — also in der Zeit des Kanzlers Helmut Schmidt und der hier so oft geschmähten Beschäftigungsprogramme —
    stieg die Zahl der beitragspflichtigen Beschäftigten um 1 087 000
    — und das trotz Weltwirtschaftskrise und trotz Ölpreiskrise.

    (Egert [SPD]: Das ist der Punkt!) Von 1982 bis 1987

    — also in Ihrer Regierungszeit —
    hat sich die Zahl der beitragspflichtigen Beschäftigten um rund 350 000 verringert
    — und das trotz steigender Konjunktur, Beschäftigungsförderungsgesetz und Zunahme der Teilzeitbeschäftigung. Das müssen wir doch mal sehen.
    Wie würde man denn den Verkauf einer Packung bezeichnen, in der die Ware schlicht und einfach fehlt?

    (Zuruf von der SPD: Mogelpackung!)

    — Mogelpackung oder Etikettenschwindel? (Andres [SPD]: Blüm ist der Meister darin!)

    Ich überlasse es Ihrer Phantasie, meine verehrten Damen und Herren, sich vorzustellen, welche Konsequenzen so etwas draußen im normalen Leben hätte.
    Nüchtern und pragmatischer sieht das wohl der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Heinrich Franke. Er hat auf unsere Fragen im Ausschuß erklärt, daß er für eine Aufstockung der Mittel für Städtebauförderung und Dorferneuerung auf ein Gesamtvolumen von 10 Milliarden DM eintrete. Denn nach der Berechnung der Bundesanstalt für Arbeit könnten dadurch pro 1 Milliarde DM 15 000 bis 30 000 Menschen Beschäftigung bekommen.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD] zur CDU/CSU: Aber Sie tun nichts!)

    Nur so, sagte Herr Franke, sei das Ziel, die Arbeitslosigkeit in absehbarer Zeit unter die Zwei-MillionenGrenze zu senken, zu erreichen.

    (Beifall bei der SPD — Egert [SPD]: Recht hat der Mann! Wie hieß der noch mal?)

    Herr Minister, wir vermissen hier leider den Willen und die Bereitschaft dieser Regierung, ernsthaft am Zustand der Arbeitslosigkeit etwas zu ändern. Wenn dann ein Arbeitsloser mit 600 DM Arbeitslosengeld oder -hilfe im Monat dem Kanzler am Dienstag dieser



    Sieler (Amberg)

    Woche zugehört hat, der da gesagt hat, seine Stabilitätspolitik sei die beste Sozialpolitik,

    (Kolb [CDU/CSU]: Dann hat er vorher 1 000 DM netto gehabt, also 1 600 DM verdient, Herr Kollege! — Ein toller Arbeitsloser!)

    dann muß er sich echt veralbert vorkommen, Herr Kolb.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie sehr schon im Hinblick auf die zukünftige Arbeitsmarktentwicklung der ursprüngliche Ansatz für die Arbeitslosenhilfe überholt war, zeigte die Erhöhung des Titels Arbeitslosenhilfe um 434 Millionen DM auf 8 130 Millionen DM. Ob diese Mittel ausreichen werden, wird sich allerdings noch zeigen. Ich habe leider die Sorge — sie wird nicht nur von mir so formuliert — , daß diese Mittel auch im nächsten Mittel wieder erhöht werden müssen.
    Nicht ausreichend waren auch die Mittel bei der Bundesanstalt für Arbeit für das Haushaltsjahr 1987. Im Nachtragshaushalt mußten 1 686 Millionen DM aus der Rücklage entnommen werden. Für 1988 errechnet die Bundesanstalt für Arbeit eine weitere Finanzlücke von 3,4 Milliarden DM, die aus der vorhandenen Rücklage gerade noch gedeckt werden können.
    Damit wäre ich beim Punkt 2, dem „Verschiebebahnhof" Bundesanstalt für Arbeit. Mit der 8. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz hat die Koalition aus dem Bundeshaushalt rund 950 Millionen DM lupenreine Bundesausgaben als Belastung auf die Bundesanstalt für Arbeit übertragen, die in deren Haushalt noch gar nicht berücksichtigt waren. Auch hier hat der Vorstandsvorsitzende, Dr. Himmelreich, bekräftigt, was er schon in der Anhörung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gesagt hat, nämlich: Die Bundesanstalt für Arbeit bezweifelt, daß dieser Gesetzentwurf mit der Verfassung in Übereinstimmung ist. Sie werden eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes veranlassen. Außerdem stellt die Selbstverwaltung in Frage, wie 1989 unter der Geltung dieses Gesetzes und der dann verbrauchten Reserven bei der Bundesanstalt überhaupt noch Arbeitsmarktpolitik stattfinden kann.
    Wir haben ja gefragt. Es gibt nur drei Möglichkeiten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Erstens, man erhöht die Beiträge. Zweitens, man kürzt die Leistungen. Drittens, man stellt wieder einen Bundeszuschuß in den Haushalt ein. Die Vertreter der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit haben ihren erbitterten Widerstand etwa gegen eine Erhöhung der Beiträge oder gegen Leistungskürzungen angekündigt. Sie weisen mit Recht darauf hin, daß dies geradezu kontraproduktiv im Rahmen ihrer Bemühungen sei, das arbeitsmarktpolitische Instrument der Bundesanstalt für Arbeit wirklich zu nutzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, auch wir Sozialdemokraten warnen vor einem solchen Irrweg. Wenn man allerdings die bisherige Praxis der Bundesregierung betrachtet, ist wohl zu befürchten, daß man den Weg der drastischen Leistungsverschlechterungen zur Finanzierung der Haushaltsdefizite weitergehen wird.

    (Günther [CDU/CSU]: Das haben Sie immer gemacht!)

    Im Zusammenhang mit der 8. Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes wurde von der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit auch auf die zusätzliche Belastung im personellen Bereich hingewiesen. Allein die rund 260 000 Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen erfordern ein hohes Maß an zusätzlichen intensiven Betreuungs- und Verwaltungsarbeiten, die durch die Beschäftigten der Bundesanstalt für Arbeit geleistet werden müssen, zum erheblichen Teil mit Mehrarbeit und mit Sondereinsatz. Wir sind der Meinung, daß an diesen beiden Ecken der Arbeitsmarktpolitik nicht gespart und nichts eingeschränkt werden darf.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich möchte hier keine Personaldebatte über die Bundesanstalt für Arbeit führen; denn die werden wir an einer anderen Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt noch zu führen haben. Aber im Zusammenhang mit der vorher erwähnten 8. Novelle Arbeitsförderungsgesetz ist es nach unserer Überzeugung geradezu ein Aberwitz, wenn entgegen unseren Argumenten, Hinweisen und Befürchtungen Sie, meine Damen und Herren, die Forderung, die einprozentige Stellenkürzung auch auf die Bundesanstalt anzuwenden, aufrechterhalten wollen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir haben doch 70 000 Beschäftigte! — Kolb [CDU/CSU]: Und wie ist das mit den modernen Techniken dort?)

    Dies würde bedeuten, daß im nächsten Jahr 700 Vollkräfte bei der Bundesanstalt in den Arbeitsämtern vor Ort, wo die Arbeit gemacht werden muß, fehlen werden.

    (Egert [SPD]: Skandalös!)

    Wie Sie, meine Damen und Herren, angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit und der zusätzlichen Belastung der Arbeitsämter das den Beschäftigten in den Ämtern und den ratsuchenden Arbeitslosen erklären wollen, darauf sind wir echt gespannt. Ich fordere Sie daher erneut auf, von diesem Unfug Abstand zu nehmen.
    Nicht minder besorgniserregend ist der dritte Punkt. Was sich jetzt an Konturen einer längst fälligen Strukturreform im Gesundheitswesen abzeichnet, läßt Schlimmes für die Versicherten befürchten. Die Reformbemühungen bleiben an der Oberfläche der Leistungen und der Geldströme hängen; nichts ist zu hören von einer Reform des gegliederten Systems unserer Krankenversicherung oder der Struktur unserer Krankenhäuser.
    Hauptbestandteil der bisherigen Bemühungen der Koalition ist dagegen ein Sparkatalog von 14,5 Milliarden DM zu Lasten der Versicherten.

    (Egert [SPD]: „Sparkatalog" ? Das ist ein Leistungskürzungskatalog ! )

    Konsequent verfolgt die Regierung den Weg der verstärkten Kostenbeteiligung der Familien, Kranken



    Sieler (Amberg)

    und älteren Bürger. Neben den schon hohen Beiträgen zur Krankenkasse sollen nun alle Versicherten noch zusätzliche Krankheitskosten für ärztliche Leistung, Arzneimittel, Kuren, Heil- und Hilfsmittel, Brillen usw. übernehmen. Herr Minister Blüm, wir werden Sie daran messen, und Sie müssen sich daran messen lassen, wie das Ergebnis der Lastenverteilung bei dieser Reform am Ende aussehen wird.

    (Egert [SPD]: Er wird wie immer zurückspringen!)

    Wir, Herr Minister, werden jedenfalls diesen Weg nicht mitgehen.
    Lassen Sie mich noch ein abschließendes Wort zum Thema Rentenversicherung sagen. Die Finanzentwicklung in der Rentenversicherung gibt seit Jahren Anlaß, über die Funktionsfähigkeit des Generationsvertrages nachzudenken.

    (Glocke des Präsidenten)

    — Ich komme gleich zum Schluß, Herr Präsident.
    Wenngleich auch im Moment für die Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger von 39,5 Milliarden DM keine zusätzlichen Mittel erforderlich sind, so wird doch in absehbarer Zeit ein enormer Bedarf an Finanzierungsmitteln für die gesetzliche Rentenversicherung erforderlich. Eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ist aber nur mit den Sozialdemokraten, mit den Gewerkschaften und den Sozialverbänden möglich.
    Herr Minister, wir warten auf Ihre Vorschläge. Ich möchte mich — meine Zeit ist leider abgelaufen — zunächst auch bei den Herren Mitberichterstattern recht herzlich bedanken für die kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit in der Vorbereitung dieses Haushalts. Ich bedanke mich vor allem auch bei Herrn Staatssekretär Baden, der hier wohl seine letzte Amtshandlung begeht, für die gute Zusammenarbeit.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, weil dieser Einzelplan 11 erneut zum Verschiebebahnhof für den Bundeshaushalt benutzt worden ist, lehnen wir Sozialdemokraten diesen Einzelplan ab.

    (Beifall bei der SPD)