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ID1104220900

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    Plenarprotokoll 11/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen 11/1058, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 11/1074) in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 11/1078) in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 11/1068, 11/1081) Dr. Apel SPD 2805 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 2811 C Frau Vennegerts GRÜNE 2815 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 2819B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 2823 A Esters SPD 2831 B Spilker CDU/CSU 2833 C Roth (Gießen) CDU/CSU 2836 A Poß SPD 2838 B Dr. Solms FDP 2841 D Dr. Pfennig CDU/CSU 2843 C Vizepräsident Stücklen 2842B, 2845 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksachen 11/1059, 11/1081) Frau Simonis SPD 2845 D Glos CDU/CSU 2849 A Stratmann GRÜNE 2852 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 2855 B Roth SPD 2858 B Dr. Sprung CDU/CSU 2862 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 2865 B Namentliche Abstimmung 2868 B Ergebnis 2868 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksachen 11/1072, 11/1081) Zander SPD 2870 A Austermann CDU/CSU 2873 A Wetzel GRÜNE 2875 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 Zywietz FDP 2877 B Vosen SPD 2879 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 2880 A Namentliche Abstimmung 2883 A Ergebnis 2883 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 11/1060, 11/1081) Dr. Struck SPD 2884 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2886 C Frau Flinner GRÜNE 2888 C Bredehorn FDP 2890 C Oostergetelo SPD 2892 B Kiechle, Bundesminister BML 2894 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksachen 11/1073, 11/1081) Diller SPD 2898 A Scheu CDU/CSU 2900 A Frau Hillerich GRÜNE 2902 A Neuhausen FDP 2903 C Kuhlwein SPD 2904 D Möllemann, Bundesminister BMBW 2906 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 11/1056, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 11/1077, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 11/1075) Kühbacher SPD 2909 A Deres CDU/CSU 2913 C Frau Olms GRÜNE 2915 B Frau Seiler-Albring FDP 2917 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 2919 C Nächste Sitzung 2921 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 2922* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 2805 42. Sitzung Bonn, den 25. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Clemens 25. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Glotz 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Haack (Extertal) 25. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hörster 26. 11. Kirschner 25. 11. Dr. Klejdzinski * 26. 11. Klose 27. 11. Dr. Knabe 26. 11. Kreuzeder 27. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich * 26. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 27. 11. Niegel 26. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 27. 11. Schreiner 27. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11. Zink 25. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ellen Olms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Meine Damen und Herren! Je später der Abend, desto leerer die Ränge und desto größer die Steigerung der inneren Aufrüstung aller Sicherheitsämter dieser Republik.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wie, schimpfen Sie auf Ihre Fraktion? — Bei Ihnen sind nur noch vier da!)

    Wenn ich mir das Volumen dieses Etats ansehe, verstärkt sich meine Ansicht, daß dieses Innenministerium auf gesellschaftliche Probleme nur eine autoritäre Antwort hat. Die Antwort lautet: mehr Polizei, mehr Bundesgrenzschutz, mehr Materialaufrüstung, mehr Waffen, mehr Beschnüffelung und mehr Bespitzelung. Es kann auch hier von einer Mehrwertphilosophie gesprochen werden.
    Die Auseinandersetzungen über drängende Probleme wie die lebensgefährliche Atomenergie, den zunehmenden Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit oder die zunehmende Verelendung immer größer werdender Bevölkerungsgruppen werden mit weiterer Verschärfung bestehender Gesetze, polizeistaatlichen Taktiken und Maulkörben für die politische Opposition geführt.
    Wegen der Kürze der Redezeit werde ich an dieser Stelle die Auseinandersetzung auf wenige Punkte zuspitzen. Unter dem Stichwort Novellierung des Ausländergesetzes — vom Innenministerium selbst treffend als „Begrenzungspolitik" bezeichnet — soll das Ausländergesetz mit dem Ziel der weiteren Be- und Ausgrenzung von Nichtdeutschen weiter verschärft werden. Immigrantinnen, die in der Bundesrepublik leben und arbeiten, werden weiter in ihren Lebensrechten beschnitten. Dies geschieht nicht durch allein für sie gültige Sondergesetze und deren weitere Verschärfung, sondern auch in der Diskussion um diese wird der Rassismus geschürt, und das bewußt. Nur ein Opfer der staatlich geförderten rassistischen Hetze sei hier genannt, der iranische Flüchtling Javadi, der von Angestellten eines deutschen Supermarktes in Tübingen erwürgt wurde.
    Ist es nicht Rassismus, wenn der Schutz von Ehe und Familie nur für Deutsche gilt, wenn das Nachzugsalter für Kinder von Nichtdeutschen auf sechs Jahre gesenkt werden soll

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist ein Irrtum! )

    und wenn der Nachzug und das Zusammenleben von nichtdeutschen Ehepartnern weiter erschwert bzw. verhindert werden?

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: O heilige Mutter Anna! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Staatssekretär Spranger — er sei nur ein Beispiel — spricht in seinen Reden im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Ausländern vom Freibrief für Schwerkriminelle, für politische Extremisten, die zu Gewalttaten aufrufen oder diese begehen. Zugespitzt formuliert: Ausländer gleich potentieller Terrorist; wenn zudem noch Araber, dann gleich verurteilt und gespeichert in der besonderen Araberkartei. Für alle anderen gibt es ohnehin das allumfassende Ausländerzentralregister.
    Flüchtlinge sollen unter dem Stichwort Harmonisierung des Asylrechts auf EG-Ebene gemeinsam abgeschreckt, gemeinsam abgeschottet und gemeinsam ausgewiesen werden. Statt daß den Verfolgten Zuflucht gewährt wird, statt daß eine Politik der offenen Grenzen verfolgt wird, wird Flüchtlingen durch Bedingungen das Hereinreisen in die Bundesrepublik verunmöglicht, und damit wird das Grundrecht auf Asyl faktisch außer Kraft gesetzt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Daß dies das Ziel der Bundesregierung ist, zeigt auch das Beispiel der Flüchtlinge aus dem Iran. Wenn es überhaupt einem Flüchtling gelingt, die BRD zu erreichen, wird er hier mit dem Hinweis auf anderwei-



    Frau Olms
    tigen Schutz vor Verfolgung abgewiesen. So ist die Iranerin, die schwer gefoltert wurde und deren Abschiebung von Berlin in den Iran in letzter Minute verhindert werden konnte, ebenso wie tausend andere iranische Flüchtlinge in der Türkei Opfer der menschenverachtenden Politik Zimmermanns gegen Flüchtlinge, die Verfolgten das Recht auf Leben abspricht. Aber dies ist ja nur konsequent für eine Bundesregierung, die kriegführenden Ländern und Folterregimen Militärausrüstung und Wirtschaftshilfe in Milliardenhöhe gewährt.
    Die Zielsetzung der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik findet ihren Ausdruck in dem uns vorliegenden Haushalt. Statt Gelder für einen Mindeststandard für menschengerechtes Leben, Wohnen und Arbeiten bereitzustellen, findet man in diesem Haushalt z. B. Mittel für Begleitung durch den Bundesgrenzschutz bei Zwangsabschiebungen; das läßt sich die Bundesregierung einiges kosten. Statt kostenloser Rechtsberatung, adäquater Aufklärung über die Kultur- und Lebensbereiche in der Bundesrepublik, Sprachkursen — siehe hierzu auch unseren Antrag — und Ausbildungsmöglichkeiten werden Mittel für die Abschreckung aufgestockt.
    Jetzt komme ich zum Beispiel 2. Zur Begründung, warum wir die heute verbunden beratenen Haushaltspläne ablehnen, möchte ich zunächst ein eher harmlos klingendes Beispiel der inneren Aufrüstung aus dem Bereich Zivilverteidigung — hier geht es um den Einzelplan 36 — herausgreifen. Mit diesem Begriff bin ich schon mitten im Thema. Die Akzeptanzforscher einer nach Tschernobyl eingesetzten PR-Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit haben nämlich statt dessen den Wohlklang „Notfallvorsorge" kreiert und die Kriegsplanungsabteilung im BMI entsprechend umbenannt.
    Nach Tschernobyl und der Sandoz-Verseuchung sind die berechtigten Ängste der Bevölkerung vor den lebensbedrohenden Auswirkungen der Großtechnologie also gehört worden. Daraus wurde jedoch nicht der naheliegende Schluß gezogen, derartige Gefahrenquellen abzubauen und sich für eine wirksame Bekämpfung des Umweltterrorismus einzusetzen. Nein, nach diesen Anlässen wurde vielmehr die einmalige Gelegenheit erkannt, die Stimmungslage der Menschen zu nutzen. Seither werden alte Projekte aus dem Bereich präventiver und repressiver Kriegsplanung um so lieber in den gleichen Topf „Notfallvorsorge" geschmissen und von einer einheitlichen Hilfeleistungs- und Schutzaufgabe von Staat und Bürger mit zentralem Krisenmanagement schwadroniert. Denn wir sitzen doch alle in einem Boot angesichts mir nichts, dir nichts aufgetretener Gefahren, egal, ob Eisenbahnunglück oder Atomkrieg. Verantwortlichkeit und Urheberschaft sind dann ununterscheidbar und gleichgültig.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Mit Ihnen möchte ich nicht mal in einer Nußschale sitzen!)

    — Das kann ich mir vorstellen. Ich mit Ihnen auch nicht.
    Nur wer da nicht so genau hingucken mag, kann z. B. den kühnen Versuch unternehmen, den kurzfristigen Trümmer- und Berstschutz von Bunkern auch gegen langandauernde atomare oder chemische Verseuchungen der Umwelt nach entsprechenden Unfällen in Friedenszeiten zu propagieren. Mit diesem PR-Gag soll die Akzeptanz für die geforderte Bunkerbaupflicht erhöht werden und die gedankliche Schlußfolgerung der Bevölkerung Bunker — Bombennächte — Krieg verdrängt werden.
    Ich komme jetzt zum dritten Beispiel. Wer nach den Todesschüssen an der Startbahn West die — und das steht außer Frage — politisch und moralisch zu verurteilen sind, jetzt versucht, für seine politischen Positionen Kapital daraus zu schlagen, nimmt das, was sich dort zugetragen hat, nicht ernst

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Na, na, na!)

    und setzt jeder Diskussion, bevor sie überhaupt angefangen hat, ein Ende.
    Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen Rückblick. Die bequeme Ideologie der sogenannten Gewaltspirale, die darauf setzt, daß der Staat nur aufrüstet, wenn die Opposition dies tut, ist historisch nicht haltbar.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Jetzt kommt das Ditfurth-Zitat! Viel Vergnügen!)

    — Nein, das war ja schon in der Öffentlichkeit.
    Alle Aufrüstungsschritte des staatlichen Gewaltapparates sind im Kern unabhängig von der Entwicklung der Demonstrationen vollzogen worden. Bereits in den fünfziger Jahren wurden großangelegte Manöver abgehalten, mit denen die polizeiliche Bekämpfung angeblicher Aufstände in Betrieben oder Streiks geübt wurde. Das war lange vor den großen Streiks der 60er und 70er Jahre. Nicht der Terrorismus Anfang der 70er Jahre ist die Ursache für die innere Aufrüstung des Staates; diese begann schon längst vorher.
    Jetzt ein Zitat:
    es waren Zeiten der Krise, der Unruhen und des Umbruchs: Die Studentenbewegung, die Schaffung der großen Koalition aus CDU und SPD, die Verabschiedung der Notstandsgesetze, wenig später die Bildung der kleinen Regierungskoalition aus FDP und SPD, dann die sogenannte Ölkrise sind nur die knappen Stichworte der Entwicklung.
    Das sagte Horst Herold 1980 in einer Rückbetrachtung. Er sagte weiter:
    Ich bin nicht der Auffassung, daß der Terrorismus als solcher eine gesellschaftliche Gefahr bedeutet.
    Statt dessen:
    Wir
    — die Polizei —
    müssen mit Situationen kalkulieren, die mir nicht für immer ausgeschlossen scheinen: wirtschaftlich-ökonomische Krisen etwa, depressive Prozesse in denen die Zuwachsrate von 2 % sich auf 0 minimalisiert, was sich dann schlagartig im Bewußtsein der Bevölkerung niederschlagen kann. Staatsverdrossenheit, Autoritätsverfall, Loyalitätskrisen, Erschütterungen der staatlichen Or-



    Frau Olms
    gane, Umwertungen der Traditionen, die die Staatsapparate in aller Welt tragen:.. .
    Vielleicht sollten Sie sich dieses Zitat von Herrn Herold mal zu Gemüte führen.

    (Dr. Bötsch CDU/CSU]: Lesen Sie es vielleicht noch mal von rückwärts!)

    Ein chinesischer Philosoph und Politiker, der längst aus der Mode gekommen ist,

    (Dr. Nöbel [SPD]: Ach, waren Sie in China?)

    hat einmal gesagt,

    (Dr. Nöbel [SPD]: Das war Mao!)

    man habe die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen. Das klingt einleuchtend wie simpel, geradezu überflüssig. Dennoch bleibt der Eindruck, als wäre mit diesem Chinesen auch diese Binsenweisheit aus der Mode geraten, ihrem zeitlosen Inhalt zum Trotz. Anstatt pausenlos irgendwelche eilfertigen Statements zu verbreiten, die vorspiegeln, man wisse alles, obgleich man nur äußerst wenig weiß, die mehr der Würze des eigenen Süppchens denn der vorbehaltlosen Aufklärung dienen, sollte das Engagement lieber der Organisierung einer seriösen Untersuchung der Vorgänge an der Startbahn gewidmet werden.
    Zurückkommend auf das Mao-Wort „die Wahrheit in den Tatsachen suchen" : Vor genau zehn Jahren bei der Beerdigung der Toten von Stammheim gab es die ersten Demonstranten, die ihr Gesicht verhüllten. Hier wurden zum erstenmal für alle sichtbar Kameras zur Registrierung eingesetzt. Die Methode filmischer Erfassung von Demonstranten wurde im Laufe der Jahre verfeinert, und die Ergebnisse wurden im Anhörungsverfahren zur Einstellung im öffentlichen Dienst und bei anderen diversen Gelegenheiten verwendet.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nicht in einem einzigen Fall!)

    Dazugekommen ist jetzt noch das Einspannen der Medien als Hilfspolizisten.

    (Gerster [Mainz] CDU/CSU]: Sie sagen nicht die Wahrheit!)

    — Ich habe genug Verfahren miterlebt.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nennen Sie mal einen Fall, bitte!)

    Erst kürzlich segnete das Bundesverfassungsgericht die verordnete Herausgabe von journalistischem Wissen und Bildmaterial höchstrichterlich ab.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Auf der rechtlichen Ebene sollen die seit Jahren geplante Verschärfung des Landfriedensbruchstatbestandes und die geforderte Ausweitung der Strafbarkeit der Vermummung eingeführt werden. Aber dies ist nur ein Teil des geplanten Gesamtwerkes. Präventivhaft für Landfriedensbruchverdächtige ist das nächste Wunschprojekt. Gewollt ist genau die Fassung des Landfriedensbruchparagraphen, die aus gutem Grund 1970 wegen der damit verbundenen Kollektivhaftung und Massenkriminalisierung abgeschafft worden war.
    Die Vermummung ist auf der juristischen Ebene ein Verdachtsstrafrecht. Politisch ist sie als Kleiderordnungsparagraph zu bewerten. Sehen wir uns im Vergleich doch einmal die Skandale in diesem Jahr und auch der letzten Jahre, z. B. Barschel/Pfeiffer in Schleswig-Holstein, Flick-Skandal oder auch den Berliner Sumpf, an. Nehmen wir hierzu die Diskussion um die Vermummung, so kann doch nur der Schluß gezogen werden: Wenn es hier einen Vermummungsparagraphen gäbe, so müßten die angeblich weißen Westen und der schwarze Block der dunklen Anzüge unter strafbewehrtes Verbot gestellt werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Und wenn wir die nicht stattgefundene Aufregung über Barschel/Pfeiffer im Regierungslager mit dem Geschrei um die Hafenstraße vergleichen, so ist doch ganz klar, aus welcher Richtung der Wind bläst: Südweststurm bläst den Leuten aus der Hafenstraße ins Gesicht, da sie der Vertrag täglich unter dem Fallbeil der Räumungsdrohung hält. Selbst gegen diesen Knebelungsvertrag wird weiter von seiten der Rechten in Stadt und Land Stimmung erzeugt.
    Es sollen Demonstrationen, nicht angepaßte Wohn- und Lebensformen regierungskonform geschaltet werden.
    Das Recht auf Nichtregistrierung muß in Worten und Taten geschützt werden, gerade angesichts der Praxis der „freien Bahn" des Verfassungsschutzes und Polizeiapparates.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Seiler-Albring.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Innenministeriums ist ein ungemein vielfältiger und interessanter Haushalt, weil es hier eine Fülle von Politikbereichen gibt, die es eigentlich wert wären, daß man sich an dieser Stelle mit ihnen etwas näher beschäftigen könnte. Ich nenne hier nur die Sportförderung und die Kulturförderung, die ganzen Dinge, die sich mit dem Datenschutz beschäftigen usw. Es wäre wichtig, sich hier einmal grundsätzlich damit zu beschäftigen, weil hier eine ausgesprochen sinnvolle und sehr bürgernahe Politik betrieben wird.
    Aber aus gegebenem Anlaß, meine Damen und Herren, werde ich mich heute dem Schwerpunkt der inneren Sicherheit im Bereich des Einzelplans 06 zuwenden.
    Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen.

    (Wartenberg [Berlin] [SPD]: Das waren doch bis jetzt nur Vorbemerkungen!)

    Es ist schon bemerkenswert, in welchem Maße sich die öffentliche Aufmerksamkeit je nach dem Standpunkt — ob man es befürchtet oder erwartet — mit dem erhofften Vorgehen der FDP im Zusammenhang mit ihrem geplanten außerordentlichen Parteitag beschäftigt und wie sehr das Bedürfnis nach Aufarbei-



    Frau Seiler-Albring
    tung und Aufklärung der tatsächlichen Geschehnisse

    (Dr. Vogel [SPD]: Brüderle!)

    in Frankfurt in den Hintergrund rückt.
    Lieber Kollege Klaus-Dieter Kühbacher, ich nehme Ihnen ja ab, was Sie eben gesagt haben, als Sie die Demonstranten aufgerufen haben

    (Zuruf von der SPD)

    — nein, ich mache ihn nicht fertig; ich schätze ihn ausgesprochen, Herr Diller —,

    (Diller [SPD]: Ich habe nichts gesagt!)

    sich gemeinsam mit der Polizei für befriedete Demonstrationen einzusetzen. Ich frage mich allerdings, ob der große Teil derjenigen, die heute meinen, der FDP leichtfüßige Abkehr von liberalen Prinzipien vorwerfen zu müssen, tatsächlich selbst alles getan hat, diesen mäßigenden Einfluß bei denjenigen Demonstranten geltend zu machen, die meinten, aus einer verheerend falsch verstandenen Solidarität radikale Gewalttäter vor dem Zugriff durch die Polizei schützen zu dürfen. Ich frage mich weiter, ob wiederum andere die ihnen zu Gebote stehenden Mittel eingesetzt haben, einer beunruhigten Öffentlichkeit die Möglichkeiten — wie Sie das hier ja auch getan haben — des bereits geltenden Rechts zu verdeutlichen. Nicht umsonst haben wir Liberale in unseren Veranstaltungen immer wieder den Vorwurf gehört, daß über diese zugegeben komplizierten Zusammenhänge nicht genügend aufgeklärt worden ist.
    Wir freien Demokraten machen uns die Diskussion um die Änderung des Demonstrationsstrafrechts nicht leicht. Wir tun uns im Gegenteil außerordentlich schwer damit. Weil das so ist, finde ich den Ausdruck „umfallen", Klaus-Dieter Kühbacher, in diesem Zusammenhang wirklich nicht angemessen

    (Wartenberg [Berlin] [SPD]: Das ist historische Kontinuität!)

    und glaube auch nicht, daß er Ihrer Meinung entspricht.

    (Dr. Nöbel [SPD]: Der steht bereits im Lexikon! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Die Schwierigkeit eines Prozesses ist noch nie bewertet worden!)

    Meine Damen und Herren, wir tun uns schwer mit der Änderung des Demonstrationsstrafrechtes,

    (Kühbacher [SPD]: Wofür sind Sie denn?)

    und zwar nicht, weil der Einzelaspekt Strafbarkeit der Vermummung schon in einer friedlichen Demonstration einen so hohen Stellenwert hätte, sondern weil wir grundsätzlich empfindlich reagieren, wenn es um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Demonstration geht.

    (Beifall bei der FDP — Kühbacher [SPD]: Was ist denn Ihre Meinung?)

    Wir werden uns dieser Diskussion auf einem außerordentlichen Parteitag stellen und sind bereit und offen, neue Argumente zu würdigen. Wir verbitten uns aber auch ganz entschieden den Versuch,

    (Dr. Vogel [SPD]: War da nicht etwas mit Stammtisch?)

    diesen Parteitag als überflüssige Turnübung herabzuwürdigen. Wir sind keine Einmannpartei, sondern diskutieren Veränderungen mit und in unserer Partei.

    (Dr. Nöbel [SPD]: Wir sind doch hier im Bundestag!)

    Wenn wir bei der Darlegung des geltenden Rechts und seiner Möglichkeiten etwas mehr publizistische Unterstützung bekommen hätten, wäre es zwei meiner Fraktionskollegen vielleicht erspart geblieben, Adressaten geradzu widerwärtiger, infamer, zumeist anonymer,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist wohl wahr!)

    also sozusagen vermummter Zuschriften zu werden.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: So geht es Leuten, die eine andere Meinung haben!)

    Es ist schon bemerkenswert, wie hier unter dem Vorwand, Gewalttäter endlich dingfest machen zu wollen, Mord und Totschlag angedroht wird, Familien der Betroffenen inbegriffen. Ich glaube, das muß uns alle betroffen machen, ganz gleich, ob wir die Ansichten der beiden Kollegen teilen oder nicht.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Da haben wir alle unsere Erfahrungen!)

    In der Öffentlichkeit und aus Kreisen der eingesetzten Polizeibeamten wurden im Zusammenhang mit den Ereignissen an der Startbahn West Vorwürfe über die mangelhafte Ausstattung und Ausrüstung der eingesetzten Beamten erhoben. Ich will und kann mir hier kein Urteil anmaßen, ob dies im Einzelfall zugetroffen hat. Es erscheint aber angebracht, einmal aufzuzeigen, was an Steuermitteln in den letzten Jahren in dem Bereich der inneren Sicherheit investiert wurde. Um dies sehr deutlich im voraus zu sagen: Es gibt keinen einzigen Antrag auf Mittelerhöhung für den Bereich der inneren Sicherheit, den die Berichterstatter der Koalition und der SPD im Haushaltsausschuß abgelehnt hätten, von der fragwürdigen Sicherung der Gebäude und Einrichtungen im Bereich der Bundesverwaltung einmal abgesehen.

    (Kühbacher [SPD]: Und den gepanzerten Fahrzeugen!)

    Die Mittelzuweisungen im Bereich des Bundeskriminalamtes, der Beschaffung der Polizeien der Länder und des Bundesgrenzschutzes steigen seit Jahren kontinuierlich überproportional an.
    In der Personalentwicklung wurden diese Bereiche von den üblichen Null-Runden grundsätzlich ausgenommen, wie auch die 1 %ige Kürzung der Stellen im Bundeshaushalt in diesem Jahr diesen Bereich wiederum ausdrücklich ausnimmt. Lassen Sie mich nur zwei, drei Zahlen nennen: Wir konnten beim Bundeskriminalamt 1986 mit 101 und 1987 mit insgesamt 245 zusätzlichen Planstellen eine deutliche Personalvermehrung erreichen. Dem Bundesgrenzschutz wurde



    Frau Seiler-Albring
    zur Aufrechterhaltung seiner Ist-Stärke im mittleren Polizeivollzugsdienst, mit dem Haushalt 1985 beginnend, auf die Jahre 1988 bis 1991 verteilt, 1 000 zusätzliche Planstellen der Besoldungsgruppe A 6 bewilligt, was die Einstellung einer erhöhten Anzahl von Dienstanwärtern zugelassen hat.
    Hier gibt es noch eine ganze Reihe anderer personeller Verbesserungen. Lassen Sie mich aber auch auf die Sachausstattung in diesen Bereichen eingehen. Hier wurde bereits von beiden Berichterstattern gesagt, daß eine ganze Reihe dieser Verbesserungen auf den ausdrücklichen Antrag aller Berichterstatter in diesen Haushalt eingestellt wurden. In der Sachausstattung reicht die Liste der Beschaffung vom Ersatzprogramm der Sonderwagen über die modernen Wasserwerfer zum Stückpreis von 800 000 DM, zu Rettungstransportwagen zur besseren Versorgung verletzter Beamter und schließlich zur Gesamtinvestition von 60 Millionen DM für Transporthubschrauber zum Zweck der größeren Beweglichkeit beim Transport von Einsatzkräften.
    Wir haben die Ausstattung, wie gesagt, der eingesetzten Beamten nachhaltig verbessert, Schlagschützer, Langschilde, Schutzmasken eingeführt, die Verbesserung des Sanitätsmaterials eingeleitet, die Beschaffung von Geräten für die Beweissicherung und Dokumentation, schließlich die Verbesserung des Innenschutzes der eingesetzten Kraftfahrzeuge.
    Die Beschaffung der genannten Geräte für die Beweissicherung und Dokumentation haben wir mit besonderem Nachdruck gefordert, weil uns immer wieder gesagt wurde, daß die betrüblich kleine Anzahl von Verurteilungen von Gewalttätern nicht zuletzt darauf beruht, daß kein Beweissicherungs- und Dokumentationsmaterial vorliege. Ich halte es deshalb in diesem Zusammenhang auch für ausgesprochen kurzsichtig, zu fordern, daß überhaupt nicht mehr fotografiert werden darf. Es kommt doch darauf an, daß das Beweismaterial, Frau Olms, nicht mißbraucht wird. Wie will ich denn jemanden überführen, wenn ich keine Dokumentation vorlegen kann? Wenn wir Gewalttäter ihrer Strafe zuführen wollen, müssen wir die Polizei und die Einsatzbeamten in die Lage versetzen, hier das Ihre zu tun.
    Ich denke, meine Damen und Herren, hieran wird deutlich, daß wir versucht haben, den Gegebenheiten im Bereich der inneren Sicherheit durch eine entsprechende Mittelausstattung Rechnung zu tragen. Verbesserungen sind immer möglich; wir sind bereit, entsprechenden Anträgen unsere Zustimmung zu geben. Aber ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß das Kurieren am Symptom auf die Dauer keine befriedigende politische Haltung ist.
    Aus diesem Grunde haben wir Freien Demokraten seit langem die Einsetzung einer Kommission gefordert, die den Ursachen dafür, weshalb es so viel Gewalt in der Gesellschaft gibt, nachgeht, und zwar nicht nur Gewalt auf der Straße, sondern auch in anderen Teilbereichen der Gesellschaft. Wir haben für diesen Zweck für die kommenden zwei Jahre die erforderlichen Finanzmittel in Höhe von 2,7 Millionen DM eingestellt. Wir erwarten, daß die Kommission zügig an ihre Arbeit geht und daß sie Ergebnisse vorlegen wird, die wir dann zur Grundlage weiterer
    Überlegungen und weiterer Entscheidungen machen wollen.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich möchte schließen mit einem Dank an das Haus. Ich möchte mich dem Dank, den auch mein Kollege Deres bereits geäußert hat, anschließen für den Einsatz, den die Polizisten und Beamten des Bundesgrenzschutzes für die Aufrechterhaltung eines Grundrechtes leisten, nämlich des Rechts auf freie Demonstration. Sie haben hier einen schweren Dienst zu verrichten. Wir sollten alles tun, ihnen diesen Dienst nicht zu erschweren.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)