Das wird, wie wir bei der Architektenrichtlinie gesehen haben, Herr Kuhlwein, so abstrakt nicht zu behaupten sein. In der Bundesrepublik Deutschland muß jemand, der in die Architektenrolle eingetragen werden will und damit seine Niederlassungs-
und Wirkungsfreiheit als Architekt haben will, nach seinem Examen an der Fachhochschule eine bestimmte Zahl von berufspraktischen Jahren nachweisen, nicht ein Praktikum.
Ich werde nicht, um es klar zu sagen, einer Richtlinie zustimmen, die die Ausbildungszeit verlängert, weil ich weiß, welche Implikationen das haben würde. Aber die Frage, ob man im Anschluß an sein Examen eine bestimmte Zahl von Jahren etwa als Ingenieur gearbeitet haben muß, um sich auch in einem anderen EG-Land niederlassen zu können, will ich wirklich entsprechend der Realität in anderen EG-Ländern harmonisiert wissen. Eine Benachteiligung, eine Diskriminierung kommt also nicht in Frage.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen wollte, meine Kolleginnen und Kollegen: Hier ist mehrfach gesagt worden, die Möglichkeiten des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, Zukunftsinvestitionen zu tätigen, Geld vom Finanzminister zu bekommen, würden möglicherweise durch die Steuerreform relativiert. Ja, das ist wohl wahr. Wenn wir uns entscheiden, dem Bürger 40 Milliarden DM weniger Steuern abzunehmen, dann können wir sie als Staat auch weniger ausgeben. Das kann sich keiner anders vorgestellt
haben. Der Verteilungskampf wird dadurch nicht leichter, das ist auch mir klar. Dem simplen Satz aber, den Sie hier vorgetragen haben, der da lautet: „Nur reiche Leute können sich einen armen Staat leisten"
könnte ich genauso platt kontern mit dem Satz: Nur arme Leute haben Spaß daran, wenn der Staat zu ihren Lasten immer reicher wird, immer mehr Geld von ihnen verlangt.
Ich habe die Pressekonferenz Ihres zeitweiligen Kanzlerkandidaten Johannes Rau im Süddeutschen noch genau im Ohr: „Die Bürger zahlen zuviel Steuern!" Wir waren alle dieser Meinung, Sie waren es vor der Wahl auch; es gab ja geradezu einen Wettlauf an Ankündigungen von Steuersenkungen. Nur, wir senken sie jetzt, und Sie lamentieren. Das finde ich nicht in Ordnung.
Vielen Dank.