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ID1104215800

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    Plenarprotokoll 11/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen 11/1058, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 11/1074) in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 11/1078) in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 11/1068, 11/1081) Dr. Apel SPD 2805 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 2811 C Frau Vennegerts GRÜNE 2815 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 2819B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 2823 A Esters SPD 2831 B Spilker CDU/CSU 2833 C Roth (Gießen) CDU/CSU 2836 A Poß SPD 2838 B Dr. Solms FDP 2841 D Dr. Pfennig CDU/CSU 2843 C Vizepräsident Stücklen 2842B, 2845 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksachen 11/1059, 11/1081) Frau Simonis SPD 2845 D Glos CDU/CSU 2849 A Stratmann GRÜNE 2852 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 2855 B Roth SPD 2858 B Dr. Sprung CDU/CSU 2862 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 2865 B Namentliche Abstimmung 2868 B Ergebnis 2868 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksachen 11/1072, 11/1081) Zander SPD 2870 A Austermann CDU/CSU 2873 A Wetzel GRÜNE 2875 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 Zywietz FDP 2877 B Vosen SPD 2879 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 2880 A Namentliche Abstimmung 2883 A Ergebnis 2883 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 11/1060, 11/1081) Dr. Struck SPD 2884 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2886 C Frau Flinner GRÜNE 2888 C Bredehorn FDP 2890 C Oostergetelo SPD 2892 B Kiechle, Bundesminister BML 2894 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksachen 11/1073, 11/1081) Diller SPD 2898 A Scheu CDU/CSU 2900 A Frau Hillerich GRÜNE 2902 A Neuhausen FDP 2903 C Kuhlwein SPD 2904 D Möllemann, Bundesminister BMBW 2906 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 11/1056, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 11/1077, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 11/1075) Kühbacher SPD 2909 A Deres CDU/CSU 2913 C Frau Olms GRÜNE 2915 B Frau Seiler-Albring FDP 2917 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 2919 C Nächste Sitzung 2921 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 2922* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. November 1987 2805 42. Sitzung Bonn, den 25. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Clemens 25. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Dr. Feldmann * 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Glotz 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Haack (Extertal) 25. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Hörster 26. 11. Kirschner 25. 11. Dr. Klejdzinski * 26. 11. Klose 27. 11. Dr. Knabe 26. 11. Kreuzeder 27. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich * 26. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 27. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 27. 11. Niegel 26. 11. Frau Pack 27. 11. Paintner 27. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 27. 11. Schreiner 27. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11. Zink 25. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Günther Bredehorn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den nationalen Haushalt eingehe, gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu den aktuellen Brüsseler Beratungen im Agrarministerrat. Minister Kiechle ist wohl gerade von dort zurückgekommen. Diese Verhandlungen haben mit nicht sehr viel Aussicht auf Erfolg begonnen. Im Augenblick scheint es leider so zu sein, daß es kein für uns akzeptables Ergebnis geben wird.
    Ich meine, wir können die Absichten der Kommission nicht akzeptieren, die Probleme ausschließlich über Preissenkungen zu lösen. Eine solche brutale Existenzvernichtungspolitik machen wir nicht mit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unser Weg muß sein — da hat Bundesminister Kiechle unsere volle Unterstützung — , die Produktionsmengen zurückzuführen, damit der Markt wieder funktionieren kann. Wir brauchen im Brüsseler Agrarministerrat einen fairen Kompromiß, indem wir die Vorschläge der Kommission zur Kostendämpfung und unsere Vorschläge zur Begrenzung der Produktionsmengen zu einem vernünftigen Paket zusammenschnüren. Minister Kiechle hat da unsere volle Unterstützung.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr gut! Das ist dasselbe!)

    Leider müssen wir feststellen, daß sich die Versuche der Kommission, Entscheidungsbefugnisse im Bereich der Agrarpolitik an sich zu ziehen, häufen. Auch der Vorschlag, über Haushaltsstabilisatoren das Übel an der Wurzel zu packen, geht in diese Richtung.
    Die Agrarminister sollten sich darüber im klaren sein, daß, wenn sie nicht handeln oder sich nicht einig werden, zwangsläufig eine stärkere Position der EG-Kommission die Folge ist.
    Wir brauchen in der EG-Agrarpolitik echte Problemlösungen, statt uns immer mehr in planwirtschaftlichen Lösungen zu verstricken. Das bedeutet, behutsam neue Marktelemente in die gemeinsame Agrarpolitik einzuführen.
    Ich habe mich in der Vergangenheit schon mehrfach dafür ausgesprochen, daß das Interventionssystem auf seine ursprüngliche Funktion zurückgeführt wird, nämlich bei Marktungleichgewichten stabilisierend zu wirken und somit Marktzusammenbrüche zu verhindern.
    Als Ergänzung zu solchen marktpolitischen Maßnahmen muß landwirtschaftlich genutzte Fläche stillgelegt werden. Leider kommen diese Bemühungen und Bestrebungen, ganz zu schweigen von der dringend notwendigen Vorruhestandsregelung, auf EG-Ebene nur mühsam vorwärts. Ich bin davon überzeugt, daß — das Gespräch mit den Bauern vor Ort beweist es immer wieder — eine Vorruhestandsregelung in der Landwirtschaft auf größtes Interesse stoßen würde.
    Zur Flächenstillegung: Es ist uns gelungen, für ein Extensivierungsprogramm nun Verpflichtungsermächtigungen von insgesamt 250 Millionen DM in den Haushalt einzustellen. Es erfüllt mich allerdings mit Sorge, wenn sich die Bundesländer jetzt vehement dagegen wehren, mitzumachen. Die Extensivierungs-



    Bredehorn
    richtlinie kann meines Erachtens nur über die Gemeinschaftsaufgabe, die die Länder mitfinanzieren müssen, umgesetzt werden. Der Streit um die Finanzierung zeigt ganz deutlich, daß finanzielle Verpflichtungen stärker denn je zwischen den verschiedenen politischen Ebenen — EG, Bund, Länder — hin- und hergeschoben werden, wodurch unsere Landwirte nur verunsichert werden.

    (Kuhlwein [SPD]: Es wird immer knapper mit dem Geld!)

    Die sich zuspitzenden Finanzierungsberatungen der EG finden ihr Spiegelbild in nationalen Haushaltsdefiziten; schlimmer noch, der Unmut über die gemeinsame Agrarpolitik wird in die Nationalparlamente hineingetragen. Wir Agrarpolitiker können die EG-Agrarpolitik unseren Fraktionskollegen teilweise nur noch schwer vermitteln. Erinnern Sie sich an die Entscheidungen, die wir im Sommer über die nationale Vorfinanzierung der Marktordnungsausgaben durch die BALM treffen mußten und die nun als Bumerang mit 90 Millionen DM im Einzelplan 10 auf uns zurückschlagen.
    Eine weitere Aufstockung des Agrarhaushalts ergibt sich durch die Verbesserung der Ausgleichszulage um 85 Millionen DM. Damit stehen rund 460 Millionen DM Bundesmittel für Betriebe in benachteiligten Gebieten zur Verfügung, die noch durch Ländermittel ergänzt werden.
    Ich will allerdings nicht verhehlen, daß ich persönlich die im letzten Jahr erfolgte Ausweitung der benachteiligten Gebiete auf inzwischen über 6 Millionen ha — das sind weit über 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Bundesrepublik — nicht für einen überzeugenden Weg der Agrarpolitik halte.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Ich warne davor, jetzt in der Gemeinschaftsaufgabe Umschichtungen für die Restfinanzierung der Ausgleichszulage vorzunehmen, die andere, sinnvollere, weil strukturverbessernde Maßnahmen nicht mehr zulassen.
    Die Ausgleichszulage ist eine direkte Einkommenshilfe, die wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirkt, die mit der Gießkanne verteilt wird und die weder die Einkommensprobleme oder die Überschußprobleme löst noch den Strukturwandel sinnvoll entwickelt.
    Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß seinerzeit bei der Einführung der Vorsteuerpauschale meine Partei der Meinung war, von den 5 % sollten 3 % über die Vorsteuerpauschale und 2 % gezielt eingesetzt werden. Wir werden uns ja jetzt entscheiden müssen, und ich hoffe, daß wir zu einer klugen Entscheidung kommen, weil wir die 2 % ja nicht mehr über die Vorsteuerpauschale verteilen dürfen.

    (Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)

    Ich meine, hier haben wir die Chance, diese Mittel gezielt zum Nutzen unserer Landwirte einzusetzen.
    Die beste Agrarpolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik. Es ist ganz entscheidend, daß die Wirtschaftsentwicklung weiterhin positiv verläuft, damit im ländlichen Raum Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können. Diese brauchen wir dringend, um den vielfach notwendigen und sinnvollen Übergang vom Vollerwerb zum Nebenerwerb überhaupt erst zu ermöglichen.
    Frau Flinner, Sie sprechen sich hier gegen jeglichen Strukturwandel aus. Ich denke, Sie sind Bäuerin.

    (Frau Flinner [GRÜNE]: Ja!)

    Dann müßten Sie eigentlich wissen: Ohne Wandel — auch Wandel in der Natur — ist Leben überhaupt nicht möglich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nichts ist beständiger als der Wandel!)

    Wir brauchen und befürworten diesen vernünftigen Strukturwandel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD]: Aber nicht mit Genmanipulationen!)

    Es hat nämlich keinen Sinn, unsere Landwirtschaft hinter einem staatlichen Schutzwall zu verstecken.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Das diskriminiert den Landwirt als Unternehmer, reduziert seinen Hof zur reizvollen Landschaftsstaffage und setzt ihn im übrigen dem Unmut der Bevölkerung, sprich: des Steuerzahlers, aus.
    Ein besonders negatives Beispiel in dieser Hinsicht bieten die jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe für ein Strukturgesetz aus den Ländern Bayern und Niedersachsen. Der Zweck dieser Gesetze, die sogenannte Agrarindustrie zu beschränken, wird in keinster Weise erreicht. Beide Gesetze führen allerdings dazu, daß wir sowohl größere, leistungs- und wettbewerbsfähige Vollerwerbsbetriebe als auch kleinere, flächenärmere Betriebe mit einer notwendigerweise starken Veredelungsproduktion noch in Schwierigkeiten oder gar in wirtschaftliche Existenznöte bringen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Beide Gesetzentwürfe, enthalten ein Bündel dirigistischer Maßnahmen, welches die unternehmerische Freiheit der Landwirte lähmt, eine Strukturverkrustung unter Mißachtung gewachsener Landbewirtschaftungsformen fördert, die Anpasssung landwirtschaftlicher Betriebe an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und an den wachsenden internationalen Wettbewerbsdruck behindert, erheblichen Kontrollaufwand erfordert und einer ausufernden Agrarbürokratie Vorschub leistet, durch zu niedrig festgesetzte Bestandsobergrenzen und eine sogenannte Strukturabgabe leistungsfähige und kostengünstig produzierende Betriebe in ihrer Existenz bedroht und sie im gemeinsamen Agrarmarkt ins Abseits bringt. Ein Strukturgesetz mit solchen Folgeerscheinungen ist mit liberalen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen.
    Meine Damen und Herren, der Agraretat 1988 hat ein Gesamtvolumen von 8,55 Milliarden DM. Das sind 8,2 % mehr als 1987. Diese Zahlen beweisen eindrucksvoll den Willen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung, den Landwirten in ihrer augenblicklich schwierigen Situation beizustehen. Zu Recht



    Bredehorn
    verlangen aber die Landwirte von uns Agrarpolitikern eine Perspektive für die Zukunft.
    Für die FDP bekräftige ich noch einmal unsere grundsätzliche Bereitschaft, für eine vernünftige agrarpolitische Weichenstellung vorübergehend mehr Geld zur Verfügung zu stellen.

    (Zuruf von der SPD: Wo haben Sie das denn her?)

    Dabei müssen öffentliche Mittel dazu dienen, günstige Rahmenbedingungen für wettbewerbs- und leistungsfähige Betriebe zu schaffen sowie die Zukunftsentscheidung von umsteige- und aussteigewilligen Landwirten zu erleichtern.
    Die FDP will eine gezielte Agrarpolitik, die den leistungsfähigen bäuerlichen Betrieben die Existenz ermöglicht und sie wettbewerbsfähig erhält, die den Landwirten den Übergang in den Nebenerwerb oder in einen anderen Beruf erleichtert und die den ausscheidenden Landwirten soziale Hilfe bietet und ihnen das Eigentum erhält.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Oostergetelo.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jan Oostergetelo


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt 1988 ist das Spiegelbild der Agrarpolitik dieser Bundesregierung.

    (Zuruf von der SPD: Einer miserablen Agrarpolitik!)

    Perspektiven, Herr Kollege, für die Zukunft sind leider nicht erkennbar.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

    Meine Vorredner haben schon gesagt: Es geht nicht nur um Geld. Wo sind die Perspektiven? Dabei will ich, Herr Minister, die Schwierigkeiten im Agrarbereich überhaupt nicht verkennen. Wer die Zusammenhänge kennt, der weiß, daß es weder einfache noch Königswege gibt. Da Sie aber, Herr Minister, alle Fakten kennen müssen, ist es für mich, ja ist es auch für die Landwirte draußen, die unter der gegenwärtigen, ihnen aufgezwungenen Agrarpolitik keine Zukunftsperspektive mehr sehen können, absolut unbegreiflich, wie Sie einen Haushalt präsentieren können, der die unabweisbaren Reformnotwendigkeiten nahezu vollständig ignoriert.
    Dieser Haushaltsentwurf ist letztlich nur ein stupides Abbild Ihrer Agrarpolitik, die da lautet: Verwaltung der Mißstände, nicht mehr und nicht weniger.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Aber, Herr Minister, Lösungen für die Zukunft und Ansätze zu neuen überzeugenden und zukunftsfähigen Konzepten müßten doch eigentlich den Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministers kennzeichnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommen sie!)

    Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist mit ihrer Agrarpolitik und mit ihren Vorstellungen in Brüssel gescheitert. Seit 1985 haben die Agrarminister die Preise gesenkt. In den laufenden Reformverhandlungen in Brüssel ist Ignaz Kiechle isoliert, auch jetzt wieder. Leider ist das so. Da wirken der Hinweis des Bundeskanzlers auf die Erblast oder eine Aussage wie vorhin eher hilflos. Das gilt auch für die Halbwahrheiten des Kollegen Seiters.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was? Die Rede hat dich getroffen! Das war eine hervorragende Rede!)

    — Ja, er hat vom Abbau der Überschüsse geredet. Sie haben das doch immer verhindert.
    Seit sich die EG-Kommission mit ihrer Absicht einer stärker marktorientierten Agrarpolitik bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten durchgesetzt hat, ist für jedermann erkennbar, daß zur Sicherung der Einkommen die Preispolitik nicht reicht. Dann machen Sie es doch draußen den Bauern auch nicht vor.
    Tatsache ist, daß das Einkommen der Bauern auf das Niveau von 1975 gesunken ist. Aus dieser bedrükkenden Einkommenslage, wo ein Viertel der Vollerwerbsbetriebe nur noch von der Substanz lebt, was vor allem die jüngere Generation auf dem Lande in Hoffnungslosigkeit und Resignation verfallen läßt, kann nur ein ergänzendes System der Einkommenssicherung herausführen und heraushelfen. Der Haushalt 1988 sagt zu diesem Thema nichts aus.
    Gerade weil Sie nichts dazu sagen, Herr Minister, werde ich noch einmal sagen

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — übrigens nicht nur heute, Herr Kollege, sondern schon vor Jahren habe ich das von dieser Stelle ausgeführt — , daß wir eine direkte Einkommenshilfe brauchen. Wie können doch nicht einfach zulassen, daß große Teile unserer bäuerlichen Struktur ihre Hoftore dichtmachen müssen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Dann müssen wir auch mal darüber reden, wieviel, welche Abgrenzung!)

    Dies wäre doch ein Verrat an unseren nationalen Interessen. Viel mehr müssen aufgeben, als ein vernünftiger Strukturwandel erfordert.
    Die bäuerliche Struktur ist wegen der Erhaltung der Sozialfunktion des ländlichen Raumes, wegen des Ausgleichs von Ökonomie und Ökologie und wegen der Ernährungssicherheit auch in Krisenzeiten ohne Alternative.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Unsere Bauern können nicht mehr von Phrasen leben, auch nicht mehr von Versprechungen, die, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft Realität werden können. Die sterben darüber. — Das gilt für nachwachsende Rohstoffe, Ihren „Königsweg", ebenso wie für das Versprechen einer aktiven Preispolitik, wo doch derzeit nur das Gegenteil stattfindet.
    Gleichzeitig haben Sie durch die Änderung des Grenzausgleichssystems dafür gesorgt, daß nur noch die Bauern in Abwertungsländern ihre Preise in natio-



    Oostergetelo
    nalen Währungen erhöhen können, in den letzten Jahren im Schnitt weit über 10 %; bei uns ist das Gegenteil der Fall. Wie sagte doch Herr Dr. Stoltenberg nach der Aufwertung in Ootmarsum? Dieses bringe keine negativen Auswirkungen für die deutschen Bauern.

    (Vosen [SPD]: Dr. Schuldenberg!)

    Im übrigen führt an einer stärker marktwirtschaftlichen Lösung überhaupt kein Weg vorbei. Wer ewig gegen den Markt regiert, den regiert am Ende der Markt. Deshalb fordern wir begleitende Maßnahmen, begleitende Einkommenshilfen. Wir haben dies in unseren Beschlüssen verbindlich erklärt.

    (Susset [CDU/CSU]: Wie sehen sie aus?)

    Die Bundesregierung und auch der Berufsstand haben diesen Reformansatz bisher abgelehnt. Die Finanzkrise der EG, wachsende Engpässe in den Haushalten des Bundes und der Länder führen jetzt zum Nachdenken. Schon 1985 und 1987 haben Sie im Bundesrat unsere Vorstellungen grundsätzlich gebilligt.
    Die EG-Kommission hat dieser Entwicklung auch Rechnung getragen. Sie hat Vorschläge zur Gewährung von Einkommenshilfen gemacht. Diese sind nach unserer Meinung unzulänglich, aber das Wesentliche ist: Sie sind der entscheidende und richtige Schritt, sie sind ein Einstieg in das System einer Einkommenssicherung. Der zuständige Vizepräsident hat mir noch in der vorigen Woche erklärt, daß er dies ausdrücklich bestätige.
    Wie hat die Bundesregierung reagiert? Sie hat in dieser Frage nichts getan oder nur verzögert.

    (Vosen [SPD]: Wie immer! — Zuruf des Abg. Eigen [CDU/CSU])

    Der Hauptverantwortliche für diese Verweigerungshaltung — Herr Eigen, Sie wissen das — ist der Bundesfinanzminister Stoltenberg, der offensichtlich lieber die Verschleuderung von riesigen Geldern für EG-Lagerbestände vorsieht, als den deutschen Bauern direkt zu helfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Obwohl Hilfe nur in einer Bündelung von Maßnahmen bestehen kann, tut die Bundesregierung nichts, obwohl es im Detail schon möglich wäre.
    Sie wissen: Bei der Mutterkuhhaltung ist das möglich. Halbe Produktion vom Hektar, die umweltfreundlichste Bewirtschaftungsform, die es gibt. Hilfen für die, die keine Milchrente bezogen haben. Einstimmiger Beschluß. Der Finanzminister weigert sich. — Sie wissen es doch. Herr Stoltenberg, man muß Ihnen doch mal sagen: Es kostet weniger Geld und nicht mehr, wenn Extensivierung gefordert wird. Auch die Vorruhestandsregelung hätten wir schon haben können. Zur Brache hat der Kollege Struck das Nötige gesagt. Wir mußten sie zum Tragen bringen, damit Sie halbwegs das durchhalten, was Sie versprochen haben.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Du warst doch gegen die Brache! Du bist doch im Ausschuß bei der Einführung dagegen gewesen!)

    — Ich habe nicht die Zeit. Melde dich. Dann habe ich die Möglichkeit, zu antworten, ohne daß die Zeit angerechnet wird.
    Die vom EG-Ministerrat bereits im März beschlossene Extensivierung bei Getreide, Rindfleisch und beim Wein ist noch nicht in Kraft gesetzt. 1988 sind dafür keine Zahlungen vorgesehen. Dies bedeutet, daß den Bauern wieder einmal 250 Millionen DM vorenthalten werden. Im Gegensatz dazu hat der Minister vor den Wahlen in Niedersachsen erklärt, daß er zur Einführung eines sogenannten sozialen Marktentlastungsprogramms stehe. Aber dann soll er es auch machen. Jetzt hätte er die Ermächtigung Brüssels für eine derartige Maßnahme. Aber er hat sie nicht genutzt.
    Meine Damen und Herren, wir sagen die Wahrheit: Auch eine Bündelung von Maßnahmen einschließlich des Abbaus der Überschüsse wäre keine Hilfe jetzt, sondern nur eine mittelfristige Lösung.

    (Dr. Struck [SPD]: Richtig!)

    Die von der Bundesregierung favorisierten Wege führen unserer Meinung nach zu keiner Lösung. Die Quotenregelung, die produktionsgebundenen Hilfen sind extrem ungerecht, existenzvernichtend. Produktionsgebundene Hilfen, die die Produktion als Vorbedingung zur Förderung haben, sind letztlich produktionstreibend und unfinanzierbar. Deshalb sagen wir: Wir brauchen die Hilfe jetzt. Wo die Landwirtschaft stirbt, da stirbt alles. Das hat sogar Delors gesagt.

    (Dr. Struck [SPD]: Das haben die nur nicht verstanden!)

    Wir wollen deshalb die Soforthilfe, die direkten Einkommensübertragungen, und zwar — als unverzichtbare Leitlinie — produktionsneutral, damit sie nicht produktionssteigernd wirken können. Wir wollen Bindung an Person oder Fläche, Festlegung von Kriterien für eine Prosperitätsschwelle, Beihilfen gestaffelt und auf Antrag.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Noch mehr Verordnungen!)

    — Nein, nicht mehr Bürokratie.
    Wir hätten die Möglichkeit durch die zwei Prozentpunkte, auf die Herr Bredehorn hingewiesen hat. Wir müssen nun handeln. Wir wollen, daß diese zwei Prozentpunkte — das ist Beschlußlage — so verwendet werden, daß sie umgestaltet werden.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Sozialistisches Teufelwerk!)

    Diese Subventionen dürfen nicht mehr an die Produktion gebunden werden. Sie machen sich das leicht. Aber fragen Sie mal die Bauern draußen. Wir sagen: Es ist der beste Weg, jetzt zu helfen. Das bedeutet nicht noch mehr Milliarden, sondern rettet dadurch die Bauern, daß das Geld nicht nur zu 20 % wie jetzt, sondern zu 100 % bei den Notleidenden ankommt, in den Betrieben, und nicht zwischendurch versackt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das wäre eine Möglichkeit, Freunde, damit die Kaufkraft im ländlichen Raum bleibt, damit der



    Oostergetelo
    Teufelskreis des Immer-mehr-Produzieren-Müssens durchbrochen wird.

    (Vosen [SPD]: Sehr richtig!)

    Wir sagen: Das ist auch eine Honorierung der Umweltleistung.