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ID1104117600

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    Plenarprotokoll 11/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 11/1051, 11/1081) 2689B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 11/1052, 11/1081) 2689B Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 11/1053, 11/1081) 2689 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 11/1054, 11/1081) Dr. Vogel SPD 2689 D Seiters CDU/CSU 2699 C Frau Rust GRÜNE 2709B Dr. Bangemann FDP 2712D Dr. Kohl, Bundeskanzler 2720 B Koschnick SPD 2729 D Austermann CDU/CSU 2732 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 2735 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 2739 C Frau Simonis SPD 2741B Vizepräsident Westphal 2740 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 11/1055, 11/1081) Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 2742 B Dr. Rose CDU/CSU 2745 A Voigt (Frankfurt) SPD 2747 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2750 D Stobbe SPD 2753 D Genscher, Bundesminister AA 2756 C Rühe CDU/CSU 2760 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 11/1064, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/1076) Walther SPD 2764B, 2774A, 2781C Dr. Friedmann CDU/CSU 2766 D Frau Schilling GRÜNE 2768 D Frau Seiler-Albring FDP 2771B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2774B Jungmann SPD 2778 D Müller (Wadern) CDU/CSU 2780 D Frau Beer GRÜNE 2381 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 11/1069, 11/1081) Esters SPD 2783 B Borchert CDU/CSU 2785 B Volmer GRÜNE 2786 D Frau Folz-Steinacker FDP 2789 A Klein, Bundesminister BMZ 2790 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksachen 11/1071 11/1081) Hiller (Lübeck) SPD 2791 D Dr. h. c. Lorenz CDU/CSU 2793 B Frau Hensel GRÜNE 2796 B Hoppe FDP 2798 B Sielaff SPD 2799 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 2801D Nächste Sitzung 2803 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2804* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 41. Sitzung Bonn, den 24. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 24. 11. Dr. Ahrens * 27. 11. Antretter * 24. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haar 24. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 24. 11. Hörster 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ibrügger 24. 11. Kiechle 25. 11. Klose 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 24. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 24. 11. Oesinghaus 24. 11. Paintner 27. 11. Paterna 24. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Reimann 24. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 24. 11. Dr. Schöfberger 24. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Lorenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Oh Gott. — Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß die Parteien in diesem Hause — mit Ausnahme der GRÜNEN — in bezug auf die Mittel und Methoden der Deutschlandpolitik — trotz der Worte meines Vorredners — einander wieder ein großes Stück nähergekommen sind.

    (Frau Hensel [GRÜNE]: Das wäre schlimm!)

    Das ist sehr zu begrüßen, weil es den Erfolg einer solchen Politik wahrscheinlicher macht.
    Ich bin mir jedoch im Zweifel, ob das Endziel unserer Deutschlandpolitik, in dem wir uns früher immer einig waren, heute noch von allen in gleicher Weise mitgetragen wird. Gerade im Jahr 1987 ist das Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands von führenden Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion und der Sozialdemokratischen Partei wieder in Frage gestellt worden, ein Ziel, in dem wir früher alle übereinstimmten und das unsere Arbeit im Kuratorium Unteilbares Deutschland verbindet.
    So hat der Kollege Heimann dazu aufgefordert, die Deutschen sollten anerkennen, daß die Normalität aller anderen europäischen Nationen, nämlich die staatliche Einheit, für sie nicht gelten dürfe. Es werde zur Normalität in Europa nicht kommen, wenn die Deutschen am Recht auf Selbstbestimmung und nationale Einheit festhielten.



    Dr. h. c. Lorenz
    Der Kollege Büchler hält die Bestimmung des Art. 7 des Deutschlandvertrages historisch für überholt.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Wo ist der Kollege Büchler denn?)

    Ich will jetzt gar nicht die Worte des Oberbürgermeisters von Saarlouis, Nosper, anführen, der die Wiedervereinigung für eine Chimäre erklärt hat. Schließlich hat Johannes Rau erklärt, er wisse nicht, ob seine Zukunftsvision mit dem Wort „Wiedervereinigung" richtig umschrieben ist.
    Namens der CDU/CSU-Fraktion erkläre ich hierzu ganz deutlich: Unsere Zukunftsvision jedenfalls ist mit dem Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit durchaus richtig beschrieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sicher ist das Prinzip des alten Nationalstaats überholt. Wir wollen eine Union der europäischen Völker. Und wie diese Völker, die Franzosen, Briten, Italiener, Spanier, Polen, Ungarn und alle anderen, ihr Vaterland lieben, so lieben auch wir unser Vaterland. Wir glauben nicht, daß es für die Schaffung eines freien und geeinten Europas notwendig ist, daß allein die Deutschen auf ein einheitliches Vaterland verzichten. Wir sind überzeugt, daß kein europäisches Volk, wenn es frei entscheiden kann, einen solchen Verzicht von uns verlangen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hensel.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber mit Karitas!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karitas Dagmar Hensel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben von Herrn Dr. Lorenz gehört, daß das Ziel eines alten Nationalstaats sicher überholt sei. Aber dann haben wir sehr wenig davon gehört, wie denn die Perspektiven der Unionsparteien dazu aussehen. Er selber hat in seinen Worten vorher den Beweis dafür geliefert, daß es, wenn wir heute über den Einzelplan 27 debattieren, im strengen Sinn nur ganz wenig mit den deutsch-deutschen Beziehungen und ihrer politischen Rolle in Europa zu tun hat. Es hat auch wenig mit einer operativen Politik gegenüber der DDR zu tun.
    Wie wir alle wissen, hat das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen so gut wie gar keine entsprechenden Kompetenzen in diesem Sinne, sondern es hat im wesentlichen die Aufgabe, als Ideologiebehörde der Bundesregierung die innenpolitische Legitimation für ein Fossil namens Wiedervereinigung und Nationalstaat aufrechtzuerhalten.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Überlegen Sie, was Sie sagen! — Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Sagen Sie den Unsinn doch noch mal, damit es jeder versteht! — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Es wäre wert, daß Sie wiederholen, daß es ein Unsinn sei, an die Wiedervereinigung zu glauben!)

    Dies ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, daß die
    operative und konzeptionelle deutsch-deutsche Politik durch das Bundeskanzleramt bzw. das Auswärtige
    Amt wahrgenommen und gestaltet wird, wie sich bei jedem bedeutenden politischen Ereignis zeigt, zuletzt beim Besuch von Erich Honecker. Wer hat den denn vorbereitet? Doch nicht das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die GRÜNEN auch nicht!)

    Schon vor diesem Hintergrund dürfte einleuchten, daß meine Fraktion an der Forderung nach Auflösung des innerdeutschen Ministeriums und der Überführung der vorhandenen Sachkompetenzen und Abteilungen in die entsprechenden Ministerien festhält.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ein Blick in die Struktur des Einzelplans 27 genügt, um festzustellen, daß eine Regierung, die es mit Semantik und Namensklarheit genau nähme, dieses Ministerium umbenennen müßte, z. B. in „Ministerium zur Förderung der Vertriebenenverbände" oder so ähnlich.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Dummes Zeug ist das!)

    Das zeigen vor allem die Etatansätze 685 02 und die unter Titelgruppe 03. Denn hier sind die größten prozentualen Steigerungsraten in der Mittelzuweisung zu finden.

    (Bindig [SPD]: Richtig!)

    Dabei stehen die Flüchtlings- und Vertriebenenverbände mit einzigartigen 12 % Steigerung einsam an der Spitze.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Man muß die Ausgangslage sehen, die Sie und Ihre Vorgänger geschaffen haben!)

    Das ist eine Tendenz, die 1983 mit 2,5 Millionen DM begann und heute bei 4,1 Millionen DM angekommen ist.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Rechnen können die GRÜNEN nicht, auch wenn sie Lehrerinnen sind!)

    Bemerkenswert daran ist, daß diese Mittel nur an einen sehr kleinen Kreis von Verbandsfunktionären ausgeschüttet werden, die immer noch für ein Deutschland in den Grenzen von 1937 Politik machen,

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Sicher, das ist ja auch richtig!)

    und auch, daß 68 % des Etatansatzes der institutionalisierten Förderung, also der Aufrechterhaltung, von Apparaten dienen. Dabei können sich die so geförderten Vertriebenenfunktionäre noch nicht einmal als Repräsentanten der Vertriebenen legitimieren,

    (Sielaff [SPD]: Das ist richtig!)

    da die Mehrzahl dieser Gruppe nicht oder zumindest nicht meinungsbildend in den entsprechenden Organisationen tätig ist. Hier wird in unmoralischer Weise eine Klientel der Unionsparteien an den Tropf von Staatsgeldern gehängt.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Eine unglaubliche Formulierung, die Sie da finden!)




    Frau Hensel
    Für eine auf Entspannung und Verständigung in Europa zielende Politik sollte es sich verbieten,

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die GRÜNEN müßten verboten werden!)

    in derartiger Form eine Kleinstschar Unverbesserlicher politisch und materiell zu unterstützen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sie meinen die Linksradikalen!)

    Meine Damen und Herren, bei der Vorstellung Ihres Etatansatzes haben Sie, Frau Wilms, hervorgehoben, daß Sie sich besonders um die politische Bildungsarbeit kümmern wollen. Dementsprechend steigen auch die Ansätze in der Titelgruppe 03. Im „Deutschlandarchiv" vom September ist dankenswerterweise nachzulesen, wie Sie sich, Frau Wilms, die Bildungsförderung vorstellen. Was die Ministerin da entwikkelt, läuft auf ein simples Strickmuster hinaus: Hier die Bundesrepublik, liebenswert und fehlerfrei, die eine vaterländisch gesonnene Jugend untertänigst zu schätzen weiß, weil sie, die Jugend, sozusagen als monströses Kontrastprogramm im Osten sieht, daß ein Weg, nämlich in der DDR, zu Elend und Unterdrückung führt. Anders ausgedrückt: Kritik an den hiesigen Verhältnissen ist nur statthaft mit Blick auf die DDR, weil dort nämlich alles noch viel schlimmer ist. Das Ungenügende der hiesigen Verhältnisse soll als Bagatelle erscheinen gegenüber den Verhältnissen im anderen Deutschland. Dies ist kein Ausrutscher von Ihnen, Frau Wilms, sondern das hat System.
    Das zeigt sich auch in der ideologiegeprägten Haltung im Teil A der Materialien zur Lage der Nation, der im ökonomischen Bereich ein ebenso irreführendes Bild der Realitäten aufzeigt, wie Sie es, Frau Wilms, im Bildungsbereich beabsichtigen. Das ganze könnte als ein etwas zu schlicht geratener Ansatz abgetan werden, stünden nicht wirtschaftliche und machtpolitische Interessen dahinter. Daraus kann sehr schnell wieder ein Rahmen werden, in dem wie in den 50er und 60er Jahren in obrigkeitsstaatlicher Manier jeder Kritiker bundesdeutscher Verhältnisse als totalitärer Freiheitsfeind oder Kommunist

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Endlich kommen wir zum Thema!)

    verunglimpft oder ausgegrenzt wird. Sie erinnern sich bestimmt daran, daß auch heute noch der platte Satz diesen Kritikern häufig an den Kopf geworden wird: So geh doch rüber! — erinnern Sie sich bitte — zum Schaden von Toleranz und demokratischer Meinungsvielf alt.
    Nun weisen Sie, Frau Wilms, auch noch darauf hin, daß die Erziehung zu einem überzeugten Demokraten für die Sicherung des Staatswesen allein nicht ausreichend ist. Hier sei die Förderung eines gesunden, gesamtdeutschen Nationalbewußtseins durch verstärkte deutschlandpolitische Bildung notwendig. Zum Beleg weisen Sie auf die erheblich gestiegenen Jugend-, Schüler- und Studentenfahrten nach Berlin (West), an die Grenze zur DDR und in die DDR hinein sowie auf die gestiegene Nachfrage der geförderten Bildungs- und Informationsveranstaltungen hin.
    Ob Sie selber an diese Interpretation glauben, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall aber sind diese Erscheinungen weniger ideologisch begründet, als dies allenthalben behauptet wird. In der Mehrzahl der Fälle entscheiden sich Gruppen für entsprechende Fahrten und Seminare, weil sie im Gegensatz zu anderen Bildungsangeboten gut bezuschußt werden. Die Veranstaltungen locken mit Brötchen und Getränken, und die Fahrten sind einfach billiger als andere. Wenn Sie, Frau Wilms, das nicht glauben, dann fragen Sie doch die CDU-Referenten nach ihren Eindrücken und Erfahrungen.
    Ich denke aber, Sie wollen einfach nicht sehen, daß die überwiegende Mehrzahl nicht nur der jüngeren Bundesbürger und -bürgerinnen mit Vaterlandsduseleien und gesamtdeutschen Nationalismen wenig am Hut haben. Die Untersuchungen von Ronge über die Aufnahme von DDR-Übersiedlern in der Bundesrepublik bestätigen dies übrigens in aller Deutlichkeit. Die Motive für die Anteilnahme bei der bundesdeutschen Bevölkerung sind eben nicht national, sie sind humanitär geleitet. Das ist das Wichtige. Warum sehen Sie in der Entwicklung keinen Fortschritt, keine Chance für eine postnationale, multikulturelle europäische Entwicklung?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Noch einmal! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Erklären Sie das einmal! Das brauchen wir zum Mitschreiben!)

    Warum wollen Sie zurück zu Bewußtseins- und Politikformen des 19. Jahrhunderts? Wir GRÜNEN treten für einen politischen Paradigmawechsel in der Deutschlandpolitik ein.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Was ist das denn? — Dr. Hennig [CDU/CSU]: Sie sollten Ihren Assistenten wechseln! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Der Usus der Fremdwörter muß auf ein Minimum reduziert werden!)

    Ich muß mich etwas kürzer fassen. — Sie werden verstehen, daß wir aus den vorgenannten Gründen dem Haushaltsansatz, der sich im wesentlichen auf eine verquere Bildungs- und Propagandaarbeit beschränkt und im geschilderten Kontext zu sehen ist, nicht zustimmen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Lesen Sie nur die Fremdwörter vor!)

    — Dann würden Sie es vielleicht nicht verstehen.
    Aber trotz oder gerade wegen dieser Kritik bemüht sich unsere Fraktion auch weiterhin, Bewegung in die festgefahrenen Verhältnisse zu bringen. Schon im März 1986 haben DIE GRÜNEN in einem Grundsatzpapier in bezug auf die deutsch-deutschen Beziehungen einen Dialogbegriff entwickelt, der verständnisorientiert einen uneingeschränkten Dialog zwischen den Staaten und den Gesellschaften fordert.
    Es ist an der Zeit — ich komme jetzt langsam zum Schluß —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! — Sehr schade, wir hätten Sie noch so gerne gehört!)




    Frau Hensel
    — vielleicht hören Sie noch auf das Schlußwort —, den Versuch zu unternehmen, all diese politischen Initiativen fruchtbar zu bündeln. Es ist nicht vorstellbar, z. B. zu einem interfraktionellen Arbeitspapier zu kommen. Die Herren von der CDU waren in der DDR und haben den Dialog gesucht

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Die CSU auch!)

    — die CSU auch —, die SPD hat ein SED-SPD-Grundsatzpapier vorgelegt. Ist es nicht an der Zeit, und ist es nicht vorstellbar, zu einem interfraktionellen Arbeitspapier und vielleicht auch zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag zu kommen, der Formen und Inhalte eines zwischenstaatlichen und zwischengesellschaftlichen Dialogs einer politischen Streitkultur darlegt. Ich möchte diesen Vorschlag hier ganz ernsthaft zur Diskussion stellen, weil ich es bedauerlich fände, wenn die positiven Impulse der jüngsten Zeit, vor allen Dingen das SED-SPD-Papier, in einer jeweils bilateralen Exklusivität endeten.
    Deshalb sind DIE GRÜNEN der Auffassung, daß eine derartige interfraktionelle Initiative ein konstruktiver und beispielhafter Beitrag für eine europäische Begegnungskultur auf allen Ebenen sein kann.
    Ich danke sehr fürs Zuhören.

    (Beifall bei den GRÜNEN)