Rede von
Volker
Rühe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Lieber Karsten Voigt, wir brauchen keine Termine zu vereinbaren, um miteinander zu reden. Das wollen wir nicht auf eine solch offizielle Ebene schieben. Wir haben immer eine offene Tür für Gespräche. Aber ich bin der Meinung, daß das, was hier von Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion vorgetragen worden ist, die Glaubwürdigkeit der westlichen nuklearen Abschreckung so weit schwächt, daß in der Tat damit die Gefahr verbunden ist, daß ein begrenzter konventioneller Konflikt wieder vorstellbar würde. Hier muß ich eine Warnung an die Kollegen richten, sich nicht in dieser Weise auf eine Denuklearisierung Europas zuzubewegen. Denn wenn Sie eine weitere Null-Lösung draufsetzen und sagen, im übrigen gelte unter 150 km die atomwaffenfreie Zone, dann frage ich mich, wo die glaubwürdige Abschreckung des westlichen Bündnisses bleiben kann.
— Ich finde es phantastisch, daß Ihr bereit seid, darüber zu sprechen.
Aber im Plenum
sollten wir darüber sprechen, damit jeder verfolgen kann, wer die besseren Argumente hat.
Ich finde es wichtig — hier komme ich nochmals zur SPD — , daß unsere Grundsätze klar sind. Wir dürfen über die nach wie vor bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zwischen Ost und West nicht schweigen, sie nicht mit falschen illusionären Formeln wie der der Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion oder der gemeinsamen Sicherheit verschleiern. Die Sowjetunion ist für mich ein Verhandlungspartner für mehr gegenseitige Sicherheit zwischen Ost und West. Wer nicht mehr sagt, warum wir Verteidigungsanstrengungen erbringen müssen, mit wem zusammen wir das tun und vor wem wir Sicherheit organisieren müssen, der bringt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik auf eine schiefe Ebene. Es gibt leider Ansätze dazu, was die Gespräche der Sozialdemokraten mit der SED angeht. Da hat es ein fabelhaftes Papier über die Kultur des Streits
zwischen der SPD und der SED gegeben. Die beiden haben sich großzügig Friedfertigkeit bescheinigt. Ich finde es etwas beschämend, daß sich die SPD von der SED bescheinigen läßt,
daß sie friedensfähig ist. Ich möchte mir das von einer
solchen diktatorischen Partei wie der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands nicht bescheinigen lassen.
— Seien Sie nicht so aufgeregt. Jeder hat jetzt feststellen können, auf welchen Pfad der Selbsttäuschung Sie sich haben begeben können.
Denn kaum hatte die ehrenwerte historisch gewachsene freie deutsche Sozialdemokratische Partei der SED Friedensfähigkeit bescheinigt,
meldete sich vor wenigen Wochen Kurt Hager, zuständiges SED-Politbüromitglied, und erklärte, was die SED unter der neuen Kultur des politischen Streits versteht:
Unser Feindbild ist klar: Wir hören nicht auf, die aggressiven Kräfte des Imperialismus als Feinde, als Gegner des friedlichen Lebens der Menschheit zu bekämpfen.
Ich meine, deutlicher kann eine Ohrfeige für den sozialdemokratischen Partner für diese neue Kultur des Streits gar nicht ausfallen.
Deswegen kann ich nur sagen: Das ist ein schlechter Weg und auch ein schlechter Ratschlag für die deutsche Außenpolitik. Das schafft viel Mißtrauen im Westen, verschärft das an Mißtrauen, was Sie sich selbst durch Ihr Versagen und Ihren Wortbruch 1982/83 bereitet haben und führt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in ein Zwielicht. Von daher gibt es für uns alle Anlaß, zwar mit der DDR zu sprechen, aber nicht darauf zu hören, wenn Sie solche Wege vorschlagen.
Wir werden weiter auf dem Weg fortfahren, den diese Regierung 1982 begonnen hat.
Das heißt: Vertrauen im Westen, Berechenbarkeit in der West- und Sicherheitspolitik und dadurch auch ein großer Spielraum in der Deutschland- und Ostpolitik, um dort unsere Interessen durchzusetzen.
Vielen Dank.