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    Plenarprotokoll 11/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 11/1051, 11/1081) 2689B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 11/1052, 11/1081) 2689B Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 11/1053, 11/1081) 2689 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 11/1054, 11/1081) Dr. Vogel SPD 2689 D Seiters CDU/CSU 2699 C Frau Rust GRÜNE 2709B Dr. Bangemann FDP 2712D Dr. Kohl, Bundeskanzler 2720 B Koschnick SPD 2729 D Austermann CDU/CSU 2732 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 2735 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 2739 C Frau Simonis SPD 2741B Vizepräsident Westphal 2740 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 11/1055, 11/1081) Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 2742 B Dr. Rose CDU/CSU 2745 A Voigt (Frankfurt) SPD 2747 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2750 D Stobbe SPD 2753 D Genscher, Bundesminister AA 2756 C Rühe CDU/CSU 2760 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 11/1064, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/1076) Walther SPD 2764B, 2774A, 2781C Dr. Friedmann CDU/CSU 2766 D Frau Schilling GRÜNE 2768 D Frau Seiler-Albring FDP 2771B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2774B Jungmann SPD 2778 D Müller (Wadern) CDU/CSU 2780 D Frau Beer GRÜNE 2381 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 11/1069, 11/1081) Esters SPD 2783 B Borchert CDU/CSU 2785 B Volmer GRÜNE 2786 D Frau Folz-Steinacker FDP 2789 A Klein, Bundesminister BMZ 2790 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksachen 11/1071 11/1081) Hiller (Lübeck) SPD 2791 D Dr. h. c. Lorenz CDU/CSU 2793 B Frau Hensel GRÜNE 2796 B Hoppe FDP 2798 B Sielaff SPD 2799 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 2801D Nächste Sitzung 2803 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2804* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 41. Sitzung Bonn, den 24. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 24. 11. Dr. Ahrens * 27. 11. Antretter * 24. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haar 24. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 24. 11. Hörster 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ibrügger 24. 11. Kiechle 25. 11. Klose 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 24. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 24. 11. Oesinghaus 24. 11. Paintner 27. 11. Paterna 24. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Reimann 24. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 24. 11. Dr. Schöfberger 24. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Lieber Karsten Voigt, wir brauchen keine Termine zu vereinbaren, um miteinander zu reden. Das wollen wir nicht auf eine solch offizielle Ebene schieben. Wir haben immer eine offene Tür für Gespräche. Aber ich bin der Meinung, daß das, was hier von Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion vorgetragen worden ist, die Glaubwürdigkeit der westlichen nuklearen Abschreckung so weit schwächt, daß in der Tat damit die Gefahr verbunden ist, daß ein begrenzter konventioneller Konflikt wieder vorstellbar würde. Hier muß ich eine Warnung an die Kollegen richten, sich nicht in dieser Weise auf eine Denuklearisierung Europas zuzubewegen. Denn wenn Sie eine weitere Null-Lösung draufsetzen und sagen, im übrigen gelte unter 150 km die atomwaffenfreie Zone, dann frage ich mich, wo die glaubwürdige Abschreckung des westlichen Bündnisses bleiben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Wir haben eine andere Meinung, aber wir sind bereit, darüber zu sprechen!)

    — Ich finde es phantastisch, daß Ihr bereit seid, darüber zu sprechen.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: So sind wir!) Aber im Plenum


    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Auch!)

    sollten wir darüber sprechen, damit jeder verfolgen kann, wer die besseren Argumente hat.
    Ich finde es wichtig — hier komme ich nochmals zur SPD — , daß unsere Grundsätze klar sind. Wir dürfen über die nach wie vor bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zwischen Ost und West nicht schweigen, sie nicht mit falschen illusionären Formeln wie der der Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion oder der gemeinsamen Sicherheit verschleiern. Die Sowjetunion ist für mich ein Verhandlungspartner für mehr gegenseitige Sicherheit zwischen Ost und West. Wer nicht mehr sagt, warum wir Verteidigungsanstrengungen erbringen müssen, mit wem zusammen wir das tun und vor wem wir Sicherheit organisieren müssen, der bringt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik auf eine schiefe Ebene. Es gibt leider Ansätze dazu, was die Gespräche der Sozialdemokraten mit der SED angeht. Da hat es ein fabelhaftes Papier über die Kultur des Streits

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Dieser Meinung sind wir auch!)

    zwischen der SPD und der SED gegeben. Die beiden haben sich großzügig Friedfertigkeit bescheinigt. Ich finde es etwas beschämend, daß sich die SPD von der SED bescheinigen läßt,

    (Dr. Soell [SPD]: Sie können lesen, Sie Philologe! Sie können nicht unterscheiden zwischen Friedensfähigkeit und Friedfertigkeit!)

    daß sie friedensfähig ist. Ich möchte mir das von einer
    solchen diktatorischen Partei wie der Sozialistischen
    Einheitspartei Deutschlands nicht bescheinigen lassen.

    (Dr. Soell [SPD]: Bei mir wären Sie durchgefallen!)

    — Seien Sie nicht so aufgeregt. Jeder hat jetzt feststellen können, auf welchen Pfad der Selbsttäuschung Sie sich haben begeben können.

    (Frau Traupe [SPD]: Sie haben schon bessere Reden gehalten!)

    Denn kaum hatte die ehrenwerte historisch gewachsene freie deutsche Sozialdemokratische Partei der SED Friedensfähigkeit bescheinigt,

    (Dr. Soell [SPD]: So ein Textverfälscher! Proseminar! 6!)

    meldete sich vor wenigen Wochen Kurt Hager, zuständiges SED-Politbüromitglied, und erklärte, was die SED unter der neuen Kultur des politischen Streits versteht:
    Unser Feindbild ist klar: Wir hören nicht auf, die aggressiven Kräfte des Imperialismus als Feinde, als Gegner des friedlichen Lebens der Menschheit zu bekämpfen.
    Ich meine, deutlicher kann eine Ohrfeige für den sozialdemokratischen Partner für diese neue Kultur des Streits gar nicht ausfallen.
    Deswegen kann ich nur sagen: Das ist ein schlechter Weg und auch ein schlechter Ratschlag für die deutsche Außenpolitik. Das schafft viel Mißtrauen im Westen, verschärft das an Mißtrauen, was Sie sich selbst durch Ihr Versagen und Ihren Wortbruch 1982/83 bereitet haben und führt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in ein Zwielicht. Von daher gibt es für uns alle Anlaß, zwar mit der DDR zu sprechen, aber nicht darauf zu hören, wenn Sie solche Wege vorschlagen.
    Wir werden weiter auf dem Weg fortfahren, den diese Regierung 1982 begonnen hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir sind auch für die Kultur des Streits mit Ihnen!)

    Das heißt: Vertrauen im Westen, Berechenbarkeit in der West- und Sicherheitspolitik und dadurch auch ein großer Spielraum in der Deutschland- und Ostpolitik, um dort unsere Interessen durchzusetzen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, so daß wir zur Abstimmung kommen können, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1220? — Wer stimmt dagegen? — Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 05.
Wer dem Einzelplan 05 — Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.



Vizepräsident Cronenberg
— Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Damit ist der Einzelplan 05 angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr auf: Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung
— Drucksachen 11/1064, 11/1081 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Müller (Wadern) Dr. Friedmann
Dr. Weng (Gerlingen)

Frau Seiler-Albring
Kühbacher
Walther
Kleinert (Marburg)

Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte
— Drucksache 11/1076 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Würtz Rossmanith
Kleinert (Marburg)

Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 11/1307 bis 11/1310 sowie ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP auf Drucksache 11/1319 vor.
Meine Damen und Herren, auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsamen Beratungen der Einzelpläne 14 und 35 insgesamt 90 Minuten vorgesehen. — Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden, so daß ich die Aussprache eröffnen kann. Zunächst hat Herr Abgeordneter Walther das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudi Walther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Verteidigungsminister zuhörte, würde ich mich gern an ihn wenden; denn also sprach Manfred Wörner mit unheilschwangerer Stimme, hochgezogenen Brauen, stählernen Augen im Haushaltsausschuß: Wenn jetzt noch eine Mark gestrichen wird, dann geht es an die Substanz,

    (Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN) dann ist die Verteidigungsfähigkeit gefährdet.


    (Bundesminister Dr. Wörner: So ist es!)

    Wir haben das zwar nie geglaubt, Herr Minister — wir haben in der Sommerpause ja einmal eine öffentliche Auseinandersetzung, jedenfalls was den Haushalt 1988 angeht, geführt —, aber auch Ihre Koalitionäre im Haushaltsausschuß haben das nicht geglaubt; denn sie haben Ihnen nämlich jetzt glatt eine halbe Milliarde DM gestrichen.

    (Jungmann [SPD]: Hört! Hört!)

    Wenn das zu unserer Zeit, als Hans Apel Verteidigungsminister gewesen ist, passiert wäre, Herr Wörner, hätten Sie hier gestanden und glatt den Rücktritt von Hans Apel gefordert.

    (Heiterkeit bei der SPD — Jungmann [SPD]: Da nickt er auch noch!)

    Damit niemand, der die Ausschußdrucksachen gelesen hat, in Irrtümer verfällt, sage ich: 195 Millionen DM hat die Koalition herzlos, gnadenlos durch Einzelstreichungen weggedrückt. Dann hat sie Ihnen eine 3 %ige Sperre bei den Hauptgruppen 51 bis 54 aufgedrückt: 170 Millionen DM futsch. 1 700 Stellen wurden bei der Zivilverwaltung gestrichen; auch da sind wieder ein paar Millionen futsch. Von der globalen Minderausgabe, lieber Herr Wörner, bekommen Sie mindestens auch noch 100 Millionen DM aufgedrückt. Also sind Sie eine knappe halbe Milliarde DM los.

    (Dr. Apel [SPD]: Nur noch Geld, um weiße Fahnen zu kaufen!)

    Das sagt die Koalition zu dem Verteidigungsminister, der da bemerkt hat: Jede Mark, die jetzt noch gestrichen wird, wird die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik wirklich ernsthaft gefährden. Nun bin ich einmal gespannt, lieber Herr Wörner, was Sie nachher, wenn Sie hierherkommen, dazu sagen werden. Ich bin wirklich gespannt, mit welcher Rolle rückwärts Sie sich aus dieser Argumentationsfalle wieder herausbewegen wollen.

    (Heistermann [SPD]: Der tritt zurück heute abend!)

    Bernhard Friedmann, der das ja federführend gemacht hat, und Ulla Seiler-Albring sind ja keine Hasardeure. Sie haben das ja nicht so aus Jux und Dollerei gemacht, sondern erstens wissen sie, daß der Finanzminister kein Geld hat, und zweitens sind sie mit mir davon überzeugt, daß Sie für 1988 zuviel Geld haben. Da sind wir sicherlich einer Meinung. Aber daß der Koalition finanzpolitisch das Wasser bis zum Halse steht,

    (Dr. Apel [SPD]: Im Halse!)

    das haben wir nun wirklich in den letzten Tagen sowohl hier im Hause als auch in der Öffentlichkeit erörtert.
    Der Bundeswehrplan 1988, lieber Herr Wörner, war ja schon Makulatur, als Sie ihn aufgeschrieben hatten: Nun ist er ja so geheim, daß man darüber nicht reden darf. Aber das wird man sicherlich, ohne die Geheimhaltung zu verletzen, sagen dürfen: Makulatur war er schon, als Sie gerade Ihren Namen darunter geschrieben hatten.

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist wie mit dem Bundeshaushalt!)

    Der Minister Wörner, Frau Kollegin Traupe, hat sich ja gebrüstet, er habe nun endlich wieder so eine richtige Bundeswehrplanung eingeführt. Kaum hat er sie, ist sie schon wieder Makulatur. Denn, Herr Minister, was nutzt Ihnen denn eine Planung, wenn sie hinten und vorne nicht stimmt? Was nutzt Ihnen eine solche Planung? Dieser falschen Planung liegen ja auch nicht Fehler der Militärs zugrunde, sondern die Fehler liegen in den Vorgaben der politischen Führung. Den Militärs wurde nämlich vorgegaukelt, es könne mehr



    Walther
    Geld verplant werden, als tatsächlich zur Verfügung steht.
    Vor diesem Hintergrund, lieber Herr Kollege Wörner, wundert es mich gar nicht, daß schon drei hochrangige Generäle zur NATO geflüchtet sind und Sie stante pede hinterher wollen.
    Der Bundesverteidigungsminister, wie immer er auch heißen mag — das sage ich jetzt einmal — , soll sich realistisch darauf einstellen, daß in den nächsten 20 bis 25 Jahren prozentual eher weniger als mehr Geld für den Verteidigungshaushalt zur Verfügung stehen wird. Denn die Anforderungen an den Bundeshaushalt nehmen ja dramatisch zu, z. B. durch die Rentensicherung; das wissen wir doch alle. Deshalb rate ich Ihnen, Herr Minister, oder Ihrem Nachfolger, sich darauf einzustellen, daß Ihre finanziellen Blütenträume nicht reifen werden.
    Ich habe übrigens auch die NATO-Forderung aus dem vergangenen Jahr, jedes Jahr real 3 % zuzulegen, für Quatsch gehalten. Denn wenn man das wirklich ernst genommen hätte, dann hätte man ja ausrechnen können, wann der Verteidigungshaushalt den ganzen Bundeshaushalt aufzehren würde.
    Nun, meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: 1988 kommt der Minister auch jetzt noch gut mit dem Geld aus. Danach — das gebe ich zu — wird es kritischer, lieber Kollege Wörner.

    (Dr. Apel [SPD]: Dann ist er weg! — Frau Traupe [SPD]: Dann ist er doch nicht mehr da!)

    Deshalb sage ich Ihnen: Die Prioritäten müssen jetzt anders gesetzt werden. Sie haben im Haushaltsausschuß gesagt, für Sie stehe der Soldat an erster Stelle. Recht haben Sie!
    Der Minister hat drei Prioritäten gesetzt: erstens Soldaten, zweitens Betrieb und drittens Rüstung bzw. Beschaffung; aber das meint ja dasselbe. Im Haushalt 1988 und in der mittelfristigen Finanzplanung und in dem zur Makulatur gewordenen Bundeswehrplan habe ich eine solche Prioritätensetzung nicht feststellen können.

    (Frau Traupe [SPD]: Richtig!)

    Das Bundeskabinett hat zwar gestern so ganz auf die Schnelle noch einmal ein paar Zulagen erhöht. Inhaltlich will ich das nicht kritisieren. Im Gegenteil: Wir finden das in Ordnung und tragen das auch mit. Den Änderungsantrag, der hier heute zu diesem Sachverhalt gestellt wird, tragen wir ebenfalls mit. Aber erstens kommt es zu spät, und zweitens ist es zu wenig, lieber Herr Wörner. Es ist zu wenig, was Sie gegenüber dem Finanzminister durchgesetzt haben. Denn es ist bei weitem nicht alles, was eigentlich hätte getan werden müssen. Insofern war der gestrige Beschluß des Bundeskabinetts bei weitem nicht zufriedenstellend.
    Es bleibt die Frage: Warum kam der Beschluß eigentlich erst gestern,

    (Kühbacher [SPDJ: Weil Sie heute reden, Herr Kollege!)

    warum nicht früher, warum nicht so rechtzeitig — das
    frage ich jetzt einmal als Haushälter — , daß die erf or-
    derlichen Geldmittel durch den Haushaltsausschuß in den Haushaltsplan hätten eingestellt werden können? Die erforderliche Deckung in Höhe von, wie ich gelesen habe, rund 53 Millionen DM kann deshalb auch nur durch Scheinumbuchungen, durch Luftumbuchungen, genauer gesagt, durch überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsvollzug gefunden werden. Das ist ein Verfahren, welches sich am Rande des Haushaltsrechts bewegt. Deshalb sage ich: Dies hätte sich die Bundesregierung ersparen können, wenn sie rechtzeitig und vor allen Dingen umfassend gehandelt hätte.

    (Beifall bei der SPD)

    Dagegen sind die Investitionsmittel für den Neubau, Umbau und die Unterhaltung von Unterkünften für die Soldaten drastisch gekürzt worden, was im Hinblick auf die Lage der Soldaten ein falsches Signal ist und übrigens die Lage der Bauwirtschaft und ihrer Beschäftigten auch nicht gerade verbessert.
    Aber da, wo der Minister im Haushaltsausschuß die dritte Priorität gesetzt hat — bei der Rüstungsbeschaffung — , ist er dabei, schon jetzt Entscheidungen zu treffen, die den Finanzrahmen ab Mitte der 90er Jahre so erheblich vorbelasten, daß überhaupt nicht zu sehen ist, Herr Kollege Wimmer, wie das überhaupt bezahlt werden soll. Die Personal- und insbesondere die Personalnebenkosten explodieren vor allem, wenn der Minister an der unrealistischen Zahl von 456 000 aktiven Soldaten festhalten will. Bei Zeit- und Berufssoldaten wird die Hardthöhe mit der Wirtschaft um die besten Fachkräfte konkurrieren müssen. Das wird viel mehr Geld kosten. Bei den Wehrpflichtigen wird es angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge zu unsozialen Härten kommen. Denken Sie nur an die Verheirateten und die jungen Familien. Deren Unterhaltssicherung wird dann weiter verbessert werden müssen. Das werden Sie nicht durchhalten. Das werden Sie auch dann nicht durchhalten, wenn Sie 300 000 oder gar 400 000 Reservisten einberufen wollen. Diese können Sie nicht mit einer 70- oder 90 %igen Unterhaltssicherung abspeisen. Das geht nicht, Herr Minister, wenn Sie nicht noch mehr Unfrieden unter denen schaffen wollen, die dann einberufen werden.
    Die Bundeswehr wird, wenn sie die bisherige Sollstärke erhalten will, Personalprobleme bekommen. Ich sage noch einmal: Die Zahl von 456 000 aktiven Soldaten wird nicht aufrechtzuerhalten sein. Der Verteidigungsminister täte gut daran, auch darüber nachzudenken. Dieses Nachdenken, Herr Minister, sollte in den Bundeswehrplan 1989 einfließen, damit er bei Aufstellung Realität ist und nicht wiederum nur Makulatur. Denn was bedeutet der Rückgang der Zahl der aktiven Soldaten insbesondere für das Heer und seine Bewaffnung? Welche Folgen ergeben sich für die Verteidigungsfähigkeit? Hier muß der Öffentlichkeit, aber auch unseren Verbündeten endlich reiner Wein eingeschenkt werden.
    Das immer teurer werdende Gerät wird zunehmend mehr Geld für Wartung, Unterhaltung und die Versorgung mit Ersatzteilen verschlingen. Wie der Minister angesichts dieser voraussehbaren Entwicklung immer neue, in astronomische Größenordnungen expandierende Großwaffensysteme auf den Weg bringen



    Walther
    kann, bleibt leider schleierhaft. Der Panzerabwehrhubschrauber 2, Herr Minister, für den Sie in der letzten oder in der vorletzten Woche mit großem Brimborium die Unterschrift mit Ihrem französischen Kollegen geleistet haben, ist so, wie er jetzt geplant ist, ein Musterbeispiel für mangelendes Kostenbewußtsein. Einerseits soll mit viel Geld das Rad oder sogar das Dreirad noch einmal erfunden werden, andererseits werden die technisch-militärischen Forderungen so hoch geschraubt, daß noch gar nicht sicher ist, ob diese allesamt in ein System integriert werden können. Vor allem deshalb sind die Entwicklungskosten doch so hoch und dauert die Entwicklung so furchtbar lange, bis Mitte der 90er Jahre. Deswegen sage ich Ihnen schon heute voraus, daß die Gesamtkosten nicht 8,6 Milliarden DM, sondern mindestens das Doppelte betragen werden, also pro Stück 80 Millionen DM. Damit ergibt sich ein fast so hoher Stückpreis wie beim Tornado.
    Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich beim Jäger 90, nur noch viel rasanter. Sie, Herr Minister, haben im Haushaltsausschuß meiner Schätzung, daß dieses Waffensystem, so es denn wie geplant beschafft werden sollte, rund 52 Milliarden DM kosten wird, nicht widersprochen. Daneben wollen Sie NATO-Fregatten, U-Boote, Haubitzen, Kampfwagen, Bodenabstandswaffen, intelligente Munition — um nur einiges aufzuzählen — entwickeln und beschaffen.
    Auch die Forschungsmittel sollen immer weiter gesteigert werden. Sie sind nach meiner Meinung mit über 2 Milliarden DM schon jetzt weit überhöht, denn allein 800 Millionen DM entfallen auf freie Forschung. Herr Minister, das ist nichts anderes als eine subtile Subvention der Industrie.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies geschieht unter einer Regierung, die angetreten ist, um angeblich Subventionen abzubauen. Das glaubt zwar kein Mensch, aber sie sagt es nach wie vor.

    (Horn [SPD]: Unentwegt!)

    Das sage ich auch ganz ernst: Es besteht für mich kein Zweifel daran, daß in der bundesdeutschen Rüstungsindustrie erheblich überhöhte Kapazitäten vorhanden sind. Es wäre besser — jedenfalls in dem einen oder anderen Falle — , schon jetzt auf zivile Produktionen umzusteigen, denn durch diese überhöhten Kapazitäten wird eine Vielzahl von hochqualifizierten Fachleuten — z. B. Ingenieure — gebunden, die dringend in der zivilen Forschung gebraucht werden.
    Alle diese hochfliegenden Pläne — mehr Geld für das Personal, mehr Geld für Unterhaltung und Wartung, mehr Geld für die Rüstung — könnten nur noch über erheblich mehr neue Schulden bezahlt werden, Herr Kollege Dr. Friedmann. Dies aber kann im Ernst niemand verantworten. Aber es ging ja noch weiter. Die nächste Runde der Rüstungsspirale wäre, wenn nichts passierte, schon heute abzusehen. Das Haseund-Igel-Spiel, das da heißt: Kaum hat die eine Seite etwas Neues, hat die andere Seite etwas Besseres!, würde ununterbrochen weitergespielt, und zwar mit immer höheren, noch gigantischeren Kosten. Jedermann, der sich ein bißchem mit der Materie beschäftigt, weiß: Jedes neue Waffensystem ist mindestens zehnmal so teuer wie das System, das gerade abgelöst werden soll. Ich sage auch dies in allem Ernst: Dies kann kein Land der Erde mehr bezahlen, weder die Vereinigten Staaten noch die Sowjetunion noch die Bundesrepublik Deutschland. Niemand kann diese explodierenden Kosten des Rüstungswahnsinns mehr bezahlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, Herr Kollege Wörner — ich muß das leider sagen — , sind bisher im Haushaltsausschuß — ich vermute: auch im Verteidigungsausschuß — die Antwort auf die absehbaren Finanzierungskalamitäten schuldig geblieben. Sie hätten heute nachmittag die Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit die ja nicht nur von uns gestellten Fragen zu beantworten. Eines sage ich Ihnen schon jetzt, auch im Hinblick auf die Diskussion, die gerade abgeschlossen worden ist, Herr Kollege Rühe: Die Antwort auf die sich abzeichnende Teilrüstung im nuklearen Bereich kann nicht mehr Aufrüstung im Bereich der atomaren Kurzstreckenwaffen und auch nicht mehr Aufrüstung im sogenannten — so sage ich bewußt — konventionellen Bereich heißen, weil das nicht mehr zu bezahlen ist. Die Antwort muß vielmehr lauten: Abrüstung auf allen Ebenen, sowohl im nuklearen als auch im konventionellen Bereich.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, niemand wird, denke ich, widersprechen, wenn ich sage: Dies wäre nicht nur die Aufgabe dieses Ministers, sondern auch die verantwortungsvolle Aufgabe der deutschen Politik.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)