Rede von
Volker
Rühe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen können, daß ich gerade dafür plädiert habe, nicht immer nur über Nuklearwaffen zu verhandeln. Wissen Sie, es gibt Leute, nicht nur in Moskau, sondern es gibt auch manche — —
— Ich weiche überhaupt nicht aus, ich komme noch auf das Thema.
Es gibt manche Fundamentalisten in Washington, die den Eindruck erweckt haben, als ob die Nuklearwaffen unmoralisch sind und man sich im wesentlichen bei Abrüstungsfragen um Nuklearwaffen zu kümmern hat, und im Umkehrschluß, wenn man sich die Vernachlässigung von konventionellen Waffen bei den bisherigen Verhandlungen ansieht, kann man konventionelle Waffen fast als Kavaliersdelikt empfinden. Dieser Eindruck ist teilweise erweckt worden; der muß korrigiert werden, Herr Mechtersheimer.
Jetzt komme ich zu der weiteren Behandlung von Nuklearwaffen. Da sage ich: Es ist wichtig für unsere Sicherheit, daß dieser Prozeß weitergeht; denn ein Abkommen über Mittelstreckenraketen kann natürlich von oben wie von unten unterlaufen werden. Man braucht kein großer Experte zu sein, um zu wissen, daß Interkontinentalraketen nicht 7 000 km weit fliegen müssen. Die könnten natürlich auch kürzer fliegen, und damit könnten vergleichbare Ziele auch mit Interkontinentalraketen abgedeckt werden. Unter anderem besteht auch deswegen die Notwendigkeit, im Anschluß an einen Vertrag über Interkontinentalraketen zu kommen, nämlich zu einer 50 %igen Reduzierung.
Der Vertrag kann auch von unten her unterlaufen oder in Frage gestellt werden, und deswegen muß das Thema der Kurzstreckenraketen auf der Tagesordnung bleiben. Hier sind wir dabei, einen westlichen Gesamtansatz zu finden, der nicht kurzfristig sein darf, sondern langfristig tragen muß.
Ich muß Ihnen sagen, daß ich der Meinung bin, daß sich diejenigen, die nukleare Abschreckung für vernünftig und in voraussehbarer Zeit nicht ersetzbar halten, gründlich überlegen sollten, welches Mindestmaß wir in Europa hinsichtlich der Zahl und der Art eigentlich brauchen.
Bei all diesen Überlegungen muß für uns im Vordergrund stehen — ich bitte die Verteidigungspolitiker um Entschuldigung, daß in der außenpolitischen Debatte solche Überlegungen verstärkt schon eine Rolle spielen — , wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft mit absoluter Sicherheit auch den begrenztesten konventionellen Konflikt zu vermeiden. Dafür brauchen wir eine für unsere Bevölkerung akzeptable Struktur der Abschreckung und eine glaubwürdige Struktur der Abschreckung.
Bei diesen schwierigen Zukunftsfragen in den Bereichen Sicherheits-, Außen- und Abrüstungspolitik, von denen ich eben nur einiges habe andeuten können, geht es darum, deutsche Sicherheitsinteressen durchzusetzen. Es ist entscheidend, glaubwürdig, berechenbar und langfristig zu arbeiten. Ich glaube, daß die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik insbesondere gefordert ist, langfristig angelegt zu sein. Sie muß über den Tellerrand der nächsten oder übernächsten Landtagswahl hinausreichen.