Rede von
Volker
Rühe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Waffen haben mit Spannung zu tun. Nur wer Spannung abbauen kann, kann auch Waffen abbauen. Deswegen brauchen wir eine neue Dimension der Vertrauensbildung zwischen Ost und West, wenn wir Spannung und Waffen langfristig, zuverlässig und tiefgreifend abbauen wollen. Deswegen wünsche ich mir, daß es keinen reinen Raketengipfel gibt.
Ich bin auch darüber enttäuscht, daß der Kollege Voigt so viel über Raketen gesprochen hat,
als ob man unserere Sicherheit alleine durch Waffen definieren könnte. Ich finde, wir brauchen einen anderen Sicherheitsbegriff. Wenn es etwas gibt, was mich in vielen Diskussionen, gerade auch mit jungen Leuten, bestürzt, dann ist es die Tatsache, daß wir durch eine solche Diskussionsweise, daß wir nur über Pershing und SS 20 reden, den Eindruck erwecken, als ob der Unterschied zwischen NATO und Warschauer Pakt auf den Unterschied zwischen Pershing II und SS 20 zusammenschmilzt. Das ist ein fataler Eindruck.
Wir brauchen einen erweiterten Sicherheitsbegriff.
Es gibt eine militärisch bedeutsame Vertrauensbildung seit dem Ergebnis der Stockholmer Konferenz. Das aber ist Vertrauensbildung für Generäle auf dem Manöverfeld. Ich finde, das kommt zu spät, so schön es ist. Deswegen müssen wir an die Sache anders herangehen. Wenn Feindbilder abgebaut werden sollen, wenn sich die Gesellschaften öffnen sollen, dann muß man bei Jüngeren anfangen.
Da meine ich z. B., daß sowjetische Schulklassen nicht zu Gegenbesuchen hierher kommen. Ich spreche von meinem Wahlkreis, wo in einer Schule jedes Jahr eine Klasse nach Leningrad fährt. Man kann an der Schule in meinem Wahlkreis Russisch lernen. Wir warten auf den Gegenbesuch. Auch als ich mich eingeschaltet habe, kam von der sowjetischen Seite die Bedingung: Sie dürfen aber nicht in deutschen Familien untergebracht werden. Ich hätte sehr viel mehr
Vertrauen zu einem Staat und einem Generalsekretär, wenn er seine jungen Leute, seine Schüler herauslassen würde und wenn sie in unseren Familien leben könnten, damit sich die jungen Leute kennenlernen und in die Augen schauen.