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    Plenarprotokoll 11/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/700, 11/969) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 11/1051, 11/1081) 2689B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 11/1052, 11/1081) 2689B Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 11/1053, 11/1081) 2689 C Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 11/1054, 11/1081) Dr. Vogel SPD 2689 D Seiters CDU/CSU 2699 C Frau Rust GRÜNE 2709B Dr. Bangemann FDP 2712D Dr. Kohl, Bundeskanzler 2720 B Koschnick SPD 2729 D Austermann CDU/CSU 2732 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 2735 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 2739 C Frau Simonis SPD 2741B Vizepräsident Westphal 2740 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 11/1055, 11/1081) Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 2742 B Dr. Rose CDU/CSU 2745 A Voigt (Frankfurt) SPD 2747 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2750 D Stobbe SPD 2753 D Genscher, Bundesminister AA 2756 C Rühe CDU/CSU 2760 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 11/1064, 11/1081) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/1076) Walther SPD 2764B, 2774A, 2781C Dr. Friedmann CDU/CSU 2766 D Frau Schilling GRÜNE 2768 D Frau Seiler-Albring FDP 2771B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2774B Jungmann SPD 2778 D Müller (Wadern) CDU/CSU 2780 D Frau Beer GRÜNE 2381 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 11/1069, 11/1081) Esters SPD 2783 B Borchert CDU/CSU 2785 B Volmer GRÜNE 2786 D Frau Folz-Steinacker FDP 2789 A Klein, Bundesminister BMZ 2790 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksachen 11/1071 11/1081) Hiller (Lübeck) SPD 2791 D Dr. h. c. Lorenz CDU/CSU 2793 B Frau Hensel GRÜNE 2796 B Hoppe FDP 2798 B Sielaff SPD 2799 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 2801D Nächste Sitzung 2803 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2804* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1987 41. Sitzung Bonn, den 24. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 24. 11. Dr. Ahrens * 27. 11. Antretter * 24. 11. Frau Beck-Oberdorf 27. 11. Böhm (Melsungen) * 27. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Bühler (Bruchsal) * 26. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Duve 27. 11. Ehrbar 27. 11. Frau Fuchs (Verl) 27. 11. Dr. Geißler 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haar 24. 11. Frau Dr. Hartenstein 26. 11. Frau Dr. Hellwig 27. 11. Heyenn 27. 11. Höffkes 24. 11. Hörster 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ibrügger 24. 11. Kiechle 25. 11. Klose 27. 11. Kreuzeder 27. 11. Frau Luuk * 27. 11. Mischnick 24. 11. Dr. Möller 27. 11. Dr. Müller * 27. 11. Dr. Neuling 24. 11. Oesinghaus 24. 11. Paintner 27. 11. Paterna 24. 11. Petersen 27. 11. Reddemann * 26. 11. Reimann 24. 11. Schäfer (Mainz) 26. 11. Schmidbauer 26. 11. von Schmude 24. 11. Dr. Schöfberger 24. 11. Dr. Waigel 27. 11. Graf von Waldburg-Zeil 27. 11. Wieczorek (Duisburg) 27. 11. Wischnewski 27. 11. Würtz 27. 11. Zierer * 26. 11.
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    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen.
    Die Bewältigung des Strukturwandels in wichtigen Branchen stellt uns vor enorme Aufgaben. Das gleiche gilt für die Sicherung einer umweltschonenden Energieversorgung wie auch für die immer dringender werdende Frage der Entsorgung von Sondermüll und Sonderabfällen, die in einer modernen Industriegesellschaft von heute nicht vermeidbar und nicht verwertbar sind. Eine verantwortungsbewußte Bundesregierung kann sich in all diesen Fragen nicht an der Haltung der SPD orientieren, die nach dem Motto vorgegangen ist: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe gleich auf morgen. Oder nach einem anderen Motto: Wir wollen das Bessere für morgen, verhindern durch Nichtstun das Gute für heute und bewahren auf diese Weise das Schlechtere von gestern. Das ist nicht unser Motto.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie können die Probleme unseres Landes auch nicht lösen durch eine Politik des Ausstiegs aus der modernen Technologie oder aus dem Energieverbund von Kohle und Kernenergie. Ich möchte nur am Rande darauf hinweisen, daß Ihre eigene Bundesgeschäftsführerin im Sommer vor dem Seeheimer Kreis der SPD erklärt hat, die SPD sei in Nürnberg mit ihrem Beschluß zum Kernenergieausstieg innerhalb bestimmter Fristen unehrlich gewesen — Herr Vogel, unehrlich!
    Immer stärkere Neuverschuldung: Auch dieser Weg führt in die Irre, wie im übrigen das von Ihnen regierte Nordrhein-Westfalen sehr deutlich zeigt. Der Schuldenstand im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland wird bis Ende nächsten Jahres auf 100 Milliarden DM gestiegen sein, 6 000 DM je Einwohner, vom Baby bis zum Greis. Täglich müssen 17,5 Millionen DM allein für Zinsen in Nordrhein-Westfalen aufgebracht werden. Die Investitionsquote ist von 22,4 % im Jahre 1979 auf 13 % im Jahre 1987 abgefallen. Im kommenden Jahr wird sie weiter sinken. Das Wirtschaftswachstum von 1982 bis 1986 liegt in der Bundesrepublik bei 11 %, Nordrhein-Westfalen hinkt mit 7 % meilenweit hinter dieser positiven Entwicklung her. Das ist schlimm für das bevölkerungsstärkste Land der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn den Sozialdemokraten in dieser Situation nichts anderes einfällt, als erneut Beschäftigungsprogramme zu fordern in Milliardenhöhe,

    (Zuruf von der SPD: Was fällt Ihnen denn dazu ein?)

    finanziert durch eine weitere Neuverschuldung — nun hören Sie gut zu, ich habe mir Ihre Einzelbeschlüsse noch einmal angeguckt — , finanziert durch eine Arbeitsmarktabgabe, durch eine Ausbildungsplatzabgabe, durch eine Sonderabgabe Arbeit und Umwelt, durch einen Altlastenfonds, durch eine Entgiftungssteuer, durch eine Grundwasserabgabe, durch eine Schwefelabgabe, durch eine Pestizid-steuer, durch eine Stickstoffabgabe, durch eine Lärmabgabe, durch eine Abfallabgabe, durch eine Abgabe auf den Energieverbrauch, durch eine Maschinensteuer, durch die Einführung einer befristeten Ergänzungsabgabe, durch die Einführung einer Bodenwertzuwachssteuer ohne Veräußerungsfrist, durch die Ausweitung der Gewerbesteuer auf Freiberufler, durch ein Solidaropfer öffentlicher Dienst

    (Lachen und anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich das jetzt gern noch einmal vorlesen —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber bitte von hinten! — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Er hat ja auch sonst nichts!)

    meine Damen und Herren, wenn also den Sozialdemokraten in dieser Situation nichts anderes einfällt, dann kann ich nur sagen: Genau dies ist der falsche Weg, der erneut in einen verhängnisvollen Kreislauf zurückführt, der lautet: Immer mehr Staat, immer mehr Schulden, immer mehr Steuern, immer mehr Abgaben, immer mehr Arbeitslose und alles getreu nach dem Motto, das in treffender Weise der ehemalige britische Premierminister Harold Macmillan über die Programme der Sozialisten so formuliert hat: Staatliche Planwirtschaft ist wie ein prachtvoller Baum mit weit ausladender Krone; in ihrem Schatten wächst nichts. So ist es.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Seiters
    Ich möchte die Politik der Bundesregierung und die Position der Union auf einigen wichtigen Politikfeldern der Haltung der Opposition gegenüberstellen, und zwar auch deshalb — ich greife auf, was ich eingangs gesagt habe — , weil der Bürger einen Anspruch darauf hat, zu vergleichen und zu gewichten in Kenntnis der Tatsachen und der wahren Sachverhalte.
    Erstens ein Wort zur Außen- und Sicherheitspolitik. Ich lege Wert auf die Feststellung, daß christlich-demokratische und christlich-soziale Politik nicht erst seit heute, sondern seit Gründung unserer Partei immer eine Politik der Friedenssicherung, der Abrüstung und des Gewaltverzichts gewesen ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat bei ihrem Eintritt in das Atlantische Bündnis unter Adenauer einen rechtsverbindlichen Verzicht auf die Androhung und Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgesprochen. Wir haben als erster Staat aus freien Stücken vertraglich auf atomare, bakteriologische und chemische Waffen verzichtet, und unsere Forderung „Frieden schaffen mit weniger Waffen" war ernst und ehrlich gemeint, wie die Fortschritte in den Abrüstungsverhandlungen und das Bemühen der Bundesregierung nachdrücklich und eindringlich bestätigen.
    Wenn wir von Abrüstung reden, meinen wir allerdings Abrüstung in Sicherheit. Wir wissen sehr wohl: Wenn wir mittlerweile 40 Jahre in Frieden leben, während ringsherum in der Welt 140 Kriege geführt wurden, dann nicht wegen irgendwelcher Formulierungen in der UNO-Satzung, auch nicht wegen des öffentlichen Weltgewissens, auch nicht weil wir alle miteinander Sehnsucht nach Frieden haben, sondern vor allem dank unserer Sicherheitspolitik und auf der Grundlage des Gleichgewichts der Kräfte und der Macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Maßgeblichen Anteil an dieser Zeit des Friedens in Europa hat das Atlantische Bündnis, das in den vergangenen Jahren so oft diffamiert und verleumdet wurde, obwohl die NATO als reines Verteidigungsbündnis niemanden bedroht und nichts anderes will als die Sicherung des Friedens.
    Jetzt steht der Abschluß eines Vertrages zwischen den USA und der Sowjetunion über den vollständigen und weltweiten Abbau aller Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5 000 km bevor. Wären wir den Vorschlägen der SPD gefolgt
    — vor etwas über einem Jahr faßte die SPD ihre Nürnberger Beschlüsse — , so hätten wir das atomare Obergewicht der Sowjetunion zementiert und mit einer einseitigen Abrüstung die Sicherheit unseres Landes gefährdet. Darauf sind Sie nicht mehr eingegangen.
    Es gibt hier im übrigen einen bemerkenswerten Vorgang, auf den ich doch zu sprechen kommen möchte. Ich habe hier das Protokoll „Nürnberger Parteitag vom 25. bis 29. 8. 1986". Da fordert die SPD
    — das ist ein Jahr her — von den USA einen Aufstellungsstopp und die Rücknahme der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles und von der UdSSR
    eine drastische Verminderung der SS 20 auf einen Stand von 1979.

    (Dr. Vogel [SPD]: Vor 1979, mein Lieber!)

    — Ja, ich komme darauf zu sprechen. Das würde bedeuten: 140 SS-20-Raketen mit insgesamt 420 Sprengköpfen hätten Sie der Sowjetunion zugestanden — und bei uns null. Das war Ihr Konzept.
    Nun gibt es Ihren stereotypen Zwischenruf, das hieße nicht „von 1979", obwohl es hier steht, sondern „vor 1979" — Verminderung, nicht Abschaffung. Selbst wenn man das unterstellt, dann würde das etwa den Stand von Dezember 1978 bedeuten. Das waren damals immerhin 100 SS-20-Raketen mit 300 Sprengköpfen. Auch das wäre eine Situation gewesen, wo Sie das Übergewicht zementiert hätten.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das verstehen Sie nicht einmal selber, Herr Seiters, wenn Sie das sagen!)

    Aber viel interessanter ist jetzt folgendes. Ein Jahr ist ins Land gegangen. Und nun, im Sommer dieses Jahres, veröffentlicht die SPD die Nürnberger Beschlüsse, Überschrift: Frieden. Allerdings steht hinten vorsichtshalber drin, das sei eine aktualisierte Kurzfassung.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Reuter [SPD]: Ihr seid leicht zu unterhalten!)

    Da steht drin — das muß man sich einmal vorstellen —, was Sie — angeblich — in Nürnberg beschlossen haben: Wir wollen den Abzug der sowjetischen und amerikanischen Mittelstreckenraketen ohne Wenn und Aber.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das haben Sie in Nürnberg überhaupt nicht beschlossen. Sie verfälschen. Sie manipulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie wollen den Beschluß verstecken. Sie möchten an Ihre früheren Beschlüsse nicht mehr erinnert werden. Nachdem die Bundesgeschäftsführerin der SPD zum Kernausstiegsbeschluß der SPD schon gesagt hat, das sei unehrlich gewesen, kann ich auch hier nur feststellen: Verfälschung und Manipulation. So können Sie die Öffentlichkeit nicht von einer vernünftigen Alternative der Sozialdemokratie überzeugen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen bleibe ich dabei: Sämtliche Prognosen der SPD haben sich als falsch erwiesen. Eigentlich müßte ihr die Schamröte ins Gesicht steigen, angesichts der unverantwortlichen Reden, die Sie damals beim NATO-Doppelbeschluß und hier im Parlament und auf Demonstrationen gehalten haben, angesichts der historischen Fehler, die darin bestehen, daß Sie im Herbst 1981 entgegen der Zusage Ihres eigenen Kanzlers Schmidt den Vollzug des Doppelbeschlusses abgelehnt, den einzig erfolgversprechenden Weg, die Sowjetunion von ihrer nuklearen Überrüstung abzubringen und an den Verhandlungstisch zu kommen, abgebrochen und sich damit von einer erfolgversprechenden Abrüstungsperspektive abgewandt haben.



    Seiters
    Herr Kollege Vogel, im Grunde kann auch Ihre heutige besserwisserische Rede nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie ganz schön blamiert dastehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Du lieber Himmel!)

    Meine Damen und Herren, der Abzug aller Mittelstreckenraketen macht weitere Abrüstungsmaßnahmen nicht überflüssig, im Gegenteil. Der Deutsche Bundestag hat auf Antrag der Koalition im Oktober die Erwartung ausgesprochen, daß es sich bei diesem Abkommen um einen Einstieg in die Abrüstung handelt, der entsprechend dem Abrüstungskonzept der NATO weitere Abrüstungsschritte möglich und auch dringlich erforderlich macht, auch unter Berücksichtigung der besonderen Lage Deutschlands. Wir treten dafür ein, daß die Verhandlungen über ein umfassendes weltweites Verbot der chemischen Waffen zügig zu Ende geführt und erfolgreich abgeschlossen werden und daß ein stabiles Kräftegleichgewicht

    (Jungmann [SPD]: Das hören wir Tag für Tag von Ihnen! Null!)

    bei den konventionellen Streitkräften in Europa vom Atlantik bis zum Ural auf niedrigerem Niveau hergestellt wird. Wir halten Abrüstungsverhandlungen auch über landgestützte atomare Flugkörper unter 500 km für notwendig und erwarten, daß die Sowjetunion bei diesen Raketen bereits jetzt mit dem Abbau ihrer einseitigen und uns bedrohenden Überlegenheit beginnt.

    (Jungmann [SPD]: Das sagen Sie mal dem Wörner!)

    Ich erinnere schließlich an die Reduzierung der strategischen nuklearen Kernwaffenarsenale, bei denen wir es ebenfalls für erforderlich halten, daß sich die Sowjetunion und die USA darüber verständigen.
    Alles das — das will ich noch einmal betonen — gehört zu einer Abrüstungspolitik, die kein Selbstzweck ist, sondern das Ziel hat, dem Frieden und der Sicherheit unseres Landes gleichermaßen zu dienen.

    (Reuter [SPD]: Jetzt käme Applaus! — Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ein Wort zur Wirtschaftspolitik und zum Arbeitsmarkt, zum Haushalt 1988, zur Prognose der fünf Institute. Das Gutachten des Sachverständigenrats, das am Wochenende vorgelegt worden ist, zeichnet in Kenntnis von Risiken bei der internationalen Entwicklung ein abgewogenes, unaufgeregtes und durchaus zuversichtliches Bild von der wirtschaftlichen Lage unseres Landes. Auch im kommenden Jahr wird es — im sechsten Jahr hintereinander — ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum geben. Auch 1988 werden wir beachtliche Preisstabilität haben. Die Beschäftigung wird auch im kommenden Jahr weiter ansteigen.

    (Lachen bei den GRÜNEN)

    Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte steigen. Wir haben einen Anstieg der Reallöhne und eine Stärkung der Ertragskraft der Unternehmen.
    Nun will ich noch einmal an die Prognose des Oppositionsführers vom 16. November 1986 mit Blick auf den § 116 Arbeitsförderungsgesetz erinnern. Mein Gott, was haben wir in diesem Hause für Debatten gehabt! Der Untergang der Bundesrepublik schien bevorzustehen. Heute redet kein Mensch mehr vom § 116. Aber Sie, Herr Vogel, haben mit dem Ihnen eigenen Pathos eine Erklärung abgegeben — das war ein absolutes Windei, was Sie da von sich gegeben haben —,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und diese Aussage hat natürlich die Fehlerquote der SPD bei ihren Prognosen wieder erhöht:
    Wer versucht, die deutschen Gewerkschaften auf die Knie zu zwingen, der zerstört die Grundlagen unserer sozialen Stabilität,

    (Dr. Vogel [SPD]: Ist richtig so!)

    der braucht sich nicht zu wundern, wenn auch bei uns Arbeitskämpfe künftig mit der Erbitterung ausgetragen werden, die bisher nur aus dem konservativ regierten Großbritannien bekannt war.
    Also, Herr Vogel, Sie müssen Alpträume gehabt haben oder Gallenbeschwerden;

    (Dr. Vogel [SPD]: Warten Sie mal ab, mein Lieber! — Frau Unruh [GRÜNE]: Zyniker!)

    denn von Arbeitskämpfen dieser Art kann doch überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil, der Tariffriede zwischen den Sozialpartnern ist beachtlich. Und ausgerechnet die IG Metall hat mittlerweile Tarifverträge mit Laufzeiten von drei Jahren abgeschlossen. Auch dies zeigt ja wohl, daß man auf eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung und eine vernünftige Wirtschaftspolitik in diesem Lande selbst bei denen vertraut, die uns ansonsten aus parteipolitischen Gründen attackieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Dann nehmen Sie mal die Armut zur Kenntnis! — Gegenruf von der CDU/CSU: Die Armut im Geist kennen wir!)

    Preisstabilität ist beinahe das Wichtigste, meine Damen und Herren.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Christliche Tünche ist das!)

    Wäre die Inflationsrate heute noch so hoch wie vor fünf Jahren, dann müßte in diesem Jahr ein Arbeitnehmerhaushalt mit 3 300 DM verfügbaren Einkommen pro Monat für die gleichen Waren und Dienstleistungen fast 1 200 DM im Jahr mehr ausgeben, als er es tatsächlich tut. Preisstabilität bedeutet, daß Arbeitnehmern und Rentnern in einem Jahr ca. 20 Milliarden DM mehr als Kaufkraft in der Tasche verbleiben. Auf den Gehalts- und Lohnkonten unserer Bürger verbleibt ein reales Plus. Auch die Renter nehmen wieder am wirtschaftlichen Fortschritt teil.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dies ist uns nicht in den Schoß gefallen, sondern diese Erfolge hängen zusammen mit unserer wirtschaftspolitischen Philosophie der Sozialen Marktwirtschaft. Die unterscheidet sich in der Tat von der Ihren. Leistung und Wettbewerb, Eigentum und soziale Verpflichtung, Partnerschaft und soziale Ge-



    Seiters
    rechtigkeit, mehr Eigenverantwortung und weniger Staat, die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und sichern damit am besten Wachstum und Arbeitsplätze und Wohlstand.

    (Jungmann [SPD]: Sagen Sie das mal den Werftarbeitern in Kiel!)

    — Ich habe Werften in meinem Wahlkreis.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Was reden Sie dann so einen Stuß?)

    Ich will auch zum Arbeitsmarkt durchaus ein Wort sagen. Ich habe darauf hingewiesen, daß ich die Probleme nicht beiseite reden will. Ich frage mich nur, wer bei den strukturellen Problemen dieses Landes und der Welt besser mit ihnen fertig wird, wir oder Sie.
    Da frage ich mich auch: Wieso sollten wir eigentlich heute Ihre Rezepte übernehmen angesichts der Tatsache, daß trotz 17 Beschäftigungsprogrammen, die insgesamt 50 Milliarden DM gekostet haben, in den letzten Jahren der Regierung Schmidt, zwischen März 1980 und 1983, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland um 953 000 gesunken ist. Das heißt, am Ende der Regierung Schmidt waren fast 1 Million Menschen weniger in Arbeit und Brot als drei Jahre zuvor. Das können Sie doch nicht als Erfolgsbilanz Ihrer Politik ausgeben. Wir haben die Vernichtung von Arbeitsplätzen gestoppt.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Ja, natürlich. Wir haben den Anstieg der Arbeitslosigkeit gestoppt. Wir haben langsam, Schritt für Schritt, neue Arbeitsplätze geschaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Und — das ist eine einfache Rechnung — zwischen März 1983 und 1987 hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland um fast 800 000 erhöht. Das ist für Sie offensichtlich gar nichts: 800 000 Menschen mehr in Deutschland haben heute Arbeit und Beschäftigung als zu Ihrer Zeit.

    (Erregte Zurufe von der SPD) Das ist eine gewaltige Leistung.

    Der Aufbau dieser Beschäftigung hat sich nur deshalb nicht in einen Abbau der Arbeitslosigkeit umgesetzt, weil zwischen 1983 und 1987 das Erwerbspersonenpotential um ebenfalls rund 830 000 gestiegen ist. Das heißt doch mit anderen Worten: Hätten wir durch unsere Wirtschaftspolitik nicht diese enorme Zunahme der Beschäftigung erreicht, hätten wir heute in der Bundesrepublik Deutschland weit über 3 Millionen Arbeitslose, genau die Zahl, die die Sachverständigen bei einer Fortführung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik vorhergesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es wird im Laufe dieser Debatte noch Gelegenheit sein, auf die vielfältigen Maßnahmen zu sprechen zu kommen: die Qualifizierungsmaßnahmen, die Mittel für die Werften, für den Stahl und für den Städtebau und die sinnvollen Maßnahmen im Umweltschutz. Ich will das an dieser Stelle überschlagen, weil mir daran liegt, auch noch ein Wort zur Steuerreform zu sagen, die sicherlich auch im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen dieser Tage stehen wird.
    Ich finde es interessant, daß der DGB-Vorsitzende, Ernst Breit, der heute anders redet, noch am 20. Juni 1987 in einem Interview mit der „Hamburger Morgenpost" wörtlich erklärt hat:
    Die Steuerreform ist an und für sich überfällig, wenn man sich ansieht, wie die Belastung gerade der Lohnsteuerzahler und der kleinen Einkommen in den vergangenen zehn Jahren gewachsen ist.

    (Jungmann [SPD]: Aber der hat nicht Ihre gemeint!)

    Mit dieser Bemerkung hat er völlig recht. Die Steuerreform — das werden unsere Bürger selber spüren — bringt die größte steuerliche Entlastung, die es in der Geschichte der Bundesrepublik jemals gegeben hat, und zwar für breiteste Schichten der Bevölkerung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Steuerreform ist wirtschaftspolitisch, konjunkturpolitisch und sozialpolitisch notwendig und richtig. Sie verbessert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen; sie stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft; sie stützt unsere Konjunktur; sie erfüllt unsere internationalen Zusagen, und ihre Entlastungswirkungen sind gerecht verteilt. Sie ist mit Blick auf die internationale Entwicklung der Wechselkurse und die Unsicherheit an den Börsen schließlich auch wichtig. Arbeitnehmer und Unternehmer werden insgesamt um etwa 50 Milliarden DM netto von ihrer Steuerlast befreit.
    Sie haben — Sie sollten sich auch hier an das erinnern, was Sie vorhergesagt haben — über Wochen und Monate wider besseres Wissen den Bürgern einzureden versucht, diese Bundesregierung plane eine Erhöhung der Mehrwertsteuer; sie wolle die Arbeitnehmerfreibeträge kürzen und neue Steuern einführen. Das ging bis zu der Kampagne mit Briefen an alle Sportvereine, wir wollten die Übungsleiterpauschale streichen usw. usf. Nichts davon ist eingetreten.
    Die SPD verschweigt, daß ab 1990 Steuerpflichtige mit niedrigem Einkommen und Familien durch die Steuerreform deutlich stärker entlastet werden, als es ihrem Beitrag zum Steueraufkommen entspricht.

    (Zuruf von der SPD: Zwischen 600 und 800 DM im Jahr!)

    Sie verschweigen, daß allein durch die Anhebung des Grundfreibetrages um 1 080 DM für Ledige und 2 160 DM für Verheiratete über 500 000 Arbeitnehmer künftig völlig aus der Besteuerung herausfallen. Das steuerfreie Einkommen für einen Verheirateten mit zwei Kindern steigt von 13 955 DM im Jahre 1985 auf rund 23 500 DM im Jahr 1990. Was haben Sie eigentlich dagegen einzuwenden?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Verbrauchsteuern werden erhöht!)

    Der Durchschnittsverdiener, verheiratet, zwei Kinder, wird 1990 gegenüber 1985 um rund 2 000 DM in



    Seiters
    der Regelbesteuerung entlastet. Was haben Sie eigentlich dagegen einzuwenden?
    Bis zum vergangenen Jahr mußte der durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer bei einer Lohnerhöhung von 100 DM pro Monat 45 DM zusätzlich an den Staat abführen. Künftig sind es nur noch 28 DM, weil alle Grenzsteuersätze durchgehend gesenkt werden.

    (Jungmann [SPD]: Den Rest kassiert die Krankenversicherung!)

    Was haben Sie eigentlich dagegen einzuwenden?
    Meine Damen und Herren, dies alles geschieht ohne Anhebung der Mehrwertsteuer, ohne Anhebung von Verbrauchsteuern, ohne Kürzung der Arbeitnehmerfreibeträge, bei Preisstabilität und steigenden Reallöhnen. Diese Steuerreform ist gesamtwirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen. Es wäre ja wohl noch schöner, wenn wir uns wegen dieser Steuerreform ausgerechnet der SPD gegenüber verteidigen müßten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich begrüße, daß das deutsche Handwerk und die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels diese Steuerreform ebenso unterstützt und für notwendig erklärt haben wie beispielsweise die Katholische Arbeitnehmerbewegung, die wörtlich sagt: „Die vorgesehenen Entlastungen kommen insbesondere vielen Arbeitnehmern zugute. Der Marsch in den Lohnsteuerstaat wird mit der Steuerreform gestoppt."

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Was sagt denn der Familienverband?)

    — Jetzt komme ich zur Familienpolitik. Sie geben mir das Stichwort; Familienpolitik stand ohnehin auf meinem Zettel.
    Meine Damen und Herren, und auch hier möchte ich gerne einmal fragen: Wo ist denn eigentlich die Alternative der Sozialdemokratischen Partei? Ich behaupte, daß keine gesellschaftliche Gruppe in den 70er Jahren so benachteiligt worden ist wie gerade die Familie,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und zwar nicht nur materiell, sondern auch dadurch, daß man die Familie als Institution herabsetzte. Sie haben den Familienminister gestellt. Ich darf noch einmal an die damaligen Familienberichte erinnern, in denen „Eltern" mit „Bezugspersonen für Kinder" und „Kinder" mit „Objekte elterlicher Fremdbestimmung" übersetzt wurden, in denen zu lesen stand, die Familie sei eine „Sozialisationsagentur mit Kosten für pädagogische Dienstleistungen" , sie sei ein „Konsumträger" und regele den „Reproduktionsprozeß der Gesellschaft" .

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Was für eine familienfeindliche und menschenverachtende Sprache!

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    — Aber in diesem Punkte, Frau Unruh — Sie schütteln
    den Kopf — , müßten Sie mir eigentlich zustimmen;
    denn wenn ich Sie hier am Rednerpult erlebte, so würden auch Sie über die Familie nicht so wie dieser Familienbericht reden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wann war das denn?)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
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    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, danke.
    Ich möchte auch daran erinnern, daß im Jahre 1982 unter Federführung eines sozialdemokratischen Familienministers die Kindergeldsätze für das zweite und dritte Kind um je 20 DM gekürzt wurden, die Altersgrenze für den allgemeinen Kindergeldbezug von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt wurde, das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche über 18 Jahre gestrichen wurde. Weitere strukturelle Kürzungen am Kindergeld erfolgten. Frau Matthäus-Maier, da sagen Sie: Was macht ihr für die Familie?
    Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß Aufgabe verantwortlicher Politik darin bestehen muß, für ein Klima in unserer Gesellschaft zu sorgen, das der Familie ihren zentralen Platz sichert, das kinderfreundlich ist und das der Frau die persönliche, ungeschmälerte und undiskriminierte Wahlfreiheit zwischen Berufstätigkeit und der Aufgabe als Mutter läßt.
    Herzstück der von uns beschlossenen Politik ist das Bundeserziehungsgeldgesetz. Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub werden heute bereits von 96 % der Bezugsberechtigten in Anspruch genommen. Diese Gesetzgebung wird ausgebaut. Wir haben die Kinderfreibeträge um 2 484 DM erhöht. Im Rahmen der Steuerreform werden Familien mit Kindern weniger Steuern zu zahlen haben als früher. Wir planen darüber hinaus die Erhöhung des Kindergeldes ab dem zweiten Kind. Wir haben das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche wieder eingeführt. Wir haben das Baukindergeld auch auf erste Kinder ausgeweitet. Wir haben den Elternfreibetrag und den Freibetrag für mitverdienende Kinder beim Wohngeld eingeführt, die Einführung eines Kindergeldzuschlages von bis zu 46 DM je Kind für Familien mit geringem Einkommen, die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung

    (Jungmann [SPD]: Für wen?)

    und schließlich auch die Erhöhung der Mittel für die Stiftung Mutter und Kind, Schutz des ungeborenen Lebens. In über 70 000 Fällen haben wir hier eine schnelle und flexible Hilfe gewähren können. Ich begrüße nachdrücklich den Gesetzentwurf der Koalition, der die Aufstockung der Mittel für diese Stiftung pro Jahr von 80 Millionen auf 110 Millionen DM bedeutet. Aber ich bedaure ebenso nachdrücklich, daß sich die SPD-geführten Bundesländer nach wie vor weigern, entsprechende Mittel für in Not geratene schwangere Frauen bereitzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Unzutreffend!)

    Ungeborenes Leben hat den gleichen Schutz des Staates wie geborenes Leben verdient. Das ist unser Standpunkt. Wir werden auch in dieser Legislaturpe-



    Seiters
    riode daran arbeiten, den Schutz des ungeborenen Lebens zu verbessern und immer wieder das Bewußtsein dafür zu schärfen, daß die hohe Zahl von 200 000 mit sozialer Not und sozialer Indikation begründeten Abtreibungen in einem der reichsten Länder der Welt einen Skandal darstellt, den wir nicht hinzunehmen bereit sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das von der Koalition angekündigte Beratungsgesetz ist Teil einer praktizierten lebensbejahenden Politik mit dem Ziel, die erschreckend hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen aus Indikation sozialer Notlage zu senken.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sozialhilfemüttern nehmt Ihr das Kindergeld weg!)

    Nun, meine Damen und Herren, noch ein abschließendes Wort zum Thema innere Sicherheit. Nach dem Mord in Frankfurt an zwei Polizeibeamten haben Bundesregierung und hessische Landesregierung angekündigt, mit den verantwortlichen Polizeiführern die Erfahrungen auszuwerten, wie der Mißbrauch des Demonstrationsrechts zur Vorbereitung und Durchführung gewalttätiger Straftaten durch gesetzgeberische Maßnahmen und durch administrative und polizeiliche Maßnahmen beendet werden kann.
    Ich möchte für meine Fraktion ausdrücklich den Handlungsbedarf unterstreichen, den wir auch in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben, daß alles getan werden muß, um das von Gewalttätern bedrohte Recht auf friedliche Demonstration zu gewährleisten, gewalttätige Demonstrationen zu verhindern und den Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Wir haben das freiheitlichste Demonstrationsrecht, das es jemals in der deutschen Geschichte gegeben hat. Daran wird sich nichts ändern. Aber unser Standpunkt ist unverändert: Wer demonstriert, soll sein Gesicht zeigen und nicht die Möglichkeit haben, unter der Maske und aus der Vermummung heraus strafbare Handlungen zu begehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte — ich komme auf das zu sprechen, was Herr Vogel hier auch mit Blick auf Hamburg angeführt hat — doch generell meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, daß wir in bestimmten Teilen der Bundesrepublik Deutschland eine Erosion des Rechtsbewußtseins erleben, die ich für außerordentlich gefährlich halte, und zwar auch deshalb, weil hier das Rechtsempfinden rechtstreuer Bürger schwer verletzt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Die Hafenstraße ist dafür ein besonders schlimmes Beispiel.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr! — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wollen Sie die Knüppel-Lösung?)

    Meine Damen und Herren, wer Hausbesetzungen, Rechtsbrüche, die Gefährdung von Leib und Leben, wer das Faustrecht bestimmter Gruppen zunächst damit beantwortet, daß er soziales Verständnis äußert,
    die Gewalt verharmlost und in der Verteidigung von Rechtsgrundsätzen wankelmütig wird,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Pfui, Herr Seiters!)

    der schafft rechtsfreie Räume, der zerstört das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und ermutigt diejenigen, die ihre politischen Ziele mit rechtswidrigen und undemokratischen Mitteln durchsetzen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, ähnlich denkt auch der sozialdemokratische Innensenator von Hamburg.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!) Ähnlich denken auch andere in Ihren Reihen.

    Ich habe hier ein Interview des Vorsitzenden des Innenausschusses, des Kollegen Bernrath von der SPD, vor mir, der folgendes gesagt hat:
    In den Städten und Gemeinden der gesamten Bundesrepublik Deutschland wächst die Unzufriedenheit der Bevölkerung über Unberechenbarkeit und Nachgiebigkeit der Hamburger Landesregierung. Die Bürger sehen nicht mehr ein, warum sie für falsches Parken bezahlen sollen, wenn man in Hamburg ungestraft gleich dutzendweise fremde Autos anzünden darf. Weil die Rechtsordnung bundesweit Schaden nimmt, sollte sich auch der Bundestagsinnenausschuß damit befassen.
    Recht hat er, der Kollege!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bitte, auch folgendes zu bedenken, weil wir ja nicht Politik für uns, sondern für diejenigen machen, die uns Verantwortung übertragen haben: Die Bürger in unserem Lande — das zeigen alle Umfragen — sind tief beunruhigt über die Ausbreitung von Gewalt und auch darüber, daß es ja schon in diesem Hause keinen Konsens mehr gibt, wo die Grenze zwischen Gewaltfreiheit und Gewalt verläuft und auch wie wir mit der Verfassung und mit dem Recht umzugehen haben.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Seien Sie ja vorsichtig!)

    Ich habe an früherer Stelle einmal gesagt: Das Recht ist die Waffe der Schwachen. Recht und Gesetz sind dazu da, das Recht der Schwachen, das Recht des einzelnen Bürgers vor Übergriffen und Gewalt des anderen und den inneren Frieden in einem rechtsstaatlichen System zu schützen. Deswegen dürfen wir das Recht und seine Anwendung nicht zum Spielball für opportunistische Überlegungen machen. Darauf hat gerade auch der rechtstreue Bürger einen Anspruch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP —Vorsitz : Vizepräsident Stücklen)

    Meine Damen und Herren, wenn es möglich wäre, die Ziele unserer Politik in einem Satz zusammenzufassen, dann könnte man vielleicht sagen: Unsere Aufgabe als Politiker besteht darin, unserer Bevölkerung und der nachwachsenden Generation eine Zukunft zu sichern — was nicht selbstverständlich ist — in einer freiheitlichen Demokratie, in einer Welt des



    Seiters
    Friedens, in einem Land, das wirtschaftlichen Wohlstand und den Schutz der Umwelt sinnvoll miteinander verbindet, in einem Staat, der dem einzelnen die Chance gibt, sein Leben in Eigenverantwortung selbst zu gestalten, in einem Staat, der die Familie schützt und christliche Grundwerte achtet, in einer Gesellschaft mit menschlichem Gesicht. Wir sind sicher nicht immer und bei jeder Entscheidung diesen hohen Ansprüchen gerecht geworden. Aber wenn wir heute in dem freiheitlichsten und friedlichsten Staat leben, den es jemals auf deutschem Boden gegeben hat, dann haben christlich-demokratische und christlich-soziale Politiker daran einen beachtlichen Anteil. Das ist auch ein wichtiger Ansporn für unsere Arbeit in der Zukunft.
    Wenn wir uns in der Politik dann auch noch an die Devise von Altbundespräsident Karl Carstens in seiner Abschiedsrede im deutschen Parlament erinnern — „Wer frei ist, trägt Verantwortung, wer Rechte hat, hat auch Pflichten, und wer Ansprüche stellt, vor allem Ansprüche an den Staat, muß auch bereit sein, Leistungen zu erbringen" —, dann werden wir auch künftig in der Lage sein, Politik zu machen im Interesse der Menschen unseres Landes.

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)