Rede von
Hans A.
Engelhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wahl des Bundesverfassungsgerichts und seiner Richter kommt, bedenkt man die umfassenden Kompetenzen und Funktionen des Bundesverfassungsgerichts in unserem Verfassungsgefüge, eine außerordentlich große Bedeutung zu. Wir sollten daher immer darauf achten, daß die Vorschriften über die Richterwahl und ihre Handhabung dem hohen Stellenwert des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden.
Mängel, die hier und da bei der Handhabung, dem zeitlichen Ablauf und der Durchsichtigkeit des Geschehens gesehen wurden, sollten mit der gebotenen Sorgfalt besprochen werden. Der Vorschlag der GRÜNEN, das gesamte System der Richterwahl zu ändern, verfehlt jedoch völlig das Ziel konstruktiver Verbesserungen.
Das Bundesverfassungsgericht genießt, wie bereits betont wurde, über die Jahrzehnte ein hohes und höchstes Ansehen bei der Bevölkerung.
Auch jüngste Umfragen haben wieder ausgewiesen, daß neben dem Bundespräsidenten das Bundesverfassungsgericht unter den Verfassungsorganen am weitaus positivsten bewertet wird.
Die Vorschläge der GRÜNEN ziehen das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis ganz zwangsläufig in den politischen Tagesstreit und schwächen damit seine Funktion als Spitze der dritten Gewalt in unserem Staate.
So sollen die Bewerber nach diesen Vorschlägen ja gehalten sein, auf Fragen über alles und jedes Auskunft zu geben. Die Kandidaten müßten sich also zwangsläufig auch zu Fragen äußern, über die sie später, und zwar auch schon voraussehbar, als Bundesverfassungsrichter zu befinden hätten. Die genaue Protokollierung aller Äußerungen der Richterkandidaten täte noch ein Übriges, so daß jeder Richter in der Öffentlichkeit von vornherein in einer bestimmten Weise mit all seinen Auffassungen fixiert und abgestempelt wäre. Jeder Richter wäre damit von vornherein dem Verdacht der Befangenheit ausgesetzt. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts wären in Frage gestellt.
Abstrakt betrachtet könnte man sich vielleicht einmal der Überlegung hingeben, ob ein solches Hearing nicht doch erwogen werden sollte. Wer aber in der Praxis derartige Unternehmungen kennt, der weiß doch, daß in ganz vielen Fällen ganz gezielt gefragt werden wird, dies ist ein Akt der politischen Entkleidung, das Herauspressen von Auffassungen. Es werden, wie ich betont habe, ganz gezielt Fragen im Hinblick auf in nächster — absehbarer — Zeit vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fragen gestellt werden.
Ich meine, im übrigen sollte die Qualifikation für das höchste Richteramt nicht davon abhängig gemacht werden, wie sich der Kandidat vor den Augen der Öffentlichkeit verkauft. Hier sind ja nicht schauspielerische oder rednerische Talente gefragt, sondern die Fähigkeit, überzeugende juristische Entscheidungen zu treffen und sachlich zu begründen.
Die vorgeschlagenen Regelungen verbessern daher nicht die Chance, sondern erschweren die Möglichkeit, allseits akzeptierte hochqualifizierte Richterpersönlichkeiten für das hohe Amt eines Verfassungsrichters zu gewinnen.
Die Einführung der unmittelbaren Wahl des Bundesverfassungsrichters durch den Bundestag ist weder verfassungsrechtlich notwendig noch verfassungspolitisch sinnvoll. Die demokratische Legitimation, die für das Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan wesensnotwendig ist, geht nicht dadurch verloren, daß ein Ausschuß des Bundestages die Wahl vornimmt. Der Ausschuß spiegelt in seiner Zusammensetzung das wesentliche politische Kräftefeld im Plenum wider. Dies entspricht dem Repräsentationsprinzip, das als Strukturprinzip unserer staatlichen Ordnung in zahlreichen Bestimmungen des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt.
Außerdem — darauf ist bei dieser Debatte bereits hingewiesen worden — : Bei einer unmittelbaren Wahl durch das Plenum des Bundestages wird entweder vom Auswahlverfahren her alles so bleiben sie bisher, nur daß sich die Zahl der abgegebenen Stimmen schließlich vervielfacht, oder aber die unmittelbare Wahl würde zu einem sehr probaten Mittel, eine rechtzeitige Richterwahl zu verhindern und damit die Funktionsfähigkeit des Gerichts zu gefährden, weil es schwierig werden könnte, zwei Drittel aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf bestimmte Richterkandidaten festzulegen.
Diese beiden Möglichkeiten stellen sich. Welche näher liegt, möchte ich von dieser Stelle hier nicht entscheiden. Aber daß sich so viel im guten ändern könnte, ist absehbar nicht der Fall. Die Gefahren aber, die in diesem Vorschlag liegen, sind ganz offenkundig.