Rede von
Christa
Nickels
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß es sich hier um eine gesetzliche Regelung handelt, die industrielle Interessen, vor allem Interessen der sogenannten zukunftsweisenden Industrien betrifft, haben wir, glaube ich, schon daran gesehen, daß hier zwei Vertreter aus dem südlichen Raum Deutschlands gesprochen haben.
Es ist auch schon gesagt worden, daß dies keine originäre Gesetzesinitiative der Bundesregierung war, sondern daß dieser Entwurf als Reaktion auf eine Vorgabe der Amerikaner entstanden ist. Es ist so, daß die Amerikaner am 8. November 1984 einen urheberrechtsähnlichen Schutz erstens gegen die unerlaubte Nachbildung der in Halbleiterchips enthaltenen sogenannten Topographien und zweitens gegen die Verbreitung von Chips, die solche Nachbildungen enthalten eingeführt hat. Die Amerikaner haben eine Übergangsfrist von drei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen. Für diese Zeit sollte dieser Schutz für Ausländer auf dem amerikanischen Markt gelten, wenn deren Heimatstaaten echte Anstrengungen unternehmen würden, die zum Erlaß entsprechender innerstaatlicher Rechtsvorschriften führen würden. Diese Frist läuft in diesem Jahr ab, und zwar am 8. November 1987.
Nach einer Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen sind die Mitgliedstaaten daher verpflichtet, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis spätestens zum 7. November 1987 zu erlassen. Der vorliegende Gesetzentwurf soll der Umsetzung dieser Richtlinien dienen.
Es soll also ein neues gewerbliches Schutzrecht geschaffen werden, das eine Rechtslücke zwischen Urheberrecht, Gebrauchsmusterschutz und Patentrecht schließen soll, die auf Grund der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung entstanden ist. Es ist nämlich so — ich muß hier jetzt einige technische Erläuterungen geben, damit man das ein bißchen verstehen kann — , daß auf den sogenannten Mikrochips eine Unmenge von integrierten elektronischen Schaltungen angeordnet werden können. Mit diesen Schaltelementen werden die Steuerungs- und Speicherfunktionen eines Mikroprozessors, also das Gehirn eines Mirkocomputers, realisiert. Sehr aufwendig bei der Entwicklung solcher Chips ist es, geeignete Anordnungen für die Schaltelemente, also die Schaltschemata, zu entwerfen. Von der Anordnung hängt aber vor allem auch ab, wie viele Schaltelemente auf wie engem Raum untergebracht werden können und damit auch — das ist, glaube ich, entscheidend — , wie hoch die Leistungsfähigkeit der Chips ist.
Wenn man solch eine Anordnung, solch eine Topographie, erst einmal entworfen hat, so ist die Nachbildung, also die Kopie, sehr einfach zu machen. Wer diese Kopien dann vermarktet, der kann sie auch wesentlich billiger vertreiben als die mit Entwicklungskosten belasteten Originalchips. Dadurch werden die Absatzmöglichkeiten der Originalhersteller beschränkt und ihre Chancen gemindert, ihre Innovations- und Investitionsleistung belohnt zu sehen. Den Originalherstellern entstehen so Verluste in Millionenhöhe.
Ich denke, es ist daher nicht an den Haaren herbeigezogen, den vorliegenden Gesetzentwurf als eine Lex Halbleiter bzw. Computerindustrie zu bezeichnen. Das wird auch schon deutlich in der Begründung zum Gesetzentwurf. Dort heißt es z. B. — ich zitiere —:
Die Industrie, die Halbleitererzeugnisse entwikkelt und produziert, ist ein Industriezweig mit außergewöhnlich zahlreichen und kostenträchtigen Innovationen; sie steht national und international in scharfem Wettbewerb.
Es ist also ein Sondergesetz zugunsten der Industrie. Dies wird daran deutlich, daß der mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen in keiner Weise auf Grundsätze des Patent-, Gebrauchsmusterschutz- oder Urheberrechts Rückgriff nehmen kann. So wird in vielen Fällen der für den Patent- und Gebrauchsmusterschutz notwendige Abstand von vorbekannten Chips, d. h. die erforderliche Neuheit, fehlen. Auch beim Urheberrecht ist die Voraussetzung für den Schutz im Einzelfall, daß es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt. Da insoweit eine gewisse Gestaltungshöhe, Originalität und Individualität gefordert werden, bleiben diejenigen Halbleitererzeugnisse, die diese Anforderungen nicht erfüllen, vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen.
Die Aufweichung und Erweiterung des Patent-, Gebrauchsmusterschutz- und Urheberrechts auf im vorgenannten Sinne gar nicht schützenswerte Erzeugnisse können wir nicht unterstützen. Eine solche Erweiterung einzig unter dem Gesichtspunkt der Sicherung von Profiten für bestimmte Industriezweige sowie Absatzmärkte halten wir zumindest für bedenklich. Nach seinem Charakter müßte der Gesetzentwurf einen Platz im Subventionsbericht erhalten.
Der Gesetzentwurf steht in der Tradition der heutigen Bewertungskriterien für die Entscheidung zur Patentvergabe, und das sind ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte. Uns fehlen hier die Prüfung der Umweltverträglichkeit und soziale Kriterien, die mit einbezogen werden müßten. Wir arbeiten daran, daß im Patentrecht entsprechende Veränderungen vorgesehen werden. Wir halten aber den hier vorliegenden Gesetzentwurf nicht für einen Aufhänger für solche Überlegungen, und wir werden uns aus den genannten Gründen bei diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten.