Rede von
Graf
Alois
von
Waldburg-Zeil
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir je zehn Minuten hauptsächlich über Kompetenzen der Länder im Bildungswesen gesprochen haben, kommen wir nun, wenn auch nur je fünf Minuten, zu einer Kompetenz, die den Bund betrifft.
Am 15. Mai vorigen Jahres forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, einen Bericht über die Ausbildungsfinanzierung in Mehr-KinderFamilien mit mittleren Einkommen vorzulegen. Der Bericht liegt nunmehr vor.
Er bestätigt erstens, daß sich das Problem der Chancengerechtigkeit tatsächlich, wie in genannter Entschließung geargwöhnt, verschoben hat. Bei Einkommen, die knapp über den Grenzen liegen, bei denen der Staat helfend eingreift, z. B. mit Wohngeld oder zinslosem BAföG, muß die Ausbildungsfinanzierung aus versteuertem Einkommen erfolgen. Das führt insbesondere bei Mehr-Kinder-Familien dazu, daß die Lebenshaltung von Studentinnen und Studenten kaum oder nur unter fast unzumutbarer Absenkung des Lebensstandards finanziert werden kann.
Der Bericht konstatiert zweitens die Unterschiedlichkeit von Altersgrenzen im öffentlichen Recht und im Unterhaltsrecht, empfiehlt aber keine Harmonisierung, da den Staate die den Familien aufgebürdete Verantwortung zu teuer käme.
Sodann wird drittens und viertens referiert, welche direkten Transferleistungen und steuerlichen Maßnahmen dem genannten Mißstand entgegenzuwirken imstande wären. Ergebnis: entweder ordnungspolitische Problematik — mit Sozialleistungen in so hohe Einkommensbereiche zu gehen — , oder Unfinanzierbarkeit, z. B. bei entsprechender Anhebung der BAföG-Freibeträge.
So bleiben nur neue Finanzierungsmodelle: Ansparförderung, kollektives Bildungssparen, Ausbildungsdarlehen oder ein modifiziertes Bildungskreditmodell.
Diese Modelle werden nun in die Ausschußberatungen gehen. Dabei sollen folgende Forderungen vorrangig sein:
Erstens: rasche Durchführbarkeit. Das Modell sollte wegen der Wichtigkeit der Chancengerechtigkeit in einem sozialen Rechtsstaat so rasch wie möglich realisierbar sein.
Zweitens: Finanzierbarkeit. Das beste Modell taugt nichts, wenn es, weil zu teuer, nicht durchgeführt werden kann.
Auch ein verzinsliches Darlehen mit festen Konditionen und sozialen Sicherungen, etwa durch die Ausgleichsbank, würde bei sehr niedrigen Kosten Wege öffnen, die sonst verschlossen blieben.
Drittens: Beweglichkeit. Es gibt Familien, in denen die Kinder ebenso bereit wären, selbst für ihr Studiendarlehen geradezustehen, wie ihre Kommilitonen, die gefördert werden, und andere Familien, in denen die Eltern die Rückzahlungshaftung alleine tragen möchten. Man sollte daraus keine zu komplizierten Prinzipienfragen machen.
„Bildung 2000" war unser letzter Beratungspunkt. Zu diesen Perspektiven gehört auch der vielfache Wert selbstverantworteter Bildungsinvestitionen: zur Persönlichkeitsentfaltung, für Einkommen und Beruf sowie zur Freizeitgestaltung. Lebenslanges Lernen wird Wirklichkeit. Aber, anders als früher gedacht, weder der Vater noch Vater Staat können das alles finanzieren. Bildung rückt in die Dimension persönlicher Lebensplanung. Das Bildungskreditmodell kann ein Weg sein, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sinnvoll zusammenzuführen.
Ich danke Ihnen.