Herr Präsident! Volksvertreter und Volksvertreterinnen!
— Na ja, Gott, Sie können ja nie arbeitsuchend werden; Sie sind von der CDU.
— Von der CSU. Sie können nie arbeitsuchend werden; Sie sind mit Ihren Diäten bestens abgesichert.
Da Sie sehr lange hier herumsitzen, bekommen Sie natürlich eine Pension, von der andere nur träumen können. Also, halten Sie Ihren Mund!
Ich wollte Sie lediglich unterrichten, daß meine Kollegin leider erkrankt ist und ich Ihnen jetzt aus der Lamäng so ein bißchen die Leviten lese, sonst gar nichts.
Wenn der Herr Minister das — die Änderungen nach der 8. AFG-Novelle — so nett und menschlich
gesagt hat, dann hört sich das ja für das Publikum ganz gut an. Herr Minister Blüm kann das fast so engagiert vorstellen wie ich,
aber die Betroffenen wissen ja gar nicht, was dahintersteckt.
Natürlich wollen wir alle zusammen nur das Beste tun, damit die Massenarbeitslosigkeit beseitigt wird; das ist eine selbstverständliche Pflicht jedes Abgeordneten und jeder Abgeordneten. Aber woher kommen jetzt die Mittel, und wen schröpft man, um das zustande zu bringen? Das wird natürlich vergessen, und das versteht man auch draußen nicht. Da hört sich das ganz gut an, wenn man sagt, die Bundesanstalt für Arbeit soll das bezahlen. Ja, wer zahlt denn an die Bundesanstalt? Kommen da nun die großen Milliarden Bundeszuschüsse hinein von den Steuerzahlern, über das Volk, in der Volkssolidarität?
Nein, nur die Pflichtversicherten sollen dieses Schicksal tragen. Wer weiß, was es bedeutet, z. B. mit Löhnen, Herr Bundesarbeitsminister, die bei 1 200 DM monatlich für die 40-Stunden-Woche liegen, pflichtversichert zu sein? Das sind die armen Rentner von morgen. Das müssen wir doch bitte einmal signalisieren.
Die CDU wird nie begreifen, daß sie Millionen Stimmen verliert, aber trotzdem vom christlichen Gedanken aus nicht darangeht, und die Volkssolidarität schafft. Da sind wir GRÜNEN doch ein bißchen sehr, sehr besser. Wir haben ein bißchen zugelegt — in Schleswig-Holstein leider nicht genug; denn sonst hätte es dort mit dem SPD-Sozialminister Jansen vielleicht ganz, ganz andere Ansatzpunkte gegeben, wie man letztlich auch die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein in den Griff bekommt.
Die Wirtschaftspartei FDP hat natürlich überhaupt nicht im Kopf, daß es einer Solidarität der Besser- und Höchstverdiener oder, bitte, der Beamtenklientel, bedarf, um ausgleichend wirken zu können.
Es gibt ja nicht nur ein paar Betroffene Herr Minister Blüm; dann bräuchten wir uns hier nicht zu streiten. Es geht einfach darum, daß gegen diese Massenarbeitslosigkeit — man muß doch den Nachdruck auf „Massen" legen — schnellstens etwas passiert.
Hinter dem, was die SPD vorlegt, kann ich z. B. wieder gut stehen. Sie können nicht unseren Staat spalten. Auf der einen Seite fragen Sie überhaupt nicht, wo die ganzen Pensionen der Beamten und die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes herkommen. Sie hinterfragen immer nur: Wo ist die ständig kündbare Klientel in diesem Staat mit Mindestlöhnen und herabgesetzten Möglichkeiten des Verdienstes?
Wer soll das bezahlen? Da fragen Sie überhaupt nicht und denken nicht daran, über ein Notstandsprogramm die von mir zuerst genannte Klientel mehr zu belasten, damit die anderen davon, bitte schön,
1746 Deutscher Bundestag — II. Wahlperiode — 27. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1987
Frau Unruh
etwas auch ihr eigenes Binnenmarktgefühl entwikkeln können. Wirtschaftspartei FDP!
— Ach, Sie wissen nicht, was ein Binnenmarkt ist?
Ein Binnenmarkt — dies jetzt zur Aufklärung natürlich der Zuhörer und Zuschauer — —
— Das ist doch egal. Da oben sitzen doch, bitte schön, Menschen aus dem Volk. Wenn ich nur Sie anschauen müßte, dann würde mir schon ein bißchen schlecht.
Nicht wahr? Das sind ja so die Punkte. Da oben
— kommen Sie mal hierher, gucken Sie mal! — sitzt eine Reisegesellschaft, die will ja auch etwas mitkriegen, was hier läuft. Und ich glaube nicht, daß das eine Reisegesellschaft von ehemaligen Parlamentariern ist. Das haben wir ja anders geregelt, daß Gott sei Dank wirklich die Menschen hierherkommen und eine Stunde mal erleben können, was hier so im Bundestag los ist.
Und da oben sitzen sehr wahrscheinlich sehr viele Menschen, die sehr wohl Arbeitsuchende waren. Ich hatte gestern eine Reisegruppe von Sozialinitiativen oder Arbeitsloseninitiativen.
Also, Herr Bundesarbeitsminister, Sie liegen schief.
Sie liegen schief. Aber ich weiß, wie clever Sie sind.
Sie wollen ja in Nordrhein-Westfalen ablösen. Also dann müssen Sie besser werden.
Und natürlich muß auch eine SPD besser werden. Zum Abschluß muß ich das hier mal sagen.
— Herr Dr. Vogel,
mit dem Kindererziehungszeitengesetz und damit, daß man 50 % der Ausgeschlossenen helfen will, draußen Wahlkampf machen und dann keine Normenkontrollklage mit den GRÜNEN machen, das finde ich bedenklich. Das meine ich. Bitte ändern Sie sich! So geht's nicht.
Ich finde es noch bedenklicher, daß ich gestern im Ausschuß habe hören müssen: weil DIE GRÜNEN nicht in den Landtag von Schleswig-Holstein gekommen seien, sei es politisch nicht mehr tragbar, daß man mit ihnen etwas im Deutschen Bundestag mache. So nicht! Wir stehen in der Gesamtverpflichtung aller Dinge, die das Volk angehen.
Schönen Dank.