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    Plenarprotokoll 11/24 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 24. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Jahn (Marburg) 1563 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Vogel SPD 1563 a Dr. Waigel CDU/CSU 1576 D Ebermann GRÜNE 1586 B Ronneburger FDP 1590 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 1593 B Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 1602 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 1602 C Frau Geiger CDU/CSU 1607 C Frau Hensel GRÜNE 1610 B Genscher, Bundesminister AA 1611 D Frau Wieczorek-Zeul SPD 1615 D Wimmer (Neuss) CDU/CSU 1618 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1620 A Frau Seiler-Albring FDP 1622 D Kühbacher SPD 1624 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 1626 D Horn SPD 1632 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 1633 D Dr. Penner SPD 1636 B Möllemann, Bundesminister BMBW 1642 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 1643 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 1646D Dr. Hirsch FDP 1649 B Bernrath SPD 1651 C Engelhard, Bundesminister BMJ 1653 C Dr. de With SPD 1655 B Dr. Wittmann CDU/CSU 1658 D Häfner GRÜNE 1660 D Lüder FDP 1663 C Nächste Sitzung 1664 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1665* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 1563 24. Sitzung Bonn, den 10. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Bühler (Bruchsal) * 10. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Eigen 11. 9. Dr. Feldmann ' 11. 9. Großmann 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Lemmrich * 10. 9. Frau Luuk * 11. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Dr. Unland ** 10. 9. Volmer 11. 9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat sein politisches Programm dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages im Mai dieses Jahres vorgestellt, und er hat heute im wesentlichen darauf Bezug genommen. Ich gehe davon aus, daß das im wesentlichen auf der Grundlage von Koalitionsverhandlungen geschehen ist. Man kann allerdings zweifeln.
    Bei verschiedenen Punkten zetern die FDP-Innenpolitiker, dies und jenes sei nicht vereinbart z. B. daß die vorgeblich unabweisbaren Entscheidungen des Gesetzgebers zur Bekämpfung der Gewalt auch getroffen werden müßten, bevor die beschlossene Kommission zur Untersuchung der Ursachen der Gewalt zu Ergebnissen gekommen sei. Theo Waigel hat heute noch einmal zu Beginn seiner Rede darauf hingewiesen.
    Um es ganz deutlich zu sagen: Ich will nicht den Schiedsrichter in diesem Streit spielen, aber nach der Auslegung des Koalitionstextes haben Zimmermann und auch Waigel die stärkeren Argumente für sich. Nach meiner Überzeugung hat die FDP etwas quergeschrieben, was sie jetzt bestreitet.
    Aber letztendlich ist das politisch kaum bedeutend, ebenso wenig wie die wechselseitigen Wortkaskaden zur Straffreiheit von Vermummung. Mag sein, daß bayerische Liberalität und freiheitliches Denken der FDP noch differieren. Nach meinem Eindruck, haben taktische Interessen beiderseits den durchaus zu rechtfertigenden, ja, gebotenen Streit um substantiell richtige Lösungen auch in der Innenpolitik längst überlagert. Mit anderen Worten: Sachfragen der Innenpolitik von Rang werden benutzt, um der Öffentlichkeit zu insinuieren, daß die politischen Firmen FDP und CSU unterschiedliche Partner seien und zu verkleistern, daß überragende wirtschaftliche Interessen, die selbst FDP und CSU zu einer Kombination verschmolzen haben, die unterschiedlichen Einschätzungen in der Innenpolitik zu Recht als völlig nebensächlich erscheinen lassen. Wenn es denn überhaupt Streitstoff in der Koalition geben sollte — in der Innenpolitik sehe ich ihn nicht.
    Die Reibereien dieses merkwürdigen Politkartells beschädigen nicht einmal die Aufmachung des Koalitionskonzerns, und schon gar nicht löst er die babylonische Koalitionsgefangenschaft der FDP auf. Wie denn auch? Weit und breit ist kein anderer Partner in Sicht, und die Oppositionsbänke sind für die Liberalen ohnehin nie Alternative gewesen; sie werden es auch nie sein.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das haben Sie aber schön gesagt!)

    Für die CSU sieht es im Ergebnis nicht anders aus. So ist mit hoher Sicherheit eines zu prognostizieren: Das Feldgeschrei in der Innenpolitik zwischen FDP und CSU wird weitergehen, es wird eher anschwellen, weil beiden, sowohl FDP wie auch CSU, daran gelegen ist, die stetig und zunehmend auf Identität zusteuernde Gleichheit ihres politischen Wollens zu verschleiern, um ein breiteres Wählerpublikum zu erreichen, als nach den tatsächlichen Gegebenheiten möglich wäre.

    (Beifall des Abg. Kuhlwein [SPD])

    Die Innenpolitik ist also zur Manövriermasse der um unterschiedliches Profil bemühten Kombination CDU/ CSU und FDP verkümmert, und das hat Folgen nicht nur für den Bundesinnenminister, der Ressortverantwortung trägt und doch nur Schachfigur eines Machtkartells ist.
    Die selbstbeklagte — Herr Dr. Zimmermann, es ist Ihre eigene Klage — und von Strauß notifizierte Erfolglosigkeit hat nicht etwa ihre Ursachen in der vorgeblich sperrigen FDP; es ist eher das Ergebnis eines gleichermaßen einverständlichen wie abgekarteten



    Dr. Penner
    Finassierens zur Beibehaltung wie auch immer beschaffener politischer Macht.

    (Fellner [CDU/CSU]: Jetzt hat er uns durchschaut!)

    Mag sein, daß der dadurch zwangsläufige Stillstand der Innenpolitik sich noch positiv vom Rückschritt abhebt; aber auch Unterlassen, Nichtstun, Blockieren kann teuer zu stehen kommen und hohe politische Preise kosten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer würde bestreiten wollen, daß in der Ausländerfrage die Zeit zum Handeln überreif ist. Ist es weiterhin verantwortbar, Herr Dr. Zimmermann, Menschen, die unsere Nachbarn und unsere Freunde, jedenfalls aber unsere Partner geworden sind, von einer rechtlich abgesicherten Lebensplanung nur deshalb auszuschließen, weil sie anderer Nationalität sind, weil sie Italiener, weil sie Spanier, weil sie Griechen, Jugoslawen, Türken, Afrikaner oder Asiaten sind,

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Was soll denn das heißen?)

    und dies, obwohl inzwischen das Schicksal auch der auf die dritte Generation folgenden anderen Generationen in Rede steht?
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, unsere Vorstellungen sind klar. Wir halten es erstens für unerläßlich, daß ein neugestaltetes Ausländerrecht den Betroffenen eine überschaubare und zuverlässige Grundlage für ihre Lebensplanung gibt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Zweitens. Die Aufenthaltserlaubnis soll nach dem Aufenthaltszweck differenziert werden. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer soll eine Verfestigung des Rechtsstatus eintreten.
    Drittens. Die Ausweisungstatbestände müssen eingeschränkt und nach der Schwere des Rechtsverstoßes gestaffelt werden.
    Wir sind nicht bei diesen allgemeinen Grundsätzen stehengeblieben, sondern haben sie, wie jeder nachlesen kann, konkretisiert. Abgesehen davon: Wir treten für die Erleichterung der Einbürgerung ein, der häufig noch zu hohe bürokratische Hindernisse entgegengestellt werden, was vor allem die Ausländer der zweiten und der dritten Generation trifft.
    In vielen Ländern, Herr Dr. Zimmermann, besteht die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit; Sie haben das Thema angesprochen. Diese Diskussion kommt bei uns erst in Gang. Als mögliches Ergebnis ist eine befristete Mehrstaatlichkeit denkbar.
    Herr Bundesinnenminister, Sie werden gerade in der Ausländerfrage bei der Opposition aufmerksame und konstruktive politische Partner haben, wenn die Grundsätze der Humanität beachtet werden. Und kommen Sie bitte endlich mit Ihren Vorschlägen über, damit die Verhältnisse zum Besseren gewendet werden können und Arges verhindert werden kann! Sie beschränken sich wie in der Vergangenheit auf den Hinweis, eine Novellierung des Ausländerrechts sei unabweisbar nötig. Damit kann es nicht sein Bewenden haben. Hier muß etwas getan werden! Es geht um
    menschliche Schicksale, es geht um Menschenrechte. Wenn und weil Sie, Herr Dr. Zimmermann, insoweit taub oder handlungsunfähig zu sein scheinen, frage ich: Wo bleibt denn in dieser Sache Herr Blüm,

    (Beifall bei der SPD)

    der doch Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen beansprucht und sich doch auch sonst nicht geniert, für Menschen- und Grundrechte einzutreten? Wir wollen nicht hoffen, daß Blüms Engagement hinter den Grenzen der Bundesrepublik haltmacht und auf spektakuläre Aktionen draußen beschränkt ist. Hier ist Kärrnerarbeit gefragt, muß Überzeugungsarbeit geleistet werden und muß ein neues Denken im Verhältnis zu unseren ausländischen Mitbewohnern aufgebaut werden.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir beklagen oft, daß die politische Einigung in Europa nicht recht vorwärtskommt, und denken dabei häufig eher an andere Verursacher als an uns selbst. Es mag ja sein, daß jeder seinen Anteil daran zu tragen hat. In der Auseinandersetzung um das Ausländerwahlrecht ist allerdings offenbar geworden, daß der Anteil der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen nicht der geringste ist — ohne daß bisherige Schwierigkeiten auch auf unserer Seite verschwiegen werden sollten. Wer für politisches Zusammenwachsen von Staaten ist, muß sich trotz unzähliger nicht nur wohlfeiler Reden nicht über Erfolglosigkeit wundern, wenn nicht ebenso grundlegende wie bisher selbstverständliche Positionen auch unseres Staatsverständnisses in diesem Zusammenhang neu bedacht werden. So ist es wenig ergiebig, auf die Beschlußlage des Europäischen Parlaments zu verweisen, die — übrigens mit Zustimmung der Konservativen, der Christdemokraten und auch der Liberalen — das kommunale Wahlrecht der Ausländer in der EG fordert, dies aber an die würgende Bedingung der gleichzeitigen Einführung in allen Staaten kettet.
    Nein, wer politische Vereinigung mit anderen Staaten will, muß akzeptieren, daß die schon seit Jahrzehnten angemoderte und fragwürdige Souveränitätsfrage damit angesprochen ist. Mehr noch und anderes: Eingeschliffene Begriffe wie Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatshoheit und auch das Staatsangehörigkeitsrecht müssen neu bedacht und formuliert werden, weil eben diese Begriffe die ideelle Garantie für die Beibehaltung von Eigenstaatlichkeit bisheriger Prägung und die Basissperre gegen Veränderungen sind.
    Der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister, wir alle werden nicht müde, einer europäischen Einigung das Wort zu reden, wir Sozialdemokraten als eine traditionell international ausgerichtete Partei vielleicht noch nachhaltiger als andere.
    Zu diesen uns alle verbindenden Überzeugungen paßt es allerdings wenig, wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder gar die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht anrufen sollte, wie es angekündigt worden ist, falls Hamburg wie auch andere Länder das Kommunalwahlrecht für Ausländer einführen sollten. Gewiß bewegen sich solche Initiativen auf dünnem verfassungsrechtlichen Eis. Es geht ja auch um grundlegende Fragen der Staatlichkeit. Die



    Dr. Penner
    Keule der Anrufung des Verfassungsgerichts verhindert aber Politik und Fortschritt auch in dem von Ihnen immer wieder beschworenen Sinn. Wenn Sie denn akzeptable Bedenken im Hinblick auf die Bundesverfassung gegen das Kommunalwahlrecht für Ausländer haben — sie werden, wie Sie wissen, nicht allenthalben geteilt — , warum wählen Sie nicht den Weg zu ändernden Klarstellungen in der Verfassung, uni diese Initiativen auch verfassungsrechtlich abzusichern?

    (Beifall bei der SPD)

    In uns werden Sie jedenfalls Ansprechpartner haben.
    Nochmals: Die politische Konsequenz, gegründet zumindest auf gemeinsame europapolitische Überzeugungen, gebietet es, zum kommunalen Wahlrecht für Ausländer ja zu sagen und nicht unter Zuhilfenahme überkommener eigenstaatlicher Regeln diese Vorhaben zu Fall zu bringen.
    Wer Freizügigkeit unter den EG-Europäern das Wort redet, ja sie eröffnet, sie garantiert, kann schlecht ein Mindestmaß an politischer Partizipation, eben das Kommunalwahlrecht für Ausländer, an die Staatsangehörigkeit koppeln.
    Es ist ein Stück demokratischer Selbstverständlichkeit, unabhängig von der Volks- oder Staatsangehörigkeit, denen in Gemeindeangelegenheiten politische Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen, die sich stetig bei uns aufhalten und deren Interessen von politischen Entscheidungen auch berührt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, um bei den Städten und Gemeinden zu bleiben, Herr Dr. Zimmermann: Sie haben als Verfassungsminister auch die Pflicht, zu gewährleisten, daß alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung geregelt werden können, wie es in Art. 28 des Grundgesetzes heißt.

    (Dr. Nöbel [SPD]: So ist es!)

    Damit ist nicht zu vereinbaren, wenn sich der Bund — wie es geschieht — aus der Verantwortung für die Gemeindefinanzen mehr und mehr löst und ganz im Gegenteil die Kosten für die Massenarbeitslosigkeit über die Sozialhilfe auf die Gemeinden abwälzt und darüber hinaus durch ständig wiederholte Forderungen nach einer Streichung der Gewerbesteuer die Lage und dabei besonders die Planungssicherheit der Gemeinden ständig erschwert.
    Die beschwörenden Reden von den Gemeinden als den Keimzellen der Demokratie entlarven sich als stereotype Versatzstücke in Feiertagsreden, wenn der Bund seine Garantenpflicht für die Gemeinden nicht akzeptiert und sein Handeln nicht daran orientiert. Akzeptieren Sie doch bitte, Herr Dr. Zimmermann, daß die diesbezüglichen Sorgen vom Deutschen Städtetag, vom Städte- und Gemeindebund in großer Einmütigkeit über parteipolitische Zäune hinweg erkannt und formuliert worden sind! Begreifen Sie, daß Rommel und Späth mit ihren Einwänden gegen Steueränderungen in der Sache recht haben und nicht etwa von sachfremden Überlegungen irregeleitet werden!
    Der Deutsche Städtetag und nicht etwa böswillige Sozialdemokraten haben errechnet, daß die Steuermanöver der Bundesregierung die Städte und Gemeinden im Jahre 1990 mindestens 5,7 Milliarden DM — wahrscheinlich sogar über 10 Milliarden DM — kosten werden. Sie, Herr Dr. Zimmermann, sind verpflichtet, bei Herrn Stoltenberg vorstellig zu werden, weil nicht geht, was er erwartet: mehr Investitionen durch die Gemeinden und gleichzeitig die finanzielle Ausstattung nicht nur nicht aufbessern oder auch nur belassen, sondern sie im Gegenteil schmälern.
    Wie ein Hohn, Herr Zimmermann, muß es wirken, wenn die Finanzpolitik im gleichen Atemzug auch noch das Ausgabeverhalten von Städten und Gemeinden rügt.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sprechen Sie doch mal mit Herrn Rau darüber!)

    Die besondere Neigung von Herrn Dr. Zimmermann gilt dem wahnhaft wirkenden Aufspüren und Erfinden immer neuer Gesetzeslücken im ohnehin immer dichter geflochtenen Netzwerk von Ordnungsrecht bei uns.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Die Rede ist wahnhaft!)

    Sie setzen sich auch dafür ein, Herr Zimmermann, daß internationale Verbrechensverfolgung nicht unnötig durch nationale Grenzen und Souveränitätsansprüche behindert wird, was nicht an unserem Einspruch scheitern soll. Zurückhaltend bleiben Sie, Herr Zimmermann, ja wohl erkenntnisbehindert durch ideologisch vorgeprägte Verengungen, wenn es um die Ursache von Verbrechen und Unrecht geht, ihre Quellen aufgespürt und Wurzeln freigelegt werden sollen, um Grundlegendes in die Wege zu leiten.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die Ausschließlichkeit, mit der Sie Verbrechensbekämpfung unter dem Gesichtspunkt staatlichen Reagierens und dabei speziell staatlichen Strafen betreiben, könnte als Akt rührseligen, aber ahnungslosen Vertrauens in die allein maßgebende Kraft der generellen wie der Einzelabschreckung abgetan werden, wenn dadurch nicht grundlegende Fragen des gesellschaftlichen Friedens vernachlässigt würden.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Geradezu lyrisch!)

    Auch ein von politischen Fesseln befreiter Dr. Zimmermann wird beispielsweise der Drogenkriminalität nicht Herr werden können, wenn er es wie bisher versäumt, den zumeist bitter armen Anbauern von Rauschgiftpflanzen in Asien und in Südamerika ökonomische Alternativen mit anbieten zu helfen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nennen Sie doch mal eine!)

    Herr Dr. Zimmermann wird mit seinen Klagen über ansteigende Eigentumskriminalität allein bleiben, wenn er nicht zur Kenntnis nehmen will, daß eine ständig aggressiver werdende Werbung ständig wachsende Begehrlichkeiten auslöst und verstärken hilft und damit die eigentlich selbstverständliche Achtung des Eigentums anderer beim Auto, beim Motorrad, beim Automaten — und darum geht es schwer-



    Dr. Penner
    punktmäßig bei Eigentumskriminalität — schleifen hilft.
    Sie werden sich, Herr Dr. Zimmermann, auch weiterhin verheddern

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Und Sie bei Ihrem Lesen!)

    in der verschließenden Enge Ihres Weltbildes, wenn Sie nicht akzeptieren, daß Kriminalität auch etwas mit Arbeitslosigkeit und Fehlen beruflicher Perspektiven zu tun hat,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    daß gerade Jugendkriminalität häufig mit abgebrochener schulischer und beruflicher Ausbildung und nicht selten auch mit bedrängten familiären Verhältnissen korrespondiert.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Gerade weil wir auf staatliche Strafen aus vielerlei einsehbaren Gründen nicht verzichten können, Herr Dr. Zimmermann, sind wir gehalten, den Strafrechtskatalog von Überflüssigem freizuhalten, damit er wirksam bleiben kann. Zu den unverzichtbaren Ansprüchen staatlichen Strafens gehört, auch im Interesse von uns allen, eben dies: Nie, Herr Dr. Zimmermann, darf sich der Staat, auch nicht als strafender Staat, mit der Rolle des Vergeltens und des Rächens begnügen.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Das will doch keiner!)

    Der Staat und seine Verantwortungsträger können und dürfen nicht darauf verzichten, Wege aus der Kriminalität in ein Leben ohne Verbrechen mit finden zu helfen. Und das geht nicht ohne Gespür für die Wichtigkeit der Quellen des Unrechts.
    Andersherum gesagt: Der kochentwickelte Sinn des Dr. Zimmermann für Symptome von Verbrechen, nicht aber für Ursachen wirkt im Ergebnis wie eine Schutzgarantie für das Verbrechen selbst.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Das ist aber stark!)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, die würgenden Selbstblockaden des Bundesinnenministers richten sich auch gegen die Freiheitsrechte. Es ist fast peinlich zu betonen, aber seit Zimmermann ist es offenbar unumgänglich: Der Staat hat nicht nur hinzunehmen, daß es Freiheitsrechte gibt, er hat auch dafür Sorge zu tragen, daß sie frei von staatlicher Reglementierung wahrgenommen werden können.

    (Beifall bei der SPD)

    Dazu paßt es nicht, ja es gehört sich einfach nicht, daß Sportler in ihrem Werben, in ihrem Verständnis für den Frieden

    (Ebermann [GRÜNE]: Endlich!)

    auf Grund von Informationen des Verfassungsschutzes durch Zimmermann, der ironischerweise auch
    noch Sportminister ist, beim Deutschen Sportbund angeschwärzt worden sind.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Kein Mensch, Herr Dr. Zimmermann, wird es Ihnen verübeln, daß Sie die Meinung dieser Sportler zum Frieden nicht teilen oder nicht geteilt haben. Mit der niederträchtigen Methode der üblen Nachrede zum Zwecke der Verhinderung dieser Aktion für den Frieden verlassen Sie eindeutig den Boden der Verfassung.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Es ist übel, was Sie hier sagen! — Dr. Miltner [CDU/CSU]: Das ist falsche Anschuldigung!)

    Dabei ist es von besonderer Delikatesse, daß die betroffenen Sportler selber über die angeblich drohende Gefahr kommunistischer Unterwanderung zunächst überhaupt nicht unterrichtet worden sind.

    (Ebermann [GRÜNE]: Ja, das ist wahr! Wenn die das gewußt hätten!)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei der Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU um die Aufnahme der 14 Chilenen in der Bundesrepublik haben Sie, Herr Dr. Zimmermann, in schauerlicher Weise Ihre Amtspflichten deformiert. Statt die Betroffenen vorverurteilend als terroristische Gewalttäter zu denunzieren und sich über die Feststellungen Ihres Kollegen Blüm und anderer zur Folterpraxis in Chile hinwegzusetzen, hätten Sie selbst die Diskussion auf die Möglichkeiten politischen Asyls lenken müssen. Dabei kann auch gewalttätiger Widerstand nicht von vomeherein ein solches Angebot versperren. Eine folternde Diktatur wie Chile wird den Rechtsschutz der Gewaltfreiheit bei Widerstandshandlungen nicht in Anspruch nehmen können.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Im übrigen, Herr Dr. Zimmermann, lohnt zum Widerstandsrecht des einzelnen auch ein Blick in unser Grundgesetz.
    Gehemmt und von Vorurteilen eingemauert ist auch das Verständnis des Ministers zum Datenschutz. Die unappetitliche Formel — die heute in abgewandelter Form auch wieder vorgetragen worden ist — „Datenschutz ist Täterschutz" sollte gerade bei dem Verfassungsminister nicht stattfinden. Und es geht um verfassungsrechtliche Positionen, Herr Dr. Zimmermann, um Menschenwürde und freie Entfaltung der Persönlichkeit nämlich, weil individuelle menschliche Daten auch etwas über die Person selbst aussagen. Es ist nicht mehr als recht und billig, ja, es hat Verfassungsrang, daß diese Daten selbstbestimmt bleiben müssen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Es stünde dem Innenminister gut an, gut zehn Jahre nach Inkrafttreten des Bundesdatenschutzgesetzes und einer rasanten Weiterentwicklung des Kommunikationswesens die Notwendigkeit gesetzlicher Nachsteuerung zu erkennen und die erforderlichen Konse-



    Dr. Penner
    quenzen zu ziehen: zur Frage des Arbeitnehmerschutzes etwa, zur Amtshilfe, zur Stärkung der Befugnisse des Datenschutzbeauftragten und zum Schadensersatzrecht, um nur einige Beispiele zu nennen.
    Der Starrsinn, Hen Minister, mit dem Sie innere Sicherheit gegen Datenschutz ausspielen, wäre nur belustigend, weil er ein naives Selbstzeugnis Ihrer politischen Enge und Ihrer Verspanntheiten belegt. Aber Sie sind Minister, Herr Dr. Zimmermann; nach der unergründlichen Entscheidung des Bundeskanzlers gar Verfassungsminister. Da ist kein Platz für höchstpersönliche Vorurteile und rückwärts gerichtetes Staatsverständnis.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Sie haben die Vorurteile! Blind vor Haß!)

    Sie haben den Parametern unserer Verfassung mehr als andere zu entsprechen. Und die Verfassung sagt ja zur Freiheit

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Und nein zu Penner!)

    und nicht etwa vielleicht oder unter bestimmten Umständen.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Hören Sie mal mit dem Geifern auf!)

    Das Wohl und Wehe unseres Staatswesens, Herr Dr. Zimmermann, korrespondiert mit der Qualität der Freiheit des einzelnen. Wenn Sie es doch begreifen wollten: Die Freiheit ist die Kehrseite des Gemeinsinns und umgekehrt. Sie haben dafür geradezustehen, daß Freiheit und Gemeinsinn bei uns nicht nur stattfinden können, sondern auch die Chance zur Weiterentwicklung behalten.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Ihre Rede ist eine Kehrseite!)

    Der Bundesinnenminister trägt auch besondere Verantwortung für den öffentlichen Dienst. Dazu haben wir heute nichts gehört. Das ist nicht verwunderlich. Der zugesagte Strukturbericht steht noch aus. Wir sind gespannt, was der Bundesfinanzminister zu Ihren Vorstellungen sagt. Vielleicht wird das ja auch wieder ein Spiel mit verteilten Rollen.
    Viel wichtiger erscheint uns derzeit, daß Sie bei der notwendigen Konsolidierung der Alterssicherungssysteme endlich auch mit eigenen Vorstellungen überkommen. Uns reichen Beteuerungen nicht aus, Sie seien für das Berufsbeamtentum. Sie werden kaum weiterkommen, Herr Minister, mit dem Hinweis, daß Verfassungsrecht und Rechtsprechung keine diesbezüglichen Gestaltungsmöglichkeiten eröffneten.
    Da die demographischen Veränderungen nicht allein die gesetzliche Rentenversicherung, sondern alle Alterssicherungssysteme betreffen, sind natürlich auch Sie gefordert. Sie wissen das ebenso wie wir. Wenn Sie, sich ausschweigend, weiter wegtauchen werden, werden Sie es zu verantworten haben, wenn sich die Diskussion bei der Beamtenversorgung versteift. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die Alterssicherung umfassend neu geregelt werden muß und es nicht nur um ein Problem der Rentenversicherung geht. Mit um so größerem Nachdruck lehnen wir vorurteilsbefrachtete und einseitige Überlegungen zu Lasten des öffentlichen Dienstes ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir erinnern auch daran, Herr Minister, daß gerade die unteren Einkommensgruppen auch des öffentlichen Dienstes durch die Haushaltsbeschlüsse der Bundesregierung in den vergangenen Jahren besonders empfindlich zur Kasse gebeten worden sind. Das ist nicht nur ein Thema zur Gerechtigkeit. Jedenfalls kann es so nicht weitergehen, ganz im Gegenteil. Da sind Änderungen geboten, wie auch Beamtenanwärter sozial abgesichert werden müssen, wenn sie nicht vom Staat übernommen werden können. Es darf ja nicht sein, daß sie bei Arbeitslosigkeit ins Nichts fallen.
    Der Bundesinnenminister sollte auch am besten wissen, daß die Eingangsbesoldung im gehobenen und höheren Dienst auch etwas mit der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes selbst zu tun hat.

    (Kühbacher [SPD]: Sehr wahr!)

    Der technische Dienst im Fernmeldewesen mag als warnendes Beispiel erwähnt werden.
    In der grundlegenden Frage der stärkeren Berücksichtigung von Frauen, die auch mit größerer Flexibilität des öffentlichen Dienstes gekoppelt ist, mahnen wir Vorschläge an.
    Wir sind auch der Auffassung, daß die jetzige Fassung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes nicht das letzte Wort sein wird.

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Das habt ihr doch beschlossen!)

    Weil Sie, Herr Dr. Zimmermann, für den öffentlichen Dienst zuständig sind, hätten Sie sich wohl auch zur Privatisierung von Dienstleistungen äußern sollen, die ideologisch befrachtet immer wieder das Regierungslager durchgeistert. Unter dem Schutzschirm angeblich besseren privaten Wirtschaftens betreibt die Bundesregierung den Ausverkauf industriellen Bundesvermögens, um Finanzlöcher zu stopfen. Das ist die Wahrheit.

    (Kühbacher [SPD]: Das ist schlimm!)

    Mit besonderem Nachdruck wenden wir uns gegen Pläne zur Privatisierung der Bundespost.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die schwarzen Zahlen des Fernmeldesektors machen begehrlich, Herr Minister, sind aber im Interesse der gesamten Post nicht disponibel, was die Post von zukunftsorientierten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation in Bereichen der gelben Post nicht entbindet.
    Wir haben nichts dagegen, wenn die öffentlichen Dienste auf Effektivität und Kosten durchleuchtet werden. Die grobschlächtigen Forderungen konservativer und liberaler Kreise nach Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen lehnen wir kategorisch ab, weil wir alle die negativen Folgen zu tragen hätten.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Penner
    Die Perspektiven für den Sport, Herr Dr. Zimmermann, haben sich seit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom März 1987 verdüstert. Ich denke dabei weniger an die Entwicklung des Spitzensports, obwohl auch da vieles zu sagen wäre.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das Wetter ist auch schlechter geworden!)

    Trotz beachtlicher finanzieller Anstrengungen auch des Bundes ist die Tendenz eher rückläufig. Sie haben die Spitzenereignisse des Jahres erwähnt. Ich sage dazu folgendes. Wo Steuergelder eingesetzt werden, ist staatliche Kontrolle auch im Hinblick auf Zweck und Erfolg ihrer Verwendung unabdingbar.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist der erste richtige Satz von Ihnen!)

    Das hat überhaupt nichts mit der Freiheit des Sports zu tun. Dazu werden Sie und andere im Sportausschuß Rede und Antwort stehen müssen. Wir werden uns auch nicht damit abfinden können, daß Chemie und Pharmazie gerade im Spitzensport weiter auf dem Vormarsch sind.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Nach dem tragischen Tod der Birgit Dressel darf man nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Daß die Athleten anscheinend oder scheinbar trotz aller ärztlicher Vorsorge immer verletzungsanfälliger werden, muß Sie als Sportminister auch herausfordern.
    Besonders nachdrücklich kritisieren wir allerdings die Einstellung der Bundesregierung zum sogenannten Breitensport. In der für den Vereinssport zentralen Frage der Besteuerung der Übungsleiterpauschale, der Besteuerung der Vereine generell häufen sich die Fouls der Bundesregierung, werden die Täuschungsmanöver immer grobschlächtiger. Vor der Wahl hieß es anders als danach. Jetzt steht gar die Streichung sämtlicher Freibeträge für den Sport in Rede, wo noch im März — schon schlimm genug — wenigstens Prüfung mit dem Ziel der Verbesserung zugesagt worden ist. Ich will gar nicht daran erinnern, welche Forderungen die CDU/CSU noch zu ihren Oppositionszeiten erhoben hat. Hier sind Existenzfragen des in der Welt einzigartigen Vereinssports berührt. Da können Sie nicht einfach zuwarten, Herr Zimmermann, bis sich Stoltenberg regt und ein ehrenamtliches Werk, an dem Millionen Menschen zum Vorteil des ganzen Volkes beteiligt sind, ramponiert.

    (Beifall bei der SPD)

    Das beschämende Verhalten des Walter Wallmann in dieser Frage sollte für Sie nicht beispielgebend sein. Über 60 000 Vereine mit mehr als 20 Millionen Mitgliedern, deren Arbeit sich auf 2 Millionen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gründet, haben einen Anspruch darauf, mit ihren Argumenten ernst genommen zu werden.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]: Das stellt doch niemand in Frage!)

    Ist Ihnen eigentlich bewußt, wie sehr die Gesellschaft gerade von diesen ehrenamtlich tätigen Frauen und Männern abhängt? Sie als für den öffentlichen Dienst zuständiger Minister sollten es doch wissen: Eine Professionalisierung des Vereinssports würde Milliarden
    kosten und damit unbezahlbar werden. Sie lassen es ungerührt geschehen, daß sich der Bundesfinanzminister in seiner Not bei der Finanzierung von Steueränderungen über die Wertarbeit des sportlichen Ehrenamtes hermacht.
    Herr Dr. Zimmermann, nicht immer kann ein Minister erfolgreich sein. Ein Minister jedoch, dessen ständige Wegbegleiter Erfolglosigkeit, Enge, Mißtrauen und Verkriechen sind, belastet das öffentliche Leben. Der Bundeskanzler mag auf demontierte und gebrochene Amtsinhaber aus Gründen des Eigennutzes angewiesen sein, das gemeine Wohl, das öffentliche Interesse hat andere Maßstäbe.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, Herr Dr. Zimmermann, würden der res publica, wenn auch schon nicht der FDP, einen wirklichen Dienst erweisen, wenn Sie Ihr Amt quittierten.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Bildungsminister Möllemann hat schon einen schlechten Start gehabt. Jahre einer gewissen Zurückhaltung im Auswärtigen Amt haben nicht vergessen machen können, daß dieser seit eh an jeder beliebigen Ecke sein zumeist überflüssiges publizistisches Bedürfnis verrichtet hat.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Diese alte Neigung hat Möllemann im neuen Amt revitalisiert und verstärkt wieder aufgenommen.

    (Neuhausen [FDP]: Unter allem Niveau!)

    Sorge um Rechtschreibung bei Abiturienten trieb ihn in die Gazetten, die ihn ihrerseits mit seinen sprachlichen Verschwollenheiten pieksten. Er machte die Liberalisierung des Zugangs zu Hochschulen zu einem öffentlichen Thema, nicht ohne eine Neigung für das Vermummungsverbot erkennen zu lassen, was nicht ganz konsequent ist, aber seine triftigen Gründe haben mag. Jedenfalls soll die immer noch ungeklärte Reise in einem Abteil der I. Klasse der chinesischen Staatsbahnen bei allem Sinn Möllemanns für Öffentlichkeit verhüllt bleiben.

    (Lachen bei der FDP — Zuruf von der CDU/ CSU: Was soll das denn? Herr Präsident, das gehört doch nicht zum Thema! — Zurufe von der SPD)

    Daß er Sport und Religion zu einer Sache der Freizeit machen wollte, hat dem Kanzler gar nicht gefallen, jedenfalls in bezug auf die Religion, wie es im Brief des Kanzlers an das Bistum Trier heißt.
    In der Raketenfrage hat sich Möllemann mit Rühe gestritten, dafür aber den Einsatz der GSG 9 bei Demonstrationen gefordert, wofür Hirsch ihn „Romantiker" genannt hat.
    Die Lehrer hat Möllemann — selber Lehrer — als „ideologische Verführer und Faulpelze" enttarnt

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Der muß es ja wissen!)

    und dafür die „Bild-Zeitung" verantwortlich gemacht. Zu Ostern hat er Bangemann nach Brüssel wegloben wollen, um Platz für einen Vorsitzenden Möllemann zu schaffen.



    Dr. Penner
    Man kann es den Studenten nicht verargen, wenn sie, auf Möllemann bezogen, formulieren: Der kann nichts, der weiß nichts, der hat nichts gelernt, und deshalb ist er Minister. So ganz stimmt das freilich nicht. Die Qualifikation zum Politschwabbler des Jahres hat er allemal.
    Dabei gibt es in der Bildungspolitik Sachfragen, die einfach nicht links liegengelassen werden dürfen. Einmal abgesehen von BAföG, von Chancengleichheit im Bildungswesen, von beruflicher Bildung und Weiterbildung, Aspekten der Drittmittelforschung, Benachteiligtenprogrammen, Frauenförderungsplänen, um nur einige wichtige Themen anzusprechen, sind wir der Meinung, daß gerade der immer schneller werdende gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Wandel bei uns zu grundlegenden, auch bildungspolitischen Überlegungen herausfordert, wollen wir nicht ein Stück Zukunft unseres Volks gefährden. Deshalb setzen wir uns für eine Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000" ein. Wir werden dabei die Notwendigkeiten des politischen Alltags nicht vergessen. Wir werden es nie hinnehmen, daß junge Menschen keinen Ausbildungsplatz bekommen, und wir werden es nicht akzeptieren, daß die Demographie die Verantwortung der Politik ablöst. Wir werden alles daransetzen, daß Arbeitnehmerkinder auch weiter ihre Bildungschancen behalten und wiederbekommen,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    auch weil wir wissen, daß eine gute Ausbildung immer noch die beste Gewähr gegen Arbeitslosigkeit ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wissen auch, daß das Wohl und Wehe unseres Landes entscheidend von den geistigen und technischen Fähigkeiten seiner Bürger abhängt.
    Wenn es denn Kernaufgaben öffentlicher Angelegenheiten gibt, dann ist Bildungspolitik ganz vorne mit dabei. Das Amt des Bildungsministers mag mit Kompetenzen nicht reich bedacht sein, es ist zu rechtfertigen aus der überragenden Bedeutung von Bildungspolitik überhaupt. Wir Sozialdemokraten fordern Herrn Möllemann auf, endlich die Aufgaben seines Amtes zu erfüllen.
    Schönen Dank für die Geduld.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt für Bildung und Wissenschaft liegt in diesem Jahr bei einem Ansatz von 3,458 Milliarden DM, damit um 426 Millionen DM unter dem Ansatz des letzten Jahres. Dies erklärt sich im wesentlichen aus der Koalitionsvereinbarung, nach der wir das sogenannte Benachteiligtenprogramm in der Größenordnung von etwa 407 Millionen DM nicht mehr aus dem Haushalt des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, sondern aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit finanzieren. Das heißt, daß die Ansätze für alle übrigen Aufgaben in meinem Ministerium im wesentlichen gleichgeblieben sind bzw. erhöht werden konnten. Ich würde Ihnen das gerne an einigen wesentlichen Punkten beschreiben.
    Für den Austausch bei der beruflichen Bildung haben wir eine Steigerung um 5,9 % auf 4,7 Millionen DM vorgesehen. Den Betrag für Auslandsstipendien für Studenten und Wissenschaftler haben wir um 7,8 % auf 41,5 Millionen DM gesteigert. Im Bereich der Grundlagenforschung sind vor allen Dingen die Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft wichtig. Wir haben sie von 573 Millionen DM auf 595 Millionen DM heraufgesetzt, also um rund 3,9%. Im Bereich der Spitzenforschung gibt es eine Steigerung um 12,5 % auf 6,75 Millionen DM. Die Studien- und Promotionsförderung der Begabtenförderungswerke haben wir um 2,4 % auf 86 Millionen DM gesteigert.
    Einigermaßen konstant, also ohne nennenswerte Veränderungen, sind die drei großen Komplexe geblieben. Zwei große Komplexe habe ich bisher nicht erwähnt. Zum einen haben wir beim Hochschulbau einen Ansatz von 1 Milliarde DM für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau. Ich hoffe, daß diese Mittel des Bundes durch entsprechende Anstrengungen der Länder honoriert werden; es sieht so aus. Zum anderen haben wir beim BAföG einen Betrag von 1,5 Milliarden DM. Das entspricht der zu erwartenden Verpflichtung aus dem geltenden Gesetz.
    Ich würde gerne darauf hinweisen, daß wir uns in allernächster Zeit auf drei wesentliche Aufgaben besonders konzentrieren müssen. Da ist zum einen die Überprüfung des Systems der individuellen Ausbildungsförderung. Ich habe dem auf gesetzlicher Basis arbeitenden Beirat, dem im übrigen neben Vertretern der Regierung auch Studierende, Hochschullehrer, Angehörige der Studentenwerke angehören, den Auftrag erteilt, das geltende System der individuellen Ausbildungsförderung kritisch zu überprüfen und Vorschläge zur strukturellen Verbesserung zu machen. Ich werde Ihnen im nächsten Sommer die Ergebnisse dieser Arbeit präsentieren. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, ob daraus Schlußfolgerungen zu ziehen sind.
    Das zweite ist die Weiterentwicklung des Komplexes Weiterbildung zur vierten Säule unseres Bildungssystems. Wir haben die drei klassischen Säulen Erstausbildung im Schulwesen, die duale Berufsausbildung sowie das Hochschulwesen. Wir müssen, wenn wir den Aufgaben der Zukunft gerecht werden wollen, die Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungswesens machen. Ich habe deshalb für den Herbst eine Konzertierte Aktion Weiterbildung, an der Bund, Länder, Tarifparteien und die Träger der Weiterbildung mitwirken sollen, nach Bonn eingeladen. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es wichtig sein wird, daß künftige Tarifvereinbarungen stärker als Lohnzuwächsen oder Urlaubszuwächsen dem Tariffaktor Bildungszeit gewidmet sein werden, um diese Aufgaben in den Griff zu bekommen.
    Dritte Aufgabe wird es sein, die überlangen Studienzeiten zu verkürzen. Die Hellberger-Studie, die ich vorgelegt habe, weist nach, daß mit Durchschnittsstudienzeiten zwischen 13 und 17 Semestern die jun-



    Bundesminister Möllemann
    gen Menschen heute eindeutig zu lange an den Hochschulen gehalten werden. Hier müssen wir zu nachhaltigen strukturellen Veränderungen kommen. Ich habe deswegen der BLK, deren Vorsitz ich im nächsten Monat übernehme, vorgeschlagen, dies gemeinsam anzugehen.
    Das nur in Kürze zu den wesentlichen Punkten.
    Ich möchte der Aufforderung, die hier vorhin geäußert worden ist, pflichtgemäß meine Aufgaben wahrzunehmen, entsprechen; schon allein deswegen, weil das Sozialdemokraten hier nicht tun. Wir befreien Sie nach und nach auch von der Notwendigkeit, das zu tun. In den Bundesländern gibt es Gott sei Dank kaum noch einen Kultusminister, der von Ihrer Couleur geprägt wird.

    (Kuhlwein [SPD]: Geben Sie doch nicht so an!)

    Denn da, wo es sie gibt, haben sie in den letzten Monaten in einer sehr wichtigen Frage den dringend notwendigen bundesweiten Konsens verhindert, nämlich bei der Frage der zukünftigen Rolle und Bedeutung des Abiturs.
    Meine Damen und Herren, es ist nicht hinzunehmen, daß in einem Bundesstaat, in dem das Gebot der Mobilität immer stärker erhoben wird, in der wir uns auf eine europäische Integration hin orientieren, das Bildungswesen im Schulbereich bei den Schulabschlüssen weiter auseinanderklafft, sich immer weiter auseinanderentwickelt. Das können wir nicht akzeptieren. Ich fordere deswegen die sich in dieser Frage sehr zurückhaltenden Sozialdemokraten ausdrücklich auf, eine einheitliche Haltung zu ermöglichen.

    (V o r s i t z: Vizepräsident Westphal)


    (Beifall bei der FDP — Dr. Ehrenberg [SPD]: Am bayerischen Wesen soll das Schulwesen genesen!)

    Zu meinem Vorredner nur so viel: Ich weiß nicht, Herr Kollege Penner, was Sie motiviert hat, hier eine Rede zu halten, wie ich sie von Ihnen noch nicht gehört habe.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hat der schon immer so gemacht!)

    Ich habe Ihnen hier öfters zugehört. Wenn Sie hier von Sportsgeist reden, dann sollten Sie die Mindestregeln politischen Anstands wahren und nicht absichtsvoll Verdrehungen, Unwahrheiten und Lügen verbreiten. Das haben Sie hier getan, abgesehen davon, daß Sie absichtsvoll versucht haben, einzelne ihrer Kollegen bewußt und in einer ziemlich unangenehmen Weise zu kränken.