Rede:
ID1102408100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Horn.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/24 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 24. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Jahn (Marburg) 1563 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Vogel SPD 1563 a Dr. Waigel CDU/CSU 1576 D Ebermann GRÜNE 1586 B Ronneburger FDP 1590 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 1593 B Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 1602 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 1602 C Frau Geiger CDU/CSU 1607 C Frau Hensel GRÜNE 1610 B Genscher, Bundesminister AA 1611 D Frau Wieczorek-Zeul SPD 1615 D Wimmer (Neuss) CDU/CSU 1618 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1620 A Frau Seiler-Albring FDP 1622 D Kühbacher SPD 1624 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 1626 D Horn SPD 1632 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 1633 D Dr. Penner SPD 1636 B Möllemann, Bundesminister BMBW 1642 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 1643 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 1646D Dr. Hirsch FDP 1649 B Bernrath SPD 1651 C Engelhard, Bundesminister BMJ 1653 C Dr. de With SPD 1655 B Dr. Wittmann CDU/CSU 1658 D Häfner GRÜNE 1660 D Lüder FDP 1663 C Nächste Sitzung 1664 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1665* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 1563 24. Sitzung Bonn, den 10. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Bühler (Bruchsal) * 10. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Eigen 11. 9. Dr. Feldmann ' 11. 9. Großmann 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Lemmrich * 10. 9. Frau Luuk * 11. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Dr. Unland ** 10. 9. Volmer 11. 9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Walther, zunächst einmal habe ich das, was Sie gesagt haben, in den Zeitungen gelesen. Es mag sein, daß es dort nicht korrekt wiedergegeben wurde.
    Zum zweiten. Sie haben ein ganz wichtiges Problem angeschnitten. Sie wissen um die Größe des amerikanischen Markts, und Sie wissen darum, daß der europäische Markt begrenzt ist. Da Sie auch um unsere Politik der Begrenzung des Rüstungsexports wissen, müssen Sie sich darüber im klaren sein, daß Sie, wenn Sie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrien in dem Bereich erhalten wollen, über den wir reden, da und dort geringere Stückzahlen produzieren müssen. Das heißt, daß es automatisch etwas teurer wird.

    (Walther [SPD]: Nicht etwas, um Milliarden!)

    — Ja, gut, ich sage nur: Selbstverständlich müssen wir wettbewerbsfähig sein und bleiben. Ich werde diese Position jedenfalls energisch vertreten, nicht weil ich denke, daß dies für irgendeine Lobby von Bedeutung ist, sondern weil das für unseren Staat, für die Wirtschaftsordnung und vor allen Dingen für die Arbeitnehmer von enormer Bedeutung ist.
    Lassen Sie mich in der verbleibenden Zeit mich den drei großen Aufgaben zuwenden, die im kommenden Jahr vor uns stehen, einmal die Verwirklichung der Personalplanung, zweitens die Vorbereitung für die Anpassung der Bundeswehr, insbesondere der Heeresstruktur an die Personallage der 90er Jahre unter Einschluß des neuen Reservistenkonzepts, und drittens die Überarbeitung der Rüstungsplanung. Alle drei Aufgaben sind miteinander verknüpft.
    Um beim letzten anzufangen — das war ja Ihr Thema — : Rüstungsplanung. Ich höre und ich lese von einigen Beobachtern, die Bundeswehrplanung sei überholt, sie sei zusammengebrochen. Herr Ehmke sagt, sie sei Makulatur geworden. Davon kann keine Rede sein. Richtig ist, daß sie an die personellen, finanziellen, materiellen Rahmenbedingungen angepaßt werden muß. Das aber ist eine Daueraufgabe, die wir inzwischen routinemäßig, Kollege Kühbacher, wie das jedes anständige Industrieunternehmen auch tut, zweimal jährlich in Planungskonferenzen erledigen, und zwar nach Zielvorgaben und mit Hilfe eines Instrumentariums, das wir in den letzten fünf Jahren weiterentwickelt haben.
    Dabei ist gerade in den letzten Monaten ein entscheidender Durchbruch erzielt worden. Der militärische Führungsrat hat ganz in meinem Sinne die Zusammenlegung Teilstreitkraft/gemeinsame Auf gaben in die Wege geleitet. Damit wurde etwas fast erreicht, was der vorangegangenen Regierung nicht gelungen ist, was damals zum Rücktritt eines Generalinspekteurs geführt hat, wie Sie wissen. Ich bedanke mich auch beim Generalinspekteur für seine tatkräftige Unterstützung wie auch bei den Inspekteuren der Teilstreitkräfte. Natürlich hat die Finanzenge dazu beigetragen, daß dieses Verständnis eingekehrt ist. Ein großer Fortschritt!
    Aber wenn nun ausgerechnet die SPD — ich sehe jetzt meinen Kollegen Apel an — das Scheitern der Bundeswehrplanung behauptet, dann muß ich sagen, daß das nicht besonders glaubwürdig ist. Als Sie die Regierung übergaben, gab es seit Jahren keinen gebilligten Bundeswehrplan mehr. Der Kollege Apel weiß das sehr wohl. Hätten wir so weitergemacht, dann fehlte noch heute ein Maßstab, an dem man Entscheidungen vernünftig und nach Prioritätsgesichtspunkten orientiert treffen könnte.
    Sie können ganz sicher sein: Ich werde die Prioritäten nicht preisgeben, obwohl die Versuchung da ist. Die Schwierigkeiten des Amtes, Kollege Apel, habe auch ich inzwischen kennengelernt. Ich werde nicht in die Sünden der Vergangenheit — damit meine ich



    Bundesminister Dr. Wörner
    jetzt nicht Sie, sondern viele Ihrer Vorgänger — zurückfallen. Ich werde also nicht Hauptwaffensysteme beschaffen oder produzieren, ohne daß dafür die erforderliche Ausrüstung und Munition verfügbar sind.
    Sobald die Daten der mittelfristigen Finanzplanung endgültig festliegen, wird der neue Bundeswehrplan aufgestellt und dem Parlament vorgelegt. Herr Kühbacher, daran ist gar nichts Sensationelles. Da wir ihn zweimal jährlich überprüfen, anpassen müssen, wie das in einem geordneten Planungsverfahren nun einmal so der Fall ist, werden Sie im Parlament, wenn Sie ihn nicht sofort anschließend anfordern, sondern ein halbes oder dreiviertel Jahr später darüber beraten, immer vor einem teilweise — ich sage: teilweise — überholten Bundeswehrplan stehen.
    Nun zur Heeresplanung. An dieser neuen Heeresplanung wird seit zwei Jahren intensiv gearbeitet. Es liegt auf der Hand, daß es die größte Teilstreitkraft besonders schwer hat, trotz knapper Kassen und geringerer Zahl aktiver Soldaten die Erfüllung des Auftrags auch in der zweiten Hälfte der 90er Jahre sicherzustellen. Herr Kollege Kühbacher, ich sage das zu Ihnen, aber auch zu allen anderen Kollegen: Die neue Heeresstruktur ist die Heeresstruktur des Jahres 1995 plus, d. h. für 1995 und danach. Sie wird nicht eine dramatische Strukturreform sein. Sie wird die nötigen Anpassungen enthalten. Für das Heer wird es dabei vor allem darauf ankommen, sich erstens für die Vorneverteidigung mehr als bisher auf Reservisten abzustützen, zweitens das Verhältnis von präsenten zu aufwuchsorientierten Truppenteilen neu zu bestimmen, hierbei der Lebensfähigkeit der Truppenteile besonderes Gewicht zu geben, das Zusammenwirken zwischen hochmechanisierten beweglichen Brigaden und Sperrkräften und der Nutzung modernster Panzerabwehrwaffen und Sperrmittel neu zu organisieren und durch Einstieg in die Luftmechanisierung eine neue Dimension der Beweglichkeit für die Vorneverteidigung zu erschließen.

    (Kühbacher [SPD]: Das müssen Sie noch einmal erklären!)

    — Wir können das gerne im Ausschuß diskutieren und werden das sicher. — Ich habe von Ihrer Seite nun das Angebot zur Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der Heeresstruktur gehört. Ich nehme dieses Angebot mit Dank an.
    Nur ein letztes zu diesem Kapitel. Sie sprachen davon, daß ich mich verabschieden wollte oder würde. Nun habe ich nicht die Absicht, über das zu spekulieren, was der Kollege Ehmke so niedlich und freundlich und in voller nationaler Solidarität kommentiert hat. Das werden Sie sicher verstehen. Nur eines ist klar, da können Sie mich beim Wort nehmen: Wie auch immer, die Entscheidungen, die ich jetzt darstelle, sind bis Mitte nächsten Jahres getroffen. Das heißt, ich habe nicht die Absicht, was auch immer wird, diese Art von Verantwortung auf irgendeinen zu übertragen. Diese schwierigen Entscheidungen werde ich noch selbst verantworten.
    Das gilt im übrigen auch für die Personalplanung. Wir müssen hier den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen. Die Jahrgangsstärken — das wissen
    Sie alle — sinken drastisch. Als Folge ist auch mit einem Absinken der Verpflichtungszahlen zu rechnen, wenn nicht gegengesteuert wird. Dies werden wir tun. Wir haben schon angefangen. Bis jetzt hat das immer geklappt. Der Dienst in den Streitkräften muß und wird auch in den kommenden Jahren attraktiv gehalten werden. Attraktivität entscheidet sich an drei Faktoren: Einmal am Klima in den Streitkräften. Da stimme ich Ihnen zu, Herr Kühbacher. Das heißt, wir brauchen ein menschliches Klima, und wir brauchen Führungsvermögen der Vorgesetzten. Zweitens entscheidet es sich am Ansehen der Streitkräfte in der Öffentlichkeit und drittens an den materiellen Bedingungen. Dazu gehören die Fragen, die Sie mit Recht angeschnitten haben: die Dienstzeitbelastung. Nun können Sie gern meine Amtsvorgänger fragen, wie schwierig es ist, die Dienstzeitbelastung dieser Armee bei einem konstanten Personalanteil und bei wachsenden Aufgaben zu drücken. Dann werden Sie hören, wie schwierig das ist. Wir haben einige Fortschritte erreicht, aber sie genügen auch mir nicht.
    Sie wissen, daß wir zu individuellen Dienstzeitentschädigungen übergehen wollen und werden. Dazu gehören Zulagen in kritischen Bereichen, verbesserte Leistungen der Unterhaltssicherung, die Gesetzesänderung zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit.
    Ich sage nun auch etwas zur Berufsförderung: Berufsförderung muß noch stärker ausgebaut werden, wir brauchen mehr zivilberuflich verwertbare Ausbildungsgänge.
    Übrigens, noch zur NATO: Wenn Leute bei der NATO beschäftigt sind — das ist bei den Soldaten nicht anders als bei den Zivilen, bei der EG nicht anders als bei der NATO — , dann werden sie nach der Besoldungsordnung bezahlt, die dort vereinbart worden ist. Der deutsche Bundesminister der Verteidigung ist leider Gottes nicht in der Lage, die Besoldungsordnung der NATO festzulegen, ich so wenig wie irgendeiner meiner Vorgänger, ob er von der SPD oder der CDU kam.
    Lassen Sie mich nun aber ein Wort zu einer Gruppe von Soldaten sagen, an denen die Maßnahmen bis jetzt im wesentlichen vorbeigegangen sind — ich meine die Maßnahmen zur Milderung des Verwendungsstaus — : Das sind die älteren Hauptleute, Truppenoffiziere, die das Pech hatten, in überbesetzten Jahrgängen zu stecken, die daher vom Personalstrukturgesetz nur in wenigen Fällen profitieren konnten. Sie haben nur das Pech, in überbesetzten Jahrgängen zu stecken. Sie leisten etwas, sie sind nicht schlechter als andere. Weil sie aber dieses Pech haben, kommen sie nicht voran. Einige von ihnen sind über zehn Jahre Kompaniechef, haben ihren Stabsoffizierslehrgang zum Teil schon seit Jahren bestanden und haben dennoch keine Chance, in absehbarer Zeit Stabsoffizier zu werden. Das Wissen darum, kurz vor ihrer Zuruhesetzung noch den Enddienstgrad erreichen zu können, ist für sie nur ein schwacher Trost. Es gibt keinen Zweifel: Bei einigen von ihnen greifen Enttäuschung, ja sogar Hoffnungslosigkeit um sich. Ich sage hier: Es ist bewundernswert, mit welcher Dienstauffassung und Hingabe gleichwohl die meisten der Betroffenen



    Bundesminister Dr. Wörner
    unverdrossen mit einer hohen Dienststundenbelastung ihren Dienst leisten.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Sie sollten sich darüber nicht lustig machen. Denen haben Sie von den GRÜNEN es mit zu verdanken, daß Sie überhaupt in einem freien Parlament sitzen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage noch einmal: Gerade darum haben sie Anspruch darauf, daß wir uns ihres Problems annehmen. Das will ich tun. Ich habe mit einigen Maßnahmen begonnen. Ich bitte das Parlament sehr herzlich um Unterstützung.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Herr Ebermann war auch Soldat!)

    Auch im Bereich der Offiziere und der Unteroffiziere des militärfachlichen Dienstes muß noch mehr geschehen, um die Schere zwischen Dienstposten und Planstellen weiter zu schließen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber schon lange! — Frau Unruh [GRÜNE]: Ich verstehe den Sachzusammenhang nicht! Ich kenne eine Mutter von zehn Kindern! Die lebt von Sozialhilfe!)

    — Ich muß sagen: Wir diskutieren im Augenblick über die Frage, wie wir dieses Land sicher halten können. Damit hat diese Frage nur bedingt etwas zu tun — obwohl auch darin eine große Leistung liegt, wie ich dankbar anerkenne.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, um das abzuschließen: Die Zeiten für einen Verteidigungsminister sind nicht einfach. Viele Menschen beginnen zu vergessen, worauf der Friede beruht. Sie denken nicht mehr daran — das sage ich gerade Ihnen, die dazwischenrufen — , daß sie ihre Freiheit und ihren Frieden einer wirksamen Verteidigung zu verdanken haben. Viele reden nur noch von Abrüstung und denken nicht daran, daß die Chancen zur Abrüstung nur so lange bestehen, als wir stark genug sind, uns zu behaupten. Illusionen sind wohlfeil, Verteidigung dagegen ist teuer. All denen, die das nicht mehr im Sinn haben, sei gesagt: Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. Freiheit und Friede — lieber Herr Mechtersheimer, das werden Sie auch noch begreifen — sind nicht zum Nulltarif zu halten und zu haben, sondern nur, wenn wir unserem Volk die entsprechenden Opfer zumuten. Dann werden wir unserem Volk auch in der Zukunft so wie in den vergangenen Jahren mit Hilfe einer entschlossenen Politik ein Leben in Frieden und ein Leben in Freiheit ermöglichen können.
    Ich danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Altes Denken!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich drei Vorbemerkungen machen.
    Erstens. Heute haben wir zum erstenmal den Begriff Heeresstruktur '95 ff aus dem Munde des Ministers gehört. Ich bin dankbar dafür, denn dies führt genau auf den Weg, den wir schon lange gewiesen haben.
    Zweitens. Was wir kritisieren, ist kein Widerspruch bei uns, sondern die Unausgewogenheit von Planungen und Beschaffungen.

    (Walther [SPD]: Jetzt haut der Wörner ab! Ungezogen ist das!)

    Drittens. Herr Minister, wir haben Probleme bei dem Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit.

    (Walter [SPD]: Der Minister ist gar nicht mehr anwesend, Erwin! Er hat sich „dünne" gemacht!)

    Entweder die Bedrohungsanalyse ist richtig — dann sind Ansatz und mittelfristige Finanzplanung nicht zu verantworten — oder die mittelfristige Finanzplanung und der Haushaltsansatz sind korrekt; dann ist die Bedrohungsanalyse überzogen. Beides stimmt jedenfalls nicht überein.
    „Ernstfall für Wörner" lautet die Überschrift der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 3. Juli 1987. Es heißt weiter:
    Verteidigungsminister Wörner steht in Kürze vor der schwierigsten Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit ... Die gesamte Bundeswehrplanung bis zum Jahr 2000 ist in Frage gestellt. Als die Bundeswehrstrategen ihren neuen, jährlich fortzuschreibenden Bundeswehrplan zu Jahresbeginn 1988 aufstellten, offenbarte sich ihnen in aller Klarheit, was die Spitze des BMVg jahrelang nicht wahrhaben wollte: Die gegenwärtigen Pläne sind in den nächsten Jahren nicht mehr zu finanzieren.
    Ministerialdirigent Hartmut Bebermeyer, der frühere Leiter der Unterabteilung Recht, wirtschaftliche Fragen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im Wirtschaftsministerium, charakterisiert die unzulänglichen Bemühungen der Planer mit den Worten:
    Mit solch dürren Formulierungen kaschieren die militärischen Experten die bisher tiefste Krise der Bundeswehr.
    Die politische Führung weiß schon jahrelang um die sich zuspitzende katastrophale Lage, in die die Bundeswehr hineingerät. Personalumfang, Beschaffungsvorhaben und Finanzmittel können unter der bestehenden Struktur der Bundeswehr nicht miteinander zur Deckung gebracht werden. Haushalt und Bundeswehrplan sind unsolide. Sie haben keinen Bestand. Die politische Leitung kannte die auf uns zukommenden Probleme. Sie hat die sachlichen Vorschläge der SPD bisher verworfen. Heute — das höre ich sehr gern — haben wir das erste Angebot erhalten. Wir werden die Regierung beim Wort nehmen.
    In erster Linie haben wir ein positives Signal an unsere Soldaten zu geben.
    Die Zahl derjenigen, die sich weiterverpflichten wollen, ist im ersten Halbjahr 1987 dramatisch gesunken; sie ist um 18 % zurückgegangen. Das macht in der Folge ein Minus von 25 000 Soldaten aus. Das ist



    Horn
    eine nicht mehr rückgewinnbare Größenordnung. Seit 1984 liegt der Kabinettsbeschluß auf Erhöhung der Verpflichtungsprämie auf Eis — mit einer kostenmäßigen Auswirkung von nur 300 Millionen DM bei einem Haushalt mit einem Volumen von über 51 Milliarden DM!
    Der gesamte Bundeswehrplan ist nur noch Makulatur. Da kann man — an die Adresse des Ministers gerichtet — nur noch Bert Brecht zitieren:
    Ja, mach nur einen Plan Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan
    Gehn tun sie beide nicht.
    Das soziale Umfeld der Bundeswehr bedarf einer dringenden Verbesserung. Dies betrifft unter anderem die unwürdigen Wohnverhältnisse der Soldaten und ihrer Familien, die Umzugshäufigkeit mit den daraus resultierenden Problemen für die Kinder, eine Verbesserung der Mitbeteiligungsrechte unserer Soldaten und vor allem eine angemessene Verbesserung der Dienstzeitregelung. Es geht nicht an, daß die Soldaten als einzige Gruppe in unserer Gesellschaft nach Gutsherrenart behandelt werden. Deshalb wird die SPD, entsprechend unserem Parteitagsbeschluß von Nürnberg, einen Antrag auf gesetzliche Dienstzeitregelung im Deutschen Bundestag einbringen.

    (Beifall der SPD)

    Zur Bundeswehrplanung sage ich Ihnen heute schon voraus, daß Sie nicht umhin können, den Vorschlägen der Sozialdemokraten zu folgen. Erstens: Der Präsenzumfang der Bundeswehr wird kein Tabu bleiben. Zweitens: Eine Kaderung in allen drei Teilstreitkräften ist unumgänglich. Drittens: Eine in die Struktur tief eingreifende Entmechanisierung ist schon heute absehbar. Viertens: Der Aufbau von Sperrverbänden ist unerläßlich.
    Hier kann man sagen: Andreas von Bülow, Erwin Horn und der Nürnberger Parteitagsbeschluß der SPD lassen grüßen.
    Die bevorstehenden Änderungen der Bundeswehrstruktur geben die Chance, auf neuere Entwicklungen im Ost-West-Verhältnis vorbereitet zu sein und adäquat zu reagieren. Wir wollen eine Organisation unserer Streitkräfte, die den vorgesehenen Verhandlungen über konventionelle Stabilität zwischen dem Atlantik und dem Ural keine Barrieren entgegenstellt, sondern sie erleichtert. Wenn das Ziel dieser Verhandlungen Nichtangriffsfähigkeit ist, dann können wir durch eine entsprechende, ohnehin notwendig werdende Umstrukturierung der Bundeswehr einen nach vorne weisenden Beitrag leisten. Es darf nicht sein, daß richtige Schritte zum Abbau von Bedrohungen in Ost-West-Verhandlungen scheitern, weil unsere Armee auch heute noch nach Gesichtspunkten organisiert ist, die einer überholten Bedrohungssituation entsprechen.
    Gegenwärtig stehen die Anhäufung von Waffen in Mitteleuropa und die Streitkräftestrukturen beider Seiten in keinem echten Verhältnis zur tatsächlichen Intensität des Konfliktes zwischen Ost und West. Die Entspannungspolitik, darunter auch die Ergebnisse der KVAE, haben die Lage in Europa entscheidend
    geändert. Auch in der Sicherheitspolitik und in der Organisation der Verteidigung muß diese Veränderung ihren Niederschlag finden.
    Die jetzige Bundesregierung hat immer wieder behauptet, die Staaten des Warschauer Paktes seien weit mehr gerüstet, als zur bloßen Verteidigung erforderlich ist. Dieser Satz reicht heute nicht mehr aus. Heute müssen wir vom Verteidigungsminister eine Antwort darauf erwarten, wieviel Verteidigung er der anderen Seite zuzubilligen bereit ist und wie durch Beiträge unserer Seite das Ziel einer gemeinsamen Sicherheit auf der Basis von konventioneller Stabilität erreicht werden kann. Solange hierzu von der Regierung nichts vorgelegt wird, wirkt der andauernde Hinweis auf die östliche Überlegenheit eher wie eine Beschwörung.
    Gerade im Zusammenhang mit Veränderungen der Bundeswehrstruktur wäre es wichtig, von der Bundesregierung zu erfahren, wie sie sich auch im konventionellen Bereich ein stabiles Europa vorstellt. Der enge Zusammenhang zwischen den bevorstehenden Abrüstungsverhandlungen und den Verteidigungsstrukturen unserer Armee erfordert Flexibilität, anders formuliert: die Fähigkeit zur flexiblen Reaktion, um dem Begriff endlich einmal eine in die Zukunft weisende produktive Bedeutung zu geben.

    (Breuer [CDU/CSU]: Die Zukunft haben Sie hinter sich, Herr Kollege!)

    Was spricht eigentlich dagegen, das Thema der Umstrukturierung in der Verteidigung in einen Dialog mit der anderen Seite einzubringen? Vielleicht könnten damit Fehlentwicklungen vermieden werden, die die bisherigen einseitigen und autonom getroffenen Rüstungsentscheidungen auf beiden Seiten gebracht haben. Das alte Muster, nach dem eine Seite ihre militärische Effektivität erhöht und die andere Seite zur ebenfalls autonom getroffenen Entscheidung veranlaßt, ihrerseits zu erhöhen, hat den Rüstungswettlauf in Gang gehalten; mehr Sicherheit hat es nicht gebracht. Ein kooperatives Herangehen könnte diese überholte Mechanik durchbrechen.
    Hier sind nicht unsere Soldaten gefragt; sie sind bereit dazu, auf dieser Basis von Beiderseitigkeit, Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit auch dies zu leisten. Hier ist die Politik im Obligo. Das sind wir als Parlament und vornehmlich auch die Regierung. Auf Ihre Vorschläge warten wir; unsere Zielsetzungen sind klar. J
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)