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ID1102407100

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    Plenarprotokoll 11/24 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 24. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Jahn (Marburg) 1563 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Vogel SPD 1563 a Dr. Waigel CDU/CSU 1576 D Ebermann GRÜNE 1586 B Ronneburger FDP 1590 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 1593 B Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 1602 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 1602 C Frau Geiger CDU/CSU 1607 C Frau Hensel GRÜNE 1610 B Genscher, Bundesminister AA 1611 D Frau Wieczorek-Zeul SPD 1615 D Wimmer (Neuss) CDU/CSU 1618 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1620 A Frau Seiler-Albring FDP 1622 D Kühbacher SPD 1624 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 1626 D Horn SPD 1632 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 1633 D Dr. Penner SPD 1636 B Möllemann, Bundesminister BMBW 1642 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 1643 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 1646D Dr. Hirsch FDP 1649 B Bernrath SPD 1651 C Engelhard, Bundesminister BMJ 1653 C Dr. de With SPD 1655 B Dr. Wittmann CDU/CSU 1658 D Häfner GRÜNE 1660 D Lüder FDP 1663 C Nächste Sitzung 1664 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1665* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 1563 24. Sitzung Bonn, den 10. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Bühler (Bruchsal) * 10. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Eigen 11. 9. Dr. Feldmann ' 11. 9. Großmann 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Lemmrich * 10. 9. Frau Luuk * 11. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Dr. Unland ** 10. 9. Volmer 11. 9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verteidigungshaushalt ist mit 51,6 Milliarden DM ein enormer Brocken. Aber, Herr Wörner, wenn ich das richtig gelesen habe, wäre dieser Haushalt, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, ja um eine knappe Milliarde DM höher. So haben Sie jedenfalls noch im Mai dieses Jahres bei einer NATO-Verteidigungsratssitzung gestimmt, und Sie haben Ihre Kollegen im Bündnis aufgefordert, sich ebenfalls dafür einzusetzen. Wie man sich angesichts der Haushaltsenge so verhalten kann und nunmehr ein so abgemagertes Steigerungsergebnis vorlegen muß — diese schizophrene Haltung bleibt Ihnen vorbehalten.



    Kühbacher
    Ich meine, Sie bezeichnen und bewerten Ihre Ausgangssituation in dem Beiblatt zum Haushaltsplan, das Sie uns allen geschickt haben, ja selbst, indem Sie sagen: Dieser Haushalt ist ausreichend bestückt. So kann man sich selbst bewerten. Ich habe in der Schule gelernt, ausreichend sei vier, knapp vor mangelhaft. Wenn das das Ergebnis der Bewertung Ihrer jetzigen Arbeit ist, ist das ein Eigenurteil, das doch von erheblicher Fähigkeit zur Selbstkritik zeugt.
    Meine Damen und Herren, 51,6 Milliarden DM — wer kann das überhaupt begreifen? Das sind Summen, die für den Bürger kaum zugänglich sind. Ich denke, es lohnt sich, einmal einige Widersprüchlichkeiten dieses Haushalts aufzuzeigen.
    Haushaltsgrundsätze sind Haushaltswahrheit, Haushaltsklarheit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Wenn man sich einzelne Positionen einmal anschaut und den Gesamtzusammenhang sieht, dann stimmen die Vokabeln in diesem Haushalt 1988 — was mich eigentlich überhaupt nicht wundert — , die Finanzplanung und das darüber Hinausgehende, nämlich der Bundeswehrplan, überhaupt nicht mehr.

    (Frau Traupe [SPD]: Das stimmte auch vorher nicht!)

    Herr Kollege Wörner, es ist schon bezeichnend: Sie haben uns Abgeordneten unter dem Datum des 27. August eine — korrigierte — Bundeswehrplanung vorgelegt und dazu gesagt: Dies alles gilt schon nicht mehr; wir werden uns irgendwann im November erneut zusammensetzen müssen, um auf Grund der neuen Erkentnisse, nämlich in der Finanzpolitik, aber auch auf Grund der Ergebnisse der Beratungen im Bündnis alles neu zu überdenken und neue Folgerungen zu ziehen. In welcher Richtung, das schreiben Sie vorsorglich nicht, nämlich ob es nach oben gehen soll oder nach unten gehen muß.
    In diesem Zusammenhang frage ich einmal ganz vorsichtig: Wenn es so ist, daß im Herbst dieses Jahres die Strukturdiskussion in der Bundeswehr erst richtig losgeht und daß dann die Weichen für die Beschaffungslinien und für die Organisation innerhalb der Teilstreitkräfte für die nächsten 10 bis 15 Jahre gestellt werden müssen, wie können Sie es eigentlich verantworten, sich in dieser Situation von Ihrem Stuhl wegzubegeben?

    (Walther [SPD]: Den nimmt doch keiner!)

    Jetzt, wo Entscheidung und politische Führung verlangt ist, Herr Kollege Wörner, hätte sich zu zeigen, ob Sie als Verteidigungsminister mit Ihrer doch sicherlich vorhandenen Erfahrung in der Lage sind, diese Strukturentscheidungen verantwortlich zu treffen. Oder, Herr Kollege Wörner, gehen Sie deshalb auf Vorschlag des Bundeskanzlers nach Brüssel, weil diese Entscheidungen intern anstehen?

    (Zurufe von der SPD: Mal langsam! — Da ist er noch nicht!)

    Darüber sollte man einmal nachdenken. Ich denke, es ist der Bundeswehr und den dort Verantwortlichen dafür zu danken, daß sie ohne diese politische Vororientierung im Moment ihre Arbeit leisten, allerdings eben mit diesem Ausmaß an Unsicherheit.
    Nun, Herr Kollege Wörner, komme ich auf ein weiteres Problem zu sprechen, nämlich auf die Personalsituation in der Bundeswehr. Über Strukturplanung wird zu reden sein, aber schauen wir uns doch einmal die unmittelbare Situation des einzelnen Soldaten an. Dahinter verbergen sich ja Schicksale. Ich habe einmal an Hand einer Gehaltstabelle ausgerechnet, was denn einem verheirateten Unteroffizier netto zukommt. Er verdient 2 167 DM. Davon muß er noch Steuern zahlen. Dieser verheiratete Unteroffizier, 21 oder 22 Jahre alt, hat eine durchschnittliche Dienstzeitbelastung von über 56 Stunden, d. h. einen Stundenlohn von um 10 DM. Das ist ja kein Wehrpflichtiger, bei dem der eine oder andere vielleicht sagt: Es schadet den jungen Leuten gar nicht, wenn sie einmal ordentlich rangenommen werden. — Nein, das ist ein Arbeitnehmer in einem ganz bestimmten Beruf, und Sie, Herr Minister, sind nicht in der Lage, für diesen Soldaten eine vernünftige Dienstzeitbegrenzung durchzusetzen und zu organisieren. Sie schaffen es einfach nicht. Außer vollmundigen Erklärungen kommt nichts dabei herum.
    Was ist denn mit den 78 000 Unteroffizieren und Stabsunteroffizieren? Wegen dieser unregelmäßigen außerordentlichen Dienstzeit erwarten wir von dem betreffenden jungen Mann, daß er morgens antritt und zu ganz ulkigen Zeiten wieder abfährt. Er kann nicht einmal öffentliche Verkehrsmittel benutzen; er muß ein Automobil haben, wenn er zu seiner Familie zurück will. Wovon soll er überhaupt noch seine Familie ernähren? Was diese Leute brauchen, ist eine geregelte Dienstzeit. Sie müssen einen Anspruch auf Freizeit haben, den Sie für sie im Moment nicht organisieren. Das ist die eine Lebenswirklichkeit.
    Die andere, Herr Kollege Wörner, sieht so aus: Sie bilden mit Offizieren und Beamten der Bundeswehr internationale Stäbe, z. B. jetzt in München einen neuen Stab, der NEFMA heißt. Uns wird auf der Hardthöhe erzählt: Ja, meine Herren, wir können dorthin hervorragende Offiziere nur dann abordnen, wenn wir ihnen Gehälter nach NATO-Kriterien bezahlen, also das Dreifache. In München müssen Sie also den Offizieren, die genau denselben Dienstanweisungen unterliegen wie diese Unteroffiziere, von denen ich gesprochen habe, das dreifache Gehalt zahlen, damit sie freudig ihre Arbeit tun, während die Unteroffiziere hier — so sage ich einmal — in die Röhre sehen.
    Diese Widersprüche verlangen Führungskunst, Herr Minister.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Wie war das denn zu Ihrer Zeit?)

    — Herr Würzbach, dies verlangt Führungskunst und Führungsfähigkeit, und das erwarte ich von der politischen Leitung. Daß die Offiziere für die Zeit der Abordnung dieses dreifache Gehalt gern mitnehmen und zu aller Zeit mitgenommen haben, ist ihnen doch überhaupt nicht vorzuwerfen. Hier muß man sich durchsetzen können. Das ist der Punkt. Die Widersprüche tauchen eben auf.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Junge, Junge!)

    Wenn ich mir den Haushaltsplan anschaue, sind weitere Dinge anzusprechen, bei denen es wider-



    Kühbacher
    sprüchlich wird. Ich meine die Frage, wie Sie mit den Berufssoldaten umgehen, z. B. mit dem Hauptfeldwebel, der mit 47 Jahren ja doch fast 30 Jahre Bundeswehrdienstzeit auf dem Rücken hat. Wenn Sie den zum Stabsfeldwebel befördern wollen, muß er in der Regel noch einmal umziehen. Mir ist so ein Fall begegnet: Jemand, der in Hamburg Dienst tut, muß
    — für 217 DM monatlich zusätzlich auf Grund der Beförderung — für die verbleibenden fünf Jahre nach Kiel und dort seinen Dienst verrichten. Was passiert dem denn tatsächlich? Dieser Stabsfeldwebel soll in eine neue Wohnung ziehen, obwohl er sein Lebensumfeld woanders hat, und das für 217 DM mehr! Auf diesen Mehrbetrag muß er zusätzliche Steuern zahlen. Er muß neue Fahrzeiten und -kosten in Kauf nehmen. Und was macht die Bundeswehrverwaltung? Sie weist ihm eine sogenannte TE-Killer-Wohnung zu
    — so nennt man das — , nämlich eine Wohnung, in die er mit Sicherheit nicht ziehen wird, woraufhin er
    — eben weil er es ablehnt — kein Trennungsgeld mehr bekommt. Dies schafft Unzufriedenheit in der Truppe, Unzufriedenheit bei denen, die einen großen Teil ihres Lebens in der Bundeswehr verbracht haben. Der Wehrbeauftragte schreibt ja nicht ohne Grund von der Kühle in der Bundeswehr.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

    Ich meine, wir haben darüber nachzudenken, wie wir gemeinsam an diesem Teil des soldatischen Alltags, der sich ja in einem solchen Haushalt versteckt, wirklich arbeiten, damit wir auch tatsächlich allen Soldaten eine Bejahung des Instruments Bundeswehr abverlangen können.
    Ich komme zu einem anderen Komplex außerhalb des Personals, nämlich zu den großen Waffensystemen. Uns wird erklärt, für das persönliche ABC-Schutzmaterial der Soldaten, also das, was ihnen unmittelbar Sicherheit verschafft, sei kein Geld vorhanden. Die Haushaltsquoten dafür werden abgesenkt; dafür sei kein Geld vorhanden. Auf der anderen Seite steigt die Panzerbeschaffungslinie wegen einer weiteren Losnummer beim Leopard 2 um, wie ich glaube, 230 Millionen DM.
    Da stimmt doch irgend etwas nicht. Während neue Panzer gekauft werden, die in Sigmaringen stationiert werden, wo bereits welche sind — angeblich nehmen diese dann die Türken — , ist für das Notwendigste, das dem Soldaten Sicherheit verleiht, kein Geld vorhanden. Das ist ein Widerspruch, den Sie aufklären müssen. Dieser Widerspruch steht im Haushalt. Das ist dem einzelnen Soldaten im Hinblick auf seine Befindlichkeit nicht zu erklären. Da stimmt von der politischen Führung her etwas nicht, wenn man den Mangel so breit verteilt.
    Ich komme nun zu den, wie ich sagen möchte, etwas größenwahnsinnigen Objekten, die nicht in der Bundeswehr erfunden wurden, sondern aus einem anderen Bereich stammen. Ich spreche von den beiden Rüstungsvorhaben Jäger 90 und Panzerabwehrhubschrauber. Bei diesen Projekten, Herr Wörner, muß man sich doch fragen: Kann ein Soldat es überhaupt verstehen, daß wir 7 Milliarden DM Entwicklungskosten für ein Flugzeug ausgeben sollen, bevor überhaupt ein erster Prototyp auf dem Rollfeld steht? Wir wollen also 7 Milliarden DM ausgeben, bevor dieser Apparat überhaupt zu sehen ist.
    Dabei handelt es sich nur um den deutschen Anteil. Insgesamt macht das bei allen beteiligten Staaten in Europa eine Summe von 21 Milliarden DM aus. Soviel ist zu bezahlen, bevor das erste Flugzeug auf dem Rollfeld steht.
    Auf der anderen Seite sind keine Gelder vorhanden, um beispielsweise die notwendigen Infrastruktureinrichtungen weiter voranzutreiben, um beispielsweise die Unterkünfte in einer Form zu unterhalten, wie es notwendig ist. Dort kürzt man die Investitionen um über 250 Millionen DM.
    Die Befindlichkeit der Soldaten, Herr Kollege Wörner, hängt auch davon ab, ob sie sich persönlich sicher fühlen. Sie müßten es einmal einem Panzergrenadier erklären, warum denn für dieses System des Jägers 90 aus dem Bundeswehrhaushalt der nächsten Jahre 7 Milliarden DM übrig sein sollen, der von einem Piloten geflogen wird, der auch noch die Geschosse abschließen soll, die 1 Million DM pro Stück kosten sollen, während auf der anderen Seite die Milan als Panzerabwehrwaffe nicht voll nachtsichtfähig gemacht werden kann. Nur etwa die Hälfte kann wegen Geldmangel nachtsichtfähig gemacht werden. Davon hängt aber die Panzerabwehr in der Vorneverteidigung unmittelbar ab.
    Es ist nicht einsichtig, daß für das Feld, wo unmittelbar ein Angriff erwartet wird, kein Geld dasein soll, während auf der anderen Seite Entwicklungsbeträge in die deutsche Rüstungswirtschaft fließen.
    Da habe ich Sie, Herr Kollege Wörner, zu fragen: Vertreten Sie als Minister bei diesen Planungsüberlegungen, bei diesem großen Volumen, mehr die Interessen der Soldaten der Bundeswehr oder haben Sie die Interessen der Rüstungswirtschaft zu vertreten?
    Dies haben Sie politisch zu verantworten. Ich wünschte mir, daß die Entscheidungen, die jetzt noch fallen sollen — sie stehen ja unmittelbar bevor —, von Ihnen auch über einen längeren Zeitraum — die Periode ist ja noch einige Jahre lang — tatsächlich verantwortet werden. Mitte des nächsten Jahres kommt es zum Schwur. Dann muß die neue Struktur der Bundeswehr stehen, dann müssen die Planungsentscheidungen fallen. Ich wünschte mir, Herr Kollege Wörner, Sie könnten dafür auch moralisch noch zur Verantwortung gezogen werden.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Verteidigung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich denke, unser aller Hoffnungen richten sich auf eine Verbesserung der Ost-West-Beziehungen. Eines ist klar — ich denke, das gilt für alle von uns, besonders aber für die Bundesregierung — : Wir werden jede Chance für einen stabileren Frieden in Europa nützen. Nur muß jeder wissen: Nach wie vor und für absehbare Zeit ruht ein sicherer Friede nicht allein, aber doch vor allem auf einer gesicherten Verteidigung, und das heißt: auf dem Bündnis und auf der



    Bundesminister Dr. Wörner
    Bundeswehr. Ohne Bundeswehr und ohne Bündnis gibt es weder heute noch morgen Freiheit für unser Land oder Friede für Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das ohne jeden Versuch einer Polemik, weil ich hoffe, daß wir diese Auseinandersetzung in diesem Parlament noch einmal gründlicher führen können.
    Die von Herrn Bahr und der SPD beschworene gemeinsame Sicherheit — ich denke an die letzte Rede von Herrn Bahr in der letzten Woche hier — ist bestenfalls eine Hoffnung oder eine Wunschvorstellung, aber weder ein Ersatz noch gar eine Alternative zum Sicherheitskonzept der Allianz. Ich weiß nicht, ob Sie alle die Konsequenzen bedacht haben, die sich ergeben würden, wenn Sie auf dieses Konzept umschwenkten, alle zusammen. Das hieße, daß Sie sich damit praktisch aus der Allianz abgemeldet hätten.
    Die Erhaltung einer gesicherten Verteidigungsfähigkeit ist übrigens auch die Voraussetzung einer erfolgreichen Abrüstungspolitik. Ich wiederhole, auch wenn es, Herr Mechtersheimer, Sie und andere ärgert, was ich schon einmal hier gesagt habe: Ohne die konsequente Umsetzung des Doppelbeschlusses hätte es keine Chance zur Abrüstung im Bereich der Mittelstreckenraketen gegeben. Wir sind es, die Bahn gebrochen haben, und nicht etwa, wie Sie zu suggerieren versuchen, die lautstarken Demonstrationen der Friedensbewegung.

    (Zuruf des Abg. Dr. Mechtersheimer [GRÜNE])

    — Lieber Herr Mechtersheimer, ich kann mir gar nicht vorstellen, daß Sie das wirklich glauben. Wäre es so, lieber Herr Mechtersheimer, dann frage ich Sie, warum Herr Gorbatschow — auch er — Friedensdemonstrationen der Friedensbewegung aus Ost und West in der Sowjetunion nicht nur verboten, sondern gerichtlich verfolgt und die entsprechenden Teilnehmer auch bestraft hat. Wäre es so, wie Sie sagen, machte das doch keinen Sinn.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Bei uns hat das gewirkt!)

    Ich habe einen Kronzeugen dafür

    (Dr. Penner [SPD]: „Kronzeuge" ist falsch!)

    — ja, doch — : 8. Mai 1987, Artikel von Helmut Schmidt in der „Zeit", wo er sagt:
    Die Sowjetunion wäre ohne westliche Nachrüstung dazu nicht bereit gewesen.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Die hat den Beschluß doch damals gefaßt, Herr Wörner!)

    Ich denke, daß vor allen Dingen die SPD weiß, warum Helmut Schmidt das sagt.
    Andererseits: Wir müssen uns aber auch der Konsequenz aus einer vertraglichen Beschränkung der Nuklearwaffen bewußt sein. Die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Pakts lastet nach einem INF-Abkommen, das wir wollen, noch schwerer auf uns. Ich hoffe, auch da gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Ehe diese Last durch weitere Maß-
    nahmen der Rüstungskontrolle vermindert werden kann, wird nach aller Erfahrung noch eine geraume Zeit vergehen. Ich glaube, auch das ist unstreitig.
    Solange sich beim derzeitigen Kräfteverhältnis keine Wende vollzieht, verlangt dies von uns allen die Verbesserung der konventionellen Fähigkeiten. Das hat jedenfalls die SPD bis vor kurzem noch gesagt und auch geschrieben.
    Das heißt in der konkreten Auswirkung auf unsere Haushaltsgestaltung: Unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann nur dann den Herausforderungen standhalten und die Bundeswehr kann nur dann in den 90er Jahren ihren Auftrag erfüllen, wenn wir heute und in den kommenden Jahren bereit sind, die hierfür erforderlichen Bedingungen zu schaffen — und das heißt: auch die finanziellen Bedingungen.
    Jetzt, Herr Kühbacher, komme ich auf Ihre Ausführungen zu sprechen — wir können ganz offen miteinander reden — : Der Entwurf des Verteidigungshaushalts 1988 sieht eine Steigerungsrate von 2,1 % vor. Das ist weniger, als in Brüssel vereinbart wurde. Das ist richtig. Was heißt „vereinbart"? Das ist eine Bemühensklausel, die auf 3 % abzielt.

    (Dr. Penner [SPD]: Netto!)

    Wir bleiben darunter. Wir stehen zwar wesentlich besser als die meisten anderen Verbündeten, aber es ist keine Frage: Wir bleiben darunter.
    Ich möchte nur mit aller Zurückhaltung darauf aufmerksam machen: Diese Bemühensklausel ist von Ihnen und Ihrer Regierung in einer Zeit aufgenommen worden, in der Sie sie nie eingehalten haben. Es ist bekannt — ich habe das hier in diesem Parlament schon oft gesagt —,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Warum wiederholen Sie sich dann?)

    daß ich dies nicht für einen tauglichen Maßstab halte. — Ich bin allerdings in der Allianz zusammen mit anderen dafür eingetreten, daß wir diese Latte nicht preisgeben, solange wir sie nicht durch eine tauglichere ersetzt haben. Daran arbeiten wir. Deswegen, lieber Herr Kühbacher, sage ich — das haben Sie mit Recht zitiert — : Der Verteidigungshaushalt des Jahres 1988 reicht gerade aus, um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sicherzustellen, die laufenden Modernisierungen fortzusetzen und die von mir seit 1983 gesetzten Schwerpunkte aufrechtzuerhalten.

    (Zuruf von der SPD: Aber die falschen!)

    Aber — auch das spreche ich aus — der Haushalt erlaubt nicht die Verbesserung der konventionellen Kampfkraft im wünschenswerten Ausmaß.
    Das gilt vor allem für die mittelfristige Finanzplanung. Das habe ich im Kabinett gesagt. Das habe ich in der Öffentlichkeit gesagt. Das wiederhole ich vor diesem Parlament. Deswegen gibt es einen Kabinettsbeschluß, wonach wir im späteren Herbst die mittelfristige Finanzplanung in diesem Punkte noch einmal überprüfen. Sehen Sie, hier ist der Unterschied zu meinem Amtsvorgänger. Ich habe noch einmal alle Reden aus dem Jahr 1981 nachgelesen. Ich habe ihn damals heftig kritisiert. Ich habe nicht, wie gelegentlich behauptet wird, seinen Rücktritt gefordert. Aber



    Bundesminister Dr. Wörner
    was ich ihm immer vorgeworfen habe, ist, daß er die Sache beschönigt hat. Das werde ich nicht tun. Vielmehr sage ich im vollen Bewußtsein dessen, was ich ausführe: Die Bundeswehr kann mit dem Haushalt 1988 knapp leben, aber die mittelfristige Finanzplanung sollte verbessert werden, um langfristig die konventionelle Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
    Dabei füge ich allerdings hinzu, Herr Kühbacher
    — das wissen Sie sehr genau; ich gehe im einzelnen auch noch auf Sie ein — : Der Zustand der Bundeswehr ist heute ungleich besser als im Jahre 1981, 1982. Ich glaube kaum, daß das einer bestreiten kann.

    (Zuruf von der SPD: Wieso denn das?)

    Wir haben im Unterschied zu früher eine schlüssige Bundeswehrplanung, die realistisch ist

    (Zuruf des Abg. Walther [SPD])

    — ich komme gleich darauf, Herr Walther; ich werde mich auch mit Ihnen gerne noch auseinandersetzen —,

    (Walther [SPD]: Lieb von Ihnen!)

    die eine klare Prioritätensetzung enthält. Wir haben die wichtigsten Probleme der Streitkräfte angepackt und sind dabei — gerade im personellen Bereich —, sie zu lösen.
    Herr Kühbacher, was Sie sagen, trifft nicht zu. Ich nehme Ihnen ab, daß Sie sich ernsthaft mit den Problemen der Bundeswehr befassen. Das sage ich nicht so daher. Wir kennen uns, und ich weiß, daß Sie sich für die Bundeswehr engagieren, daß Sie in der Bundeswehr auch als Reserveoffizier tätig sind. Deswegen kann ich mich mit Ihnen über diese Frage sehr sachlich auseinandersetzen. Nur, lieber Herr Kühbacher, Sie haben ja in den letzten Jahren beobachtet, was alleine auf dem personellen Sektor geschehen ist: wenn ich etwa an die Milderung des Verwendungsstaus denke. Er wirkt sich in der Armee draußen aus; im übrigen im Bereich der Unteroffiziere am allermeisten. Dort haben wir am meisten erreicht, noch mehr als bei den Offizieren. Wenn ich an die Absicherung gegen Arbeitslosigkeit denke, wenn ich an die verbesserte Unterhaltssicherung denke. Wenn ich an die 4 000 neuen Planstellen in vier Jahren denke, wenn ich daran denke, daß wir die soziale Lage da und dort einschneidend haben verbessern können.
    Nun bringen Sie diesen Vergleich zwischen der Beschaffung eines zugegebenermaßen sehr teuren Waffensystems und der Bekleidung der Soldaten. Dazu lassen Sie mich nur eines sagen: Wer hat eigentlich das neue Bekleidungskonzept mit einem Finanzaufwand von 450 Millionen DM durchgesetzt, wenn nicht diese Koalititon, wenn nicht dieser Bundesminister der Verteidigung?

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Mit Ihrer Unterstützung allerdings, aber wir haben es angepackt und umgesetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Da schmücken Sie sich mit fremden Federn! Ohne die Frauen im Haushaltsausschuß hätten Sie nichts zuwege gebracht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Lieber Herr Kühbacher, ich bin ja gerne bereit, mich mit Ihnen um die Lorbeeren zu streiten. Nur eines kann ich Ihnen natürlich nicht abnehmen

    (Walther [SPD]: Wir haben Sie doch zwingen müssen! Sie wollten doch nicht! — Zuruf der Abg. Frau Traupe [SPD])

    — hören Sie mir doch einen kurzen Moment zu, Frau Traupe; Sie sind doch sonst nicht so — :

    (Walther [SPD]: Diese falschen Lorbeeren!)

    Sie reden von den sehr hohen Entwicklungskosten des Jagers 90. Nun will ich Ihnen ein Beispiel geben. Die Entwicklungskosten für den Tornado gingen in die Milliarden. Ich hätte mich gefreut, wenn der Herr Kühbacher damals, als alle diese personellen Probleme, die wir inzwischen gelöst haben, noch fortbestanden haben, meinem Amtsvorgänger den Rat gegeben hätte, doch erst einmal nach den personellen Problemen der Bundeswehr zu schauen, bevor er sich mit der Beschaffung so teurer Waffensysteme beschäftigt. Herr Kühbacher, das ist unter Ihrem Format. Sie wissen ganz genau: Wir müssen die Soldaten als Soldaten — im übrigen auch die zivilen Bediensteten der Bundeswehr als zivile Bedienstete — ernst nehmen. Wir müssen für sie sorgen. Das ist für mich ganz selbstverständlich. Aber sie brauchen auch moderne Waffensysteme. Denn der Warschauer Pakt hat auch keine Flugzeuge von vorgestern, sondern Flugzeuge von heute und morgen. Da wir in der Lage sein müssen, unseren Auftrag zu erfüllen, können wir nicht mit Fahrrädern gegen Panzer antreten und nicht mit Flugzeugen von vorgestern gegen solche von heute, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Das ist auch unter Ihrem Niveau, Herr Wörner, weit unter Ihrem Niveau!)

    Die konsequente Umsetzung unseres Personalkonzepts hat im übrigen dazu geführt, daß die Streitkräfte
    — das wissen Sie, Herr Kühbacher, ganz genau — heute die beste Personallage in ihrer Geschichte hat,

    (Frau Traupe [SPD]: Dank der hohen Arbeitslosigkeit in diesem Land!)

    z. B. 17 000 Unteroffiziere oder 40 000 neue Zeitsoldaten 1986. Wenn ich mir die Prophezeiungen angucke, mit denen nicht Sie persönlich, aber die Opposition mich dauernd verfolgt hat — das sei unrealistisch usw. — , und dann sehe, was geworden ist, hätte ich wenigstens erwartet, daß Sie sich insofern korrigieren.
    Auch der Haushalt 1988 — ich sagte das — berücksichtigt die seit 1983 geltenden Schwerpunkte. Der Anteil der Längerdienenden wird erneut erhöht. Für die Soldaten sind 1 072 neue Planstellen und Stellenanhebungen in den Haushalt eingestellt. Vor allen Dingen ist es uns endlich gelungen, den Durchbruch beim Zivilpersonal der Bundeswehr zu erreichen. Ich finde das eine bemerkenswerte Sache.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Auch im Materialbereich haben wir Vorsorge getroffen, den hohen Ausbildungsstand der Bundeswehr künftig zu halten. Hier wird nicht gekürzt, nicht



    Bundesminister Dr. Wörner
    gestrichen. Alle Übungen können durchgeführt werden. Nur so läßt sich der Ausbildungsstand halten.
    Richtig ist, daß wir die Ansätze für Forschung, Entwicklung und Erprobung, die wir seit 1984, von Ihnen kritisiert, um über 50 % aufgestockt haben,

    (Walther [SPD]: Unverantwortlich!)

    nunmehr um 1,2 % reduzieren müssen. Das ist im Hinblick auf die Steigerungen in den vergangenen Jahren verkraftbar, aber nicht schön. Auch das sage ich offen.
    Der Schwerpunkt der Beschaffung — um das nun anzugehen — liegt weiterhin beim sogenannten Peripheriegerät, mit dem die Einsatzfähigkeit der Waffensysteme verbessert wird. Deshalb weisen die Ansätze für Fernmeldegerät, Führungs-, Informations-, Waffeneinsatzsysteme trotz insgesamt sinkender Beschaffungsausgaben eine steigende Tendenz auf. Die Beschaffungsansätze für Munition, die wir ebenfalls drastisch gesteigert haben — aus den Gründen, die Sie kennen; das wird von der Allianz anerkannt, da sind wir beispielhaft in der ganzen Allianz —,

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Sie sind auf dem falschen Dampfer!)

    werden wir auf hohem Stand halten können, allerdings nicht ganz uneingeschränkt.
    Nun kann ich es mir an dieser Stelle, lieber Herr Kühbacher — jetzt spreche ich auch den Herrn Ehmke an — , allerdings nicht versagen, auf die Widersprüchlichkeiten der Kritik der Opposition hinzuweisen. Die einen kritisieren — so etwa der Herr Ehmke gerade vorher — , es werde zu wenig Geld für die Verteidigung ausgegeben.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ne! — Frau Dr. Götte [SPD]: Gar nicht wahr! Hat er nie gesagt!)

    Die anderen dagegen wenden sich gegen die Beschaffung von zusätzlichen Leo II, ECR-Tornados und Fregatten. Zu wenig oder zuviel —

    (Dr. Penner [SPD]: Das ist hier die Frage!) ich denke, Sie müssen sich entscheiden.


    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ihre Worte stimmen nicht mit Ihren Zahlen überein!)

    Meine Damen und Herren, ein Herr Ehmke, der kritisiert, daß für die Verteidigung zu wenig ausgegeben wird, der muß daran erinnert werden, daß er einem Parteitagsbeschluß der SPD in Nürnberg im August 1986 zugestimmt hat, der die Reduzierung der Mittel für die Bundeswehr und damit die Reduzierung ihrer Einsatzbereitschaft zur Folge gehabt hätte.

    (Frau Traupe [SPD]: Das will der Finanzminister auch!)

    Deswegen: Bleiben Sie glaubwürdig, lieber Herr Ehmke!

    (Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)