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ID1102405800

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    Plenarprotokoll 11/24 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 24. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Jahn (Marburg) 1563 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Vogel SPD 1563 a Dr. Waigel CDU/CSU 1576 D Ebermann GRÜNE 1586 B Ronneburger FDP 1590 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 1593 B Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 1602 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 1602 C Frau Geiger CDU/CSU 1607 C Frau Hensel GRÜNE 1610 B Genscher, Bundesminister AA 1611 D Frau Wieczorek-Zeul SPD 1615 D Wimmer (Neuss) CDU/CSU 1618 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1620 A Frau Seiler-Albring FDP 1622 D Kühbacher SPD 1624 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 1626 D Horn SPD 1632 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 1633 D Dr. Penner SPD 1636 B Möllemann, Bundesminister BMBW 1642 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 1643 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 1646D Dr. Hirsch FDP 1649 B Bernrath SPD 1651 C Engelhard, Bundesminister BMJ 1653 C Dr. de With SPD 1655 B Dr. Wittmann CDU/CSU 1658 D Häfner GRÜNE 1660 D Lüder FDP 1663 C Nächste Sitzung 1664 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1665* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 1563 24. Sitzung Bonn, den 10. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Bühler (Bruchsal) * 10. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Eigen 11. 9. Dr. Feldmann ' 11. 9. Großmann 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Lemmrich * 10. 9. Frau Luuk * 11. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Dr. Unland ** 10. 9. Volmer 11. 9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Mechtersheimer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    In der Annahme, daß es der Wahrheitsfindung dient.


Rede von Dr. Horst Ehmke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Es dient der Wahrheitsfindung, wenn Sie vielleicht verstehen könnten — ich bitte Sie, das zu tun — , daß Sie mich mißverstanden haben. Ich hatte mich so geäußert, daß wir Ihnen ein Papier geschickt haben, mit der Bitte, darüber zu reden, und wir haben darauf keine Antwort bekommen. Sie haben mich mißverstanden; zu der Frage habe ich gar nichts gesagt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Mechtersheimer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    In diesem Papier steht nicht, was wir dringend fordern, daß nämlich



    Dr. Mechtersheimer
    dieser Verzicht auf die Pershing I nur einen Sinn macht, wenn es ein sofortiger Verzicht ist. Hier haben Sie mit Rücksicht auf mögliche Mehrheiten taktiert, und da machen die GRÜNEN nicht mit. Wenn da ein Formfehler vorliegt, dann können wir das gern klären.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Und Sie meinen, es lohnt sich nicht, über Meinungsverschiedenheiten unter Parlamentskollegen mal zu reden?)

    — In dieser Frage gibt es bei den GRÜNEN keine Meinungsverschiedenheiten. Zu Gesprächen sind wir immer bereit — mich haben Sie nicht angesprochen —; daran sollte es nicht scheitern. Wenn Sie das Gespräch, das wir sofort führen können, nutzen, um Ihre Position in Richtung der Position der GRÜNEN zu verändern, so geht das sofort.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die wachsende Militarisierung des Landes läßt sich auch als eine Art Angstreaktion auf tiefgreifende außenpolitische Veränderungen begreifen. Vielleicht war die Stationierung der Mittelstreckenraketen das letzte Aufbäumen dieser Blockkonstellation in Europa. Die politischen und militärischen Kosten wollen die Supermächte aber nicht mehr bezahlen. Der unstrittige Zerfall der US-Abschreckungsgarantien macht den Weg frei für einen fundamentalen Wechsel der Kräftekonstellationen in Europa. Von außen ist dies offenkundig deutlicher zu erkennen als aus deutscher Sicht. Ich darf die „Neue Zürcher Zeitung" zitieren, die am Vorabend des Besuchs von Honecker folgendes gesagt hat:
    In der Tatsache, daß Bundeskanzler Kohl die Deutschlandpolitik seiner Regierungsvorgänger sozusagen uneingeschränkt übernommen hat und sie auch zu einem protokollarischen Höhepunkt führt, glauben manche, Anzeichen dafür erkennen zu können, daß die Dynamik der deutsch-deutschen Entwicklungen weitergehen werde. Das könnte bedeuten, daß gegenseitige Annäherung und Tendenzen zum gemeinsamen Ausscheren aus der jeweiligen Blockbildung sich weiterhin gegenseitig verstärken und daß heute vorhandene Regungen im Bonner Oppositionslager zur Umwandlung der beiden deutschen Staaten in nuklearfreie oder panzerfreie Zonen künftig Regierungspolitik werden könnten.
    Was hier sorgenvoll konstatiert wird, macht uns eher Hoffnung; denn es wird eine Perspektive der Blocküberwindung eröffnet, ohne die es keinen Frieden und keine Abrüstung geben wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Besuch von Erich Honecker ist ein Beweis dafür, daß in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit die ideologischen Feindbilder stark abgebaut werden konnten. Die fortschreitende Anerkennung der DDR als eigenständiger Staat wäre sonst nicht möglich gewesen.
    Doch Feindbildabbau und Demontage des Antikommunismus sind Gift für die NATO. Militärblöcke und blocküberwindende Kooperation sind wie Feuer und Wasser. Deutsch-deutsche Kooperation um ihrer
    selbst willen ist restaurativ und nationalistisch. Preußischer Präsentiermarsch und die Herzlichkeit des Kommunisten mit den Großkapitalisten und Franz Josef Strauß löst unvermeidlich besorgte Fragen überall in der Welt aus.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Deutsch-deutsche Zusammenarbeit ist nur als konkreter und dauerhafter Beitrag zur Abrüstung und zum Frieden in Europa akzeptiert und für uns legitimiert.
    Eine neue Friedenspolitik in Europa muß eine größere Distanz zur US-Politik finden, weil Washington weltweit eine kriegsträchtige Politik betreibt. Ein Land, das die Teilnahme an der UN-Konferenz über Rüstung und Entwicklung mit der Begründung ablehnt, beides habe nichts miteinander zu tun, ein Land das jahrelang den Golfkrieg schürt, um sich dann als Feuerwehrmann rufen zu lassen, ein Land, das Kapital aus der ganzen Welt aufsaugt, um es u. a. für eine Wahnsinnsrüstung, wie SDI, zu vergeuden, dieses Land kann nicht Partner für eine friedliche Politik des neuen Denkens sein.
    Feindbildabbau genügt nicht. Wir müssen auch ein krankhaftes Freundbild korrigieren. Auch die deutsch-französische Freundschaft darf nicht für das Wettrüsten mißbraucht werden.
    Eine Doppel-Null-Lösung wäre — ganz anders, als es Herr Genscher soeben gesagt hat — ein Beleg dafür, daß der sektorale und regionale Abrüstungsansatz Erfolgschancen hat. Denn dieser Prozeß ging vom Regionalen aus. Deshalb ist es unverantwortlich, daß die Bundesregierung jetzt wiederum keine Zugeständnisse bezüglich eines atom- und chemiewaffenfreien Korridors gemacht hat. Das ist ein richtiger Ansatz, weil er auch keine deutsch-deutsche exklusive Maßnahme ist, sondern die CSSR einbezieht und dadurch vor Ängsten vor deutschen Sonderwegen schützt. Diese Verweigerung ist verantwortungslos und auch dumm, weil Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und der Regierung — auch Herr Genscher — , auf Dauer dem gemeinsamen Druck von eigener Bevölkerung und den sozialistischen Staaten auch diesmal nicht werden widerstehen können.
    Selbstverständlich gilt es, einen Wettbewerb mit der DDR zu betreiben. Im Rahmen dieses Wettbewerbs ist auch zu fordern, daß in der DDR endlich der Zivildienst für Kriegsdienstverweigerer eingeführt wird. Das ist eine Forderung, die wir mit Nachdruck erheben: als Zeichen dieser neuen Kooperation.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP])

    Wir fordern von der Bundesregierung die Bereitschaft, mit der DDR über entmilitarisierte Zonen zu verhandeln, die Militärhaushalte gemeinsam zu verringern,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Sehr gut!)

    die Zahl der Manöver auf den jeweiligen Territorien drastisch zu reduzieren,

    (Beifall des Abg. Kleinert [Marburg] [GRÜNE])




    Dr. Mechtersheimer
    einen absoluten Atomwaffenverzicht in die Verfassungen beider deutschen Staaten aufzunehmen

    (Beifall der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    und ein gemeinsames Abrüstungsgremium zu schaffen, das die deutsch-deutsche Abrüstungspolitik und Initiativen für den KSZE-Prozeß vorbereitet und koordiniert.
    Darüber hinaus hat die Bundesregierung gerade im Bereich der Kurzstreckenraketen und der taktischen Gefechtsfeldwaffen die Verpflichtung zu einseitigen Abrüstungsschritten. Dazu stehen wir ohne Vorbehalt. So schwer dürfte Ihnen das ja gar nicht mehr fallen. Denn wenn ich Ihre Begründung für den Modernisierungsverzicht richtig verstanden habe, sehen Sie darin ja eine einseitige Vorleistung. Und wenn ich Herrn Dregger in der Sondersitzung am 2. September 1987 richtig verstanden habe, will er ja Atomwaffen auf dieser unteren Ebene prinzipiell nicht mehr haben,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Mißverstanden!)

    von irgendwelchen Restbeständen, die Konzentrationen verhindern, abgesehen. Sie haben wörtlich gesagt: Man kann die Bundesrepublik atomar vernichten, aber nicht atomar verteidigen.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Dregger [CDU/ CSU])

    Das ist ein Wort. Da ist ein Datum gesetzt, von dem man ausgehen kann. Sie sollten deswegen auch den nächsten nuklearen Abrüstungsschritt nicht wieder mit Fisimatenten behindern und von Faustpfändern, Eintrittskarten und sonstigem reden. Wer auf Nuklearwaffen verzichtet, leistet einen befreienden Verzicht.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    Ziel einer neuen mittel- und gesamteuropäischen Abrüstungspolitik muß es sein, das militärische Element in der Sicherheitspolitik immer weiter zurückzudrängen. Die Intensivierung des Handels darf nicht länger von der COCOM-Liste und den SDI-Abkommen behindert werden.

    (Beifall des Abg. Schily [GRÜNE])

    Diese Restriktionen für den Technologietransfer sind ein Herrschaftsinstrument der USA, mit dem diese zum eigenen Vorteil die gesamteuropäische technologische Kooperation behindern wollen.
    Es ist auch zu prüfen, ob nicht eine Teilnahme der sozialistischen Staaten am EUREKA-Programm — auch dazu hat der Außenminister leider nichts gesagt; er hat alle heißen Themen ausgeklammert — in Betracht kommt, weil hier die Chance besteht, gerade dadurch den potentiellen militärischen Mißbrauch, der bei diesem EUREKA-Programm in wesentlichen Teilen droht, zu verhindern.
    Leider hat die Bundesregierung bis heute keine konkrete Antwort auf die bemerkenswerten Vorschläge des polnischen KP-Chefs Jaruzelski gegeben. Er hat unter anderem vorgeschlagen, den Europarat auf die sozialistischen Staaten auszudehnen. Diese Gesamteuropäisierung einiger westeuropäischer
    Einrichtungen scheint ein erfolgversprechender Weg zu sein, um die Blockkonfrontation dauerhaft zu überwinden.
    Zum Haushalt. Der vorliegende Entwurf des Einzelplans 14 ist mit seiner relativ geringen Steigerungsrate nicht Ausdruck eines nachlassenden Aufrüstungswillens, sondern ein Hinweis darauf, wie groß die Probleme des Finanzministers geworden sind. Wenn die investiven Ausgaben diesmal etwas geringer angesetzt sind, dann auch deshalb, weil bei einigen Großprojekten wie Jäger 90 und Panzerabwehrhubschrauber 2 Verzögerungen eingetreten sind. Dieser Verteidigungshaushalt ist von dem ungebrochenen Willen zur militärischen Stärke bestimmt. Die Offensivfähigkeit der Bundeswehr wird weiter gesteigert, die Entwicklung von Waffensystemen zu Schlägen in das sogenannte gegnerische Hinterland, z. B. mit Abstandswaffen, wird forciert. Dieser Haushalt weist nicht die Spur eines neuen Denkens auf. Es sind ja nicht 51,6 Milliarden DM, sondern — mit allen in sonstigen Haushaltsansätzen versteckten Mitteln — 62,9 Milliarden DM. Und wenn man dann noch einen Anteil aus dem Schuldendienst, was ja notwendig ist, hinzurechnet, kommt man auf einen Betrag von 70 Milliarden DM, die dieses Land in einem einzigen Jahr für die sogenannte Verteidigung ausgibt. Damit wird das Wettrüsten in unverantwortlicher Weise forciert. Das ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit im eigenen Land, der weltweiten Armut und der geschundenen Natur eine unglaubliche Verantwortungslosigkeit.
    Mit einer zweistelligen Kürzung dieser Militärausgaben würde die Sicherheit in Mitteleuropa in keiner Weise beeinträchtigt, sondern gefördert werden. Gleichzeitig würde für alle anderen Länder in Europa, in ganz Europa ein Maßstab gesetzt, die Rüstungsausgaben zugunsten der Lösung brennender gesellschaftlicher Probleme endlich umzuschichten.

    (Vorsitz: Vizepräsident Stücklen)

    Diese Regierung hat sich mit ihrem Haushalt, gerade im Bereich des Verteidigungshaushalts, ungeachtet aller Abrüstungsdebatten als das entlarvt, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Regierung der menschenverachtenden Aufrüstung und Kriegsvorbereitung.

    (Rühe [CDU/CSU]: Schämen Sie sich! Das ist unglaublich, was Sie da sagen! Das nehmen Sie zurück! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Wir müssen mit allen parlamentarischen und nichtparlamentarischen Mitteln gegen diese Friedensfeindlichkeit vorgehen, und wir werden das tun.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)