Rede:
ID1102405200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Wimmer: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/24 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 24. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Jahn (Marburg) 1563 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Vogel SPD 1563 a Dr. Waigel CDU/CSU 1576 D Ebermann GRÜNE 1586 B Ronneburger FDP 1590 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 1593 B Dr. Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 1602 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 1602 C Frau Geiger CDU/CSU 1607 C Frau Hensel GRÜNE 1610 B Genscher, Bundesminister AA 1611 D Frau Wieczorek-Zeul SPD 1615 D Wimmer (Neuss) CDU/CSU 1618 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1620 A Frau Seiler-Albring FDP 1622 D Kühbacher SPD 1624 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 1626 D Horn SPD 1632 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 1633 D Dr. Penner SPD 1636 B Möllemann, Bundesminister BMBW 1642 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 1643 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 1646D Dr. Hirsch FDP 1649 B Bernrath SPD 1651 C Engelhard, Bundesminister BMJ 1653 C Dr. de With SPD 1655 B Dr. Wittmann CDU/CSU 1658 D Häfner GRÜNE 1660 D Lüder FDP 1663 C Nächste Sitzung 1664 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1665* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1987 1563 24. Sitzung Bonn, den 10. September 1987 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Bühler (Bruchsal) * 10. 9. Dr. von Bülow 11. 9. Catenhusen 11. 9. Eigen 11. 9. Dr. Feldmann ' 11. 9. Großmann 11. 9. Frau Dr. Hellwig 11. 9. Hoss 11. 9. Irmer 11. 9. Jansen 11. 9. Jung (Lörrach) 11. 9. Lemmrich * 10. 9. Frau Luuk * 11. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11. 9. Rawe 11. 9. Reddemann ** 11. 9. Schäfer (Mainz) 11. 9. Dr. Scheer * 11. 9. Schmidt (München) ** 11. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 9. von Schmude ** 11. 9. Schröer (Mülheim) 11. 9. Dr. Sperling 11. 9. Tietjen 11. 9. Dr. Unland ** 10. 9. Volmer 11. 9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heidemarie Wieczorek-Zeul


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundeskanzler Kohl und auch Außenminister Genscher haben hier gesagt, daß die Verwirklichung der Einheitlichen Europäischen Akte und des gemeinsamen Binnenmarktes die besonderen Ziele der Bundesregierung seien. Der vorliegende Bundeshaushalt widerspricht dieser Behauptung aber eklatant; denn gerade in diesem Bereich ist der Entwurf der Bundesregierung unsolide, unehrlich und ist der Finanzplan bis 1991 reine Makulatur.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das nehmen Sie aber sofort zurück!)

    Ich will das am Beispiel der Leistungen, die nicht für
    die Europäische Gemeinschaft im Haushalt berück-



    Frau Wieczorek-Zeul
    sichtigt worden sind, deutlich machen. Dabei betreibt die Bundesregierung ein unwürdiges Doppelspiel. Sie beschließt nämlich im Rahmen der EG-Ministerräte unter Ausschluß der Öffentlichkeit alles mit. Bei der nationalen Umsetzung aber beruft sie sich dann auf die Beschlüsse der EG, oder sie will von ihnen nichts mehr wissen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Ich möchte mit meinen Ausführungen einen Beitrag dazu leisten, dieses Doppelspiel durchschaubarer und es für die Zukunft schwieriger — hoffentlich unmöglich — zu machen;

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Jetzt gehen Sie aber zu weit!)

    denn die finanzpolitische Doppelmoral der Bundesregierung ruiniert den Haushalt der EG und bürdet damit auch dem Bundeshaushalt massive Folgekosten auf.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sie sind aber nicht durch eine abstrakte Europäische Gemeinschaft verschuldet, sondern sie sind selbst verschuldet durch die EG-Politik dieser Bundesregierung.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Mit Billigung und aktiver Beteiligung der Bundesregierung schiebt die Europäische Gemeinschaft einen riesigen Berg von Ausgabeverpflichtungen vor sich her, deren Einlösung bislang nur durch fragwürdige Finanzierungstricks und Manipulationen hinausgeschoben wurde. Die Finanzprobleme, die im wesentlichen durch höhere Agrarausgaben entstanden sind, wurden bisher nur mühsam durch haushaltstechnische Manipulationen verdeckt. Die Konsequenzen dieser Politik müssen aber die deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen tragen; denn die so entstehenden Haushaltsrisiken der Europäischen Gemeinschaft können ja schließlich nur durch zusätzliche Finanzierungsleistungen der Mitgliedsländer gedeckt werden. Und daran ist die Bundesrepublik mit einem Anteil von rund 28 % beteiligt.
    Das ist — ich wiederhole es — keine Kritik der Institution der Europäischen Gemeinschaft, sondern eine Kritik am Ministerrat, d. h. an den Regierungen und an der Bundesregierung.
    Die SPD-Fraktion weiß, daß wir die Europäische Gemeinschaft auch künftig mit mehr Finanzmitteln ausstatten müssen, damit sie ihre Aufgaben des Ausgleichs zwischen wirtschaftsstärkeren und wirtschaftsschwächeren Mitgliedsländern wirklich leisten und damit sie Selbstbehauptung der Europäer auch wirklich durchsetzen kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen eine starke Europäische Gemeinschaft, und wir wollen den gemeinsamen Binnenmarkt. Das setzt aber voraus, daß auch die Bundesregierung die wirklichen finanziellen Konsequenzen offen darstellt und endlich eine Revision ihrer total verfehlten und gescheiterten Agrarpolitik einleitet.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Verhalten der Bundesregierung jedenfalls, sich hinter der EG zu verstecken, führt dazu, daß die Europäische Gemeinschaft in deh Augen der deutschen Bevölkerung fälschlicherweise als unkalkulierbare, unsinnige Finanzforderungen stellende Behörde oder Zentrale erscheint. Damit wird die EG in den Augen der Bevölkerung abgewertet. Da nutzen dann auch die besten europäischen Sonntagsreden nichts, diesen falschen Eindruck zu korrigieren.
    Dabei bringt die EG gerade der Bundesrepublik Vorteile. Über 60 % der Exporte der Bundesrepublik gehen in die Länder der EG. Unser Leistungsbilanzüberschuß betrug 1986 23 Milliarden DM. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Sonderprogramm zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik, das wir auch wieder ausgleichen müssen dadurch, daß wir der Aufstockung der Strukturfonds der EG für die wirtschaftsschwächeren Länder in der Europäischen Gemeinschaft zustimmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Haushaltstricks und Manipulationen — unter Beteiligung des deutschen Finanzministers — hat der EG-Ministerrat jedenfalls angewandt, um die Lücken des EG-Haushalts 1987 durch einen sogenannten Berichtigungshaushalt zu schließen. So wurde eine Lücke von 9 Milliarden DM schlicht und einfach ins Jahr 1988 verschoben. Diese Probleme haben auch die europäischen Christdemokraten erkannt und kritisiert. Sie haben nämlich im Europäischen Parlament gegen diesen entsprechenden Berichtigungshaushalt gestimmt. Der Kollege Langes (CDU) hat das bei seiner Stimmerklärung deutlich gemacht und vor „Tricks und Haushaltsbasteleien" gewarnt. Dem kann man nur zustimmen.
    Im übrigen an die Adresse des Finanzministers — : hier geht es wieder um die Differenz zwischen Worten und Taten. Was nutzen die besten Worte zur Verwirklichung der Einheitlichen Europäischen Akte und für mehr Rechte des Europäischen Parlaments, wenn in einem derartig unwürdigen Haushaltsverfahren der Finanzminister die schon geringen Rechte des Europäischen Parlaments mit Füßen tritt?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Gipfel der Heuchelei und des Doppelspiels des Finanzministers und der Bundesregierung wird aber beim EG-Haushaltsplan für 1988 deutlich. Finanzminister Stoltenberg hat gestern in der Debatte gesagt, man wisse noch nicht, wieviel Finanzmittel notwendig seien, um die neuen Eigenmittel der EG zu finanzieren. Im übrigen seien sich die zwölf Regierungen in dieser Frage überhaupt nicht einig. Das hat er hier im Bundestag gesagt.
    Im Juni, auf EG-Ebene, war aber für die Bundesregierung alles klar. Beim Gipfel Ende Juni in Brüssel hat sie mit zehn europäischen Regierungen das neue Finanzierungssystem akzeptiert — ausweislich des Bulletins der Bundesregierung. Nur Großbritannien stand abseits. Dieses Übereinkommen wurde im Juni von der Bundesregierung als großer Erfolg gefeiert,



    Frau Wieczorek-Zeul
    von dem Stoltenberg jetzt beim Haushalt nichts mehr wissen will.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dieser feine Herr macht all die Sachen, die Sie hier sagen, Frau Kollegin?)

    — Man möchte es nicht glauben. Aber ich habe in meiner Tätigkeit als Europaabgeordnete noch Schlimmeres erlebt, was Bundesregierungen da vertreten.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist richtig! Bei den früheren Regierungen war es noch viel schlimmer!)

    Im übrigen hat die Bundesregierung im Ministerrat ein Verfahren akzeptiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, das man sich überhaupt nicht vorstellen kann: daß der Haushaltsplan der EG für 1988 nach dem neuen Finanzierungssystem erstellt wird, dessen Verwirklichung aber durch Ratifikation in den nationalen Parlamenten erst Ende 1988, vielleicht sogar erst 1989 zustande kommen wird. Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf gut deutsch: Man weiß bereits, wieviel Kosten entstehen. Nur wie sie finanziert werden sollen, wie sie aufgebracht werden sollen, das sagt man nicht.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dr. Schummelberg!)

    Herr Stoltenberg weiß also längst, was es uns kosten wird. Unterstellt man, daß er beim Gipfel im Juni dieses Jahres einen Zustand der Bewußtlosigkeit hatte, so kann man nur hoffen, daß er bis zum Haushaltsministerrat am 17. September, in einer Woche, das Bewußtsein wiedergefunden hat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Im übrigen weise ich darauf hin, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß eine Einigung über das EG-Haushaltsvolumen in Höhe des jetzigen Vorentwurfs der EG-Kommission bereits jetzt eine Überschreitung der Grenze von 1,4 % der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage bedeutet und eine Ausschöpfung von 1,64 %. Unterstellt man, daß die geltende Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage von jetzt 1,4 % 1988 nur auf 1,6 % aufgestockt würde, so führt das im Bundeshaushalt zu zusätzlichen Ausgaben von mindestens 2 Milliarden DM jährlich. Hierfür sind aber keinerlei Kosten

    (Dr. Apel [SPD]: So ist es richtig!)

    im Haushaltsentwurf 1988 und im Finanzplan bis 1991 eingesetzt.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Unglaublich!)

    Ferner mache ich darauf aufmerksam — das hat Kollege Apel gestern in der Debatte schon getan — , daß die Europäische Gemeinschaft Mehrbelastungen von rund 16 Milliarden DM aus aufgelaufenen Verpflichtungen vor sich herschiebt. Wenn wir das alles morgen bezahlen müßten, brauchten wir eine sofortige Erhöhung der derzeitigen Obergrenze der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage von jetzt 1,4 % auf 2 %, und dies nur, um die bereits aufgelaufenen Kosten decken zu können.
    Bei dieser Haushaltsdebatte zur Außenpolitik steht auch die Europapolitik der Bundesregierung auf dem Prüfstand. Die Europapolitik dieser Bundesregierung — das können wir schon an der finanziellen Seite erkennen — ist unklar, widersprüchlich. Es ist nicht klar, wer sie formuliert und wer sie koordiniert oder ob sie überhaupt koordiniert wird. Das macht deutsche Europapolitik gegenüber unseren Partnern unkalkulierbar. Der Landwirtschaftsminister klammert sich verzweifelt an das System der Preissubventionierung, während andererseits der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in einer Presseerklärung im Juli dieses Jahres laut darüber klagt, daß im EG-Haushalt 1987 und im neuen Haushaltsentwurf die Mittel für die Entwicklungshilfe gesenkt seien. Das ist eine direkte Konsequenz der Beschlüsse, auch der Agrarministerbeschlüsse vom Juni dieses Jahres. Es ist richtig, je mehr der Agraranteil im EG-Haushalt steigt, um so weniger Mittel sind für die Länder der Dritten Welt vorhanden, zum Beispiel für ein Mittelamerikaprogramm, das den Frieden in der dortigen Region abzusichern versucht, was dringend notwendig wäre.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP])

    Aber wo ist die Koordinierung zwischen diesen beiden Positionen? Jedenfalls würde sich der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär am besten an den eigenen Agrarminister wenden, der sich seit Monaten weigert, sich an den Agrar-Reformplänen der EG-Kommission und des Rates auch nur zu beteiligen — mit dem Ergebnis, daß sich die Bundesregierung vor dem Europäischen Gipfel in die absolute Isolation manövriert hatte und die Pläne zur Agrarreform völlig an ihr vorbeiliefen.
    Wenn die Bundesregierung die deutsche EG-Ratspräsidentschaft ab 1. Januar 1988 wirklich nutzen will, muß sie wichtige Korrekturen ihrer eigenen Politik vornehmen. Sie muß endlich die deutschen Interessen in und an der EG richtig gewichten. Da heißt es, Worte und Taten wieder in Zusammenhang bringen und die Widersprüche dazwischen aufheben.
    Bundeskanzler Kohl hat heute morgen gesagt: Wir sind für den Vorrang des Binnenmarktes. In der Praxis widersetzt sich aber die Regierung des Industrielandes Bundesrepublik den konkreten Vorschlägen der EG-Kommission zur Reform der Agrarpreispolitik,

    (Dr. Ehmke [Bonn [SPD]: Leider!)

    obwohl genau dieser Irrsinn der Agrarpreissubventionierung die EG und damit die Verwirklichung des Binnenmarktes zu sprengen droht. Vom gemeinsamen Binnenmarkt aber profitieren gerade die Industrie-Exporte der Bundesrepublik.
    Worte und Taten, dazu kann ich viel sagen. Bundeskanzler Kohl sprach heute morgen von der „Umweltgemeinschaft", die die Regierung auf EG-Ebene anstrebe. Gleichzeitig weigert sich die Bundesregierung aber, einem EG-Kommissionsvorschlag eines Programms „Arbeitsplätze durch Umweltschutz" zuzustimmen.

    (Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich!)




    Frau Wieczorek-Zeul
    Wer im übrigen das Festhalten an der unsinnigen EG-Agrarpolitik zum obersten Ziel macht, der darf sich nicht wundern, wenn es in der EG beim umweltfreundlichen Auto nicht vorangeht.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung muß meines Erachtens die wirklichen deutschen Interessen in die EG einbringen und die sind: hohe Umweltstandards, eine neue Initiative, die Automobilabgase zu entgiften, was dringend notwendig ist, um den Wald zu retten, und sie muß sich mit aller Kraft dem Versuch widersetzen, die EG-Grenzwerte für Radioaktivität hochzusetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Das sind die Forderungen zu Umweltfragen, deren Erfüllung notwendig wäre.
    Ein letztes: Europa muß mit einer Stimme reden. Das habe ich hier mehrfach gehört. Dem ist voll zuzustimmen. Nur, ich habe erlebt, daß gerade in den Situationen, in denen die elf europäischen Nachbarn bereit waren, mit einheitlicher Stimme zu sprechen, die Bundesregierung gebremst hat — so geschehen bei den Sanktionen gegen Südafrika, so geschehen bei der Ablehnung von SDI. Wer also die einheitliche europäische Stimme verhindert hat, wird sehr deutlich. Auch ein Beitrag zum Widerspruch zwischen Worten und Taten.
    Die Bundesregierung muß den strategisch wichtigen Stellenwert der EG deutlich machen, und ihr Verhalten in der Frage der Benennung des Nachfolgers für den verstorbenen EG-Kommissar Alois Pfeiffer wird dafür ein Test sein. Wird die Position in Brüssel als ein Verschiebeposten im Poker zwischen CDU, FDP und CSU zur vermutlich unmöglichen Ruhigstellung von Franz-Josef Strauß verstanden, oder wird sie als eine wichtige Möglichkeit zur Gestaltung europäischer und deutscher Innenpolitik verstanden?

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das Letztere ist der Fall!)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine offene innenpolitische Diskussion über die Chancen und Begleiterscheinungen des großen EG-Binnenmarktes. Der große Gemeinsame Markt wird für die Bundesrepublik wie ein riesiges Konjunkturprogramm wirken. Es muß aber auch klar werden, daß die Vollendung des Binnenmarktes nicht Aushöhlung des Mitbestimmungsrechts in der Bundesrepublik oder Senkung bestehender Standards im Lebensmittelrecht oder beim Verbraucherschutz bedeuten darf.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Fraktion fordert die Bundesregierung auf: Schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, daß die EG wirklich funktionieren kann, daß sie genutzt werden kann! Machen Sie Schluß mit der verschleppten Finanzkrise! Verwirklichen Sie eine neue EG-Finanzordnung, und widersetzen Sie sich nicht länger einer sinnvollen und vernünftigen Reform der EG-Agrarpolitik!
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer (Neuss).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Wimmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Verteidigungshaushalt 1988 wird ein von Sparsamkeit geprägter Gesamthaushalt zugrunde liegen. Dies ändert nichts an der Tatsache, daß ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen kann. Rückblickend kann gesagt werden, daß seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Koalition der Mitte die Bundeswehr eine beachtliche Stärkung erfahren hat. Dies ist an den Verteidigungshaushalten seit dem Jahre 1983 deutlich abzulesen. Dies wird der Verteidigungsminister in einer eindeutigen Leistungsbilanz hier noch vortragen.
    Unter dieser Bundesregierung konnte seit 1983 in der Bundeswehr wieder seriös geplant werden, konnten notwendige Entscheidungen getroffen, Strukturen verbessert, die Personallage optimiert und die sozialen Belange der Soldaten in den Vordergrund gerückt werden.

    (Zuruf von der SPD: Schön wär's!)

    Ausbildung und Ausrüstung haben einen hohen Standard. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine beachtliche Bilanz. Sie gewinnt besonderen Stellenwert, wenn man an Hand der Beschlüsse der SPD erkennt, daß sie nicht bereit gewesen wäre, ausreichende Finanzmittel für unsere Verteidigung bereitzustellen. Die SPD hätte seit 1983 den Anteil des Verteidigungshaushalts am Gesamthaushalt eingefroren. So ihre eindeutige Beschlußlage.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Den Anteil, aber nicht die Summe!)

    Sie hätte sich somit der Möglichkeit beraubt, mit Haushaltsmitteln anstehenden Problemen — flexibel — gerecht zu werden. Bei einer solchen Grundhaltung verwundert es nicht, daß diese Koalition seit 1983 kontinuierlich Probleme bewältigen mußte, die die SPD-geführte Bundesregierung bis 1982 unerledigt vor sich hergeschoben hatte.
    Die Bundeswehr in der derzeitigen personellen und materiellen Ausstattung ist ein gewichtiger Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit des westlichen Bündnisses. Das liegt in unserem Interesse und muß so bleiben, bis allseits befriedigende Abrüstungsschritte in Europa mit dem Ergebnis größerer Sicherheit vereinbart sind.
    Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist gewiß mit dem Beginn der Mandatsgespräche über eine konventionelle Rüstungskontrolle in Europa getan. Jedoch wäre es illusionär, zu glauben, der beschrittene Weg sei kurz und das Ziel schnell zu erreichen. So muß unsere Politik weiterhin darauf ausgerichtet sein, unsere Sicherheitsbelange nicht an Wunschvorstellungen zu orientieren, sondern an Fakten. Die sind klar. Das westliche Verteidigungsbündnis sieht sich in Europa einem sowohl konventionell als auch chemisch als auch nuklear weit überlegenen Gegner gegenüber. Unterstrichen wird diese Überlegenheit durch eine offensiv ausgerichtete Militärdoktrin. Jenseits möglicher Abrüstungsergebnisse in Europa



    Wimmer (Neuss)

    würde ich mir schon heute wünschen, wenn die Sowjetunion ihrer offensiven Militärdoktrin abschwören würde. Was hindert die UdSSR eigentlich daran, für ihre Verteidigung das zu erklären, was auch unsere Politik ist? Warum plant sie ihre Verteidigung statt auf unserem nicht auf ihrem eigenen Boden? Das wäre eine wirklich vertrauensbildende Maßnahme, die wir immer wieder einfordern müssen, solange die UdSSR ihre heutige offensive Option uns gegenüber aufrechterhält.
    Die Außenminister der NATO haben am 12. Juni dieses Jahres anläßlich der Ministertagung des Nordatlantikrates in Reykjavik erklärt, daß schwerwiegende Ungleichgewichte auf konventionellem, chemischem und nuklearem Gebiet und der anhaltende Aufwuchs der sowjetischen Stärke für uns weiterhin Anlaß zur Sorge seien. Sie erklärten weiter, daß „in einer Zeit, in der bedeutende Reduzierungen von Kernwaffen möglich erscheinen" , der konventionellen Stabilität eine wachsende Bedeutung zukommt.
    Wir befinden uns also in einer Zeit, in der anstehende Abrüstungsmaßnahmen für einen Teil der nuklearen Waffen in Europa die Sorgen um unsere Sicherheit nicht vermindern, weil dann das Übergewicht des Warschauer Paktes bei den konventionellen Waffen noch weiter erhöht würde. Der anhaltende Aufwuchs der sowjetischen militärischen Stärke gerade bei diesen verbleibenden Waffen, ist ohnehin nicht zu übersehen. Das bedeutet nichts anderes, als daß die ins Auge gefaßte Abrüstung nuklearer Waffen in Europa so lange dem Warschauer Pakt zusätzliche militärische Vorteile bringt, wie er nicht, insbesondere im konventionellen Bereich, zu asymmetrischen Abrüstungsschritten bereit ist. Oder anders formuliert: Dem kühnen vertrauensbildenden Schritt der westlichen Allianz bei der nuklearen Abrüstung muß bei den verbleibenden Waffen ein adäquater Schritt des Warschauer Paktes folgen, soll unsere Sicherheit keinen unübersehbaren Risiken ausgesetzt werden.
    Legen wir die Erfahrungen der MBFR-Verhandlungen zugrunde, die seit 1973 laufen, so ist leicht abzusehen, wieviel Zeitaufwand für die ungleich schwierigeren Verhandlungen über konventionelle Rüstungskontrolle vom Atlantik bis zum Ural nötig ist. Die Konsequenzen dieser Erfahrungen erscheinen klar: Der wachsenden Bedeutung der konventionellen Streitkräfte in Europa wird die NATO Rechnung tragen müssen, soll die Verteidigungsfähigkeit eine glaubwürdige Abschreckung erzielen. Dieser Schlußfolgerung wird man sich schwerlich entziehen können, solange militärische Stabilität als eine Grundbedingung für die Sicherheit erachtet wird.
    Der Herr Kollege Bahr hat am 2. September 1987 an dieser Stelle für die SPD die Meinung vertreten, die Illusion sei tot, Sicherheit durch Demonstration der Stärke zu erzielen. Weiter meinte er, das System der gemeinsamen Sicherheit werde künftig getestet. Diesem Test müßten sich die Sowjetunion und die DDR ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland unterziehen. Ich sage darauf: Wer die Sicherheit des anderen achten will, muß militärische Übergewichte abbauen. Wer Vertrauen schaffen will, muß mit Wort und Tat seine militärischen Planungen defensiv ausrichten. Wer Gemeinsamkeit will, der muß nachprüfbar „ja" sagen zu gemeinsamen Spielregeln.
    Von der Gemeinsamkeit, von der Herr Kollege Bahr gesprochen hat, gibt es also kaum eine Spur, nur eines vielleicht: die berechtigte Sorge, daß sich die mit großem Aufwand vorangetriebene Vorrüstung der Sowjetunion doch gelohnt haben könnte, wie das eben bei den üblichen Tauschgeschäften der Abrüstungsverhandlungen ist, bei denen man nur etwas erhält, wenn man zu geben imstande ist.
    Der Herr Kollege Bahr hat sich den falschen Adressaten ausgesucht, als er, auf die Bundesregierung gemünzt, von dieser Stelle aus der Sicherheit durch Demonstration der Stärke eine Absage erteilte.
    Meine Damen und Herren, wenn wir vor dem Hintergrund des hier Geschilderten den Verteidigungshaushalt für das Jahr 1988 betrachten, können wir eindeutig feststellen, daß die Bundeswehr ihren Auftrag gut erfüllen kann. Betrachten wir jedoch die mittelfristige Finanzplanung und gleichzeitig die auf die Bundeswehr zukommenden Probleme, so muß eindeutig, präzise kalkuliert werden. Herr Kollege Apel, Sie wissen, wovon ich rede,

    (Dr. Apel [SPD]: Fehlt nun Geld oder muß da noch was hinzu? Wie ist das nun?)

    um so mehr, als auch in Zukunft ausreichende Mittel veranschlagt werden, um für die kommenden Jahre erstens die personelle Einsatzbereitschaft sicherzustellen, zweitens die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr zu erhöhen,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie müssen den Minister auswechseln!)

    drittens die immer wieder geforderte Stärkung der konventionellen Verteidigungsfähigkeit und viertens die Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte zu gewährleisten.
    Ich halte es nicht für ungefährlich, wenn hier unseren Gegnern am Verhandlungstisch gleichermaßen wie unseren westlichen Verbündeten falsche Signale gegeben würden. Wer im Bündnis ein wichtiger Partner sein will — das wollen wir wohl — , befindet sich in einer Vorbildfunktion. Wer ein schlechtes Vorbild abgibt

    (Zuruf von der SPD: Wie der Kanzler! — Heiterkeit bei der SPD)

    — es spricht die SPD, die das zwölf Jahre unter Beweis gestellt hat — , trägt nicht zur Stärkung des Bündnisses bei. Wir alle wissen ganz genau, daß die unverzichtbare Anwesenheit des Hauptverbündeten in Europa und der Grad seiner Präsenz von dem Engagement der Europäer im Bündnis selbst abhängt. Wir müssen ernst nehmen, was gesagt wird, weil wir unsere Sicherheit ernst nehmen müssen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sicherheit ist teuer. Es gibt sie nicht zum Spartarif.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)