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ID1102309900

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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Charlotte Garbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Der Bundeskanzler hat sich dieses Mal einen in der Sache nicht inkompetenten Umweltminister nach Bonn geholt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Der Minister hat zwar einige umweltpolitische Leichen in seinem Land zurückgelassen — z. B. die Kläranlagen der BASF mit ihrem Verdünnungsschwindel — , aber dennoch: Er besitzt einige Qualifikationen für sein Amt, und wenn es nur das publikumswirksame Staksen im Wattenmeer ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kuhlwein [SPD]: Hoffentlich hat er keine Wattwürmer zertreten!)

    Aber die verbale Kompetenz des Ministers hat bedauerlicherweise im Bundeshaushalt 1988 nicht den nötigen sachlichen Niederschlag gefunden. Die Haushaltsansätze für die Maßnahmen des Umweltschutzes und der Umweltvorsorgepolitik bleiben zugeschnitten auf das umweltpolitische Format ihres Vorgängers, Herrn Wallmanns. Der Bundeskanzler hält sein professorales Aushängeschild viel zu kurz. Sie, Herr Töpfer, haben es nicht vermocht, im Haushalt entsprechende Akzente für die Zukunftsaufgabe Ökologie zu setzen.
    Lächerlich 483 Millionen DM für die originären Aufgaben des Umweltministers stehen in dem Etat zur Verfügung. Natürlich registrieren wir, daß in den Etats anderer Ressorts Beträge für Umweltschutzmaßnahmen mit umweltverbessernder Wirkung — wie es heißt — enthalten sind, sogar im Verteidigungshaushalt, und zwar stattliche 600 Millionen DM. Da darf ein Panzer erst alles umwälzen, und dann kommt die Bäumchen- und Blumenpflanzaktions-Kolonne. Oder da wird das Hydrauliköl in einen Fischteich abgelassen, und wenn das Öl dann entfernt wird, heißt das Umweltschutzmaßnahme.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn man sich im Vergleich zum Umweltschutzetat den Verteidigungshaushalt anschaut, dann muß man zwangsläufig zu der Frage kommen: Ist denn für
    Sie, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, die Bedrohung durch den „bösen Russen" mehr als hundertmal größer als die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen? Auch ich frage: Haben Sie denn immer noch nicht begriffen, in welch gefährlicher Lage wir uns befinden?
    Nirgendwo sterben Tier- und Pflanzenarten in der Geschwindigkeit aus wie in Mitteleuropa. Säuglinge dürfen wegen der Schadstoffbelastung der Muttermilch nur noch vier Monate gestillt werden. Mehr als 40 % der Menschen in der Bundesrepublik weisen Allergien auf. Die Kontamination unseres Lebensmittels Nr. 1, des Trink- und Grundwassers, ist inzwischen ein flächenhaftes Problem geworden. Der Berg ruft nicht mehr, sondern er kommt gleich selber.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Man forscht noch immer nach der Ursache des Waldsterbens, während nun ganz neuartige Waldschäden beklagt werden und die Laubwälder schlagartig und flächenhaft absterben.
    Anstatt die 51,6 Milliarden DM des Verteidigungshaushalts plus 17 Milliarden DM, versteckt in anderen Haushaltsplänen, gegen den Feind im Osten auszugeben, wäre es da nicht an der Zeit, hier im eigenen Land endlich einmal mit Glasnost und Perestrojka zu beginnen? Statt Horchposten im All sollte diese Regierung lieber Posten im Grundwasser stationieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Hatten Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, bei den Koalitionsvereinbarungen nicht von gläsernen Abflußrohren gesprochen? Mir ist es so. Nun hat die Hansestadt Hamburg im Bundesrat einen Antrag auf Offenlegung der Umweltdaten eingebracht. Dieser wurde von den CDU-Ländern abgelehnt. Im Bundeshaushalt ist das Programm „gläserne Abflußrohre" auch nicht verankert. Soviel ist demnach von all den Versprechungen dieser Bundesregierung zu halten.
    Wo hat der Minister Stoltenberg das Sofortprogramm haushaltsmäßig abgesichert, um z. B. den Hauptverschmutzern der Nordsee endlich das Handwerk zu legen? Fast die Hälfte der Nordseeverschmutzung kommt über die Flüsse aus der Bundesrepublik. Sie haben es heute sicherlich in der Zeitung gelesen: Schwermetalle im Rhein stark angestiegen. Wann gibt es endlich die dritte Reinigungsstufe für Kläranlagen an den Flüssen, wie es am Bodensee längst realisiert ist? Wie sieht es mit einem Elbsanierungsprogramm aus? Fehlanzeige. Müßte es nicht das Ziel dieser Bundesregierung sein, schleunigst die krebserregenden Altstoffe ausfindig zu machen und dazu die schon bekannten krebserregenden Stoffe endlich zu verbieten?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bereits jetzt finden sich überall die giftigen Pestizide im Grundwasser wieder. 7 Milliarden DM müßten für ein Sofortprogramm zum Schutze des Grundwassers nach Aussagen der Fachverbände eingesetzt werden. Wo ist der Ansatz im Bundeshaushalt? Wie wäre es mit einem Qualifizierungsprogramm für die Gewerbeaufsicht? Wie wäre es mit einem einheitlichen Giftmüllprogramm mit soliden sicheren Zwi-



    Frau Garbe
    schenlagern, um den Giftmüllnotstand erst einmal etwas abzumildern? Die Altlastensanierung — das wurde schon angesprochen — wird nach Schätzung des Umweltbundesamtes ca. 17 Milliarden DM kosten. Wer wird das bezahlen: die Kommunen, der Bund, die Länder? Natürlich werden Sie sagen: Alles keine Bundesaufgabe! Aber, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, wie heute schon mehrfach gesagt, mit Ihren Finanz- und Steuerbeschlüssen nehmen Sie den Ländern und Gemeinden die Mittel weg, die dort für die Altlastensanierung und noch für andere drängende Umweltschutzaufgaben eingesetzt werden müßten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was aber tut die Bundesregierung? Herr Schäfer hat darauf hingewiesen: Die Bundesregierung hat noch nicht einmal die nötigen Mittel im Haushalt eingesetzt, um die militärischen Altlasten, die Umweltsünden der Kampfstoffproduktion des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Die Sanierungsmaßnahmen für einen einzigen Standort, zum Beispiel Hessisch Lichtenau, lassen allein zwei- bis dreistellige Millionenbeträge erwarten. Die in diesem Zusammenhang notwendig gewordene Umstellung der Trinkwasserversorgung kostete mehr als 10 Millionen DM.
    Meine Herren und Damen, Sie haben sicher mitgerechnet: Da liegen wir mit dem Etatansatz für das Beseitigen des Umweltschmutzes für das Jahr 1988 schon weit im Minus.
    Nun zu einem anderen Thema. Jede Pommesbude hat einen Entsorgungsnachweis für ihre Abfallstoffe vorzulegen, ehe sie ihre Frittenproduktion in Gang setzen darf; die Bude würde sonst ganz schnell wieder dichtgemacht. Nach dieser Rechtslage arbeiten alle Atomkraftwerke in der Bundesrepublik illegal.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es gibt keine sogenannte Entsorgung für Atomkraftwerke, und der gesetzlich vorgeschriebene Entsorgungsnachweis wird schon lange nicht mehr eingehalten.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Leider wahr!)

    Wer dennoch Genehmigungen für Atomkraftwerke erteilt und die bestehenden weiter in Betrieb läßt, handelt gegenüber uns und nachfolgenden Generationen in einer verantwortungslosen Art und Weise, die ihresgleichen sucht.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    An den Entsorgungsruinen wird weitergebastelt. Ungefähr 500 Millionen DM sind im Haushalt für sogenannte Endlagerkapazitäten veranschlagt worden. Wider bessere Vernunft wird in Gorleben weiter ausgeschachtet, obwohl keine Chance mehr besteht, einen Eignungsnachweis für den Standort zu liefern. Trotz dieser Erkenntnis werden weiterhin Mittel vergeudet, und damit wird der Weg in die Nutzbarmachung von Zukunftsenergien verbaut. Meine Herren und Damen, Ihr Engagement für die intelligente Nutzung von Sonne und Wasser, von Wasserstoff, der Energie der Zukunft, ist noch nicht zu erkennen.
    Vielleicht entsinnen Sie sich noch: Die GRÜNEN haben Ende 1986 eine Studie für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vorgelegt, und die GRÜNEN haben im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen in verschiedenen Anträgen für einen ökologischen Nachtragshaushalt, für eine ökologische Wirtschaftsordnung, für die Förderung des ökologischen Landbaus und für ein Notprogramm zur Schutzwaldsanierung der Alpen — um nur einiges zu nennen — aufgezeigt, wie eine ökologische Wende in Gang gesetzt werden könnte. Eine Umweltschutzoffensive — der Herr Kollege Roth hat es angesprochen — wie die Aufbauoffensive nach dem Zweiten Weltkrieg wäre hier völlig richtig.
    Sie, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, haben die Herausforderung, unser Überleben zu sichern, noch nicht begriffen. Dafür werden Sie sich eines Tages rechtfertigen und verantworten müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Mit Herrn Töpfer an der Spitze versuchen Sie, den Bürgerinnen und Bürgern weiszumachen, Sie täten genügend für den Umweltschutz und betrieben Umweltschutzvorsorgepolitik. Kunstvoll wird die Untätigkeit kaschiert. Herr Töpfer, Sie machen damit dem Verpackungskünstler Christo alle Ehre, aber im negativen Sinne: Keiner kann so richtig hinter die Kulissen schauen.
    Es wird erst einmal geglaubt, wenn Herr Töpfer sagt: 1990 hören wir mit der Seeverbrennung von Giftstoffen auf. Wer weiß denn schon, daß der Umweltminister Ende August mit den Leuten vom Ocean Combustion Service — das sind die Leute, die das Verbrennungsgeschäft betreiben — abgemacht hat, daß die Nordseeverschmutzung durch den Betrieb der Verbrennungsschiffe bis 1995 weitergehen wird?

    (Zurufe von den GRÜNEN: Ach nee!)

    Wer hätte denn je erfahren, daß hochtoxischer Giftmüll mittels Personenfähren nach England transportiert wird, wenn nicht der beklagenswerte Umstand des Untergangs der „Herald of Free Enterprise" eingetreten wäre? Es gehen große Teile des Giftmülls u. a. nach England, sicherlich weil die Briten den Sondermüll billiger beseitigen als andere. Nun wissen wir aber, daß die Engländer vom Umweltschutz nicht so sehr viel halten. So werden nicht nur radioaktive Stoffe ins Meer geleitet, sondern auch chemische Abfälle. Das ist die Umweltvorsorgepolitik à la Töpfer! Das ist Giftverschiebepolitik!

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Herren und Damen, der ganze Giftmüllbereich stinkt zum Himmel, und es ist im Haushalt für diesen Bereich keine Wende zu erkennen. Und dann spricht diese Regierung von „Schöpfung bewahren" und „Umweltvorsorgepolitik" !

    (Stratmann [GRÜNE]: Skandalös!)

    Was bleibt, ist die Tatsache, daß die Bundesregierung offensichtlich nicht wahrhaben will, daß Umweltschutz eine globale Herausforderung ist, die — Hans-Peter Dürr, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik, charakterisierte es so — ähnlicher An-



    Frau Garbe
    strengungen bedürfte wie ein SDI-Programm. Nun hat diese Regierung mit der Beteiligung an SDI den Anfangsbuchstaben zusätzlich noch die Forderung entnommen: Schützt die Industrie — SDI. Das bedeutet leider aber immer noch eine Kampfansage an Natur und Menschen — was allerdings nicht so sein müßte.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Herren und Damen, wir GRÜNEN wollen ein SDN-Programm, ein „Schützt die Natur"-Programm, und fordern alle Kräfte guten Willens auf, im Interesse der Überlebensmöglichkeiten für uns, unsere Kinder und Kindeskinder bei der Verwirklichung dieses Programms mitzuhelfen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Segall.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Inge Segall


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Vorschläge für den Haushalt des Bundesumweltministeriums, insbesondere die vorgesehene Personalaufstockung, machen deutlich, daß es sich hier um ein noch sehr junges Ministerium handelt, das für einen außerordentlich wichtigen und immer bedeutender werdenden Aufgabenbereich zuständig ist. Mit der Einrichtung des Bundesumweltministeriums hat die Koalition schlüssig und schnell auf die Ereignisse nach Tschernobyl reagiert. Eine alte FDP-Forderung, nämlich ein Bundesumweltministerium und einen eigenen Bundesumweltausschuß zu schaffen, ist nun seit länger als einem Jahr verwirklicht.
    Die FDP hat dabei immer betont, daß sie sich für ein starkes Umweltministerium einsetzt. Das bedeutet insbesondere auch, daß dieses Umweltministerium die notwendigen personellen und sachlichen Mittel erhalten muß, um so erfolgreich wie nur irgend möglich im Interesse der Umwelt zu arbeiten.
    Das neue Umweltministerium war die folgerichtige Konsequenz der Umweltpolitik, die wir zu Beginn der siebziger Jahre eingeleitet haben und die zunächst zur Einrichtung einer Abteilung Umwelt im Bundesinnenministerium und zur Errichtung des Umweltbundesamtes geführt hat.
    Für die FDP begrüße ich ausdrücklich, daß die personelle Situation im Umweltministerium durch insgesamt 40 neue Stellen erheblich verbessert wird. Die Belastung gerade dieses Ressorts war bisher sehr groß. Auch mit den neuen Stellen werden die Mitarbeiter in diesem Haus weiterhin besonders gefordert sein, zumal sie auch mit einer Flut von vielen, zum Teil leider nicht immer besonders sinnvollen Anfragen seitens der Opposition überschüttet werden.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Die Aufstockung des Umweltbundesamtes um insgesamt sechs neue Stellen erscheint jedoch im Hinblick auf die Fülle von Aufgaben, die das Umweltbundesamt wahrnimmt,

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Zu wenig!) zu gering.


    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Jawohl!)

    Der Jahresbericht des Umweltbundesamtes 1986, vor wenigen Wochen vorgelegt, hat erneut in eindrucksvoller Weise belegt, wie wichtig die dort geleistete Arbeit für Gesetzgeber, Ministerien, aber auch für Industrie, Länder, Kommunen und Privatpersonen ist. Ebenso wie dem Umweltministerium werden auch dem Umweltbundesamt immer wieder neue Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes zugewiesen, für die es Lösungen oder Hilfestellungen leisten soll.
    Nicht zuletzt werden Umweltministerium und Umweltbundesamt, insbesondere durch die äußerst anspruchsvollen und außerordentlich detaillierten Koalitionsvereinbarungen zum Umweltbereich, erheblich gefordert. Zudem sind im Vergleich zu anderen Ressorts, auch im Vergleich zu nachgeordneten Bundesbehörden, die hier angesprochenen Ressorts bzw. Behörden personell bei weitem nicht so stark ausgestattet, wie dies angesichts der Bedeutung der Materie wünschenswert wäre.
    Die Erläuterungen zu dem Einzelplan 16 machen deutlich, welche fachlichen Arbeitsschwerpunkte für 1987 und 1988 von der Regierung gesetzt werden und welche weitere Fülle von Arbeit auf Exekutive und Legislative zukommt.
    Wie der Präsident des Umweltbundesamtes, Dr. von Lersner, in seinem Vorwort zum Jahresbericht 1986 ausführt, ist die Bundesrepublik Deutschland im Umweltschutz auf Grund ihrer Lage in der hochindustrialisierten Zone Mitteleuropas und an der Grenze zwischen West und Ost besonders stark gefordert. Stärker denn je müssen wir Umweltthemen nicht nur national, sondern in ihrer ganzen internationalen Dimension behandeln und betreiben.
    Der neue Jahresbericht ist in der Tat eine Fundgrube für alle Beteiligten. Er gibt ungemein wichtige Informationen, Anregungen und Hinweise für Politiker und Verwaltung, für Industrie und Bürger. Aber wenn man diesen Jahresbericht liest, so darf man nicht nur einseitig das lesen, was noch an Defiziten in der Umweltpolitik beschrieben wird. Natürlich zeigt er wichtigen Handlungsbedarf in vielen Bereichen auf. Er zeigt aber auch auf, daß wir in unserer Umweltpolitik auf dem richtigen Wege sind. Wie auch der Präsident des Umweltbundesamtes ausdrücklich feststellt, war das vergangene Jahr ein Jahr erfreulicher Fortentwicklung des Umweltrechts, da nahezu alle wichtigen Umweltgesetze novelliert und damit aktualisiert wurden.
    Die Hinweise des Umweltbundesamtes bezüglich der Emissionsentwicklung bis 1995 sind beachtlich. Dabei ergibt sich bis 1995 eine deutliche Senkung der betrachteten Schadstoffemissionen, insbesondere von Schwefeldioxid und Stickoxid im Kraftwerksbereich, eine Reduzierung, die — so das Umweltbundesamt wörtlich — zwischen 1984 und 1995 jeweils 70 %, bezogen auf das Jahr 1984, betragen dürfte. Zudem hat das Bundesamt berechnet, daß die ermittelten Emis-



    Frau Dr. Segall
    sionsreduzierungen bei stationären Quellen nahezu ausschließlich auf die getroffenen Regelungen für Altanlagen zurückgehen. Dies ist gerade im Hinblick auf die internationale Diskussion von besonderer Bedeutung, weil andere Staaten strenge Umweltanforderungen oft nur für neue Anlagen fordern oder durchsetzen.
    Im Zusammenhang mit der Emissionsentwicklung noch ein Wort an SPD und GRÜNE: Der Jahresbericht des Umweltbundesamtes bestätigt die Auffassung der FDP eindeutig. Die insbesondere aus der Großfeuerungsanlagen-Verordnung erwartete Emissionsminderung würde durch einen Verzicht auf Kernenergie teilweise wieder rückgängig gemacht. Eine Abschaltung der zur Zeit weltweit betriebenen Kernkraftwerke würde die Kohlendioxidemission aus der dann zu erwartenden verstärkten Verfeuerung fossiler Brennstoffe weltweit um zirka 5 % erhöhen. Ein weltweiter Verzicht auf Kernenergie, so das Umweltbundesamt, würde zu einem deutlich höheren Anstieg und zu einer wesentlich beschleunigten Ausschöpfung der Ressourcen an fossilen Energieträgern führen. Die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg oder nach einem Ausstieg nach zehn Jahren aus der Kernenergie ist also in Wahrheit eine umweltfeindliche Forderung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Nichts gelernt!)

    Naturschutz und Bodenschutz werden ein weiterer wichtiger Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode sein. Die verstärkte Ausweitung von Schutzgebieten im Interesse des Naturschutzes findet ihren Niederschlag auch in dem entsprechenden Haushaltsansatz, nämlich 10 Millionen DM in 1988. Stärker als bisher müssen wir zur Renaturisierung der Landschaft die ökologische Komponente in der Agrarwirtschaft verstärken. Landwirtschaft und Umweltschutz müssen Partner werden.
    Nach diesen Haushaltsspezifika erlaube ich mir ein paar Worte zu umweltpolitischen Grundsatzfragen; das dürfte im Rahmen einer Haushaltsrede erlaubt sein.
    Wer die Umwelt schützen will, muß die Marktwirtschaft bejahen. Die Richtigkeit dieser These werde ich im folgenden in verschiedenen Bereichen der Umweltpolitik nachweisen.
    Ein erster Nachweis ist geführt, wenn man sich verdeutlicht, wer die ökonomische Hauptlast des Umweltschutzes trägt und — damit wir uns nicht falsch verstehen, meine Damen und Herren — auch tragen soll: die private Wirtschaft. Bund, Länder und Gemeinden sollen finanziell nur insoweit belastet werden, als die konkret zu regelnde Umweltproblematik eine öffentliche Aufgabe darstellt. In erster Linie aber müssen die Verursacher für die Kosten von Umweltbelastungen aufkommen. Wenn jetzt die Kolleginnen und Kollegen der Opposition eine einseitige Verteufelung der Großindustrie erwarten, wie das die SPD und die neue grüne Linke zu tun pflegen, so muß ich diese Erwartung enttäuschen. Nicht nur die Industrie, sondern ebenso der private Endverbraucher belasten die Umwelt.
    Wie bereits gesagt, muß der Verursacher die Kosten tragen. Adressat umweltpolitischer Maßnahmen ist daher auch die gewerbliche Wirtschaft. Sie reagiert sofort und uneingeschränkt auf Marktveränderungen, schon um zu überleben. So sind die Umweltschutzausgaben des produzierenden Gewerbes im letzten Jahrzehnt stärker gestiegen als das Wirtschaftswachstum, ein erster Nachweis dafür, daß die Umwelt nur marktwirtschaftlich geschützt werden kann. Betrachtet man nun etwas detaillierter anstehende umweltpolitische Fragestellungen, so wird noch klarer, daß die Marktwirtschaft den Umweltschutz am besten sichert.
    In den Koalitionsvereinbarungen heben wir hervor, daß freiwillige Verpflichtungen der Industrie ein Mittel des Umweltschutzes sind. Inzwischen ist diese Vorgehensweise vom Markt akzeptiert worden, und die Industrie ist eine Vielzahl solcher Verpflichtungen eingegangen. Zu nennen sind: Verpflichtungen der Asbestindustrie, der Wasserverbände zu gewässerschützenden Maßnahmen, der Lackindustrie und der chemischen Industrie für den Bereich der Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Auf Drängen der FDP konnte die Industrie bewegt werden, bis 1990 die Fluorchlorkohlenwasserstoffe in Spraydosen zu ersetzen. Daß die Industrie so schnell reagiert, beweist einmal mehr, daß bei entsprechender Rahmendatensetzung durch den Gesetzgeber die Marktwirtschaft effektiver ist als staatsdirigistische Maßnahmen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Folglich, Herr Schäfer, ist der Etat des Bundesministeriums für Umwelt auch kein Maßstab für unseren Erfolg im Umweltschutz. Auf die Rahmendatensetzung kommt es an, d. h. auf die Gesetze, nicht auf die Finanzmasse.

    (Beifall bei der FDP)

    Ein weiterer schlagender Nachweis für die Überlegenheit der Marktwirtschaft ist leicht erbracht,

    (Kuhlwein [SPD]: Den ganzen Morgen habe ich gehört, es geht ums Geld, und jetzt sagen Sie: Darauf kommt es gar nicht an!)

    wenn man prüft, welche Länder im Bereich der Umweltforschung und der Technologie führend sind. Die USA, Japan, Schweden, die Schweiz, die Niederlande und die Bundesrepublik sind zu nennen. Vergeblich sucht man Ostblockstaaten. Der Grund ist klar. Ist man im Gegensatz zu den marktwirtschaftlich organisierten Staaten noch nicht einmal in der Lage, uneingeschränkt die Bevölkerung zu versorgen, so bleibt für den Umweltschutz kein Geld mehr übrig.
    Wie katastrophal sich Staatswirtschaft auswirkt und wie nötig daher die Bejahung der Marktwirtschaft ist, möchte ich darstellen.
    In der DDR enthalten nur noch 17 % der Flüsse Trinkwasser. In Polen sind 80 % der Flüsse und Seen irreversibel verschmutzt. Noch erschreckender ist die Belastung der Bevölkerung durch Schwefel.

    (Frau Traupe [SPD]: Gucken Sie doch einmal unsere Gewässer an, Frau Kollegin!)

    In der DDR entwichen 251 Tonnen Schwefel pro tausend Einwohner, d. h. pro Person ein halbes Kilo am Tag. In der Bundesrepublik Deutschland hingegen sind es — wobei ich auch diesen Emissionsumfang



    Frau Dr. Segall
    weiter reduziert wissen möchte — 66 Tonnen Schwefel pro tausend Einwohner, und das, obwohl die DDR eine geringere Industrieproduktion hat. Dieses ökologische Schreckensszenario macht die verheerenden ökologischen Folgen unökonomischer Wirtschaftssysteme deutlich und belegt, daß trotz einiger Mängel unseres Wirtschaftssystems, die ich nicht in Abrede stelle, dennoch allein die Marktwirtschaft ökologische Probleme lösen kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die ökologischen Probleme machen vor Grenzen nicht halt: eine Binsenwahrheit. Anläßlich des in diesen Tagen stattfindenden Besuchs des Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, konnten zwei umweltpolitische Abkommen unterzeichnet werden. Das begrüße ich als einen Schritt in die richtige Richtung, muß aber dennoch kritisch anmerken, daß ich diese Abkommen noch für viel zuwenig halte. Solche Kooperationsabkommen, die allenfalls Know-how-Transfer erlauben, sind nicht geeignet, ostblockspezifische Umweltprobleme zu lösen. Diese sind nur durch das Wirtschaftssystem bedingt und lassen sich daher durch politische Abkommen nur eingeschränkt lösen.
    Nein, meine Damen und Herren, hier ist eine Perestroika der Staatswirtschaft gefordert, von dieser Stelle aus appelliere ich an den Staatsratsvorsitzenden der DDR und an die anderen Ostblockstaaten, eine Perestroika einzuleiten.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist ein bißchen spät! Das hätte der Kanzler machen müssen!)

    Sie ist das einzige Mittel, Umweltprobleme effektiv zu lösen.
    Ich denke, es ist deutlich geworden, daß sowohl national als auch international nur die Marktwirtschaft geeignet ist, Umweltprobleme zu lösen. Dabei sei hier nur am Rande auch auf die ungleich höhere technische Leistungskraft westlicher Wirtschaften verwiesen. Diese Kraft müssen wir nutzen. Wie keine Generation zuvor haben wir viel Verantwortung für die Zukunft, also insbesondere auch für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Umweltpolitik wird daher auch weiterhin für uns alle eine große Aufgabe und Herausforderung sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)