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ID1102309700

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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Paul Laufs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Erstens habe ich nur wörtlich zitiert, was hier von der Opposition behauptet wurde. Und zweitens wird die Wirkung nicht wesentlich, sondern sehr geringfügig herabgesetzt. Insgesamt bleibt der Katalysator die ganz entscheidende Hilfe zur Reduktion der Autoabgase.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es fällt allmählich schwer, über die Molke keine Satire zu schreiben. Dieses verhältnismäßig harmlose Pulver ist zum Inbegriff irrationaler Ängste geworden,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Harmlos?!)

    nachdem nordrhein-westfälische und bremische Behörden, begleitet von hysterischer Berichterstattung in der Öffentlichkeit, das Verladen und Verwerten polizeilich verboten hatten. Zu keiner Zeit bestand oder besteht eine Gefährdung von Mensch und Umwelt durch das Molkepulver. Es ist mit 2 000 bis 7 000 Becquerel pro Kilogramm radioaktiv belastet. Im Vergleich hierzu strahlt der menschliche Körper durch seine natürlichen radioaktiven Stoffe — allerdings insgesamt — mit rund 10 000 Becquerel. Eines steht fest: Das verunreinigte Molkepulver ist kein radiaktiver Abfall und schon gar kein Sondermüll, den man in eine Hochsicherheitsdeponie unter Tage verbringen müßte.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sie müssen sich schämen! — Stratmann [GRÜNE]: Dann saufen Sie doch das Zeug, wenn es so ungefährlich ist! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    — Minister Dick hat es vor der Presse genossen. Es war nicht gut, aber gefährlich war es mit Sicherheit nicht. —

    (Zuruf von den GRÜNEN: Leider hat er nicht alles aufgegessen! — Lachen und anhaltende Zurufe von den GRÜNEN)

    Der Bundesumweltminister hat einen vernünftigen Plan zur Entsorgung ausgearbeitet. Andere Entsorgungswege sind vorstellbar. Jetzt sind Länder und Gemeinden gefordert, an der Lösung mitzuwirken. Von der SPD und von Ihnen, den GRÜNEN, ist allerdings außer schadenfroher Stimmungsmache kein Beitrag zu erwarten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Stimmt doch gar nicht!)

    Soeben hat der Bundesumweltminister eine Zwischenbilanz der Umsetzung des neuen, nun gerade ein Jahr alten Abfallgesetzes gezogen. Die Altölentsorgung hat bereits konkrete Gestalt angenommen. Bei der angestrebten drastischen Verminderung der Schadstoffe im Abfall sowie der zu deponierenden Abfallmengen erwarten wir den Durchbruch noch in diesem Jahr, indem nach Anhörung der beteiligten Wirtschaftskreise befriedigende Ziele festgelegt werden.
    Glas z. B. ist kein Abfall, der auf die Deponie muß. Es kann als Verpackungsmaterial beliebig oft wiederverwendet werden, als Mehrweg- oder RecyclingGlas. Gegenwärtig liegt die Recycling-Quote bei 40 % oder 1,1 Millionen Tonnen jährlich. Diese Menge kann in wenigen Jahren um die Hälfte auf mehr als 1,7 Millionen Tonnen gesteigert werden, wenn das Altglas farbgetrennt eingesammelt wird. Es ist an der Zeit, daß das Altglas überall nach gutem bayerischen Vorbild sortenrein — weiß, grün und braun — in getrennten Behältern der Wiederverwertung zugeführt wird. So entsteht ein geschlossener Kreislauf, der unsere Deponien nicht belastet.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Auf nach Bayern!)

    Ähnlich günstig sind die Voraussetzungen bei der stofflichen oder thermischen Altpapierverwertung oder beim Recycling von Kunststoffen.
    Quer durch die Fraktionen sind wir uns alle darin einig, die regenerativen, umweltverträglichen Energien zu erforschen, zu fördern und zu nutzen. Dem solaren Wasserstoff gehört gegenwärtig große Aufmerksamkeit. Wasserstoff besitzt als Energieträger faszinierende Perspektiven. Seine solarenergetische Erzeugung erfordert jedoch wegen der geringen Energiedichte der Sonneneinstrahlung einen großen Aufwand, so daß der solare Wasserstoff wirtschaftlich noch nicht eingesetzt werden kann.
    Der solare Kohlenstoff dagegen kann bereits heute in der Form von Biobrennstoffen auch wirtschaftlich interessant werden. Geeignete Energiepflanzen können ohne intensive Düngung und Pflanzenbehandlung angebaut und bei der Ernte zu handlichen Briketts oder Pellets verarbeitet werden. Die Energieausbeute pro Hektar liegt für Gerste bei ungefähr 5 000 Liter Heizöl. Elefantengras verspricht eine wesentlich höhere Ausbeute. Bio-Heizanlagen, die eine vollständige Verbrennung und gute Abgaswerte ga-



    Dr. Laufs
    rantieren, sind in der Erprobung. Die erzeugte Energie ist Solarenergie. Die beteiligten Stoffe werden absolut umweltneutral im Kreislauf geführt. Die Bio-Energieerzeugung bietet im übrigen noch den Vorteil, der Landwirtschaft einen neuen großen Markt zu erschließen. Es ist das Verdienst des Kollegen Hermann Fellner, die Erprobung dieser interessanten Möglichkeiten in der Praxis angestoßen zu haben und weiter voranzutreiben.

    (Günther [CDU/CSU]: Bravo!)

    Die Erprobung der Schnelle-Brüter-Technik ist sachlich gerechtfertigt, weil die friedliche Nutzung der Kernspaltungsenergie noch für einige Jahrzehnte unverzichtbar ist.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein!)

    Das ist die Auffassung aller in den Vereinten Nationen vertretenen Staaten, die dies im Dezember 1986 einstimmig zum Ausdruck gebracht haben. Die UNO bezieht ihre Position aus der nüchternen Betrachtung

    (Stratmann [GRÜNE]: Schon was von Dänemark gehört?)

    der Entwicklung des Weltenergiebedarfs, der Umweltprobleme und der Verfügbarkeit anderer Energien.
    Die Nutzung der Kerntechnik in unserem Land ist durch den Nürnberger Ausstiegsbeschluß der SPD zum Gegenstand parteipolitischer Polarisierung geworden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Gott sei Dank!)

    Die tatsächlichen energiepolitischen Zwänge werden langfristig stärker sein als parteipolitische Anpassung an Zeitgeist und Stimmungen. Die SPD wird ihren Ausstiegsbeschluß auf Dauer nicht aufrechterhalten können. Erste Stimmen der Vernunft haben sich bereits vernehmen lassen.
    Die SPD versucht aber — wie gestern wieder in Düsseldorf verkündet — als e i n Exempel auf Nürnberg das nahezu fertiggestellte Kernkraftwerk SNR 300 in Kalkar noch in letzter Minute zu verhindern. Ich warne die SPD, in dieser Sache rechtsstaatliche Grundsätze zu mißachten. Das Atomrecht unterliegt nicht der Disposition von Parteitagen.
    Selbstverständliche Voraussetzungen für die abschließende Genehmigung und Inbetriebnahme des SNR 300 ist, daB alle offenen Sicherheitsfragen geklärt und die erhobenen Bedenken schlüssig ausgeräumt sind.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Schlüssig?)

    Diese Prüfungen können bald abgeschlossen sein. Sie sind in die Hände der besten Sachverständigen gegeben.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Störfälle!)

    Die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung verbreitet ungeachtet der laufenden Untersuchungen seit Monaten ihre negativen Vorurteile. Eine neutrale, an Recht und Gesetz und an naturwissenschaftlicher Erkenntnis orientierte Entscheidung ist also von der SPD-Landesregierung nicht mehr zu erwarten.
    Aus Grundgesetz und Atomgesetz folgt, daß die Betriebsgenehmigung des SNR 300 aus politischen Gründen nicht versagt werden kann. Die Bundesaufsicht darf nicht untätig zusehen, wenn die in Bundesauftragsverwaltung tätige Landesgenehmigungsbehörde in Nordrhein-Westfalen aus sachfremden Gründen eine Genehmigung verzögert oder verweigert. Der Bundesminister wird in diesem Fall Weisungen erteilen und Fristen setzen müssen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Na, na!)

    Da die Bundesbehörde nicht das Recht der Ersatzvornahme hat, könnte die Landesbehörde versucht sein, Obstruktion zu betreiben. Es gehört wenig Phantasie zur Prognose, daß unser Rechtsstaat hier auf schwere Proben gestellt werden könnte.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Siehst du!)

    Die Unionsfraktion unterstützt den Bundesumweltminister nach Kräften, das Genehmigungsverfahren in Kalkar nach Recht und Gesetz voranzubringen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Haben Sie Zweifel an der Landesregierung?)

    Die zunehmende Belastung der Umwelt mit Chemikalien führt dazu, daß der Mensch über die Atemluft, das Trinkwasser und die Nahrung potentiellen Schadstoffen in äußerst starker Verdünnung zwar, aber über lange Zeiträume ausgesetzt ist.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Unser Sicherheitsbedürfnis gegen Erbschäden und Krebserkrankungen ist heute äußerst sensibilisiert. Die Erfassung und die Prüfung von Altstoffen stecken immer noch in den Anfängen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Kein Krebs?)

    Sie müssen beschleunigt werden. Das geltende Chemikaliengesetz norminiert ein zu starres, unzureichendes Prüfmuster. Wir brauchen eine rechtlich abgesicherte Prüfstrategie, die ein problembezogenes flexibles Vorgehen erlaubt und den besten wissenschaftlichen Sachverstand zum Einsatz bringt.
    Die von der Opposition propagierte sogenannte sanfte, naturnahe Chemie und der Ausstieg aus Chemiebereichen wie der Chlorchemie sind keine Alternative.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das haben wir nie gesagt! Bestandteile!)

    Die Vorstellung von einer heilen Natur ist falsch. Die pflanzliche Natur hält die weitaus giftigsten und am stärksten erbgutschädigenden und krebserzeugenden Stoffe bereit.

    (Kuhlwein [SPD]: Schierlingsbecher! Ich sage es ja immer!)

    Deshalb müssen auch die pflanzlichen Arznei- und Wirkstoffe in die Prüfstrategie der Altstoffe einbezogen werden.

    (Kuhlwein [SPD]: Fliegenpilze, das sind die wirklich gefährlichen Stoffe!)

    Wer heute chlororganische Stoffe als naturfremd verteufelt, scheint nicht zu wissen, daß bereits mehr als 700 halogenierte organische Verbindungen natürlichen Ursprungs bekannt sind. Sie sind in der Na-



    Dr. Laufs
    tur allgegenwärtig, von der Meeresalge bis zum Menschen, auch wenn Sie es nicht glauben wollen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Bis zur Grundwasserverseuchung!)

    Unsere politische Aufgabe ist nicht, die chemische Industrie stillzulegen, sondern sie besteht darin, die chronisch toxischen Stoffe zu ermitteln, ihre Verwendung entsprechend ihren Risikoprofilen zu beschränken und, falls erforderlich, zu verbieten.
    Die umweltpolitischen Zielsetzungen der Koalition in dieser Wahlperiode sind hoch. Wir wissen: Die Herausforderung ist groß. Wir nehmen sie an. Unsere umweltpolitische Bilanz 1990 wird sich sehen lassen können.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Garbe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Charlotte Garbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Der Bundeskanzler hat sich dieses Mal einen in der Sache nicht inkompetenten Umweltminister nach Bonn geholt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Der Minister hat zwar einige umweltpolitische Leichen in seinem Land zurückgelassen — z. B. die Kläranlagen der BASF mit ihrem Verdünnungsschwindel — , aber dennoch: Er besitzt einige Qualifikationen für sein Amt, und wenn es nur das publikumswirksame Staksen im Wattenmeer ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kuhlwein [SPD]: Hoffentlich hat er keine Wattwürmer zertreten!)

    Aber die verbale Kompetenz des Ministers hat bedauerlicherweise im Bundeshaushalt 1988 nicht den nötigen sachlichen Niederschlag gefunden. Die Haushaltsansätze für die Maßnahmen des Umweltschutzes und der Umweltvorsorgepolitik bleiben zugeschnitten auf das umweltpolitische Format ihres Vorgängers, Herrn Wallmanns. Der Bundeskanzler hält sein professorales Aushängeschild viel zu kurz. Sie, Herr Töpfer, haben es nicht vermocht, im Haushalt entsprechende Akzente für die Zukunftsaufgabe Ökologie zu setzen.
    Lächerlich 483 Millionen DM für die originären Aufgaben des Umweltministers stehen in dem Etat zur Verfügung. Natürlich registrieren wir, daß in den Etats anderer Ressorts Beträge für Umweltschutzmaßnahmen mit umweltverbessernder Wirkung — wie es heißt — enthalten sind, sogar im Verteidigungshaushalt, und zwar stattliche 600 Millionen DM. Da darf ein Panzer erst alles umwälzen, und dann kommt die Bäumchen- und Blumenpflanzaktions-Kolonne. Oder da wird das Hydrauliköl in einen Fischteich abgelassen, und wenn das Öl dann entfernt wird, heißt das Umweltschutzmaßnahme.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn man sich im Vergleich zum Umweltschutzetat den Verteidigungshaushalt anschaut, dann muß man zwangsläufig zu der Frage kommen: Ist denn für
    Sie, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, die Bedrohung durch den „bösen Russen" mehr als hundertmal größer als die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen? Auch ich frage: Haben Sie denn immer noch nicht begriffen, in welch gefährlicher Lage wir uns befinden?
    Nirgendwo sterben Tier- und Pflanzenarten in der Geschwindigkeit aus wie in Mitteleuropa. Säuglinge dürfen wegen der Schadstoffbelastung der Muttermilch nur noch vier Monate gestillt werden. Mehr als 40 % der Menschen in der Bundesrepublik weisen Allergien auf. Die Kontamination unseres Lebensmittels Nr. 1, des Trink- und Grundwassers, ist inzwischen ein flächenhaftes Problem geworden. Der Berg ruft nicht mehr, sondern er kommt gleich selber.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Man forscht noch immer nach der Ursache des Waldsterbens, während nun ganz neuartige Waldschäden beklagt werden und die Laubwälder schlagartig und flächenhaft absterben.
    Anstatt die 51,6 Milliarden DM des Verteidigungshaushalts plus 17 Milliarden DM, versteckt in anderen Haushaltsplänen, gegen den Feind im Osten auszugeben, wäre es da nicht an der Zeit, hier im eigenen Land endlich einmal mit Glasnost und Perestrojka zu beginnen? Statt Horchposten im All sollte diese Regierung lieber Posten im Grundwasser stationieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Hatten Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, bei den Koalitionsvereinbarungen nicht von gläsernen Abflußrohren gesprochen? Mir ist es so. Nun hat die Hansestadt Hamburg im Bundesrat einen Antrag auf Offenlegung der Umweltdaten eingebracht. Dieser wurde von den CDU-Ländern abgelehnt. Im Bundeshaushalt ist das Programm „gläserne Abflußrohre" auch nicht verankert. Soviel ist demnach von all den Versprechungen dieser Bundesregierung zu halten.
    Wo hat der Minister Stoltenberg das Sofortprogramm haushaltsmäßig abgesichert, um z. B. den Hauptverschmutzern der Nordsee endlich das Handwerk zu legen? Fast die Hälfte der Nordseeverschmutzung kommt über die Flüsse aus der Bundesrepublik. Sie haben es heute sicherlich in der Zeitung gelesen: Schwermetalle im Rhein stark angestiegen. Wann gibt es endlich die dritte Reinigungsstufe für Kläranlagen an den Flüssen, wie es am Bodensee längst realisiert ist? Wie sieht es mit einem Elbsanierungsprogramm aus? Fehlanzeige. Müßte es nicht das Ziel dieser Bundesregierung sein, schleunigst die krebserregenden Altstoffe ausfindig zu machen und dazu die schon bekannten krebserregenden Stoffe endlich zu verbieten?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bereits jetzt finden sich überall die giftigen Pestizide im Grundwasser wieder. 7 Milliarden DM müßten für ein Sofortprogramm zum Schutze des Grundwassers nach Aussagen der Fachverbände eingesetzt werden. Wo ist der Ansatz im Bundeshaushalt? Wie wäre es mit einem Qualifizierungsprogramm für die Gewerbeaufsicht? Wie wäre es mit einem einheitlichen Giftmüllprogramm mit soliden sicheren Zwi-



    Frau Garbe
    schenlagern, um den Giftmüllnotstand erst einmal etwas abzumildern? Die Altlastensanierung — das wurde schon angesprochen — wird nach Schätzung des Umweltbundesamtes ca. 17 Milliarden DM kosten. Wer wird das bezahlen: die Kommunen, der Bund, die Länder? Natürlich werden Sie sagen: Alles keine Bundesaufgabe! Aber, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, wie heute schon mehrfach gesagt, mit Ihren Finanz- und Steuerbeschlüssen nehmen Sie den Ländern und Gemeinden die Mittel weg, die dort für die Altlastensanierung und noch für andere drängende Umweltschutzaufgaben eingesetzt werden müßten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was aber tut die Bundesregierung? Herr Schäfer hat darauf hingewiesen: Die Bundesregierung hat noch nicht einmal die nötigen Mittel im Haushalt eingesetzt, um die militärischen Altlasten, die Umweltsünden der Kampfstoffproduktion des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Die Sanierungsmaßnahmen für einen einzigen Standort, zum Beispiel Hessisch Lichtenau, lassen allein zwei- bis dreistellige Millionenbeträge erwarten. Die in diesem Zusammenhang notwendig gewordene Umstellung der Trinkwasserversorgung kostete mehr als 10 Millionen DM.
    Meine Herren und Damen, Sie haben sicher mitgerechnet: Da liegen wir mit dem Etatansatz für das Beseitigen des Umweltschmutzes für das Jahr 1988 schon weit im Minus.
    Nun zu einem anderen Thema. Jede Pommesbude hat einen Entsorgungsnachweis für ihre Abfallstoffe vorzulegen, ehe sie ihre Frittenproduktion in Gang setzen darf; die Bude würde sonst ganz schnell wieder dichtgemacht. Nach dieser Rechtslage arbeiten alle Atomkraftwerke in der Bundesrepublik illegal.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es gibt keine sogenannte Entsorgung für Atomkraftwerke, und der gesetzlich vorgeschriebene Entsorgungsnachweis wird schon lange nicht mehr eingehalten.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Leider wahr!)

    Wer dennoch Genehmigungen für Atomkraftwerke erteilt und die bestehenden weiter in Betrieb läßt, handelt gegenüber uns und nachfolgenden Generationen in einer verantwortungslosen Art und Weise, die ihresgleichen sucht.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    An den Entsorgungsruinen wird weitergebastelt. Ungefähr 500 Millionen DM sind im Haushalt für sogenannte Endlagerkapazitäten veranschlagt worden. Wider bessere Vernunft wird in Gorleben weiter ausgeschachtet, obwohl keine Chance mehr besteht, einen Eignungsnachweis für den Standort zu liefern. Trotz dieser Erkenntnis werden weiterhin Mittel vergeudet, und damit wird der Weg in die Nutzbarmachung von Zukunftsenergien verbaut. Meine Herren und Damen, Ihr Engagement für die intelligente Nutzung von Sonne und Wasser, von Wasserstoff, der Energie der Zukunft, ist noch nicht zu erkennen.
    Vielleicht entsinnen Sie sich noch: Die GRÜNEN haben Ende 1986 eine Studie für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vorgelegt, und die GRÜNEN haben im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen in verschiedenen Anträgen für einen ökologischen Nachtragshaushalt, für eine ökologische Wirtschaftsordnung, für die Förderung des ökologischen Landbaus und für ein Notprogramm zur Schutzwaldsanierung der Alpen — um nur einiges zu nennen — aufgezeigt, wie eine ökologische Wende in Gang gesetzt werden könnte. Eine Umweltschutzoffensive — der Herr Kollege Roth hat es angesprochen — wie die Aufbauoffensive nach dem Zweiten Weltkrieg wäre hier völlig richtig.
    Sie, meine Herren und Damen von der Bundesregierung, haben die Herausforderung, unser Überleben zu sichern, noch nicht begriffen. Dafür werden Sie sich eines Tages rechtfertigen und verantworten müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Mit Herrn Töpfer an der Spitze versuchen Sie, den Bürgerinnen und Bürgern weiszumachen, Sie täten genügend für den Umweltschutz und betrieben Umweltschutzvorsorgepolitik. Kunstvoll wird die Untätigkeit kaschiert. Herr Töpfer, Sie machen damit dem Verpackungskünstler Christo alle Ehre, aber im negativen Sinne: Keiner kann so richtig hinter die Kulissen schauen.
    Es wird erst einmal geglaubt, wenn Herr Töpfer sagt: 1990 hören wir mit der Seeverbrennung von Giftstoffen auf. Wer weiß denn schon, daß der Umweltminister Ende August mit den Leuten vom Ocean Combustion Service — das sind die Leute, die das Verbrennungsgeschäft betreiben — abgemacht hat, daß die Nordseeverschmutzung durch den Betrieb der Verbrennungsschiffe bis 1995 weitergehen wird?

    (Zurufe von den GRÜNEN: Ach nee!)

    Wer hätte denn je erfahren, daß hochtoxischer Giftmüll mittels Personenfähren nach England transportiert wird, wenn nicht der beklagenswerte Umstand des Untergangs der „Herald of Free Enterprise" eingetreten wäre? Es gehen große Teile des Giftmülls u. a. nach England, sicherlich weil die Briten den Sondermüll billiger beseitigen als andere. Nun wissen wir aber, daß die Engländer vom Umweltschutz nicht so sehr viel halten. So werden nicht nur radioaktive Stoffe ins Meer geleitet, sondern auch chemische Abfälle. Das ist die Umweltvorsorgepolitik à la Töpfer! Das ist Giftverschiebepolitik!

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Herren und Damen, der ganze Giftmüllbereich stinkt zum Himmel, und es ist im Haushalt für diesen Bereich keine Wende zu erkennen. Und dann spricht diese Regierung von „Schöpfung bewahren" und „Umweltvorsorgepolitik" !

    (Stratmann [GRÜNE]: Skandalös!)

    Was bleibt, ist die Tatsache, daß die Bundesregierung offensichtlich nicht wahrhaben will, daß Umweltschutz eine globale Herausforderung ist, die — Hans-Peter Dürr, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik, charakterisierte es so — ähnlicher An-



    Frau Garbe
    strengungen bedürfte wie ein SDI-Programm. Nun hat diese Regierung mit der Beteiligung an SDI den Anfangsbuchstaben zusätzlich noch die Forderung entnommen: Schützt die Industrie — SDI. Das bedeutet leider aber immer noch eine Kampfansage an Natur und Menschen — was allerdings nicht so sein müßte.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Herren und Damen, wir GRÜNEN wollen ein SDN-Programm, ein „Schützt die Natur"-Programm, und fordern alle Kräfte guten Willens auf, im Interesse der Überlebensmöglichkeiten für uns, unsere Kinder und Kindeskinder bei der Verwirklichung dieses Programms mitzuhelfen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)