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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Debattentag hat eigentlich ausgezeichnet begonnen — begonnen mit der in jeder Hinsicht qualifizierten und perspektivischen Etateinbringungsrede unseres Bundesfinanzministers Gerhard Stoltenberg. Es war ein ausgezeichneter Auftritt. Wir haben das leider in der Folgezeit bei Ihnen vermissen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Waltemathe [SPD]: Aber nun haben Sie einmal das Wort!)

    Und dann kam der Herr Apel, dann kam der Herr Wedemeier, und dann kam der Herr Struck. Worauf die Bürger bis zur Stunde warten, ist, daß Ihre Redner einmal ein Konzept Ihrer Finanzpolitik, einer Alterna-



    Roth (Gießen)

    live zur erfolgreichen Politik der Bundesregierung von Helmut Kohl hier vorlegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Sie haben sich heute auf prinzipienlose Mäkelei, auf Nörgelei, auf Stichelei beschränkt, aber es ist nichts dabei herausgekommen. Sie stricken an Legenden, aber Sie produzieren nur Luftmaschen. Das ist keine Politik.
    Meine Damen und Herren, wenn der ganze haushaltspolitische Einfallsreichtum der SPD sich darauf beschränkt, seit Jahren unentwegt die dann doch nicht eintretende große Finanzkrise, den Zusammenbruch der Bundesfinanzen an die Wand zu malen, dann ist das eigentlich ein Armutszeugnis. Das, was im Rahmen und auch in den Grenzen einer verantwortlichen Politik geleistet werden kann, hat der Bundesfinanzminister gerade in seiner heutigen eindrucksvollen Rede, die, wie wir in der Mittagspause ja auch allenthalben spüren konnten, eine ganz beträchtliche Zustimmung draußen bei den Bürgern gefunden hat, unter Beweis gestellt.
    Meine Damen und Herren, die Bundesfinanzen bleiben unter Kontrolle. Sie sind es seit dem Regierungswechsel gewesen; sie werden es 1988 sein; sie werden es auch im Jahre 1990 sein.
    In dreizehn Jahren sozialdemokratischer Verantwortung haben sechs Finanzminister — einer davon war der Herr Kollege Apel — nicht weniger als siebzehnmal an der Steuerschraube hantiert, um die Bürger zu belasten. Heute ärgern sie sich darüber, daß es jetzt eine Regierung gibt, die die Finanzen in Ordnung hat und daran geht, die Bürger durch eine dauerhafte Steuerreform auch einmal zu entlasten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben die Mehrwertsteuer, was Sie heute immer wieder wegzuwischen versucht haben, um volle zwei Prozentpunkte nach oben getrieben. Sie haben die Mineralölsteuer um 16 Pfennig erhöht. Sie haben die Heizölsteuer verdoppelt, die Tabaksteuer auf Zigaretten um 116 % die Trinkbranntweinsteuer um 112 % erhöht. Summa summarum sind das 25,6 Milliarden DM an Steuerbelastungen in Ihrer Regierungszeit gewesen. Ich darf schon sagen: Sie haben sich den Ruf als Steuererhöhungspartei Deutschlands redlich verdient.
    Sie haben sich ebenso den Ruf als Schuldenpartei erworben; denn Sie sind mit all den Steuererhöhungen nie ausgekommen. 6,9 % Steuereinnahmenzuwachs im Jahresdurchschnitt Ihrer Regierungszeit haben Ihnen doch nie gelangt. Sie haben alles noch weiter — auf Pump — aufgebläht. Sie haben die Jahresneuverschuldung von 0 auf 37 Milliarden DM explodieren lassen. Die Volkswirtschaft wurde rücksichtslos überfordert. Es endete in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise.
    Der Gradmesser der Einmischung des Staates in die Volkswirtschaft ist nun einmal die Staatsquote. Und sie ist unter Ihrer Regierungsverantwortung von 39 auf 50 % nach oben geschnellt.
    Meine Damen und Herren, die selbstgerechte Art, wie Sie sich heute als Hüter der Staatsfinanzen und als
    Anwalt der Steuerzahler aufzuspielen versuchen, ist abstoßend und unverfroren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb, Herr Kollege Dr. Vogel, nehme ich einmal Ihre neue Lieblingsvokabel auf, die Sie in der letzten Woche an anderer Stelle unzutreffend in die Debatte eingeführt haben: Sie leiden allesamt an kollektivem Gedächtnisverlust. Das ist es, was Sie heute im Rückblick auf Ihre finanzpolitische Verantwortung kennzeichnet. Die Bürger wissen: SPD-Regierungen haben stabile Finanzen ruiniert, und die Bundesregierung von Helmut Kohl hat ruinierte Finanzen wieder stabilisiert. Bei diesem Unterschied soll es auch bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seit wir Regierungsverantwortung tragen, meine Damen und Herren, sind die Steuerbelastungen für alle, insbesondere für die Berufstätigen und für die Familien, nachhaltig gesenkt worden. Der normal verdienende Familienvater mit zwei Kindern hat bereits im letzten Jahr bare tausend Mark an Steuerersparnis vereinnahmen können. Er muß nicht erst auf die zweite Stufe der Steuerreform warten, die ihm ein weiteres Mal diese Summe bringen wird. Das ist die Situation. Wir haben die Steuern bis heute in der Größenordnung gesenkt, in der Sie bei 17 Steuererhöhungsschritten die Bürger zusätzlich belastet haben, nämlich um etwa 25 Milliarden DM.
    Meine Damen und Herren, in fünf Aufschwungjahren bei völlig stabilen Preisen sind die Steuereinnahmen bei uns um durchschnittlich 3,4 % gestiegen, also nur noch halb so hoch wie in der Phase davor. Darüber beschweren Sie sich heute. Ich empfinde diesen maßvollen Steueranstieg als ein großartiges Geschenk an die Bürger; denn die Bürger müssen doch die Steuern bezahlen. Was regen Sie sich unentwegt darüber auf, daß sich der Steuerzugriff des Staates bei den Bürgern verlangsamt hat? Das ist doch nur möglich gewesen — und deshalb die Kontinuität und die Festigkeit unserer Politik — , weil wir, vom ersten Haushaltsjahr beginnend, die Ausgabenzuwächse mit 1,7 % im Jahresdurchschnitt im Griff behalten und damit die Voraussetzung geschaffen haben, die Staatsquote um über 3 Prozentpunkte zu senken, weil wir mit den Steuern auch die Schulden nach unten gedrückt haben, weil wir für stabile Preise, für niedrige Zinsen gesorgt haben. Meine Damen und Herren, das ist Bürgerfreundlichkeit hoch 5. Dieser haben Sie überhaupt nichts entgegenzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Sie können mir meinen Namen nicht vermiesen!)

    Ich will noch einmal betonen, Herr Kollege Namensvetter: An den Folgen Ihrer gescheiterten Finanzpolitik werden wir noch lange leiden. Es wird zu den bleibenden Erblasten Ihrer Regierungszeit gehören, daß das Institut der staatlichen Kreditaufnahme, das in unserer Verfassung für werbende Staatsausgaben, also für Investitionen, für Zukunftsvorhaben, vorgesehen ist, auf lange Zeit nicht mehr für die operative Staatspolitik genutzt werden kann. Es kann deshalb nicht mehr genutzt werden, weil seit 1983 die Zinsverpflichtungen auf die Schulden, die Sie uns hinterlassen haben, jeden Kreditspielraum um Milliardenbe-



    Roth (Gießen)

    träge überwuchern — ein wahrhaft beklemmender Dauerzustand. In Zahlen ausgedrückt: Wir haben in vier Haushaltsjahren, 1983 bis 1986, nicht weniger als 113,8 Milliarden DM an Zinsen auf SPD-Schulden bezahlen müssen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Unglaublich! Toll!)

    In dieser Zeit haben wir 105 Milliarden DM Neukredite aufgenommen. Die Zinslast war also um 10 Milliarden DM höher als die neuen Schulden. Und da stellen Sie sich hier hin in Ihrer ganzen Unverfrorenheit und versuchen uns noch Vorwürfe daraus zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann nur sagen: Die Schuldenwichte sitzen in Ihren Reihen und nicht hier auf der Regierungsbank. Das ist die Wahrheit. Es ist schon makaber, wenn sich ausgerechnet die Bankrotteure von gestern hier in dieser Form aufspielen und mit dem Begriff der Finanzkrise herumhantieren und ausgerechnet diejenigen madig zu machen versuchen, die die Karre nach 1982 wieder aus dem Dreck gezogen haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ähnliches übrigens auch für die Kommunen, die 1981 noch 10 Milliarden DM Defizit hatten,

    (Waltemathe [SPD]: Finger weg!)

    die heute noch bei ganzen 2 Milliarden DM Defizit liegen, die in der Zwischenzeit aber bereits zwei Haushaltsjahre mit Finanzierungsüberschüssen hatten, wo sie keine einzige Kreditmark mehr aufnehmen mußten.
    Meine Damen und Herren, auch der Haushaltsentwurf 1988 ist mit seiner moderaten Zuwachsrate von 2,4 % von einer Qualität, wie sie sozialdemokratische Finanzminister nie erreicht haben. Ich füge hinzu: Dieser Etatentwurf berücksichtigt im Gegensatz zu Ihren öffentlichen Einreden den haushaltswirksamen Mehrbedarf und die rechtlichen sowie sonstigen Verpflichtungen, die an den Bundeshaushalt gestellt sind, in vollem Umfang. Das gilt auch für die mittelfristige Finanzplanung.
    Sie haben angekündigt, Sie wollten im Oktober eine Sondersitzung zur Haushaltsberatung einberufen. Wir sehen dem mit Freude entgegen. Das wird uns ein weiteres Mal Gelegenheit geben, die grundsätzlichen Auffassungsunterschiede zwischen Ihrer gescheiterten und unserer erfolgreichen Haushaltspolitik offenzulegen.
    Unsere Politik hat den realen Abbau der Arbeits- und Transfereinkommen gestoppt, ins positive Gegenteil umgekehrt, die Steuern gesenkt. Wir haben beispielhafte Stabilität geschaffen. Im Gegensatz zu früheren Jahren mit wirtschaftlichem Aufschwung haben wir es heute nicht mit einer Überforderung der Wirtschaft durch inflatorischen Preis- und Kostenauftrieb zu tun. Das kommt auch dem Staat zugute. Denn ein Prozentpunkt mehr Lohn- und Preisstabilität bedeutet eine Entlastung von nicht weniger als 6 Milliarden DM für die öffentliche Hand.
    Meine Damen und Herren, auf sozialpolitischem Gebiet sind wir heute das leistungsfähigste Staatswesen in Europa: Einführung von Erziehungsgeld mit monatlich 600 DM bei voller Beschäftigungsgarantie, Kindergeld für arbeitslose Jugendliche, von der SPD seinerzeit gestrichen, von uns wieder eingeführt, Kindererziehungszeiten im Rentenrecht, Verbesserungen beim Wohngeld, bei der Sozialhilfe, verlängerte Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose, Verbesserungen in der Agrarsozialpolitik,

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Das reinste Schlaraffenland?!)

    Stiftung für Mutter und Kind. Ich könnte, Herr Kollege Becker, die Liste verlängern. Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich sparsame Politik auch bei moderaten Ausgabenzuwächsen Handlungsspielräume schaffen kann, die letztlich dem Bürger zugute kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Es ist wohl auch kein Zufall, daß die SPD, Herr Kollege Apel, das törichte Wort vom Kaputtsparen, das Sie 1983 und 1984 noch im Schmähvokabular Ihrer demagogischen Auftritte hatten, inzwischen aus ihrem Wortschatz verbannen mußten. Wir haben die Republik nicht kaputtgespart, sondern wir haben sie gesundgespart. Das war die Voraussetzung dafür, daß die dreistufige Steuersenkung mit einer Nettoentlastung von insgesamt 50 Milliarden DM überhaupt möglich gewesen ist. Auch in Zukunft werden für uns öffentliche Sparsamkeit und Steuersenkungen Hand in Hand gehen.
    Ihre Sirenengesänge vom angeblich verarmenden Staat, Herr Kollege Apel, dienen nur einem Zweck: Sie wollen unsere bürgerfreundliche Steuersenkungspolitik in der Öffentlichkeit diskreditieren. — Geben Sie doch bitte offen zu, was die Beschlußlage innerhalb der Sozialdemokratie ist!

    (Dr. Struck [SPD]: Wer muß es denn bezahlen?)

    Sie wollen keine Steuersenkung. Sie wollen keine sinkende Steuerquote; das haben Sie in Nürnberg beschlossen. Also sind Sie doch am wenigsten geeignet, Schiedsrichter bei denen zu spielen, die sich alle Mühe geben, dem Bürger in mehreren Schritten eine nachhaltig spürbare steuerliche Entlastung zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit dieser Verweigerungspolitik koppeln Sie sich letztlich aus jeder seriösen finanzpolitischen Diskussion ab. Sie weigern sich auch, den internationalen Wettbewerb der Steuersysteme mitzutragen. Sie weigern sich, die von der Bundesrepublik im internationalen wirtschaftspolitischen Dialog übernommenen Verpflichtungen einzulösen. Beides ist nicht zum Vorteil der Bundesrepublik.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassen.
    Wir werden erstens das Steuerreformpaket so verwirklichen, wie es in der Koalitionsvereinbarung verabredet ist. Es bleibt bei der Nettoentlastung von 50 Milliarden DM in drei Stufen. Alle Steuerzahler, namentlich diejenigen mit den kleinen und mittleren
    1510 Deutscher Bundestag — i 1. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987
    Roth (Gießen)

    Einkommen, werden unter dem Strich deutlich entlastet werden.
    Zweitens. Wir werden uns den Entscheidungs- und Gesetzgebungsfahrplan dazu nicht von der Opposition vorschreiben lassen, die ja ohnehin mit ihren unentwegten Greuelmeldungen nur die sachliche Diskussion stören will.
    Drittens. Es wird wegen der Steuerreform keinen Kurswechsel unserer Haushaltspolitik geben. Die Ausgabendisziplin ist und bleibt der entscheidende finanzpolitische Test der nächsten Jahre. Sparsamkeit ist die unverzichtbare Finanzierungsquelle jeder steuerlichen Entlastungspolitik, die auf Dauer angelegt sein soll.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Deshalb werden wir in Übereinstimmung mit dem Finanzplanungsrat und der Deutschen Bundesbank an der verhaltenen Ausgabenpolitik festhalten. Die Zurückführung der öffentlichen Ausgabenquote, gemessen am Sozialprodukt, sichert die mit der Steuersenkung angestrebte wirtschaftliche Wirkung auf Dauer. Sie verhindert zugleich die negativen Zins- und Kapitalmarkteffekte einer höheren Kreditfinanzierungsquote. Wir werden auch 1990, im ersten Jahr der vollen Wirksamkeit aller Steuersenkungspläne, mit einem Finanzierungsdefizit der öffentlichen Hand von unter 3 % in einem auch international vertretbaren Rahmen bleiben. Ich erinnere nur an die 4,9 % Defizitquote aus dem Jahre 1981 zu Ihrer Regierungszeit.
    Viertens und Letztes. Diese Politik beweist, daß wir die notwendige Konstanz der Wirtschaftspolitik, die Stetigkeit und Berechenbarkeit unseres finanzpolitischen Handelns als Grundlage unserer Ordnungspolitik verteidigen und in der vom Finanzminister vorgezeichneten Form auch durchsetzen werden. Die Politik der Bundesregierung hat nicht nur das Vertrauen einer klaren Parlamentsmehrheit, sie wird auch auf Jahre hinaus die Zustimmung und das Vertrauen der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland behalten.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Stoltenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein zentrales Thema der ernsthaften Debatten in diesen Monaten in der deutschen Öffentlichkeit nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern, Verbänden, Gewerkschaften, sondern auch bei vielen Bürgern ist ja, welchen Beitrag die Finanzpolitik für wieder verstärktes wirtschaftliches Wachstum, für mehr Wettbewerbsfähigkeit als Voraussetzung für einen anhaltenden und möglichst noch stärkeren Anstieg der Beschäftigung zu leisten vermag. Ich habe in meiner Einbringungsrede versucht, dies sehr ausführlich auch aus der Sicht der Bundesregierung darzustellen und damit auch zu einem Wettbewerb der Ideen, der Argumente, der Alternativen der Opposition einzuladen. Das ist mein Verständnis von parlamentarischer Auseinandersetzung in Verbindung mit einer großen Debatte bei der ersten Lesung des Bundeshaushalts.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es geht um die Frage: Welche nationalen Spielräume haben wir denn auch in der Abwägung der Gesichtspunkte zwischen einer jetzt vorwiegend an Steuersenkung und Steuerreform orientierten Politik oder, wie es die Opposition meint, höheren Ausgaben, konjunkturell stimulierenden Programmen, und was sind die Grenzen der Neuverschuldung in diesem Zusammenhang?
    Ich muß nun sagen, Herr Kollege Apel: Die SPD ist nicht in den Wettbewerb der Ideen, der Argumente und der Alternativen zu diesem zentralen Thema eingetreten; vielleicht wird das im wirtschaftspolitischen Teil der Diskussion noch nachgeholt. Nicht nur ich habe es als enttäuschend empfunden, mit mir viele, wie Sie sich hier dargestellt haben. Sie wiederholen die bekannten Verdrehungen, Verdächtigungen und Entstellungen, weil Sie Ihre Absage an eine Steuersenkung für die arbeitenden Menschen und die Betriebe irgendwo bemänteln und kaschieren müssen, und das alles ist sehr enttäuschend.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen will ich nach diesem ganzen Arsenal von Verdächtigungen und Unterstellungen noch einmal sagen: Wir sind davon überzeugt, daß wir die Zukunftsprobleme unserer Betriebe und Arbeitsplätze, die Erweiterung des Angebots an bezahlbarer Arbeit nur mit niedrigeren Steuern und einem Abbremsen des in der Vergangenheit zu starken Anstiegs der Lohnnebenkosten meistern können. Das ist eine zentrale These, mit der Sie sich wirklich ernsthafter auseinandersetzen müssen, als Sie das bisher in diesen vielen Stunden getan haben.

    (Roth [SPD]: Setzen Sie sich mal mit den Krankenkassenbeiträgen auseinander! — Dr. Apel [SPD]: Was heißt denn das konkret? Was heißt „Lohnnebenkosten"? Was wollen Sie in der Gesundheitspolitik machen?)

    Das heißt, daß Sie zu dieser Frage überhaupt nicht Stellung genommen haben, obwohl Sie hier eine Stunde lang dahergeredet haben, Herr Apel. Das heißt das in diesem Stand der Diskussion.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Sie sind doch der Minister!)

    Wir haben nichts gehört von Ihnen, Herr Apel, und in einer besonders erstaunlichen Weise von dem Kollegen Struck, als die abgedroschenen Phrasen über angeblich einseitige Verteilung.
    Der Umgang mit der Wahrheit war dabei erneut recht leichtfertig und unbefriedigend. Ich will mich hier ganz höflich ausdrücken. Ich habe mir an Hand Ihrer vorbereiteten Rede, die ich ja im Text habe, Herr Apel, kurz einmal einige Notizen gemacht.

    (Waltemathe [SPD]: Sie sollen doch antworten! Sagen Sie doch mal die Wahrheit!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    — Wissen Sie, Sie können nicht so mit mir verfahren, und so können wir in diesem Hohen Hause überhaupt nicht miteinander umgehen,

    (Waltemathe [SPD]: Fragen unerlaubt!)

    daß ein Redner dem anderen sagt: Nun kommen Sie mal hierher und sagen ja und nein! Das sind volksdemokratische Methoden und keine demokratischen Methoden im frei gewählten Parlament der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das ist Ihre Pflicht als Bundesregierung!)

    Ich rate Ihnen wirklich zu einem anderen Stil der politischen Auseinandersetzung.
    Aber ich will mich zur Zeit mit Herrn Apel auseinandersetzen. Herr Kollege Apel hat gesagt: Um 62 % wurden die Arbeitnehmer durch steigende Abgaben und Steuern belastet. Meine Fachleute halten dazu fest: Diese Aussage ist irreführend, denn in diese statistische Zahl sind auch die Arbeitgebersozialbeiträge einbezogen. Also bereiten Sie sich in Zukunft besser vor, Herr Kollege Apel, wenn Sie derartige Ausführungen hier machen wollen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Apel [SPD]: Sind das Lohnnebenkosten oder nicht?)

    Der Herr Kollege Apel hat, was die Wirkungen der Steuerentlastung betrifft, die wir in Kraft gesetzt haben, erneut mit einem unsauberen Trick gearbeitet. Das ist um so bedauerlicher, als ich ihm dies bereits in der letzten finanzpolitischen Debatte vorhalten mußte. Wenn Sie Entlastungsbeispiele in ihren sozialen Wirkungen bringen, müssen Sie, wenn Sie ernstgenommen werden wollen, natürlich die in einem Konzept erarbeitete und in zwei Stufen in Kraft getretene Steuerreform oder Steuerentlastung, 1986 und 1988, fairerweise in beiden Teilen bewerten.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Auch finanziell!)

    Die Tatsache, daß wir die Entlastung bei den Berufstätigen mit Kindern auf 1986 vorgezogen haben, kann doch nicht, wie Sie das hier tun, unterschlagen werden, wenn wir über die Verteilungswirkung der bisher beschlossenen steuerlichen Maßnahmen ernsthaft und vernünftig miteinander reden wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Apel, Sie disqualifizieren sich wirklich durch derartige unsaubere Methoden, denn über diese Fragen ist ja nun seit 1985, seitdem wir immer wieder, zunächst in der Gesetzgebung, zuletzt in der Erweiterung der Gesetzgebung durch das Steuererweiterungsentlastungsgesetz 1988, hier debattieren, Stunden um Stunden im Deutschen Bundestag, zum Teil auch in Ihrer Anwesenheit, in Steuerdebatten geredet worden. Wenn Sie jetzt — kurz bevor die Steuerentlastung 1988 in Kraft tritt — wieder mit derartigen verfälschenden Darstellungen kommen, muß ich Ihnen sagen: Es ist eigentlich unter dem Standard, den Sie als langjähriges Mitglied der Bundesregierung auch in der Opposition bewahren sollten.
    Ich habe die Entlastungs-Beispiele hier korrekt vorgetragen. Sie zeigen übrigens, daß die von Ihnen und
    in besonders plumper Weise von Herrn Struck attakkierte Aussage, daß bei den typischen Einkommensbeziehern, im Schnitt eine Entlastung von 1 000 DM zu erwarten ist, zutrifft.

    (Abg. Dr. Apel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)