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ID1102303300

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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bernd Neumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein. — Nun wird versucht, von der eigenen Verantwortung abzulenken und dem Bund die Schuld in die Schuhe zu schieben, so nach dem Motto: Wer nicht tanzen kann, schimpft auf die Kapelle. Meine Damen und Herren, Herr Vogel, es war kein kluger Schachzug der Sozialdemokraten, als Hauptredner in einer Debatte über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung den Bremer SPD-Bürgermeister auftreten zu lassen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Warten Sie doch einmal den nächsten Sonntag ab! — Weitere Zurufe von der SPD)

    der mit seiner katastrophalen politischen Bilanz in Bremen die schlimmen Folgen sozialdemokratischer Wirtschafts- und Finanzpolitik sozusagen symbolhaft dokumentiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Neumann (Bremen)

    Herr Wedemeier, diesen Auftritt, der eine unqualifizierte Beschimpfung der Bundesregierung darstellte, meine Damen und Herren,

    (Zuruf von der SPD: Er hat Klartext gesprochen!)

    hätten Sie im Interesse Bremens besser unterlassen.

    (Frau Simonis [SPD]: Ist das eine Drohung?)

    Sie hätten sich besser an die Maxime großer Bremer Bürgermeister, die es bis zu Koschnick gab, halten sollen.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Einschließlich?!)

    Meine Damen und Herren, jetzt abschließend das Zitat eines solchen großen Bürgermeisters namens Duckwitz. Der hat einmal gesagt, bezogen auf Bremen — ich darf zitieren — :
    Ein Staat im Deutschen Reich so klein wie Bremen muß sein Verhalten immer so einrichten, daß die anderen Staaten im Deutschen Reich seine Existenz als ihr eigenes Glück empfinden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wann war das?)

    Das ist die beste Garantie für das Weiterbestehen Bremens.
    Meine Damen und Herren, bei der Rede von Herrn Wedemeier konnte man in diesem Falle keine besonderen Glücksempfindungen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Struck.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nun zwei Bremer hintereinander reden gehört. Nun muß ich sagen: Wenn ich in Bremen wahlberechtigt wäre, würde ich Ihre Partei, Herr Neumann, nicht wählen.

    (Lachen und Beifall bei der SPD — Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Das ehrt uns! — Seiters [CDU/CSU]: Da sind wir wirklich überrascht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ganz erstaunlich ist das!)

    Warum Sie gegen Hans Koschnick nie gewonnen haben, ist mir jetzt klargeworden, nachdem ich Ihre Rede hier gehört habe.

    (Erneutes Lachen und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Das ist im übrigen ja auch der Grund, warum Sie nach Bonn geflohen sind und den armen Reinhard Metz in Bremen jetzt im Regen stehen lassen. Er kann einem wirklich nur leid tun. Der ist froh, wenn er 25 % der Stimmen kriegt. Aber uns soll das natürlich nur recht sein, meine Damen und Herren.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ist das eine Kritik an Rau und Schröder?)

    Herr Kollege Stoltenberg, als Mitglied des Haushaltsausschusses und auch als Finanzpolitiker habe ich Ihre Rede heute morgen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine gute Rede!)

    mit großem Interesse erwartet. Ich muß sagen: Die 43 Seiten lange Rede hätte nach meiner Einschätzung sehr viel kürzer sein können. Wenn Sie wenigstens die Wahrheit über die wichtigsten Punkte gesagt hätten!
    Sie werden von mir jetzt einige Worte auch über Ihre Persönlichkeit hören, die Ihnen sicher nicht recht sind, Herr Kollege Stoltenberg. Aber ich denke, es ist jetzt auch einmal Zeit, Ihnen endlich die Maske des Seriösen, die Sie hier in Bonn immer auflegen, vom Gesicht herunterzuziehen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der ist der Inbegriff von Zuverlässigkeit!)

    — Nun regen Sie sich doch nicht auf, Herr Friedmann! Immer ruhig!
    Ich fange einmal an, Herr Kollege Stoltenberg, mit einer von Ihnen zu verantwortenden Pressemitteilung der CDU vom 3. September 1987, um Ihnen zu zeigen, wie Sie mit der Wahrheit umgehen. Wenn Sie das korrigieren wollen, haben Sie sicher gleich Gelegenheit, das zu tun. In dieser Pressemitteilung vom 3. September 1987 unter der Überschrift „Haltlose Unterstellungen sind kein Ersatz für eine Alternative" — da beschreiben Sie die sozialliberale Regierungszeit — heißt es u. a.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vorlesen!)

    — ja; nicht alles; aber die wichtigen Punkte lese ich vor — : „ So wurde die Heizölsteuer um 0,83 Pf auf 1,66 Pf, die Steuer auf Vergaserkraftstoffe um 35 Pf auf 51 Pf je Liter erhöht." Das ist eine glatte Unwahrheit. Das ist eine Lüge. Und Sie wissen das auch ganz genau, Herr Kollege Stoltenberg.

    (Zurufe von der CDU/CSU: „Von"!)

    — Nein; hier steht: „um" 35 Pf erhöht. Da bitte ich Sie, doch einmal zu sagen, ob es nicht eher zutrifft, daß sie, wie wir sagen — und wenn Sie bei der Wahrheit bleiben wollen, werden Sie das bestätigen müssen —, nicht „um" 35 Pf je Liter erhöht worden ist, sondern von 35 Pf auf 51 Pf je Liter. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

    (Uldall [CDU/CSU]: Hat er heute morgen gesagt! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das steht im Protokoll des heutigen Morgens!)

    Auch so kann man natürlich Politik machen, indem man die Unwahrheit hier im Land verbreitet. Wir lassen uns das nicht mehr gefallen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das alles?)

    Ich sage Ihnen noch eines: Friedrich-Karl Fromme hat in der FAZ über Wahlkampfauftritte des Bundesfinanzministers Stoltenberg im schleswig-holsteinischen Wahlkampf geschrieben.

    (Strube [CDU/CSU]: Aber die Erhöhung bestreiten Sie nicht!)

    — Ja, was wollen Sie denn? In 13 Jahren um 16 Pf! Was Sie gemacht haben, wird alles noch viel schlimmer werden.

    (Uldall [CDU/CSU]: Wir sind runtergegangen! Was haben wir also gemacht?)

    Am 5. September 1987 beschreibt Friedrich-Karl Fromme in der FAZ Stoltenberg als Wahlkämpfer. Ich



    Dr. Struck
    erlaube mir, daraus einen Satz zu zitieren, von dem ich meine, daß er Ihre persönliche Situation als Politiker, Herr Kollege Stoltenberg, genau kennzeichnet: „Fern liegen die Zeiten, da er Kanzler werden wollte."
    Ich kann aus meiner eigenen politischen Tätigkeit in diesem Haus, Herr Kollege Stoltenberg, einiges dazu beitragen. 1986 — die Kollegen von der Union, die ein bißchen sachkundig sind, werden das bestätigen können — stand das in der Tat einmal zur Debatte. Der Herr, der jetzt immer auf diesem Stuhl sitzt, wackelte: wegen Anzeigen, die gegen ihn liefen, u. a. wegen einer uneidlichen Falschaussage. Das Verf ah-ren ist im übrigen nur deswegen eingestellt worden, weil ihm ein Gericht und eine Staatsanwaltschaft bescheinigt haben: Der Herr Bundeskanzler hat auf eine Frage mit Nein geantwortet, aber Ja gemeint. Und wenn wir in Niedersachsen, Herr Kollege Stoltenberg, am 15. Juni 1986 eine andere Regierung gehabt hätten, dann säßen Sie vielleicht hier.
    Nur: Das ist alles vorbei. Der Lack ist ab. Sie sind nicht mehr Finanzminister, Herr Stoltenberg. Sie sind ein Schuldenminister und nichts anderes.

    (Strube [CDU/CSU]: Oh Gott, oh Gott, oh Gott!)

    Die Schulden, die Sie in der Zeit angehäuft haben und die Sie bis 1990 anhäufen werden, Herr Stoltenberg,

    (Seiters [CDU/CSU]: Gansel und Struck passen gut zusammen!)

    überschreiten — Sie werden das nicht bestreiten — zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die 1-Billion-Grenze. Eine Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Das sind fast so viele Nullen, wie es Mitglieder in diesem Kabinett gibt.

    (Schreiner [SPD]: Sehr gut!)

    Eine Billion Staatsverschuldung! Und da kommen Sie und reden von Konsolidierung.
    Nun können Sie natürlich immer sagen: Die Sozialdemokraten können uns immer nur mit Dreck bewerfen. Aber wir sind ja in guter Gesellschaft. Ich will Ihnen das gern mal zitieren. Es sitzen ja auch einige Kollegen hier, die zu der Frage der Finanzierung der Steuerreform und dergleichen etwas gesagt haben. Manche werden jetzt ein bißchen tiefer sacken.

    (Strube [CDU/CSU]: Keine Sorge!) Ich fange mal mit etwas Hochkarätigerem an.

    Wenn der Lothar Späth in einem „Spiegel"-Interview sagt — —

    (Uldall [CDU/CSU]: Wo sitzt er denn hier?)

    — Auf Sie komme ich doch noch, Herr Uldall

    (Uldall [CDU/CSU]: Der sitzt doch nicht hier!)

    — nun warten Sie doch ab! — , und auch auf Heribert Scharrenbroich. — Wenn Lothar Späth sagt, es hat doch keinen Sinn — ich zitiere das jetzt einmal wörtlich —, eine Steuerreform so zu machen, daß man den Leuten aus der einen Tasche das rausnimmt, was man ihnen angeblich in die andere Tasche wieder hineinstecken will — dann wird es eine ganz große Ernüchterung geben — , hat er doch recht. Wieso ist das, was wir sagen — inhaltlich das gleiche —, falsch und das, was Lothar Späth sagt, richtig? Das kann doch wohl nicht sein. Da, wo Späth recht hat, hat er recht. Das ist genauso wie bei Franz Josef Strauß.
    Oder ich zitiere einmal eine Kollegin aus dem Lande Niedersachsen, Herr Kollege Seiters. Die von uns zu ertragende Finanzministerin des Landes Niedersachsen Birgit Breuel hat in manchen Punkten recht. Wir wollen ihr in der Frage des Länderfinanzausgleichs ja auch helfen, weil wir, wenn wir 1990 die Regierung in Niedersachsen übernehmen, ja keinen Pleiteladen übernehmen wollen. Wir wollen ja noch ein bißchen Geld haben, um zu regieren. Wir werden das in Niedersachsen auch tun. Aber Birgit Breuel sagt in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" : „Wir sind für die Steuerreform, wenn wir sie bezahlen können. Im Rahmen der gegenwärtigen Planung ist sie nicht machbar. " — Birgit Breuel, Finanzministerin des Landes Niedersachsen.
    Herr Kollege Stoltenberg, nun möchte ich Ihnen doch einfach einige Fragen stellen und Sie bitten, hierherzukommen und diese Fragen zu beantworten, wenn es denn geht, wenn Sie es können.

    (Walther [SPD]: Er will ja nicht! Vor dem Wahlsonntag beantwortet der keine Frage!)

    Die erste Frage ist: Wollen Sie die Arbeitnehmerfreibeträge ganz streichen, wollen Sie sie teilweise streichen, oder wollen Sie sie gar nicht streichen? Sie brauchen nur ja oder nein zu sagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So einfach ist das! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, Sie lachen. Kommen Sie doch einmal her und sagen das! Ich lasse gerne eine Zwischenfrage zu, wenn Sie sagen wollen: Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich das nicht streichen will? Darüber würde ich mich freuen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Immer mit der Ruhe!)

    Die zweite Frage ist: Wollen Sie Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge besteuern, ja oder nein?
    Herr Kollege Stoltenberg, wollen Sie Personalrabatte besteuern, ja oder nein?
    Wollen Sie die Mineralölsteuer erhöhen, Herr Kollege Stoltenberg, ja oder nein? Wenn ja, um wie viele Pfennige? Stimmt die Zahl von 20 Pf pro Liter, die der Kollege Faltlhauser ins Gespräch gebracht hat? Stimmt sie?
    Herr Kollege Stoltenberg, wollen Sie die Tabaksteuer erhöhen, ja oder nein? Sagen Sie doch einmal etwas dazu.
    Wollen Sie die Mehrwertsteuer erhöhen, ja oder nein?
    Wollen Sie die Neuverschuldung erhöhen, Herr Kollege Stoltenberg, ja oder nein?
    Und dann frage ich Sie: Was verstehen Sie eigentlich unter Steuerumschichtung? Ich habe Ihre 43-Seiten-Rede sehr aufmerksam durchgelesen. Was verstehen Sie eigentlich unter Steuerumschichtung? Was heißt das? Heißt das, daß Sie unter Subventionsabbau die Streichung z. B. der Arbeitnehmerfreibeträge und



    Dr. Struck
    der anderen Dinge verstehen, die ich eben angesprochen habe? Oder was heißt Steuerumschichtung sonst?
    Sie haben in Ihrer Rede gesagt, im Rahmen von Steuerumschichtungen könne man auch über Verbrauchsteuern reden. Was heißt denn das: über Verbrauchsteuern reden? Heißt das Verbrauchsteuern erhöhen, oder was meinen Sie damit?
    Und wenn wir nun schon über die Mehrwertsteuer reden, frage ich Sie: Wie wollen Sie eigentlich den Rentnern, den Arbeitslosen und den Studenten in der Bundesrepublik Deutschland erklären, daß sie dafür bezahlen müssen, daß die Reichen noch reicher werden, was der Fall ist, wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird? Ich will ja gar nicht von dem Kollegen Karl Eigen reden — er ist heute nicht hier — , der gestern davon gesprochen hat, man sollte die Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel erhöhen. Ich sage einmal — Herr Kollege Stoltenberg, der stammt ja aus Ihrem Landesverband — : Karl Eigen ist der Minenhund, den Sie vorgeschickt haben, um einmal zu testen, wie denn das mit der Mehrwertsteuererhöhung läuft. Wenn das nicht so ist, dann kommen Sie hierher und sagen, das stimmt nicht! Sagen Sie, die Mehrwertsteuer wird nicht erhöht werden! Was soll denn dieses Gerede von Herrn Eigen drei oder vier Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, die Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel zu erhöhen? Entweder hat er dafür von Ihnen grünes Licht gekriegt, um einmal zu testen, wie die Lage ist, oder er spinnt; so sage ich einmal. Aber in beiden Punkten muß der Wähler in Schleswig-Holstein natürlich die Konseqenz ziehen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das haben Sie gemacht! Wir haben es nicht vor!)

    — Was haben wir gemacht?

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie haben die Mehrwertsteuer in Ihrer Regierungszeit doch zweimal erhöht!)

    — Herr Kollege Friedmann, das bestreitet hier doch überhaupt keiner.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aha!)

    Aber jetzt geht es doch um folgendes. Es gibt in Ihren Reihen eine Anzahl von Haushalts- und Finanzpolitikern, die sich noch bemühen, seriös zu rechnen. Wenn ich jetzt einmal die Kollegen angucke, die mit mir zusammen im Haushaltsausschuß den Haushalt zu bearbeiten haben, dann weiß ich doch ganz genau: Es gibt bei Ihnen eine Reihe von Kollegen, die sagen: Hätten wir doch bloß nicht damals das Versprechen abgegeben, jeder soll 1 000 DM Steuererleichterung kriegen! Das wird im übrigen sowieso nicht eingehalten. Es kriegt gar nicht jeder 1 000 DM. Das hat Hans Apel heute schon gesagt.
    Aber wie soll es denn nun finanziert werden? Und nun kommen Sie doch nicht hierher und erzählen: Das werden wir alles im Oktober vorlegen. Ich prophezeie Ihnen eines, wobei man als Politiker mit Prophezeiungen vorsichtig sein soll; vor dem 13. September wird überhaupt nicht gesagt werden, wie es finanziert werden soll, es sei denn, der Herr Stoltenberg stellt sich jetzt oder am Freitag — das ist egal — hier hin und sagt: Apel hat gesagt, die Regierung will die
    Mehrwertsteuer erhöhen; ich erkläre hier verbindlich für die Bundesregierung, ich erhöhe die Mehrwertsteuer nicht. Wenn Sie das machen: alle Achtung. Dann fragen wir Sie natürlich sofort: Wie wollen Sie es denn bezahlen? Das trauen Sie sich nicht.

    (Uldall [CDU/CSU]: Nun wiederholen Sie sich doch nicht, Herr Struck!)

    — Das ist aber ein entscheidender Punkt. Das ist nämlich der Punkt, der Ihnen wehtut.

    (Uldall [CDU/CSU]: Nein!)

    — Natürlich, Herr Uldall, der Punkt tut Ihnen weh. In Schleswig-Holstein merken wir das, daß die Bürger Ihnen das überhaupt nicht mehr glauben, daß Sie ein seriöser Finanzpolitiker sind.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir machen eine Steuersenkung! Wir senken die Steuer netto um 20 Milliarden DM! Nehmen Sie das doch zur Kenntnis!)

    — Herr Friedmann, Ihnen fehlen 19 Milliarden DM zur Finanzierung der sogenannten Steuerreform. Ich sage, das ist eine Steuermanipulation und keine Steuerreform. Da fehlen Ihnen 19 Milliarden DM.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich möchte mal wissen, wo Sie die herkriegen wollen. Sagen Sie doch den Leuten draußen: Wir machen keine Mehrwertsteuererhöhung, wir streichen die Arbeitnehmererleichterungen nicht.

    (Uldall [CDU/CSU]: Das hören Sie alles noch!)

    — Wo denn? „Das hören Sie alles noch" : Erzählen Sie mir doch nichts. Sie wollen sich über den 13. September retten,

    (Zuruf von der SPD: Mogeln!)

    — mogeln — , und dann sagen Sie: Jetzt ist es vorbei, jetzt können wir die Grausamkeiten begehen. Lambsdorff hat doch schon von den Grausamkeiten gesprochen, die begangen werden müssen. Es gibt ja auch einige hier im Saal, insbesondere im Bereiche der FDP, von Herrn Geißler kürzlich, wie ich meine, nicht ganz zu Unrecht als Pendlerpartei bezeichnet, die schon ganz offen darüber reden, daß man eine Mehrwertsteuererhöhung brauche — Herr Kollege Gattermann —; aber dann wird immer ein anderer Grund vorgeschoben. Es geht uns Sozialdemokraten hier im Interesse der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nur um eines: Wenn Sie die Steuermanipulation 1990 durchführen wollen,

    (Zuruf von der SPD: Steuerbetrug!)

    dann sagen Sie uns, wie Sie das bezahlen wollen. Das ist das A und O in der Finanzpolitik. Nur darum geht es uns.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Herr Kollege Stoltenberg, ich muß Ihnen vorwerfen, daß Sie unseriös argumentiert haben, auch unseriöse Politik machen, nicht nur im Wahlkampf draußen, wo Ihre Polemik gegen uns Sozialdemokraten die Grenze des Erträglichen weit überschreitet, sondern heute morgen auch hier in diesem Hause. Sie haben bei der



    Dr. Struck
    Darstellung der Entwicklung der Investitionen des Bundes eine plumpe Fälschung begangen. Bei der Auflistung der Bundesinvestitionen zu Zeiten der Regierung Kohl haben Sie Bahn und Post einbezogen und zu Recht hervorgehoben, daß Post und Bahn die eigentlichen Investitionsträger sind. Das ist richtig. Sie haben aber verschwiegen — und auch durch Verschweigen kann man manipulieren — , daß das genauso war, als wir noch zusammen mit den Freien Demokraten regiert haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das war doch wohl nicht anders. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, Herr Kollege Stoltenberg, daß sich in der Zeit der sozialliberalen Regierungskoalition die Investitionen bei der Post mehr als verdoppelt haben! Das heißt, wenn Sie schon vergleichen, vergleichen Sie korrekt. Darum geht es uns. Wenn Sie unkorrekt vergleichen, dann zeigt das nur, daß bei Ihnen der Lack ab ist, daß Sie mit dem Rücken an der Wand stehen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Post hat damals weniger investiert als heute!)

    Wir Sozialdemokraten sind gerne bereit, an einer ordentlichen und soliden Haushalts- und Finanzpolitik auch für den Haushalt 1988 mitzuwirken. Wir Haushaltsausschußmitglieder werden uns bemühen, genauso wie die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen dieses Hauses dazu beizutragen, daß der Haushalt die Maßnahmen enthält, die wir aus politischen Gründen auch für erforderlich halten. Über einen Punkt lassen wir mit uns aber nicht mehr reden: Wir sind nicht bereit, mit Ihnen über 1 000 DM, über eine Million DM auf der Ausgabenseite zu diskutieren, wenn nicht auf der Einnahmenseite ein Loch von 19 Milliarden DM gedeckt ist und nicht endlich gesagt wird, wie das Geld aufgebracht werden soll.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das hat doch nichts mit dem Haushalt des nächsten Jahres zu tun! Das ist ab 1990!)

    — Herr Kollege Friedmann, Ihnen dürfte nicht entgangen sein, daß wir auch über den Finanzplan bis 1990 reden. Darüber habe ich eben gesprochen. Denken Sie dran, Herr Friedmann, bevor Sie einen Zwischenruf machen: Erst überlegen! Nicht der Kehlkopf entscheidet, Herr Friedmann, der Kopf entscheidet.

    (Heiterkeit bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Strauß-Zitat!)

    Herr Kollege Stoltenberg, zuletzt möchte ich Ihnen noch sagen, wenn ich Wahlkämpfer der Union wäre, wenn ich beispielsweise der Kollege Dregger wäre, der heute nicht da ist, dann wäre ich Ihnen ernsthaft böse, und zwar deshalb, weil Sie, Herr Stoltenberg, den Wahlrednern und Wahlkämpfern der Union eingeredet haben — das ist ja auch noch zwei oder drei Wochen vor der Bundestagswahl durch Ihre Sonntagszeitungen verbreitet worden —, daß jeder Steuerzahler 1 000 DM Steuerentlastung ab 1990 bekäme.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Im Durchschnitt!)

    — Nicht im Durchschnitt! (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Doch!)

    — Nein, jeder Steuerzahler! Ich merke schon, wie Sie in Schwierigkeiten sind.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Noch in Hessen!)

    Herr Dregger hat am 28. Februar 1987 im Westdeutschen Rundfunk gesagt — und sein Problem ist, daß er, weil er eine bedeutende Persönlichkeit ist, seine Aussagen immer im Dokumentationsdienst des Presse- und Informationsamtes dokumentiert wiederfindet — : 1 000 DM für jeden Steuerzahler. Und das ist eine Lüge. Es ist eine Lüge!
    Nun sage ich einmal: Herrn Dregger ist das von Herrn Stoltenberg eingeredet worden. Wenn nicht, kommen Sie her, dementieren Sie es, sagen Sie, Sie hätten das nie gesagt. Tun Sie aber nicht so, Herr Kollege Stoltenberg, als ob Sie das alles nichts anginge, was Ihre Wahlkämpfer draußen im Lande, auch jetzt gerade in Schleswig-Holstein und in Bremen, erzählen. Tun Sie mal nicht so seriös!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das mit den 1 000 DM ist von Herrn Dregger und anderen nicht frei erfunden worden, sondern ist diesen Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, Herr Stoltenberg, eingeflüstert worden.
    Ihren Haushaltsentwurf für 1988 und den Finanzplan bis 1991 kann man unter einer Überschrift subsumieren: Nach mir die Sintflut.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war eure Parole!)

    Was dieser Bundesfinanzminister sich selbst eingebrockt hat, läßt eigentlich nur den Schluß zu, daß Sie, Herr Kollege Stoltenberg, davon ausgehen, daß nicht mehr Sie diese ganze Suppe auszulöffeln haben werden, sondern wir, wenn wir 1991 gewonnen haben.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)