Rede:
ID1102301200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Kleinert: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sofern Ihre Rede, die Sie soeben gehalten haben, Herr Kollege Apel, der groß angekündigte Generalangriff der SPD gewesen sein soll, sollten Sie uns das noch wissen lassen. Ich bin der Meinung, daß es geradezu eine Zumutung ist, von Ihnen auf Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit angesprochen zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch aus den 70er Jahren, daß diese Worte zu Apels Zeiten geradezu Fremdworte in der deutschen Finanzpolitik gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine noch größere Zumutung ist es, vom Kollegen Apel in Sachen Kredite und Schulden angesprochen zu werden. Herr Kollege Apel, wenn Sie diese Themen aufgreifen, sollten Sie nicht vergessen — und ich bitte Sie, das in Zukunft bei Ihren Äußerungen zu bedenken — , daß wir keine oder kaum Kredite aufnehmen müßten, wenn wir heute nicht die Zinsen für Ihre Schulden zu zahlen hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben damals — wie Sie glaubten, zur Bewältigung von Strukturproblemen — ein Ausgabenprogramm auf das andere geschichtet.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sie haben uns arm gemacht! )

    Sie haben Milliarden über Milliarden Schulden gemacht. Die Zinslast stieg an und leider mit jedem Ausgabenprogramm auch die Arbeitslosigkeit. Wir hatten danach beides zu bewältigen, die hohe Schuldenlast und die Arbeitslosigkeit, und wir sind auf dem besten Weg, diese beiden Probleme in den Griff zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir debattieren hier heute und in den nächsten Tagen im Deutschen Bundestag den Bundeshaushalt 1988 und die mittelfristige Finanzplanung bis 1991. Eines ist aber jetzt schon klar: Diese Bundesregierung bleibt auch im sechsten Jahr auf Kurs,

    (Zuruf von der SPD: Auf falschem Kurs!)

    und das ist ganz wichtig. Eine solide Haushalts- und Finanzpolitik wird auch in den nächsten Jahren zentrale Bedeutung innerhalb der Regierungspolitik haben, und das heißt für uns: Fortsetzung der erfolgreichen Politik.
    Wir schaffen finanzielle Handlungsspielräume über zurückhaltende Ausgabenzuwächse bei den öffentlichen Haushalten, ohne die Aufgaben der öffentlichen Hand zu vernachlässigen. Wir nutzen diese erarbeiteten Finanzspielräume zur Stärkung des privaten Sektors durch Begrenzung der Nettoneuverschuldung und durch das Senken von Steuern. Wir setzen mit dieser Politik auf den Fleiß und auf das Können unserer Bürger, nicht auf staatliche Gängelung. Diese Politik war in den letzten Jahren erfolgreich und wird auch in den nächsten Jahren erfolgreich sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Apel meinte eben — ich hatte es angedeutet — , von Haushaltswahrheit und -klarheit reden zu sollen. Ich kann mich nur an wenige Jahre erinnern, in denen wir zu seiner Zeit, zur Zeit der SPD, nicht Nachtragshaushalte benötigten oder in denen gar während der Beratungsverfahren nicht noch Ergänzungshaushalte dazwischengeschoben wurden.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ein Durcheinander war das!)

    Ich darf Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen, sagen, daß dies nun zwischenzeitlich der sechste Haushalt von Gerhard Stoltenberg in Folge ist, der erstens rechtzeitig vorgelegt wurde und zweitens rechtzeitig zum neuen Jahr abgeschlossen sein wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Solide! Zuverlässig!)




    Carstens (Emstek)

    Meine Damen und Herren, das ist der sechste Haushalt in Folge, der mit einer Ausgabensteigerung um 2 % operiert.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist das!)

    In den letzten fünf Jahren haben wir im Durchschnitt nur 1,7 % jährlich zusätzlich ausgegeben. Aber auch dieser Haushalt geht von einer Steigerungsrate um 2 % — im Entwurf noch von 2,4 % — aus. Wir konnten seit Jahren ohne Nachtragshaushalt auskommen,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    und dieser Haushalt hat gute Chancen, diesem Beispiel zu folgen.

    (Glos [CDU/CSU]: Hervorragend!)

    Meine Damen und Herren, wir haben uns vorgenommen, den Haushalt, den der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, noch ein wenig zu verbessern. Wir werden in den nächsten Monaten jeden Einzelplan genauestens unter die Lupe nehmen. Das heißt natürlich, daß wir zwar hier und dort noch Geld in den Ministerien ausfindig machen wollen, daß aber die einzelnen Ministerien auch das nötige Geld behalten werden, um ihre Aufgaben gut erfüllen zu können. Die vom Finanzminister ausgewiesene Gesamtausgabensteigerung gegenüber dem Vorjahr von 2,4 % gilt allerdings nicht nur als absolute Obergrenze, sondern soll noch ein Stück weit reduziert werden. Nach unserer Meinung sollte es möglich sein, die Neuverschuldung auf unter 29 Milliarden DM zu begrenzen.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Wir werden bemüht sein, die Beratungen so abzuschließen, daß wir auch für das nächste Jahr keinen Nachtragshaushalt nötig haben, und sämtliche neuen Vorhaben müssen im Rahmen der vorgesehenen Ausgabensteigerung um 2,4 % finanziert werden. Wenn bei neuen Vorhaben nicht glaubhaft nachgewiesen werden kann, daß die Gesamtfinanzierung langfristig gesichert ist, braucht man nicht mit einer Genehmigung dieser neuen Vorhaben zu rechnen.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Wir werden Haushaltsumschichtungen ermöglichen, am liebsten in Richtung der investiven Anteile, aber nur gegen Beibringung entsprechender Deckung.
    Eines ist aber auch klar: Gesetzliche Leistungen sowie rechtliche und internationale Verpflichtungen werden für Einsparungen nicht herangezogen. Darauf kann sich jeder Bürger in unserem Lande verlassen.
    Wir werden uns am kommenden Montag mit den Haushaltspolitikern der FDP in einer Klausurtagung treffen, um weitere Einzelheiten festzulegen. Aber eines lassen Sie mich hierzu schon feststellen: Die SPD hat ihrerseits in der Sommerpause bekundet, daß sie davon ausgeht, daß wir in den Jahren 1988 bis 1990 in jedem Jahr eine Nettoneuverschuldung von über 30 Milliarden DM werden in Kauf nehmen müssen. Sie hat sogar davon gesprochen, daß es bis auf 45 Milliarden DM würde klettern können.
    Meine Damen und Herren, es ist unser Ziel — und ich bin sicher, daß wir uns innerhalb der CDU/CSU-Fraktion alle einig sind — , alles dafür zu tun, daß wir
    trotz der gewaltigen Steuersenkungen in den Jahren 1988, 1989 und 1990 möglichst in keinem Jahr die Neuverschuldung von 30 Milliarden DM überschreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Struck [SPD]: Das schafft ihr nie!)

    Ich bin sicher, daß wir eine gute Chance haben, das zu erreichen.
    Meine Damen und Herren, wir werden diese Politik nicht ändern, auch nicht auf Grund der Kritik, die hier der Kollege Apel geäußert hat, und das ist gut so. Ich weiß, daß die gesamte Fraktion der CDU/CSU und auch die der FDP hinter dieser Politik stehen, und auch das ist gut so. Bringt doch diese Politik für die überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung Auswirkungen und Entwicklungen mit sich, die sich sehen lassen können. Ohne diese solide Haushalts- und Finanzpolitik wäre diese Entwicklung überhaupt nicht möglich gewesen.
    Man kann davon reden, daß es für unser Volk und für die gesamte Bevölkerung ein Glück ist, daß wir imstande gewesen sind, die öffentlichen Finanzen wieder unter Kontrolle zu bringen und sie wieder in den Griff zu nehmen. Es ist genauso ein Glücksfall für unser Land, daß nicht mehr Apel und Matthöfer Finanzminister sind, sondern so ein Mann wie Gerhard Stoltenberg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, in den Monaten Juli und August und bis in die letzten Tage hinein hat man innerhalb der Opposition versucht, die Politik von Gerhard Stoltenberg unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl madig zu machen. Man hat von Greueltaten geredet, Horrorszenarien aufgebaut, und man hat davon gesprochen — und das alles in einem Zug —, daß die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte und die Mineralölsteuer um 20 Pfennig pro Liter angehoben werden müßten. Verschiedene andere Steuern sollten angehoben werden; wir würden dafür sorgen, daß die Länder und die Kommunen nicht mehr imstande wären, ihre Aufgaben zu erfüllen;

    (Dr. Struck [SPD]: Das stimmt doch!)

    wir würden sie nach der Aussage der SPD geradezu in den Ruin treiben. Der Kollege Spöri, der sich besonders hervorgetan hat, brachte es dann noch fertig, im Sommer mit einer angeblichen Streichliste im Fernsehen herumzuwedeln.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sagen Sie doch mal, was Sie wirklich machen! Was machen Sie denn jetzt, Herr Carstens?)

    Bei der Überprüfung dessen, was denn wohl diese Streichliste bedeutete,

    (Zurufe des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    stellte sich heraus — jetzt wird der Kollege Spöri ganz nervös — , daß es sich nur um Auszüge aus einer Liste von möglichen Subventionskürzungen handelte, die schon zu einer Zeit im BMF erstellt worden war, als



    Carstens (Emstek)

    Gerhard Stoltenberg noch gar nicht da war, nämlich zu SPD-Zeiten.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sagen Sie doch mal, was Sie machen!)

    Das ist dann relativ spät herausgekommen, aber immerhin ist es auch festzustellen.

    (Dr. Struck [SPD]: Was machen Sie denn jetzt! — Dr. Spöri [SPD]: Was machen Sie denn jetzt? Zur Sache!)

    Ich kann jedenfalls sagen, daß zum Beispiel in einer großen deutschen Tageszeitung über dieses Sommerszenario der SPD folgendes kommentierend gesagt worden ist:

    (Dr. Spöri [SPD]: Da haben Sie aber lange gesucht! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Aber doch gefunden!)

    In der finanz- und haushaltspolitischen Diskussion sind seit Wochen Bezichtigungen an der Tagesordnung, die unter normalen Umständen eine Beleidigungsklage nach der anderen auslösen müßten.

    (Dr. Struck [SPD]: Das ist das DeutschlandMagazin!)

    Das gilt besonders, seit sich der SPD-Abgeordnete Dieter Spöri auf diesem Feld bewegt.

    (Dr. Struck [SPD]: Ziesel!)

    Seither wird im Finanzministerium nur noch gelogen, werden Erkenntnisse und Beschlüsse vorenthalten und die Öffentlichkeit auf jede nur erdenkliche Weise getäuscht. Der Stil der Auseinandersetzung hatte wohl schon lange nicht mehr ein so verheerendes Niveau.
    Dies stand wörtlich vor einigen Tagen in der „Welt" zu lesen.

    (Dr. Apel [SPD]: Euer Zentralorgan! — Dr. Spöri [SPD]: Haben Sie das souffliert?)

    Das, was Sie hier an Greueltaten und Horrorszenario aufzubauen versuchten,

    (Dr. Apel [SPD]: Sag doch mal die Wahrheit! — Dr. Struck [SPD]: Was wollt ihr denn?)

    das haben wir in Ihrer Zeit miterleben müssen, leider miterleben müssen. Wir erinnern uns alle noch an die hektischen Monate der Haushaltsaufstellung, an die zum Teil chaotischen Haushaltsberatungen, an ständig neue Hiobsbotschaften z. B. im Zusammenhang mit der Tornado-Finanzierung, die uns ja unter dem Namen Apel noch sehr stark in Erinnerung ist. Fast jährlich gab es Nachtragshaushalte. Ich möchte sagen: Es schlägt schon fast dem Faß den Boden aus, wenn die Schuldenmacher von gestern Gerhard Stoltenberg und uns heute eine Finanzkrise anzudichten versuchen.

    (von der Wiesche [SPD]: Es geht um Ihre Schulden!)

    Wir haben im Jahre 1975 einmal erlebt, daß ein Finanzminister dem Parlament zumuten wollte, die Mehrwertsteuer um zwei Punkte anzuheben, dem Parlament zumuten wollte, die Mineralölsteuer anzuheben, die Tabaksteuer und weitere Steuern anzuheben. Und dieser Finanzminister wagt es heute hier nach vorne zum Pult zu kommen und uns zu kritisieren. Das war einmalig in der Geschichte. Es war der einmalige Finanzminister von damals, Hans Apel, der uns das zugemutet hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da hat ihn das Pferd getreten!)

    Jetzt, meine Damen und Herren, sind die Finanzen solide geordnet.

    (Lachen des Abg. Dr. Apel [SPD])

    In einer so komplizierten Volkswirtschaft wie der unseren gibt es immer wieder Probleme, aber wir sind auf der stabilen Grundlage, die wir geschaffen haben, imstande, diese Probleme zu bewältigen. Ich habe soeben schon gesagt — und ich stehe dazu —, daß wir die große Chance haben, diese gewaltige Steuerentlastung in den nächsten Jahren zu bewältigen, ohne in einem Jahr die Grenze von 30 Milliarden DM Neuverschuldung zu überschreiten. Das wäre eine gewaltige Leistung.

    (Dr. Struck [SPD]: Das schafft ihr nicht! — Dr. Spöri [SPD]: Wo ist die Finanzierung?)

    Fast alle Bürger in unserem Land hätten ihre Vorteile davon, nicht nur die reichen, Herr Kollege Apel, so, wie Sie es soeben polemisch dargestellt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn wir diese Finanzpolitik nicht gemacht hätten, könnte man jetzt gar nicht darüber diskutieren, eine derartige Steuerentlastung zu beschließen. Gerhard Stoltenberg hat eben die Ausgabenzuwächse genannt, die bei Ihnen üblich gewesen sind. Wenn wir diese Ausgabenzuwächse seit 1982 weiter gehabt hätten, müßten wir jetzt nicht über Steuersenkungen reden, sondern darüber, daß 80 Milliarden DM zusätzliche Kreditfinanzierung notwendig wären — 80 Milliarden DM — , dann redeten wir nicht von Steuersenkungen, sondern davon, daß die Steuern und Abgaben erhöht werden müßten.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das macht ihr doch im Oktober!)

    Das wäre dann die Fortsetzung damaliger SPD-Politik. Aber das ist durch diese Politik verhindert worden.
    Wir haben nun, bei allen Problemen, die es immer noch in unserem Lande gibt, hier Gott sei Dank vorzutragen, daß wir uns mittlerweile im fünften Jahr einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung befinden. Immer mehr Sektoren und Regionen, trotz aller Probleme, werden in diese Entwicklung einbezogen. Niemand kann erwarten, daß von einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung alle Probleme beseitigt werden. Aber das andere ist genauso sicher: Ohne eine anhaltende wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung geht so gut wie nichts. Es kommt nicht von ungefähr, daß bei Umfragen in der Bevölkerung immer mehr Menschen, angesprochen auf ihre persönliche finanzielle Situation, zum Ausdruck bringen, daß sie mit der ganz gut zufrieden seien.

    (Stratmann [GRÜNE]: Besonders die Bauern!)




    Carstens (Emstek)

    Das ist schon ein erstaunlicher Prozentsatz. Wenn diese Entwicklung weiter anhält — in diesem Jahr hatten wir vorübergehend Schwierigkeiten, das wollen wir gerne eingestehen — —

    (Dr. Struck [SPD]: Nicht nur in diesem Jahr! Ihr habt immer Schwierigkeiten! Ihr werdet noch mehr Schwierigkeiten kriegen!)

    Aber es gibt keinen ernst zu nehmenden Wirtschaftswissenschaftler, keinen ernst zu nehmenden Experten, der nicht mindestens davon ausgeht, daß wir in diesem Jahr nennenswertes Wachstum behalten und sich dieses Wachstum auch im Jahre 1988, mit einer steigenden Tendenz, fortsetzen wird.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das ist doch reine Lyrik!)

    Immer mehr Menschen kommen in den Genuß dieser wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung.
    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sollten sich einmal ansehen, wie die Arbeitnehmer in unserem Land in den Jahren 1981 und 1982 gestellt waren, in einer Zeit, als Sie regierten, in einer Zeit, als wir kein Wirtschaftswachstum gehabt haben. Da schrumpfte die Wirtschaft.

    (von der Wiesche [SPD]: Die Arbeitslosen müssen Sie sich mal ansehen!)

    — Gerade in dieser Zeit sind zusätzlich viele arbeitslos geworden. Allein im Jahre 1982 haben wir in Deutschland 441 000 Arbeitsplätze verloren, allein in diesem Jahr, für welches Sie politisch voll und ganz verantwortlich gewesen sind und noch sind.

    (Dr. Penner [SPD]: Mehr voll als ganz!)

    Das gilt ähnlich für das Jahr 1981. In diesem Jahr stieg nicht nur die Arbeitslosigkeit so immens an, sondern wir hatten auch sinkende Reallöhne. Das ist doch völlig klar. Es geht ja gar nicht anders. Wenn die Wirtschaft schrumpft, sind im Prinzip nur sinkende Reallöhne möglich. Das heißt dann aber auch umgekehrt, daß, wenn die Wirtschaft über Jahre wächst, wir über Jahre steigende Reallöhne haben.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das geben selbst die Gewerkschaften zu!)

    In unserer Zeit nun erleben wir, daß wir steigende Reallöhne haben. Die Renten steigen real. Die Finanzen der Rentenkassen werden sicherer. Die Zinsen sind gesunken. Das Geld ist absolut stabil. Das sind doch alles Dinge, die wir vorzeigen können, die es zu Ihrer Zeit so gut wie nie gegeben hat. Das alles zusammen ergibt dann eben doch den hohen Grad an Zufriedenheit der Menschen in unserem Lande mit ihrer Situation.
    Nun kommt es für uns darauf an, daß wir die Problembereiche nicht aus dem Auge verlieren. Aber das tun wir ja nicht.

    (Dr. Spöri [SPD]: Jetzt klärt mal endlich die Finanzierung auf!)

    Gerade für die setzen wir besondere Mittel in den Haushalt ein,

    (Zurufe von den GRÜNEN: Wo denn?)

    z. B. für die Landwirtschaft. Der Anteil der Landwirtschaft steigt um 7,4 % — bei einem Gesamtausgabenwachstum von 2,4 %. Ich kann Ihnen sagen, daß wir
    auch auf europäischer Ebene Programme in Vorbereitung haben, die dafür sorgen, daß die Überschüsse in der Landwirtschaft abgebaut werden. Wir konzentrieren uns nicht nur auf die gesamtwirtschaftliche Aufwärtsentwicklung — die ist besonders wichtig, weil die meisten Leute davon positiv betroffen werden —, sondern wir sehen uns auch die Problembereiche an und überlegen, was wir zur Behebung dieser Probleme tun können, z. B. im Bereich der Kohle, z. B. bei den Werften. Wie sähe es heute bei den Werften aus, wenn wir nicht eingegriffen hätten oder wenn wir kein Geld gehabt hätten, so wie Sie heute kein Geld hätten, wenn Sie weiter regiert hätten?

    (Dr. Penner [SPD]: Das liegt alles am Lambsdorff !)

    Wir haben das alles vor Augen, und wir sind dabei, diese Dinge in den Griff zu bekommen.
    Denken Sie einmal an die Zinsbelastungen derjenigen, die sich vor Jahren ein Häuschen gebaut haben. Die mußten in Ihren Regierungsjahren zeitweise 11 %, 12 %, 13 % Zinsen zahlen. Sie konnten das kaum aufbringen. Einige mußten mehr Zinsen im Monat zahlen, als sie überhaupt verdient haben. Jetzt ist der Zinssatz zurückgegangen, auf 61/2 %, 7 %. Das macht bei vielen Leuten eine monatliche Nettoentlastung von drei-, vier-, fünfhundert D-Mark aus. Das ist ein Ergebnis unserer soliden und sozialen Politik, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — von der Wiesche [SPD]: Das ist doch nicht Ihr Verdienst! — Roth [SPD]: Das war das Drehbuch des letzten Jahres!)

    Denken Sie etwa auch an die Sozialhilfeempfänger. Die Sozialhilfeempfänger haben erfahren, daß wir regelmäßig die Regelsätze angehoben haben. Das, was wir angehoben haben, kommt den Sozialhilfeempfängern real zugute, weil es nicht durch die Inflationsraten aufgefressen wird, sondern bei stabiler Währung echt, real zur Verfügung steht. Das ist soziale Politik, wie wir sie verstehen und wie wir sie weitermachen wollen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das kann man auch auf die Entwicklung in Schleswig-Holstein im Vergleich zu Bremen übertragen. Ich will dazu keine längeren Ausführungen machen. Ich nehme an, daß dazu noch der Regierungschef von Bremen Stellung nehmen wird. Aber ihm möchte ich im voraus schon mit auf den Weg geben, sich hier in dieser Runde vor dem Plenum des Deutschen Bundestages damit auseinanderzusetzen, wie er es denn wohl begründet, daß Bremen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern bei der Verschuldung des Landes absoluter Spitzenreiter ist,

    (Dr. Struck [SPD]: So ein Quatsch! — Roth [SPD]: Jetzt reden wir einmal über Frankfurt!)

    daß Bremen auch bei der Arbeitslosigkeit absoluter Spitzenreiter ist. Bremen steht ganz obenan und Schleswig-Holstein an sechster, siebter Stelle. Aber dazu wird es gleich weitere Auseinandersetzungen geben. Nur, Herr Wedemeier, ich möchte Sie schon



    Carstens (Emstek)

    jetzt bitten, doch auch die Verschuldung des Landes anzusprechen und nicht zu vergessen.
    Denn, meine Damen und Herren, die Politik, die wir 1982 angefangen haben, die auf die Privatinitiative setzt, den Staat seine Aufgaben erfüllen läßt, ihn aber nicht ins Handeln im Rahmen der wirtschaftlichen Bereiche hineinzieht oder ihn zumindest nach und nach aus den wirtschaftlichen Abläufen weiter herauszieht, hat dafür gesorgt, daß die Leistungsfähigkeit unserer Bevölkerung angeregt wurde, daß die Rahmenbedingungen dafür gegeben wurden, daß sich Einsatz lohnt. Das haben wir nun als Ergebnis vorzulegen: eine sich schon über fünf Jahre nach oben entwickelnde Wirtschaft.
    Sie, Herr Kollege Apel, haben über Jahre den Fehler gemacht und würden ihn auch heute, wenn Sie die Mehrheit dazu hätten, fortsetzen, nicht auf die Privatinitiative, sondern weiter auf den Staat und seine Institutionen zu setzen. Das ist noch überall in der Welt, wo das praktiziert wurde, fehlgeschlagen. Der Lehrsatz der SPD lautete sozusagen: Hier x Milliarden DM mehr ausgeben, dort y zusätzliche Arbeitsplätze. — Ich gebe zu, meine Kolleginnen und Kollegen der SPD, daß diese Argumentation verblüffend einfach ist. Sie hat nur einen Fehler: sie stimmt nicht. Denn das Ergebnis dieser Politik haben wir gesehen. Nach diesem System sind Sie vorgegangen und sind gescheitert. Sie haben nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen, sondern die Arbeitslosigkeit und gleichzeitig die Verschuldung sind angestiegen. Das ist unserer Bevölkerung noch bestens in Erinnerung. Ich bin sicher, daß die große Mehrheit unseres Volkes diese Politik auch nicht wieder erleben möchte.
    Unsere Rechnung ist ebenso einfach. Sie setzt Vertrauen in die Abläufe der sozialen Marktwirtschaft voraus.

    (Dr. Apel [SPD]: Der redet wie das Sandmännchen!)

    Man muß davon überzeugt sein, daß eine gewisse Summe x, von vielen Unternehmern und Privaten, von der großen Breite der mittelständischen Betriebe investiert, eine andere Qualität hat, als wenn diese Summe der Staat verausgabt.

    (Zuruf von der SPD: Mehr Arbeitslosigkeit!)

    Wenn viele, viele Einzelinvestitionen durch die mittelständische Wirtschaft vorgenommen werden, hat das eine gänzlich andere Qualität, als wenn das über staatliche Einrichtungen liefe. Diese Politik muß fortgesetzt werden.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das ist doch Dummheit, das gegeneinander auszuspielen!)

    Wir müssen unsere Wirtschaft weiter anregen, zu investieren, Arbeitsplätze zu schaffen, für Wachstum zu sorgen, damit wir weiter steigende Reallöhne haben,

    (Dr. Spöri [SPD]: Wer ist denn gegen private Investitionen?)

    damit die Sozialklassen weiter in Ordnung bleiben und daß wir auch imstande sind, den sozial Schwachen zu helfen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ach wirklich?)

    Meine Damen und Herren von der SPD, den sozial Schwachen kann der Staat auch nur helfen, wenn die wirtschaftliche Entwicklung gut ist, wenn auch Geld in die Kassen des Staates fließt.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Das ist der Punkt!)

    Bei Ihrer Schuldenpolitik und bei dem Auftürmen der Zinslasten wären Sie heute überhaupt nicht mehr imstande gewesen, den Schwächsten im Lande zu helfen. Auch das gehört zu unserer Politik: daß wir die Schwächsten im Lande nicht vergessen, sondern unsere Politik auch auf sie ausrichten.
    Diese Politik hat den Vorteil, daß sie sich auch rechnen läßt, daß sie finanzierbar ist, daß man sogar eine gewaltige Steuerentlastung vornehmen kann, ohne die Neuverschuldung wesentlich anzuheben — nur ein wenig, und das vorübergehend. Wir werden den Beweis antreten.

    (Dr. Struck [SPD]: Das wollen wir einmal sehen!)

    Die Bevölkerung unseres Landes kann das in den nächsten Jahren beobachten, und sie wird das auch beobachten, da bin ich sicher. Ich freue mich schon darauf, daß diese Beobachtung vorgenommen werden wird.
    Unsere Rechnung geht so: Bei einer normalen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung, wie wir sie jetzt vier, fünf Jahre gehabt haben, haben wir eine nominelle wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung von 4 bis 5 % zu erwarten.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wieviel?)

    Von dem daraus resultierenden Zuwachs der Steuereinnahmen — nicht durch Erhöhung der Steuersätze — von 20 Milliarden bis 25 Milliarden DM jährlich für den Fall, daß man die Steuern nicht senkte, also bei gleichbleibenden Steuersätzen, haben wir jährlich nur etwa knapp die Hälfte in den öffentlichen Haushalten ausgegeben und wollen auch in den nächsten Jahren nur etwa knapp die Hälfte dieses Zuwachses durch Ausgaben belegen. Das heißt, daß gut 10 Milliarden DM der Zuwächse bei den Steuereinnahmen, die ohne Steuererhöhung einfließen, für zweierlei Dinge verwendet werden können: entweder für den Abbau der Neuverschuldung oder für das Senken der Steuern. Unsere Politik ist es gewesen — in den ersten Jahren war es auch dringend notwendig —, über Jahre die Neuverschuldung zurückzuführen. Das kann man ablesen: Es ging von 37/38 Milliarden DM herunter bis auf 22/23 Milliarden DM. Für die zweite Legislaturperiode, politisch schon 1986 beginnend, haben wir uns vorgenommen, schwerpunktmäßig die Steuern zu senken, und zwar in einem gewaltigen Ausmaß. Hierbei nehmen wir in Kauf, daß die Neuverschuldung ein wenig ansteigt, um sie aber schon ab 1991 schwerpunktmäßig wieder abzubauen. Alles, was wir an Steuern entlasten werden und schon entlastet haben, gerade für die, die Kinder haben, ist bislang finanziert worden, ohne daß wir den Bürgern



    Carstens (Emstek)

    irgend etwas von dem weggenommen haben, was sie vorher hatten.

    (Becker [Nienberge] Es ist vielmehr dadurch finanziert worden, daß der Staat von den Steuereinnahmen, die ihm über Wirtschaftswachstum zufließen, nur die Hälfte für Ausgaben und die andere Hälfte entweder für den Abbau der Neuverschuldung oder zum Senken der Steuern verwandt bzw. vorgesehen hat. So finanziert sich innerhalb der Sozialen Marktwirtschaft bei guter Politik eine solch große Reform. Was übrigbleibt, was in dieser Zeitspanne nicht bewältigt werden kann, das muß kompensiert werden, und dazu hat unser Finanzminister soeben klare Aussagen gemacht. Da gibt es nicht einen einzigen Punkt, den wir verheimlichen. (Dr. Apel [SPD]: Das ist gut! — Dr. Spöri [SPD]: So ein Komiker! — Zuruf von der SPD: Das ist die Unwahrheit!)


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    (Dr. Apel [SPD]: Ich habe keine gehört!)

    Da kann man genau nachlesen, wie wir vorgehen. Wenn jemand sagt, daß das nicht fundiert sei, dann weiß ich nicht, wie dieser sich das sonst in der Politik vorstellen könnte.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Wohl anders!) Wir werden klar und deutlich Auskunft geben.


    (Dr. Spöri [SPD]: Wann denn?)

    Die Worte, die Gerhard Stoltenberg hierzu gefunden hat, brauchen keine weitere Bestätigung.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das stinkt doch zum Himmel, was Sie da verzapfen!)

    Meine Damen und Herren, um diese Politik durchhalten zu können, müssen wir auch in den nächsten Jahren jährlich nur mit einem Zuwachs von gut 2 bis 3 % zurecht kommen, nicht nur beim Bund, auch bei den Ländern und bei den Kommunen. Bei den Kommunen hat man noch am ehesten Spielraum, wenn man sich ansieht, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln und wie sie sich auf Bund, Länder und Kommunen verteilen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Kaum Spielraum! — Dr. Struck [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Im Jahre 1988 wird der Zuwachs bei den Steuereinnahmen zugunsten der Gemeinden zwischen 2 und 3 % liegen; aber schon für das Jahr 1989 kann man davon ausgehen, daß die Steuereinnahmen der Kommunen um 4 bis 5 % ansteigen werden.
    Meine Damen und Herren, nun möchte ich auch hier einmal sagen, daß die Städte und Gemeinden mit derartigen Zuwächsen hinkommen müssen. Man kann nicht alles finanzieren, was wünschbar ist, sondern man muß sich danach richten, was an Finanzvolumen zur Verfügung steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist ja furchtbar!)

    Bei allem, was wir in den nächsten Wochen und Monaten beschließen werden, können alle Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden davon ausgehen, daß wir schon um die Bedeutung der Städte und Gemeinden wissen, daß wir z. B. wissen, daß die Gemeinden und die Städte die Hauptträger der öffentlichen Investitionen sind, daß dafür auch ein gewisses Finanzvolumen vorhanden sein muß. Das wissen wir, und die Kommunen in unserem Lande können sich darauf verlassen, daß das im Rahmen der Beschlüsse umgesetzt wird.

    (Dr. Struck [SPD]: Da sind sie aber verlassen! — Zurufe von den GRÜNEN)

    Des weiteren sind wir im Rahmen der Zuwächse von 2 bis 3 % auch in der Lage, Sozialpolitik zu machen. Wir haben in den letzten Jahren bei einer Ausgabensteigerung von nur 1,7 % eine Reihe von Beschlüssen gefaßt und durchgesetzt, die Sie sich damals niemals hätten vornehmen können.

    (Roth [SPD]: Neue Armut!)

    Wir haben z. B. das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche, das Sie damals gestrichen haben, das die SPD gestrichen hat, 1985 wieder eingeführt. Wir haben das Wohngeld erhöht, wir haben das Arbeitslosengeld mehrfach erhöht. Wir haben den Wehrsold angepaßt, das Erziehungsgeld eingeführt. Wir haben die Steuern für die gesenkt, die Kinder haben, und für die, die keine Steuern zahlen, haben wir das Kindergeld um bis zu 46 DM je Kind und Monat angepaßt. Das sind soziale Maßnahmen, die man selbst im Rahmen von zwei- bis dreiprozentigen Ausgabensteigerungen finanzieren kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir werden diese Politik fortsetzen und dabei die Anliegen unserer Bevölkerung nicht vergessen und sehr wohl auch immer wieder berücksichtigen, daß es in unserem Land noch Problembereiche gibt, in denen es unserer Hilfe bedarf. Die Betroffenen in diesen Bereichen müssen aber natürlich auch durch ihre eigene Leistung dazu beitragen, daß sie zusammen mit unserer Hilfe aus ihren Schwierigkeiten herauskommen.
    Meine Damen und Herren, wir haben uns natürlich vorgenommen, bei der Steuersenkung den Meinen Mann nicht aus dem Auge zu verlieren.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Und wo bleiben die Frauen?)

    Das, was Herr Apel hier gesagt hat, war eine typische SPD-Neidparole. Ich möchte Ihnen dazu folgende Antwort geben: Natürlich kann bei einer Steuerentlastung nicht jeder gleichmäßig — im Vergleich zu anderen — entlastet werden. Das hat es noch nie gegeben, das kann es einfach nicht geben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das soll es auch nicht geben!)

    Bei unserer Politik aber soll bis 1990 jeder Steuerzahler entlastet werden. Bei Ihrer Politik wäre, wenn sie hätte weitergeführt werden können, überhaupt kein Steuerzahler entlastet worden; er wäre vielmehr weiterhin mit Steuerlasten belastet worden.

    (Dr. Struck [SPD]: Quatsch!)




    Carstens (Emstek)

    Jeder einzelne Bürger wird sich demnächst ausrechnen können, mit welcher Entlastung er zu rechnen hat. Dann werden nicht nur 8 bis 9%, wie es der Kollege Apel hier gesagt hat, zufrieden sein, sondern dann werden viele Bürger erkennen, daß die Politik, die wir machen, vielen und nicht nur wenigen Steuerzahlern Vorteile bringt.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sehr brav!)

    Meine Damen und Herren, diese Politik der letzten Jahre wird uneingeschränkt fortgeführt.

    (Zuruf von der SPD: Das ist schlimm!)

    Wir werden — erstens — über den Haushaltsentwurf 1988 und den Finanzplan bis 1991 dafür garantieren, daß die Steuersenkungen 1988 und 1990 im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung solide finanziert werden können.
    Zweitens: Die Steuerentlastungen 1986, 1988 und 1990 insgesamt sollen für jeden steuerzahlenden Haushalt spürbar sein.
    Drittens: Der Ausgaberahmen für das Jahr 1988 und der im Finanzplan vorgegebene Rahmen ist so gesteckt, daß der Bund seine Verpflichtungen erfüllen kann, und zwar sowohl was die Verteidigungsfähigkeit als auch den sozialen Frieden berührt, aber auch was die wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen der Zukunft angeht.
    Viertens: Unsere Haushalts- und Finanzpolitik setzt den erfolgreichen Weg einer angebotsorientierten Politik fort. Dies besagt konkret: Senkung der Staatsquote bei gleichzeitiger Senkung der Steuerquote.
    Fünftens: Meine Damen und Herren, den mündigen Bürger zu erfinden und ihn gleichzeitig durch staatliche Gängelung zu entmündigen, ist nicht Sache der CDU/CSU. Wir setzen auch in der Zukunft auf den privaten Sektor, auf Fleiß und Können der Bürger. Das schafft Arbeit, Einkommen und Wohlstand.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert (Marburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab einmal eine Zeit, da waren wir GRÜNE in diesem Hause noch nicht vertreten.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Das war schön! — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Das war eine schreckliche Zeit. (Heiterkeit bei den GRÜNEN)

    — Seinerzeit tobte die Schlacht um die Staatsverschuldung. Da gab es auf der einen Seite des Hauses die „Schurken" und „Inflationstreiber" von der SPD. Sie hatten dieses Land bereits an den Rand des Ruins gebracht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Dagegen kämpfte eine mutige Schar der Opposition, die dann mit knapper Not verhindern konnte, daß Schmidt und seine bösen Kumpane

    (Dr. Vogel [SPD]: Lambsdorff z. B.!)

    durch sozialistische Schuldenmacherei die Zukunft ganzer Generationen ruinieren konnten.

    (Bohl [CDU/CSU]: Bis jetzt hört sich das ganz gut an!)

    Und als die Not am größten war, da bot sich ein Recke aus dem Norden an, dieses Land vorm sozialistischen Staatsbankrott zu retten. Sein Name war Gerhard Stoltenberg.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    So oder ähnlich muß es damals gewesen sein. Jedenfalls habe ich dieses Märchen so oder ähnlich wenigstens ein Dutzendmal in diesem Hohen Haus in den letzten Jahren gehört. Heute nun kommt der Erretter vorm sozialistischen Staatsbankrott daher und legt einen Haushaltsentwurf für 1988 vor, dessen Nettokreditaufnahme mit 29,3 Milliarden DM nicht weniger als 7 Milliarden DM über dem liegt, was in der mittelfristigen Finanzplanung noch im letzten Jahr für 1988 vorgesehen war.
    Das ist längst nicht alles: Gar nicht berücksichtigt in diesem Haushaltsentwurf sind die zusätzlichen Finanzlücken, die sich aus der Erhöhung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage ergeben. Hinzugerechnet werden muß noch die Tatsache, daß die Eckdaten für die Wirtschaftsentwicklung und Steuereinnahmen, die in diesen Entwurf eingegangen sind, mit Sicherheit nicht haltbar sein werden. Noch größer wird sie also sein, die Schuldenmacherei. Da hilft auch nicht die Gesundbeterei, die Sie vorhin hier einmal mehr demonstriert haben, Herr Stoltenberg.
    Wenn man sich das anschaut, dann ist man versucht, sich zunächst erstaunt die Augen zu reiben. Was ist da passiert? Was ist aus ihm geworden, aus dem großen Sanierer der Staatsfinanzen? Es drängt sich die Frage auf: Ist nun auch er zu den Bankrotteuren übergelaufen, hat nun auch er sich in diese sozialistische Front der Staatsbankrotteure eingereiht? Nein, hören wir gleich, es ist gar nicht so, wie wir es über die Jahre hinweg ein ums andere Mal von Herrn Stoltenberg gehört haben, daß der Abbau der Staatsverschuldung selbst die große finanzpolitische Hauptaufgabe sei. Heute hören wir plötzlich etwas ganz anderes. Heute hören wir, daß Staatsverschuldung nicht gleich Staatsverschuldung sei. Heute hören wir, daß Schulden nicht gleich Schulden seien.
    Heute hören wir, daß es zwei ganz unterschiedliche Arten von Staatsverschuldung geben soll, nämlich eine bösartige Staatsverschuldung und eine gutartige Staatsverschuldung.

    (Lachen bei der SPD)

    Die bösartige Staatsverschuldung war die, mit der das finanziert wurde, was Sie seinerzeit als „soziale Hängematte" denunziert haben. Die gutartige Staatsverschuldung dagegen, soll dann vorliegen, wenn über die Steuerreform die Konsumbedürfnisse der besser Verdienenden gefördert werden sollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Das ist Ihre Art von Haushaltspolitik. Das ist Ihre Art
    von Aufteilung der Haushaltswelt: Es gibt eine gute
    Staatsverschuldung, die machen Sie, und es gibt eine



    Kleinert (Marburg)

    böse Staatsverschuldung, die machen die, die für Sozialpolitik eintreten.
    Vergessen sind die alten Argumente aus den Haushaltsdebatten der vergangenen Jahre. Vergessen ist das Argument, die Staatsverschuldung verdränge die Investoren vom Kapitalmarkt, die Staatsverschuldung treibe die Zinsen in die Höhe. Vergessen sind die alten Reden, die wir hier über die Jahre hören mußten, in denen gerade diese Staatsverschuldung zur Wurzel allen wirtschafts- und finanzpolitischen Übels stilisiert wurde.
    Nun stellt sich die Frage: Wozu das Ganze? Die Antwort: Das alles muß jetzt sein, damit die große Steuerreform, jene finanzpolitische Wundertat dieser Regierung, die Sie seit Monaten abfeiern, finanziert werden kann. 13 Milliarden DM Verluste an Steuereinnahmen sind schon für 1988 zu erwarten. 1990 ist mit Einnahmeverlusten von 44 Milliarden DM zu rechnen. Dabei entpuppt sich das, was Sie hier als grandiose Großtat abfeiern wollen, diese Steuerreform, bei näherem Hinsehen rasch als Mogelpackung.
    Diese Steuerreform, so wie Sie sie durchziehen wollen, ist nicht die sozialpolitische Wohltat, als die Sie sie anpreisen. Sie ist kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Im Gegenteil: Sie zielt darauf ab und sie wird darauf hinwirken, Steuergeschenke an diejenigen zu verteilen, die ohnehin schon auf der Sonnenseite sitzen.
    Das kann man unschwer belegen; denn es kann wohl kaum eine soziale Wohltat sein, wenn der Durchschnittsverdiener mit 40 000 DM Jahreseinkommen 950 DM Steuern spart, die ihm dann gleich wieder abgenommen werden, weil zur Finanzierung der Steuerreform Verbrauchsteuern in ungefähr dem gleichen Umfang erhöht werden sollen, während auf der anderen Seite der Spitzenverdiener mit 160 000 DM Jahreseinkommen 15 000 DM Steuern sparen kann. Das kann doch keine soziale Wohltat sein; denn der Spitzenverdiener ist gleich zweimal im Vorteil: einmal spart er bedeutend mehr Steuern, und zum zweiten wird ihm auch verhältnismäßig weniger über die Verbrauchsteuern wieder weggenommen.
    Die Steuerreform wird noch fragwürdiger, wenn man an die Rückwirkungen für die Haushalte von Ländern und Gemeinden denkt. 10 Milliarden DM Einnahmeverluste bei den Gemeinden für 1990 — so ungefähr lauten die Prognosen. Gerade da, wo die finanziellen Handlungsspielräume ohnehin schon am geringsten sind, gerade da, wo die Belastung durch wachsende Sozialhaushalte dramatisch angestiegen ist, werden die Auswirkungen dieser grandiosen Reform besonders negativ zu Buche schlagen. So werden die Gemeindefinanzen zur Reservekasse des Finanzministers umfunktioniert.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Was das ganze Werk wirtschaftspolitisch eigentlich bringen soll, weiß die Bundesregierung selbst nicht. Ich zitiere die Bundesregierung aus einer Antwort auf eine SPD-Anfrage:
    Welche quantitativen Auswirkungen die Steuersenkungen letztlich auf Wachstum, Beschäftigung und Investitionstätigkeit haben, hängt von den Entscheidungen der Verbraucher und Investoren ab, die zahlenmäßig nicht im voraus abgeschätzt werden können.
    Das hindert Herrn Stoltenberg aber keineswegs daran, hier heute morgen das Ganze auch noch als Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darzustellen. Sie wissen zwar nicht, was die Folge sein wird, aber Sie stellen sich jetzt hier hin und wollen uns weismachen, das sei ein entscheidender Beitrag zur Bekämpfung der Massenerwerbslosigkeit. Ich nenne das, was Sie hier vorführen, einfach Betrug.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich sage: Das Gegenteil wird eintreten. Die stolz herausgestellte Verringerung der Staatsquote und die enger gewordenen finanzpolitischen Spielräume der Kommunen werden zu einer weiteren Verminderung der Möglichkeiten der öffentlichen Hand in diesem Bereich führen. Der längst schon laufende Trend zur Verminderung der investiven Ausgaben des Bundes geht ja bereits in diese Richtung. Real muß schon für diesen Haushaltsentwurf von einer Rückläufigkeit der investiven Ausgaben ausgegangen werden. Ökologisch und sozial notwendige Investitionen werden noch stärker ausbleiben als bisher schon. Das Ganze führt im Ergebnis zum Rückzug der öffentlichen Hand aus ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Für diese Art der Steuerreform nehmen Sie in Kauf, daß sämtliche Finanzplanungen der letzten Jahre über den Haufen geworfen sind. Sie nehmen in Kauf, daß Haushaltsrisiken entstehen, deren Ausmaß heute gar nicht kalkulierbar ist. Sie nehmen in Kauf, daß Sie heute hier mit einer mittelfristigen Finanzplanung antreten, deren Zahlenwerk völlig ungesichert ist. Die 30,9 Milliarden DM für 1990 sind schlicht und einfach grotesk. Wenn Sie noch 15 Milliarden DM hinzutun, werden Sie vermutlich eher richtig liegen.
    Wenn man das zum Maßstab nimmt, was Sie in Ihrer eigenen mittelfristigen Finanzplanung mit den Ansätzen für dieses Jahr in kurzer Zeit über den Haufen geworfen haben, dann kann man Ihnen eigentlich nur noch empfehlen: Lassen Sie es in Zukunft mit der mittelfristigen Finanzplanung doch ganz bleiben; denn diese mittelfristige Finanzplanung sagt sowieso nicht mehr aus als die optimistischen Prognosen der Wetterkarte in diesem ausgefallenen Sommer.

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Daß Sie das alles zugunsten einer Steuerreform in Kauf nehmen, über deren Finanzierung Sie auch heute wieder kein einziges Wort verloren haben, habe ich schon erwähnt. Warum wir heute dazu wieder nichts gehört haben, wissen wir natürlich alle: Am Samstag wird in Bremen und in Kiel gewählt.

    (Zurufe: Am Sonntag! — Roth [SPD]: Er kann es kaum erwarten!)

    — Am Sonntag. Sie, Herr Stoltenberg, haben diesmal dort besonders viel zu verlieren; nicht nur deshalb, weil Sie als Landesvorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein fürchten müssen, in Schwierigkeiten zu kommen, sondern auch deshalb, weil Sie ja ohnehin in



    Kleinert (Marburg)

    dieser Koalition als Absteiger des Jahres gehandelt werden,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und zwar nicht nur wegen der Steuerreform. Im Februar durften Sie erfahren, daß der Bundeskanzler hinter Ihrem Rücken Franz Josef Strauß Ihren Posten angeboten hat. Sie konnten von Glück sagen, daß Sie ihn behalten haben, weil Herr Strauß in München geblieben ist. Jetzt kommt noch das Debakel mit der Steuerreform hinzu.
    Für Sie steht in Schleswig-Holstein in der Tat viel auf dem Spiel, wenn Sie aus diesem Geruch des Absteigertums herauskommen wollen. Weil das so ist, deshalb wollen Sie den Wählern möglichst nicht vor der Wahl die Wahrheit sagen. Sie wollen den Wählern nicht sagen, was auf sie zukommt. Sie wollen, daß die Katze im Sack gekauft wird. Das ist ein unmögliches Verhalten.
    Es ist ein Unding, daß hier heute eine Finanzplanung für die kommenden Jahre diskutiert werden soll, ohne daß wir die entscheidenden Eckpunkte dafür nur einigermaßen kennen können.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Noch schlimmer und einfach unredlich ist, daß Sie hier aus wahltaktischen Gründen die Entscheidung über die Finanzierung dieser Steuerreform bis auf den Tag nach der Wahl zurückstellen wollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Unredlich ist, daß Sie den Wählern nicht vorher sagen wollen, was Sie vorhaben. Die Wähler hätten ein Recht, vor der Wahl zu erfahren, womit sie hinterher zu rechnen haben.
    Das ganze Regierungschaos in der Frage der Finanzierung der Steuerreform ist sowieso ein Kapitel für sich. Da wird mit Begriffen hantiert, die in Wahrheit überhaupt nicht angebracht sind; semantischer Betrug würde ich dazu sagen. Da geistert die Vokabel vom „Subventionsabbau" herum. Subventionsabbau klingt nicht schlecht; es erweckt den Anschein, als ginge es um ungerechtfertigte Steuerprivilegien, als ginge es um allerlei verdeckte Zuwendungen oder vielleicht sogar darum, daß irgendwelchen Großunternehmen ein bißchen am Zeug geflickt werden sollte. Doch wenn man sich einmal die Debatte anschaut, wird man schnell feststellen: Darum geht es gar nicht, darum geht es in Wirklichkeit zuallerletzt. Dem Airbus sind längst die Milliarden-Subventionen sicher, da steht schon Herr Strauß vor. Darum geht es gar nicht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn man sich genauer ansieht, worum es geht und was alles zum Thema „Subventionsabbau" verhandelt wird, kommen Dinge zutage, die mit Subventionsabbau fast nichts zu tun haben. Ernsthaftes Thema bei der Debatte „Subventionsabbau" sind Arbeitnehmerfreibeträge, ernsthaftes Thema sind die Zuschläge für Sonn- und Feiertags- und Nachtarbeit, ernsthaftes Thema ist das Weihnachtsgeld für Arbeitnehmer. Dazu kann ich nur sagen: In diesem Zusammenhang ist schon das Wort vom Subventionsabbau
    bloßer Etikettenschwindel und Irreführung der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Was Sie vorhaben, das müßte man im Grunde unter dem Stichwort „Fortsetzung des Sozialabbaus mit anderen Mitteln" diskutieren und nicht unter dem Stichwort „Subventionsabbau".

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Meine Damen und Herren, daß diese Steuerreform, die um nahezu jeden Preis durchgezogen werden soll, Steuergeschenke für die Unternehmen in einem Ausmaß bereitstellt, wie es nicht einmal Frau Thatcher in England gewagt hat und mit der verglichen Herr Reagan mit seiner Steuerreform fast als sozialpolitischer Wohltäter gelten müßte, wenn man sich die Verteilungswirkungen anschaut, mag Ihnen vielleicht nicht bekannt sein, dürfte aber in diesem Zusammenhang schon von Interesse sein.
    Wenn die Pläne zur Steuerreform so weit führen, daß sich die ganze finanzpolitische Prioritätensetzung dieser Regierung verschiebt und Herr Stoltenberg sogar das Risiko eingeht, als „Schuldenberg" tituliert zu werden, muß man sich fragen: Welches Konzept steckt eigentlich dahinter? Es ist ganz offensichtlich so, daß man nun nach fünf Jahren in dieser Regierungskoalition dazu übergehen will, daß das, was sich manche unter „Wende" seinerzeit vorgestellt hatten, stärker zum Durchbruch kommen soll. Nach fünf Jahren dieser Bundesregierung sind die Ideologen radikaler Entstaatlichung offensichtlich auf dem Vormarsch. „Privatisierung" und „Deregulierung" lauten hier die Zauberworte, hübsch verbrämt in den bekannten Formeln: Man setze auf Freiheit und Verantwortlichkeit der Burger. Als wenn das irgend jemand nicht wollte! Freiheit der Bürger ist ein wunderschönes Ziel.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Ihr laßt ihnen die Chance nicht!)

    Darauf setzen alle, Herr Cronenberg. Was aber in diesen Formeln so schön eingepackt wird und was gewiß nicht schlecht in freidemokratischen Zeitgeist paßt, ist im Grunde nichts anderes als der Rückzug der öffentlichen Hände aus ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung, und dieser Rückzug wird katastrophale Folgen haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Wir sind als GRÜNE gewiß nicht die geborenen Verteidiger der Staatsquote. Wir sind weit davon entfernt, alles Heil der Welt von staatlichen Maßnahmen und staatlichen Programmen zu erwarten. Aber eines sehen wir ganz klar: Diese Strategie kann nur Umverteilung verschärfen. Es wird durch diese Strategie kein einziger neuer Arbeitsplatz entstehen. Sicher wird manchen dabei die Tasche gefüllt, Leuten, die die Tasche ohnehin schon voll haben. Aber der Rückzug des Staates aus seiner ökologischen und sozialen Verantwortung ist angesichts der wachsenden Folgeprobleme des Industriesystems und angesichts des sozialen Problemdrucks, mit dem wir heute zu tun haben, einfach nicht verantwortbar.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Kleinert (Marburg)

    Eine solche Politik kann am Ende nur dazu führen, daß zur Verwirklichung notwendiger investiver Ausgaben im Umweltbereich schlicht das Geld fehlt.
    Dieses Privatisierungskonzept, das die öffentliche Hand nur noch als Reparaturbetrieb begreift, wird in Ihren bevorzugten Klientelen sicher viel Beifall finden. Die FDP muß sich fragen, wo es da noch Unterschiede zur CDU/CSU gibt. Herr Stoltenberg erledigt mit dieser Art von Finanzpolitik das Geschäft Ihrer bevorzugten Klientel doch mindestens so gut wie Herr Bangemann. Also, da bin ich einmal gespannt, wo Sie da noch einsteigen wollen. Wie gesagt, in Ihren bevorzugten Klientelen wird dieses Konzept sicher viel Beifall finden, zur Lösung der dringendsten gesellschaftlichen Probleme aber taugt es nicht, im Gegenteil!
    Das ist der Hintergrund, der zur Sprache kommen muß, wenn hier in diesem Jahr über den Haushalt 1988 debattiert wird. Aber das ist natürlich nicht alles, was mit diesem Haushalt zu tun hat, was mit diesem Haushalt verbunden ist. Es geht ja nicht nur um Steuerreform, um falsche Grundannahmen und Perspektiven der Finanzpolitik, sondern es geht auch um das Gesamtkonzept von Politik; das in diesem Haushaltsentwurf zum Ausdruck kommt.
    Der Finanzminister hat zu Beginn seiner Einbringungsrede heute morgen festgestellt — ich zitiere — :
    Der vorgelegte Haushalt ist Ausdruck der Kontinuität unserer Politik. Er gibt zugleich Antworten auf neue Herausforderungen und veränderte Bedingungen.
    Ein großer Anspruch, wohl wahr, der dort formuliert worden ist. Die Wirklichkeit freilich, Herr Stoltenberg, sieht um einiges anders aus. Die Kontinuität, von der Sie gesprochen haben, ist eine schlechte Kontinuität, und von den überzeugenden Antworten auf neue Herausforderungen, von denen Sie gesprochen haben, habe ich in Ihrem Beitrag nichts, aber auch gar nichts gehört.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die schlechte Kontinuität ist schnell belegt: Die investiven Ausgaben in diesem Bundeshaushalt gehen real weiter zurück. Für die Verbesserung der Beschäftigungssituation, für die Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze tun Sie praktisch gar nichts. Das gehört in Ihrer Philosophie ja nicht einmal mehr zu Ihren Aufgaben. Trotz nachlassender Konjunktur und erneuter Zunahme der Erwerbslosigkeit bleibt jede wirksame Initiative auf diesem Gebiet aus. Im Gegenteil: Sie versprechen sich alles Heil der Welt von der Privatinitiative der Bürger. Für die Kumpels in den Zechen und für die Arbeiter in der Stahlindustrie haben Sie, Herr Finanzminister, nicht mehr parat als die Auskunft, eine Rückführung von Kapazitäten bei Kohle und Stahl sei leider unvermeidbar geworden. Ein Konzept zur Lösung der Strukturkrisen, ein Konzept zur Lösung der Fragen in den alten Schlüsselindustrien haben Sie nicht anzubieten. Kein Wort habe ich in dem Beitrag heute morgen davon gehört.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Glos [CDU/ CSU]: Wo haben Sie denn Ihr Konzept für Kohle und Stahl?)

    Aber das gehört wahrscheinlich auch zu Ihrer Form von Privatisierungsstrategie.
    Bei den ökologischen Perspektiven stellt man in diesem Haushalt ebenfalls Fehlanzeige fest. Die minimalen Zuwachsraten für den Umweltschutz können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich — außer ein bißchen Umweltkosmetik hier und ein bißchen Reparaturbetrieb da — praktisch gar nichts bewegt hat. Die Möglichkeiten des Bundes, durch investive Ausgaben in diesem Bereich wirksame, präventive Umweltpolitik zu betreiben, bleiben weiter ungenutzt. In wichtigen Bereichen wie der Energiepolitik oder der Chemiepolitik schreiben Sie einen schlechten Stillstand fest. Möglichkeiten werden ungenutzt bleiben. Altlastensanierung zu betreiben, beschleunigte Kraftwerksentschwefelung vorzunehmen, verstärkte Forschungsanstrengungen, etwa im Bereich der Umwelttechnologie, voranzutreiben — all das bleibt ungenutzt. Weiterwurschteln heißt da die Devise. Tschernobyl hat Sie nicht aus den Ämtern gebracht — so sehen Sie das — , also wird Tschernobyl schleunigst vergessen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie haben Ihren Minister ernannt, jetzt wird er mit
    Kleckerbeträgen abgespeist. Das ist die haushaltswirksame Umweltpolitik, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Statt präventive Umweltpolitik zu betreiben, werden Milliardenbeträge nach wie vor in unproduktiven Großprojekten und Risikotechnologien verschleudert. Die Finanzierung solcher Projekte, wie etwa die WAA-Finanzierung, verschlingt Milliardensummen, Hunderte von Millionen sollen im Weltraum verpulvert werden, und für den Airbus — ich sagte es schon — stehen Milliardenbeträge bereit. Meine Damen und Herren, das ist die Grundrichtung dieser Finanzpolitik.
    Und wieder einmal sollen die Rüstungsausgaben steigen; nicht ganz so stark wie in den Jahren vorher — das ist wahr — , aber eben doch wieder um gut 1,4 Milliarden DM. Das muß man sich jetzt einmal genauer ansehen. 1,4 Milliarden DM, das ist ungefähr dreimal so viel wie der gesamte Etat des Umweltministers überhaupt ausmacht. Das ist die Steigerungsrate im Rüstungshaushalt, bei der Sie sich sogar damit brüsten, daß sie weniger stark als in den Jahren davor ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das sind die Relationen in der Politik dieser Bundesregierung: Statt die abrüstungspolitischen Chancen, die sich zur Zeit ergeben, dazu zu nutzen, um auch bei uns deutliche Zeichen für ein Herunterfahren der Rüstungsausgaben zu machen, wird weiter aufgestockt, geht es weiter in Richtung Aufrüstung.
    Die finanzpolitische Gesamtstrategie, die unter den veränderten Vorzeichen radikaler Privastisierungsabsichten steht, wird den gesellschaftlichen Problemdruck weiter verschärfen. Das öffentliche Dienstleistungsangebot wird sich verschlechtern. Die sozialen Sicherungssysteme werden ausgedünnt. Dringend



    Kleinert (Marburg)

    notwendige Impulse zu ökologischen Investitionen werden stranguliert.
    Der ganze Ansatz ist das Werk ideologisch verbohrter Entstaatlicher, die damit zugleich das finanzpolitische Desaster für die kommenden Jahre programmiert haben.
    Ich kann nur sagen: Der Lack ist ab, Herr Stoltenberg; nichts ist geblieben vom großen Zampano der Staatsfinanzen; nichts ist geblieben. Ich sagte es bereits: Sie sind der Absteiger des Jahres. Und das wird auch den Wählern deutlich werden, Herr Stoltenberg.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Das ist die Wahrheit.
    Ein paar Anmerkungen zum Schluß zu den Alternativen der GRÜNEN. Wir werden in dieser Haushaltsdebatte an den einzelnen Punkten verbunden mit konkreten Finanzierungsvorschlägen, unsere Alternativen vorstellen. Notwendig wäre ein ganzes Bündel ökologischer Sofortmaßnahmen. Notwendig wären Kraftwerksentschwefelung und Abwasserentgiftung, Altlastensanierung und Energieeinsparung. Notwendig wäre die Förderung rationeller Energienutzung und alternativer Energieformen. Notwendig ist der gezielte Einsatz von Forschungsmitteln zur Erforschung umweltverträglicher Produkte. Notwendig ist die Steigerung investiver Ausgaben der öffentlichen Hand in der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik, im Bauwesen und beim Städtebau, in der Verkehrspolitik, im Etat der Frau Süssmuth. Notwendig sind Schritte zur konventionellen Abrüstung in der Bundesrepublik. Notwendig ist ein Existenzsicherungsprogramm für alle, die unter das fallen, was „Neue soziale Armut" heißt. Notwendig ist eine Umstellung der Forschungspolitik. Notwendig ist, daß die öffentliche Hand ihre Möglichkeiten wahrnimmt, um in der Beschäftigungspolitik Initiativen setzen zu können.
    Das ist die Grundrichtung von Politik, um die es gehen muß, nicht die Grundrichtung, die Sie hier vorgeschlagen haben.
    Sie werden uns ins Desaster führen. Das Desaster ist programmiert. Deshalb kommt es darauf an, daß wir die Weichen in eine ganz andere Richtung stellen können. Das sind die Alternativen, um die es in der Debatte in den nächsten Wochen gehen wird.
    Ihr Konzept ist perspektivlos und weist in eine Zukunft, die wir nicht wollen.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)