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ID1102300600

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    Plenarprotokoll 11/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 Inhalt: Nachruf auf das frühere Mitglied des Deutschen Bundestages William Borm 1459 A Begrüßung des Vorsitzenden der Zweiten Kammer der Niederländischen Generalstaaten, Dr. Dirk Dolman 1459 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Jobst 1459 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/700) in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1987 bis 1991 (Drucksache 11/701) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1459D, 1510 B Dr. Apel SPD 1471 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 1481 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 1487 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1491 B Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1494 D, 1517 C Neumann (Bremen) CDU/CSU 1499 D Dr. Struck SPD 1503 B Richter FDP 1506 D Roth (Gießen) CDU/CSU 1507 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 1519 C Sellin GRÜNE 1525 B Glos CDU/CSU 1528 B Roth SPD 1531 C Dr. Haussmann FDP 1536 C Wissmann CDU/CSU 1538 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 1540 C Hinsken CDU/CSU 1543 C Schäfer (Offenburg) SPD 1545 D Dr. Laufs CDU/CSU 1549 B Frau Garbe GRÜNE 1552 A Frau Dr. Segall FDP 1554 A Fellner CDU/CSU 1556 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 1557 B Nächste Sitzung 1561 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1562* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1987 1459 23. Sitzung Bonn, den 9. September 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10. 9. Antretter * 11. 9. Frau Beck-Oberdorf 11.9. Frau Beer 9. 9. Frau Blunck * 10. 9. Böhm (Melsungen) ** 11. 9. Büchner (Speyer) * 11.9. Catenhusen 11.9. Duve 9.9. Eigen 11.9. Dr. Feldmann * 11.9. Frau Fischer * 9.9. Großmann 11.9. Dr. Hoffacker 9.9. Hoss 11.9. Irmer 11.9. Jansen 11.9. Jung (Lörrach) 11.9. Lemmrich * 10.9. Maaß 9.9. Frau Matthäus-Maier 9.9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller * 10. 9. Niegel * 11. 9. Oostergetelo 11.9. Poß 9.9. Rawe 11.9. Reddemann ** 11.9. Schäfer (Mainz) 11.9. Dr. Scheer * 11.9. Schmidt (München) ** 11.9. Frau Schmidt (Nürnberg) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Sperling 11.9. Steiner * 9. 9. Tietjen 11.9. Volmer 11.9. Dr. Vondran 10. 9. Dr. von Wartenberg 9.9. Dr. Wieczorek 11. 9. Wieczorek (Duisburg) 11.9. Dr. Wulff * 9.9. Zierer * 9.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, danke schön.


Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Gilt das für die ganze Redezeit? — Ja.

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    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, wir kennen doch das Spiel, das Sie hier spielen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Weil wir Ihre Zinsen zahlen müssen!)




    Dr. Apel
    Sie wechseln Ihre finanzpolitischen Grundsätze wie andere Leute ihre Kleider. Das ist doch die Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Heute heißt es dann:

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: 30 Milliarden Zinsen!)

    Rote Schulden, schlechte Schulden; schwarze Schulden, gute Schulden.

    (Dr. Spöri [SPD]: Jawohl! So ist es!)

    Im übrigen, Herr Kollege Mischnick, wenn ich einen Satz hinzufügen darf: Die Blau-Gelben sind immer dabei.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Ich bin jedoch dafür, daß wir uns an die Tatsachen halten. Als Sozialdemokrat sage ich — vielleicht spreche ich auch für einige Sozialliberale mit: Wir haben in der Zeit der sozial-liberalen Koalition zwei schwere weltwirtschaftliche Rezessionsphasen,

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    ausgelöst durch zwei Ölpreisexplosionen, durch eine aktive Wirtschafts- und Finanzpolitik wesentlich besser überstanden als die meisten unserer Nachbarn.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: So war das!)

    Wenn Sie, Herr Kollege Stoltenberg eine aktive Wirtschafts- und Finanzpolitik führen würden, dann würden wir über Ihre Riesendefizite auch ganz anders reden können.

    (Huonker [SPD]: Sehr wahr!) Aber das ist ja eben nicht der Fall.

    Ich möchte daran erinnern, was tatsächlich geschehen ist. Die FDP war, wie gesagt, dabei und hat all dem zugestimmt, auch Sie im übrigen sehr häufig im Deutschen Bundestag.

    (Walther [SPD]: Ist immer dabei! — Dr. Vogel [SPD]: Heute ist es ihr peinlich! — Gegenruf des Abg. Mischnick [FDP]: Wir bestreiten das doch gar nicht! Im Gegensatz zu Ihnen bestreiten wir nicht, was wir gemeinsam gemacht haben!)

    Wir haben mit den von uns aufgenommenen Krediten Zukunftsinvestitionen finanziert. — Herr Kollege Mischnick, diese Zukunftsinvestitionen, die wir damals gemacht haben, haben doch — das werden Sie nicht bestreiten — unsere Umwelt sauberer gemacht. Um auf die kommenden Generationen einzugehen: Sie haben die Lebensbedingungen der kommenden Generationen verbessert.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Mischnick [FDP])

    Wenn Sie darüber lachen, dann will ich Ihnen ein ganz konkretes Beispiel geben — dann werden wir doch einmal sehen, ob Sie weiter lachen — : Wir haben im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms 1977 bis 1981 über 1 000 Gewässerschutzprojekte entlang des Rheins und des Bodensees mit einem Gesamtvolumen von 4 Milliarden DM durchgeführt. Das hat
    nicht nur Dauerarbeitsplätze geschaffen, es hat auch dazu geführt, daß Millionen von Menschen, die in dieser Region wohnen, auf Dauer Nutzen haben, weil ihr Grundwasser wesentlich und zentral auf Dauer verbessert wurde.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben in unserer Zeit die Stadtkerne saniert, wir haben die Dörfer erneuert. Wir haben viele alte Baudenkmäler vor dem Verfall bewahrt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Weiß Gott!)

    Wir haben die Infrastruktur für die Bürger und für die Wirtschaft modernisiert. Wir haben den öffentlichen Nahverkehr ausgebaut. Ich sage Ihnen: Ich bin stolz darauf, daß wir das damals gemacht haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Jawohl!)

    Wir brauchen auch heute mehr öffentliche Investitionen, vor allem im Umweltschutz. Unser Programm „Arbeit und Umwelt" soll sie möglich machen, soll sie finanzieren, ohne die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte zu erhöhen, 400 000 zusätzliche Dauerarbeitsplätze. Das können Sie dann mit flapsigen Bemerkungen abtun, Herr Kollege Stoltenberg. Lieber wäre mir, Sie würden mit der Sozialdemokratie in einen Wettbewerb um mehr öffentliche Investitionen eintreten, als sich mit solchen Bemerkungen aus der Affäre zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, vor einem Jahr, am 5. Juni 1986, hat der Finanzminister erklärt — ich zitiere — , „daß staatliche Kreditaufnahme dann begründet sein kann, wenn sie der Finanzierung öffentlicher Investitionen dient". Also, dem haben wir nichts hinzuzufügen, dem stimmen wir zu. Nur: Ihre Verschuldung erklärt sich eben nicht daraus, daß Sie die öffentlichen Investitionen erhöhen. Im Gegenteil: Die öffentlichen Investitionen wurden nach der Wende immer mehr vernachlässigt. Die Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung wird auch in den nächsten Jahren zu einem weiteren Verfall der öffentlichen Investitionen führen. Allein beim Bund wird der Anteil der öffentlichen Investitionen an den Ausgaben auf neue Rekordtiefen fallen.
    Und bei den Gemeinden? Bei den Gemeinden sind die Bauinvestitionen inzwischen wieder auf das Niveau der 60er Jahre zurückgefallen. Ein Rückfall auf das Niveau der 50er Jahre steht bevor. Obwohl wir dieses verzeichnen, tritt der Bundesfinanzminister heute morgen vor das Parlament und berühmt sich der Tatsache, daß er den Gemeinden künftig für den kommunalen Straßenbau und den öffentlichen Personennahverkehr weitere 1,3 Milliarden DM kürzen will. Wahrlich kein Beitrag im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Defizite, Herr Kollege Stoltenberg, sind nicht die Konsequenz vermehrter öffentlicher Investitionen; Ihre Defizite sind die Konsequenz anhaltender Massenarbeitslosigkeit, die Sie tatenlos hinnehmen.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Apel
    Ihre Defizite sind die Konsequenz einer haltlosen Explosion der Steuersubventionen und auch der Subventionen.
    Aber vor allem ist es Ihre ungerechte Steuerpolitik, Ihr steuerpolitischer Größenwahn, der Bund, Länder und Gemeinden immer tiefer in die Verschuldung treibt, Ihr völlig überzogenes Steuerpaket 1990, das Sie doch nicht solide finanziert haben. Sie haben heute dazu kein Wort gesagt, wie es denn gehen soll. Das ist doch die Ursache dafür, daß Sie in Schwierigkeiten kommen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Vennegerts [GRÜNE])

    Nun möchte ich erneut den Finanzminister zitieren, damit Sie alle merken, wie schnell er seine Grundsätze wechselt. Vor zwei Jahren hat er erklärt — wörtliches Zitat — : „Steuersenkungen auf Kredit passen nicht in ein Konzept, das sich an den Kriterien Kontinuität, Konsistenz und Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik orientiert."

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Heute sagen Sie, eine Erhöhung der Neuverschuldung sei vertretbar, wenn sie zur Finanzierung von Steuersenkungen diene.
    Ich überlasse es Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, diese permanenten Widersprüche Ihres Finanzministers aufzuklären. Oder machen Sie etwa Politik nach dem Prinzip: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern! "?

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] — Zuruf von der SPD: „Dummes Geschwätz"!)

    Aber kommen wir doch einmal zu dieser Steuerpolitik. Wem nutzt denn eigentlich die Steuerpolitik dieser Bundesregierung?

    (Glos [CDU/CSU]: Ihnen!)

    Da reden wir über Zahlen. Sie können nicht bestreiten, daß die große Masse der Arbeitnehmer vom Einkommenszuwachs der letzten vier Jahre 62 % Abzüge in Form von Steuern und Abgaben hatte. Unternehmern und Kapitalbesitzern wurden aber nur 8 % abgezogen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Da sagen wir ganz kühl: Dieses ist ein verteilungspolitischer Skandal!

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Trotz der beiden Steuersenkungen 1986 und 1988 — Herr Kollege Stoltenberg, das sind die Zahlen aus Ihrem Ministerium — steigt die Lohnsteuerbelastung der Arbeitnehmer in den nächsten Jahren noch weiter an. Die Lohnsteuerbelastung eines Durchschnittsverdieners betrug 1982 16,2 %; 1989 wird sie bei 18,5 % liegen. Das ist der Marsch in den Lohnsteuerstaat, und Sie haben ihn zu verantworten!

    (Beifall bei der SPD)

    Aber reden wir über Zahlen! Sie können die Zahlen nachprüfen und gegebenenfalls ans Rednerpult treten und sagen: Die Zahlen stimmen nicht. Die Zahlen stammen im übrigen aus Ihren Vorlagen und aus Ihren Tabellen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und die Zitate aus Ihren Reden!)

    Am 1. Januar des nächsten Jahres erhält ein verheirateter Durchschnittsverdiener mit einem ja durchaus ansehnlichen Gehalt von 3 300 DM im Monat eine monatliche Steuerentlastung von 8 DM. Das wird die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bei weitem auffressen.
    Ein Spitzenverdiener mit 25 000 DM Monatseinkommen bekommt dagegen 519 DM Steuerentlastung pro Monat. Das heißt, der Spitzenverdiener bekommt bei einem achtmal so hohen Einkommen eine 65mal so hohe Steuerentlastung.

    (Hört! Hört! bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: So wird der Herr Steinkühler entlastet!)

    Diese einseitige und ungerechte Steuerpolitik soll mit dem Steuerpaket 1990 fortgesetzt werden. Für den Normalverdiener wird die Steuer um 68 DM gesenkt, für den von mir zitierten Spitzenverdiener noch einmal um weitere 1 280 DM im Monat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch ein Witz!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, da hat es doch auch gar keinen Zweck, daß der Bundesminister der Finanzen hier in dubiose Prozentrechnungen ausweicht. Er soll sagen, ob diese Zahlen stimmen, und er soll sagen, ob diese Zahlen aus seiner Sicht steuerpolitisch gerecht sind oder nicht.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Dabei haben wir die Konsequenzen der von Ihnen geplanten Steuererhöhungen zur Finanzierung Ihres Steuerpakets noch nicht einmal berücksichtigt; denn Sie planen die Beschneidung des Arbeitnehmerfreibetrages, die Abschaffung des Weihnachtsfreibetrages, die volle Besteuerung der Zuschläge für Sonn- und Feiertags- und Nachtarbeit, die Besteuerung der Personalrabatte.
    Eines ist im übrigen hochinteressant — hier wird der Bundesminister der Finanzen seiner Führungsfunktion überhaupt nicht gerecht — : In der Steuerpolitik der Koalition herrscht tatsächlich Chaos. Alle reden, alle reden, was sie wollen, alle um den heißen Brei herum. Dabei steht schon längst fest: Natürlich wird die Mehrwertsteuer erhöht. Zitieren wir Herrn Strauß: Mehrwertsteuererhöhung für die EG. Herr Blüm: Mehrwertsteuererhöhung für den Sozialhaushalt. FDP: Mehrwertsteuererhöhung für die Abschaffung der Gewerbesteuer. Gestern hat der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes, unser CDU-Kollege Herr Eigen, ein weiteres Eigentor geschossen. Er hat nämlich gesagt, er fordere als Präsident des Bauernverbandes in Schleswig-Holstein die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel um 2 Prozentpunkte, damit dieses Geld den Bauern gegeben werden kann.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ja, was denn nun? Chaos! — Weitere Zurufe von der SPD — Glos [CDU/ CSU]: Man wird doch noch seine Meinung sagen dürfen!)




    Dr. Apel
    Herr Bangemann hat im übrigen eine neue Katze aus dem Sack gelassen: Er will die Mineralölsteuer kräftig erhöhen.
    Und was macht der Finanzminister? Er läßt dementieren, läßt sich alle Hintertüren offen, versucht, die Wahrheit zu verschleiern, und will sich bis zum Wahltag über die Runden retten. Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie dazu lachen, wenn Sie diese Bewertung von mir als ungerecht bezeichnen, dann kommen Sie heute, spätestens am Freitag hier in den Deutschen Bundestag und sagen: Ich verbinde mit meiner politischen Existenz, daß das, das und das nicht stattfinden wird. Dann sind Sie ein Kerl.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] — Zurufe von der SPD)

    Noch am 28. Februar 1987 hat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Dr. Dregger,

    (Roth [SPD]: Wo ist er eigentlich?)

    im Westdeutschen Rundfunk gesagt — ich zitiere ihn wörtlich — :
    Der Entlastungstarif 1990 entlastet alle Steuerzahler mindestens um 1 000 DM, also die breiten Schichten unseres Volkes.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist ja ein Witz!) So gehen Sie mit der Wahrheit um!


    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Vennegerts [GRÜNE])

    Dieses Steuerpaket wird für Millionen Bürger ein Verlustgeschäft werden. Sie werden künftig mehr Steuern zahlen als vorher. Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Schüler und Studenten müssen für Ihre Steuersenkungen mit höheren Verbrauchsteuern bezahlen.

    (Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Arbeitslose zahlen keine Steuern!)

    — Hochverehrte Frau Roitzsch, auch die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen erleben doch eins: Das, was Sie ihnen in die eine Tasche hineinstecken, werden Sie ihnen aus der anderen Tasche wieder herausziehen.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Das ist doch der Apel-Trick!)

    Die Bürger unseres Landes haben das selbst erkannt: 9 % der Bürger erwarten nach allen vorliegenden Meinungsumfragen — auch denen, die Herr Stoltenberg hat — von Ihren Steuerplänen für sich steuerliche Erleichterungen, 78 % sind gegen eine Erhöhung der Mineralölsteuer, 87 % lehnen eine Mehrwertsteuererhöhung ab und 67 % sind gegen eine höhere Staatsverschuldung.
    Meine Damen und Herren, obwohl Sie die Steuern kräftig anheben werden, steuern Sie unser Gemeinwesen in eine Finanzkrise.
    Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben auf die USA hingewiesen. Und da sage ich Ihnen: Wer da sagt — und bei Ihnen klingt es ein bißchen durch, indem Sie sagen, die erhöhte Nettokreditaufnahme werden wir sehr schnell wieder loswerden — , diese Steuersenkungen führten zu mehr Wachstum und höheren
    Steuereinnahmen und finanzierten sich damit selbst, dem rate ich, einen Blick nach Amerika zu werfen. Dort wurde dieses Experiment durchgeführt. Es ist auf der ganzen Linie gescheitert. Eingetreten ist statt dessen eine Explosion der Staatsverschuldung auf astronomische Höhen mit verheerenden Folgen für die USA und die gesamte Weltwirtschaft.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Aber unabhängig davon: Die Steuer- und Finanzpolitik dieser Koalition war bereits in den letzten Jahren beschäftigungspolitisch verfehlt. Was war denn Ihr Konzept? Ihr Konzept war: Wir müssen die Unternehmensgewinne stärken, auch über Steuerpolitik. Das ist Ihnen gelungen. Die Nettoeinkommen der Unternehmen sind von 1982 bis 1986 real um 60 % gestiegen. Und dann, so Ihre Annahme, werden die Unternehmen massiv investieren, und die Massenarbeitslosigkeit wird verschwinden. Was ist tatsächlich eingetreten? 60 % Zuwachs bei den Nettoeinkommen der Unternehmen, die Zunahme der Bruttoanlageinvestitionen nahm real nur 7 % zu.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist eine Milchmädchenrechnung!)

    Statt des von Ihnen versprochenen Abbaus der Massenarbeitslosigkeit auf 1 Million — das war ja wohl Ihr Versprechen — steigt die Arbeitslosigkeit auf weit über 2 Millionen — mit steigender Tendenz.
    Meine Damen und Herren, trotz eines dollarkursbedingten Exportbooms und trotz eines massiven Rückgangs der Rohstoffpreise, vor allem der Ölpreise, lagen die Wachstumsraten in der Bundesrepublik seit der Wende Jahr für Jahr unter dem Durchschnitt der westlichen Industrieländer. Ihre wirtschaftspolitische Angebotsphilosophie hat trotz einer ausgeprägten Schönwetterperiode versagt.
    Jetzt versuchen Sie — auch der Finanzminister — , Ihrer Finanz- und Steuerpolitik den Mantel der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik umzuhängen. Sie sagen — auch heute wieder — , durch die angekündigten Steuersenkungen werde die Binnennachfrage gestärkt. Sicherlich, das wäre gut, das wäre wirtschaftspolitisch vernünftig. Aber so, wie Sie Ihre Steuersenkungen angelegt haben, im wesentlichen für die Begüterten, für die sehr gut Verdienenden, wird dieser Effekt doch kaum eintreten.

    (Huonker [SPD]: Das ist der Punkt!)

    Die Bundesbank hat vor einigen Tagen darauf hingewiesen, daß dann ein ganz hoher Prozentsatz auf die Sparkonten, insbesondere ins Ausland geht,

    (Zuruf von der SPD: Nach Amerika!)

    auch zur Finanzierung des amerikanischen Haushaltsdefizits.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Nur, wir haben davon in der Binnenkonjunktur wenig, zu wenig.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Und mit Ihrer massiven Erhöhung der Verbrauchsteuern, der Streichung der Steuererleichterungen für die Normalverdiener, für die Arbeitnehmer treffen Sie



    Dr. Apel
    doch genau die Bevölkerungsgruppen, die dann, wenn wir ihnen ihr Einkommen einschränken, sofort nur weniger ausgeben können. Mit anderen Worten: Das, was Sie steuerpolitisch vorhaben, wird für die Binnennachfrage nicht so positiv sein, wie wir uns das alle wünschen. Im Gegenteil: Es kann auch — ich bin hier bewußt vorsichtig — mit einem Rückgang der Binnennachfrage dann gerechnet werden, wenn die große Mehrheit unseres Volkes dafür bluten muß, daß Sie den Spitzensteuersatz und die Steuerbelastung für die sehr gut Verdienenden senken.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, auch die kleinen Unternehmen, das Handwerk und der Einzelhandel haben von Ihrer Steuerpolitik doch sehr wenig.

    (Walther [SPD]: Überhaupt nichts!)

    Herr Kollege Stoltenberg, die werden die Senkung des Spitzensteuersatzes, der ja immerhin mehr als 1 Milliarde DM kostet, mitfinanzieren. Aber wenn es dann um die Erhöhung der Verbrauchsteuern und der Mehrwertsteuer geht, dann werden sie dies in ihren Preisen nicht weitergeben können. Das geht dann voll zu Lasten ihrer Gewinnspanne. Ich bitte Sie sehr herzlich darum, einmal die Stellungnahme des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zu diesem Thema zu lesen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Die sagen Veto zur Erhöhung der Verbrauchsteuern, nur, Sie werden es am Ende tun. Und damit treffen Sie diesen Bereich, diesen wichtigen Bereich unserer Wirtschaft.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Lassen Sie uns über die Gemeindefinanzen reden: Bereits in den vergangenen Jahren haben unsere Gemeinden immer stärker die Kosten der Massenarbeitslosigkeit tragen müssen. Seit der Wende sind die Ausgaben für die Sozialhilfe um 50 % auf 24 Milliarden DM im Jahr 1986 explodiert.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Es ist aber auch verbessert worden!)

    Mit anderen Worten: Für das Versagen der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit müssen Städte und Gemeinden zahlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun kommt Ihr Steuerpaket 1990. Damit treffen Sie allerdings viele Länder und Gemeinden ins Mark. Sie haben davon gesprochen, daß es wohl schwarzer Humor sei, wenn wir in Schleswig-Holstein über die schlechte Lage der Gemeindefinanzen sprechen. Ich habe bei den CDU-Kämmerern in Schleswig-Holstein keinen schwarzen Humor gefunden, sondern nur tiefe Verzweiflung darüber, wie Ihr Landesvorsitzender mit ihren Gemeindefinanzen und damit mit ihrer kommunalpolitischen Zukunft umgeht.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie können doch nicht bestreiten, daß in SchleswigHolstein den Städten und Gemeinden in den nächsten drei Jahren mindestens eine Milliarde DM fehlen wird.
    Wir fragen Sie: Wie sollen eigentlich Länder wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland den Strukturwandel bewältigen?

    (Walther [SPD]: Und Rheinland-Pfalz!)

    Wie sollen sie ihre Wirtschaft modernisieren und die erforderlichen Anpassungsprozesse sozial flankieren, wenn Sie den Ländern jeden finanziellen Handlungsspielraum nehmen?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Herr Kollege Stoltenberg, da versuchen Sie auch noch, in den nächsten vier Jahren die Bundesergänzungszuweisungen für die finanzschwachen Länder um 800 Millionen DM zu kürzen. Der massive Widerstand im Bundesrat zeigt: Sie, der Finanzminister, haben nicht einmal den Versuch unternommen, bei der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs einen tragfähigen Kompromiß zu suchen. Auf diese Weise mißachten Sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
    In allem Ernst: Ihre Parteikollegin Frau Breuel, die Finanzministerin des Landes Niedersachsen, hat doch recht, daß Sie mit Ihrer Finanzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland eine Zweiklassengesellschaft herstellen:

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

    die Länder mit den Strukturproblemen, CDU- und SPD-regiert, die nicht ertragen können, was Sie ihnen zumuten, und diejenigen, die große Schwierigkeiten haben werden, aber vielleicht gerade eben noch über die Runde kommen. So können Sie doch nicht das Verfassungsgebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland mißachten!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Da Sie in Ihrer Einführungsrede das Land Nordrhein-Westfalen wegen seiner Kürzungen der Zuweisungen an die Gemeinden kritisieren, will ich Sie erstens darauf aufmerksam machen, daß das Land Nordrhein-Westfalen bei seinen Zuweisungen unter den Bundesländern immer noch eine sehr gute Position einnimmt. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, daß die Länder doch angesichts Ihrer Politik gar nicht darum herumkommen, ihre Zuweisungen an die Gemeinden drastisch zu kürzen. Zusammen mit den unmittelbaren Steuerausfällen führt doch Ihr Steuerpaket 1990 bei den Gemeinden zu Steuerausfällen von 10 Milliarden DM pro Jahr. Sie haben während der Sommerpause auf entsprechende Bemerkungen von Herrn Bernrath diese Zahlen kritisiert und für unrichtig befunden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) — So ist es, haben Sie gesagt.

    Daraufhin hat der Deutsche Städtetag — und der Deutsche Städtetag ist eine Organisation, in der CDU- und SPD-Bürgermeister und -Oberbürgermeister einvernehmlich zusammenarbeiten — dem Bundesfinanzminister am 14. August in einer öffentlichen Stel-



    Dr. Apel
    lungnahme etwas gesagt, was nach meiner Überzeugung in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig ist. Er hat nämlich gesagt und ihm vorgerechnet, daß der Finanzminister über die finanzielle Lage unserer Gemeinden in mehrfacher Hinsicht unzutreffend informiert, falsch argumentiert. Mit anderen Worten, diese Herren — die ja vornehme Herren sind — haben Ihnen gesagt: Sie sagen über die Konsequenzen Ihrer Steuerpläne für die Gemeinden bewußt die Unwahrheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht nur der Deutsche Städtetag, auch CDU-Kommunalpolitiker wie der Oberbürgermeister Rommel aus Stuttgart haben Sie doch auf die Folgen Ihrer Politik für die Gemeinden hingewiesen. Was werden denn die Folgen sein? Die Städte und Gemeinden müssen ihre Sozialleistungen kürzen. Damit werden die Ärmsten der Armen zur Finanzierung der Senkung des Spitzensteuersatzes herangezogen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist einfach unwahr! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Lauter Unfug! — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Die Sozialleistungen werden nicht gekürzt! Völlig ausgeschlossen!)

    Die Kommunen werden — das ist unbestritten, und das lesen Sie ja auch in den Berichten — bei den Investitionen kürzen müssen. Damit fehlen der örtlichen Wirtschaft, insbesondere den vielen kleinen Handwerksunternehmen, notwendige Aufträge. Insolvenzen und Entlassungen werden die Folge sein.