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ID1101802300

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    Plenarprotokoll 11/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1157 A Begrüßung des Präsidenten der Großen Türkischen Nationalversammlung und einer Delegation 1143 A Beratung des Berichts des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1986 (Drucksache 10/6807) Dr. Pfennig CDU/CSU 1135 C Peter (Kassel) SPD 1138B Frau Dr. Segall FDP 1141 A Frau Nickels GRÜNE 1143 B Haungs CDU/CSU 1145 B von der Wiesche SPD 1146 D Frau Dempwolf CDU/CSU 1148 A Reuter SPD 1149D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1151D Fuchtel CDU/CSU 1152B Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen (Drucksache 11/479) Susset CDU/CSU 1153B Müller (Schweinfurt) SPD 1153 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1154 C Kreuzeder GRÜNE 1155B Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 1156B Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Gernika, Baskenland (Drucksache 11/362) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksache 11/483) Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1157 B Dr. Pohlmeier CDU/CSU 1158 A Westphal SPD 1159A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1160A Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) (Drucksache 11/ 454) 1160 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA-Übereinkommen) (Drucksache 11/466) 1160D Nächste Sitzung 1160 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1161* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 1135 18. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1987 Beginn: 12.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 17. 6. Dr. Biedenkopf 17. 6. Böhm (Melsungen) 17. 6. Cronenberg (Arnsberg) 17. 6. Ehrbar 16. 6. Frau Folz-Steinacker 17. 6. Francke (Hamburg) ** 17. 6. Glos 17. 6. Frau Hensel 17. 6. Höpfinger 17. 6. Dr. Hoyer 16. 6. Jansen 17. 6. Kiechle 17. 6. Kolbow 17. 6. Dr.-Ing. Laermann 17. 6. Meyer 17. 6. Frau Odendahl 17. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oswald 17. 6. Frau Pack 17. 6. Dr. Penner 17. 6. Rappe (Hildesheim) 16. 6. Reuschenbach 17. 6. Ronneburger ** 17. 6. Frau Schilling 17. 6. Schmidbauer 17. 6. Schmidt (München) * 16. 6. Schröer (Mülheim) 17. 6. Frau Simonis 17. 6. Spilker 17. 6. Frau Steinhauer 17. 6. Frau Würfel 17. 6. Dr. Wulff * 16. 6. Frau Zutt 17. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gertrud Dempwolf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, daß sich 12 000 bis 13 000 Bürger jährlich an den Petitionsausschuß wenden. Es sind oft genug Hilferufe, diktiert von Ratlosigkeit, Verbitterung und Verzweiflung. Wer sich die Eingaben gründlich ansieht, der lernt sehr schnell, zwischen den Zeilen zu lesen und das dahinterstehende menschliche Schicksal zu erkennen. Es gibt kaum einen anderen Bundestagsausschuß, dessen Themen so weit gefächert sind wie die des Petitionsausschusses. Die Eingaben berühren Fragen der Sozialpolitik ebenso wie Probleme des Steuerrechts oder Themen aus dem Verteidigungsbereich.
    Von besonderer Bedeutung für mich ist es, die Öffentlichkeitsarbeit des Petitionsausschusses zu verstärken; denn diese Arbeit ist letztlich Arbeit für den Bürger. Wir müssen den Ausschuß über die Medien, über die Presse noch näher an den Bürger heranbringen. Ich hoffe, daß uns dies wenigstens teilweise gelingt, damit immer mehr Bürger auf diese Weise erfahren, wie es ist, ein Grundrecht wahrzunehmen und sich „mit Bitten oder Beschwerden ... an die Volksvertretung zu wenden", wie es in unserer Verfassung heißt.
    Der Bürger ist wacher geworden; er muckt gegen die Obrigkeit schneller auf. Ich glaube feststellen zu können, daß der Petitionsausschuß seine Rolle als soziales Frühwarnsystem, wie es einmal formuliert wurde, erfüllt. Immer wieder erhält er auf Grund der Vielzahl von Eingaben Einblicke in die Wirkung staatlicher Regelungen, die von seinen Mitgliedern, die ja zugleich in anderen Bundestagsausschüssen mitarbeiten, in parlamentarische Initiativen umgesetzt werden.
    Meine Arbeit als Mitglied des Petitionsausschusses liegt mir sehr am Herzen. Deshalb bin ich in dieser Wahlperiode auch ganz freiwillig in diesen Ausschuß zurückgekehrt, und ich bin froh darüber. Denn so bin ich für die Bürger, auch und vor allem für die in meinem Wahlkreis, eine Anlaufstelle, an die sie sich mit ihren Sorgen und Anliegen wenden können. Ich kann mich dafür einsetzen und ihnen in speziellen Fällen oft helfen.
    Weit über eine halbe Million registrierte Ausreisewünsche von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus den Ostblockländern sind uns nach Auskunft des Deutschen Roten Kreuzes bekannt. Diese Hilferufe erreichen uns, die einzelnen Abgeordneten, den Petitionsausschuß, der auch in diesem Jahresbericht unter dem Stichwort Familienzusammenführung auf die Gesamtproblematik eingeht und dies nun schon seit vielen Jahren. Familienzusammenführung bedeutet in diesem Zusammenhang die Aussiedlung von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus osteuropäischen Ländern sowie Übersiedlung Deutscher aus der DDR und in besonderem Maße solcher Personen, die zu ihren Familien kommen oder die, wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte, mit ihren Familien leben möchten.
    Friedland liegt in meinem unmittelbaren Heimatbereich. Ich mache dort regelmäßig Besuche auch mit Besuchergruppen aus meinem Wahlkreis Hannover. Die Problematik der Aussiedler ist darum für mich immer wieder sehr deutlich sichtbar. Wir sprechen zwar heute über den Jahresbericht 1986, aber sicherlich kennen Sie die aktuellen Informationen und Presseberichte der letzten acht bis zehn Tage: ein Massenansturm auf das Lager Friedland. Überschrift in der Presse: „Das Lager Friedland ist überfüllt". Vielleicht — ich hoffe es — ist dies ein Zeichen unserer ständigen Politik.
    Das Durchgangslager Friedland bei Göttingen erlebt in diesen Tagen eine Invasion von deutschen Aussiedlern aus der Volksrepublik Polen, vor allem aber auch — und das ist neu — aus der Sowjetunion. Ihr Durchschnittsalter ist Mitte dreißig. Die Menschen, die zu uns kommen, haben eine relativ gute Schul- und Berufsausbildung. 800 Menschen, so beschreibt der Leiter des Grenzdurchgangslagers die Situation, haben bei familiengerechter Unterbringung im Lager Platz. Seit Tagen jedoch schlafen die Menschen auch in Massenquartieren, bis zu 52 Männer, Frauen und Kinder in einem Saal. Eine Lagerstätte für 103 Menschen wird gerade in einem Vortrags- und Versammlungsraum, dem St.-Ansgar-Haus eingerichtet. 1 200 Menschen etwa sind zur Zeit täglich im Lager. Weil die Abfertigung länger dauert — das Personal ist auf diesen Andrang nicht eingestellt — , müssen diese Menschen bis zu einer Woche in Friedland leben. Die Deutschen, aus Polen kommend, reisen zumeist als Touristen in die Bundesrepublik. Sie pakken das Liebste in ihre Autos und tun so, als führen sie in die Ferien. Insgesamt kamen im Mai 1987 4 015 Menschen aus Staaten Ost- und Südosteuropas in die Bundesrepublik, darunter 1 926 aus Polen, ein, wie ich hoffe, Ergebnis unserer beharrlichen Politik.
    Darum ist es mir auch ein ganz besonderes Bedürfnis, auch als Abgeordnete aus Niedersachsen, einmal von dieser Stelle aus den Helfern, den Vertretern der Kirchen, dem Leiter und seinem Stellvertreter im Lager Friedland Dank zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Menschen leisten oft selbstlos zusätzliche Hilfe und bringen hier ganz selbstverständlich ihre Freizeit mit ein.
    Ich stelle immer wieder fest, daß es bei den Aussiedlern sehr viele bedrückende Einzelschicksale gibt. Im Petitionsbericht 1986 war die Ausreisezahl aus der Sowjetunion im Vergleich zu den vorigen Jahren ein wenig gestiegen. Die Zahlen stehen jedoch noch immer in keinem Verhältnis zu den Zahlen, die uns vom Auswärtigen Amt und vom Deutschen Roten Kreuz vorliegen. Hier geht es um Reiseanliegen von zirka 180 000 Personen. Diese Zahlen machen die



    Frau Dempwolf
    Größe des Problems und auch das, was noch auf uns zukommt, recht deutlich. Die lange Bearbeitungsdauer von Reiseanträgen und die restriktive Handhabung von Ausreisegenehmigungen lassen bei den Ausreisewilligen ihr Ziel oft als ausweglos erscheinen.
    Der Petitionsausschuß unterstützte auch 1986 die Ausreiseanliegen, insbesondere auch die Übermittlung von Härtelisten. So wurden Härtelisten für die UdSSR, Polen und Rumänien dem deutschen Delegationsleiter beim KSZE-Expertentreffen über menschliche Kontakte, das im April in Bern stattfand, zugesandt mit der Bitte, sie den jeweiligen Gesprächspartnern zu übergeben.
    Die Übersiedlungszahlen aus der DDR haben im Vergleich zum Vorjahr stagniert. Petitionen dazu sind bisweilen erschütternd. Die Tatsache zeigt, daß sich die Erledigung der Übersiedlungsverfahren wieder verzögert. Die DDR hat 1985 nach unserem Petitionsbericht zirka 18 000 Übersiedlungswilligen die Ausreise gestattet. Im Jahr zuvor, 1984, waren es doppelt so viele. Damit stieg natürlich die Zahl der Altfälle an.
    Allgemein ist festzustellen, daß die Verfahren auch in der DDR viel zu lange dauern und bei den Betroffenen mit schweren seelischen und körperlichen Strapazen verbunden sind. Ausreiseanträge führen vielfach zu Benachteiligungen im Berufsleben und auch im Ausbildungsleben der Kinder.
    Meine Damen und Herren, wenn ich mich nur diesem einen Thema zuwende, dann erkennen Sie daran, wie wichtig mir dieses Thema ist. Die Staaten Osteuropas sind aufgefordert, sich an die internationalen Verträge zu halten und entsprechende Freizügigkeit zu gewähren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD — Frau Unruh [GRÜNE]: Niedersachsen soll warme Zelte aufstellen! Wie wollt ihr da mit einer Katastrophe fertigwerden? Da kommen einem ja die Tränen bei dieser Unfähigkeit!)

    Ich erinnere an die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, und ich berufe mich auf die Schlußakte von Helsinki, die die Familienzusammenführung ausdrücklich vereinbart. Ich glaube, sehr geehrte Frau Unruh, daß die Art, wie wir diese Frage hier klären wollen, sicherlich die wirkungsvollste ist.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein, nein, jetzt ist ja in Niedersachsen was los!)

    Ich begrüße, daß sich der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Außenminister und die Ministerpräsidenten gegenüber osteuropäischen Regierungen nachhaltig für Familienzusammenführung einsetzen. Wir unterstützen diese Initiativen auch durch Kontakte des Petitionsausschusses, z. B. zur rumänischen Nationalversammlung.
    Wenn wir über den Petitionsbericht diskutieren, können wir selbstverständlich nur wenige Petitionen ansprechen. Wie in den vergangenen Jahren erhielt der Ausschuß auch im Berichtsjahr mehrere Eingaben sorgeberechtigter Elternteile, die über die Entführung ihres Kindes durch den Nichtberechtigten Elternteil klagten. Die Entführungen erfolgten durch den deutschen oder ausländischen Elternteil jeweils ins Ausland. Die deutschen Auslandsvertretungen können in diesen Fällen nur begrenzt helfen.
    In einem Entführungsfall aus dem Jahr 1982, der dem Petitionsausschuß vorlag, konnten jedoch nach rund dreieinhalbjähriger Trennung zwei Kinder im Januar 1986 zu ihrer Mutter zurückkehren. Der deutsche Vater hatte das Besuchsrecht ausgenutzt und seine elf beziehungsweise sieben Jahre alten Kinder entführt. Auf Grund einer von ihm gelegten falschen Fährte wurden er und die Kinder zunächst im Nahen Osten vermutet. Nach langwierigen und schwierigen Ermittlungen fand man ihn mit den beiden Kindern in einem südamerikanischen Staat. Da bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu befürchten war, daß er mit den Kindern unverzüglich untertauchen würde, beschränkten sich die Behörden darauf, seinen Aufenthaltsort zu beobachten. Die deutsche Botschaft konnte mit den Behörden des Gastlandes vereinbaren, die Kinder der Mutter zu übergeben und den Vater in die Bundesrepublik abzuschieben. Hier wurde er am 2. Februar 1986 festgenommen und inzwischen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
    Ich wünsche mir, daß wir im Sinne der Petenten die Arbeit im Petitionsausschuß gemeinsam so sachlich wie bisher erledigen werden. Unsere gemeinsame Arbeit im Ausschuß ist gut. Es ist nicht üblich, daß man sich im Parlament gegenseitig lobt. Aber, ich denke, wir arbeiten sehr fair miteinander. Ich sage das auch ganz besonders an die Adresse der Kollegen der Oppositionsparteien. Ich wünsche mir, daß es auch so bleibt. Gelegentliche Auseinandersetzungen gehören zum politischen Alltag — ich finde, das ist auch gut so — , aber das Menschliche sollte nicht zu kurz kommen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FPD und der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Reuter.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bernd Reuter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Petitionen sind ein politisches Stimmungsbarometer. Sie stellen jedoch keinen repräsentativen Querschnitt des Meinungspektrums unserer Bürger dar. Deshalb kann auch aus der Anzahl der Eingaben zu einem Problem nicht ohne weiteres auf dessen Bedeutung für die Gesamtbevölkerung geschlossen werden.
    In dem vorliegenden Tätigkeitsbericht für das Jahr 1986 ist erstmals der Bereich Umwelt und Naturschutz, bedingt durch ein neues Ministerium, gesondert ausgewiesen. Es waren zwar nur 1,11 % oder 94 Eingaben, die diesen Bereich betroffen haben. Allerdings sind die Petitionen hierzu erst seit August 1986 erfaßt, also für fünf Monate. Natürlich ist diese Zahl von 94 im Verhältnis zu den 2 768 Petitionen, die in die Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales fallen, gering. Jedoch bin ich der Meinung, daß sie für uns von ihrem Inhalt und von ihrer



    Reuter
    Bedeutung her in der Bearbeitung und in der Beratung von großer Tragweite sein werden.
    Ich will in der gebotenen Kürze einige Beispiele vortragen. Vier Petitionen zielten auf eine Auslagerung der Zuständigkeit für die Aufgaben des Tierschutzes aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ab, und zwar in das neu geschaffene Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Diese Petitionen wurden der Bundesregierung als Material überwiesen. Ich will an dieser Stelle einmal sehr deutlich sagen — das ist schon einige Male angeklungen — : Es darf nicht so sein, daß wir Petitionen als Material an die Bundesregierung überweisen und daß sie dort in einer großen Materialsammlung Eingang finden, ohne daß dann irgendeine Reaktion erfolgt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Hier meine herzliche Bitte an die Regierung, schneller und mit mehr Initiative an die Dinge heranzugehen, damit wir auch bald Ergebnisse zur Kenntnis nehmen können.
    Eine Sammelpetition hat sich für die Einführung eines einklagbaren Umweltgrundrechtes in das Grundgesetz ausgesprochen. Diese Petition hatte 3 500 Unterschriften. Der Bundestag lehnte einen entsprechenden Gesetzentwurf der GRÜNEN ab und sah deshalb auch die Petition als erledigt an. Aber auch hier stelle ich fest, daß eine solche Petition nicht nutzlos im Winde verweht, sondern daß auch daraus noch Ergebnisse resultieren; denn demnächst werden wir im Bundestag intensiv über die Verankerung des Umweltschutzes als Staatszielbestimmung im Grundgesetz beraten.
    Der Tierschutz — das Verbot von Tierversuchen, von Massentierhaltung, von rituellem Schlachten — war Gegenstand einer Anzahl Petitionen. Hier hat der Ausschuß gemäß § 109 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine Stellungnahme des Fachausschusses eingeholt. Diese Petitionen sind dann als Material an das Ministerium weitergeleitet worden.
    Aber auch selbst kleine Dinge nehmen wir in diesem Petitionsausschuß ernst, meine Damen und Herren, wie z. B. das Verkaufsverbot für Maulwurfsfallen. Auch das war eine wichtige Petition, weil diese Tierart vom Aussterben bedroht ist. Wir bitten die Regierung, die Abstimmung mit den Kleingärtnern zu beschleunigen, damit endlich ein Erlaß herauskommt, wonach diese Maulwurfsfallen verboten werden.
    Meine Damen und Herren, eine andere Petition begehrte das sofortige nationale Verbot der Herstellung von fluorchlorkohlenwasserstoffhaltigen Spraydosen in der Bundesrepublik. Die Verwendung von FCKWs in den übrigen Bereichen sollte kurzfristig drastisch eingeschränkt werden, weil die Ozonschicht gefährdet ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch diese Petition ging an das Bundesministerium für Umweltschutz sowie an das Bundeskanzleramt.
    Ich möchte auch die Petition erwähnen, die die Anregung enthält, daß die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt mehr Recyclingpapier verwenden
    sollten, um auch so etwas Nennenswertes für den Umweltschutz zu tun.
    Veranlaßt durch den Reaktorunfall in Tschernobyl Ende April 1986 richteten mehrere tausend Bürger Petitionen an den Deutschen Bundestag, in denen überwiegend der sofortige oder mittelfristige Ausstieg aus der Kernenergie, der Verzicht auf die Brütertechnologie und die Wiederaufarbeitung sowie ein verändertes umweltverträgliches Energiekonzept gefordert wurden. Bei dieser Petition konnte der Ausschuß in seiner Entscheidungsfindung jedoch nicht in allen Teilen den Petenten Rechnung tragen; denn die Fraktionen sind im Petitionsausschuß in demselben Verhältnis vertreten wie in den Fachausschüssen und wie hier im Plenum des Deutschen Bundestages.
    Ich will als erfreulich die Tatsache würdigen, daß die Koalitionsfraktionen mehr als früher bereit sind, auch bei Petitionen, die den Umweltschutz betreffen, diese mit einem qualifizierten Votum auszustatten, nämlich an die Regierung zu leiten, sei es nun mit der Formel „zu berücksichtigen" öfter aber auch nur „als Material" .

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Kein Wunder!)

    Ich will den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen dafür danken, wenngleich ich manchmal ein bißchen den Eindruck habe, daß der Grund für das Entgegenkommen darin zu sehen ist, daß man kontroverse Debatten hier im Plenum vermeiden möchte, wie der Kollege Dr. Göhner es einmal in seiner charmanten offenen Art ausgeführt hat.
    Meine Damen und Herren, es ist in dieser Debatte schon oft dargelegt worden, daß der Petitionsausschuß kein Ober- oder Überausschuß sein soll. Er ist auch kein Instrument der Opposition. Die kontroversen politischen Diskussionen müssen vorrangig in den Fachausschüssen geführt werden. Die kurzfristige Korrektur von Mehrheitsentscheidungen, wie z. B. der Ausstieg aus der Kernenergie oder wie das Abrüsten, das Beseitigen der Raketen, kann deshalb nicht das Ergebnis realistischer Oppositionsarbeit im Petitionsausschuß sein.
    Ich will hier aber auch einmal deutlich auf die Zielkonflikte mit den Fachausschüssen hinweisen, und zwar am Beispiel einer Petition zum Thema Tieffluglärm. 80 Eingaben von Einzelpersonen, Bürgerinitiativen und Gebietskörperschaften haben sich mit der Bitte an den Deutschen Bundestag gewandt, etwas Entscheidendes gegen diese Lärmbelästigung zu tun. Nun hat der Petitionsausschuß nach § 109 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages diese Petition an den Verteidigungsausschuß weitergeleitet. Der Verteidigungsausschuß hat als Resultat aus einer Anhörung einen Entschließungsantrag gefaßt. Dort heißt es:
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, das berechtigte Interesse der Bevölkerung an der Vermeidung von Lärmbelästigungen, die Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen können, mit den verteidigungspolitischen Notwendigkeiten militärischer Übungen soweit wie möglich in Einklang zu bringen.



    Reuter
    Meine Damen und Herren, dieses „soweit wie möglich" bestimmt dann das Bundesverteidigungsministerium.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

    Da bin ich in Sorge, wenn ich die Äußerungen eines Staatssekretärs Würzbach höre, der wegen des RustFlugs nach Moskau meint, auch wir müßten jetzt noch tiefer fliegen, damit alles seine Ordnung hat. Mit dieser Art von Behandlung kann der Petitionsausschuß nicht einverstanden sein, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Der Petitionsausschuß darf sich damit nicht zufrieden geben. Unsere Aufgabe beschränkt sich nicht auf das bloße Weiterleiten von Petitionen. Wir müssen uns selber mit den anliegenden Problemen der Menschen vertraut machen, die ihre Petitionen an uns weiterreichen. Wir müssen hier die Problemstellungen herausarbeiten, das Pro und Kontra gegenüberstellen.
    Folgendes darf hier nicht zur Regel werden. Wenn sich der Petent während eines Gesetzgebungsverfahrens an uns wendet, dann geben wir das nach § 109 an den Fachausschuß weiter, und manchmal sehen wir von der Petition nie wieder etwas. Frau Dr. Segall hat gesagt: Wir wollen Mißbrauch bei dem Petitionswesen abstellen. Wer entscheidet denn, was Mißbrauch ist?

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Das ist die Frage!)

    Da ich hier jetzt kein probates Konzept erkennen kann, muß ich sagen: Wir schaffen doch auch nicht das Eigentum ab, weil es Diebstahl gibt. Also können wir nach meiner Ansicht auch hier nicht von vornherein etwas machen wollen, was nicht in die richtige Richtung weist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich will auch noch deutlich machen: Wenn sich jemand nach dem Gesetzgebungsakt an uns wendet und die Petition dann beschieden wird, holen wir meistens erst eine Stellungnahme des Ministeriums ein. Das Ministerium sagt: Wir haben festgestellt, daß sich der Anwender des Gesetzes ordnungsgemäß verhalten hat und genau nach dem Gesetz verfahren ist. — Das wäre ja noch schöner, wenn das nicht so wäre! — Dann schreiben wir dem Petenten in dem Bescheid: Wir bedauern, Ihre Erwartungen nicht erfüllen zu können; denn die Aussagen des Ministeriums sind nicht zu beanstanden. Meine Damen und Herren, das weiß der Petent in aller Regel. Er kommt zu uns und will eine Änderung des Gesetzes, das so auf ihn wirkt, wie er es eigentlich nicht für sinnvoll hält. Deshalb müßten wir uns nach meinem Dafürhalten gerade auf diesem Sektor etwas mehr als bisher überlegen, wie wir diese Probleme lösen können.
    Ich will auch sehr deutlich sagen — das ist heute morgen schon angeklungen — , daß das Zusammenspiel mit den Fraktionen und den Fachausschüssen verbessert werden muß.

    (Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP]: Sehr richtig!)

    Als Probe aufs Exempel frage ich nach sechs Monaten
    bei den Fraktionen mal nach solchen Petitionen, die
    wir dort zur Kenntnis bringen, ob in der Fraktion überhaupt jemand dafür zuständig ist, ob überhaupt jemand weiß, was daraus resultiert.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Das ist eine gute Frage!)

    Wir können doch Petitionen nicht im Prinzip einer Beerdigung erster Klasse zuführen und dann so tun, als hätten wir die Probleme unserer Welt gelöst.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Pfennig [CDU/CSU])

    Ich will zum Schluß noch einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros sehr herzlich danken. Auch ich habe in dieser Stunde, wo wir diesen Jahresbericht 1986 diskutieren, den sehnlichen Wunsch, daß die Mitarbeiter bald wieder aus ihrem unfreiwilligen Getto jenseits der Schranken mehr in das Zentrum der Macht kommen können; denn ich meine, gerade der Petitionsausschuß ist ein Ausschuß, der auf Akten angewiesen ist. Da macht es für mich keinen Sinn, wenn einige Kilometer zwischen dem Petitionsbüro und unserer Arbeit hier liegen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte mit der Feststellung schließen, daß der Petitionsausschuß seiner Funktion als Mittler zwischen dem einzelnen Bürger und den politischen Entscheidungsträgern auch im zurückliegenden Jahr wieder gerecht werden konnte. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes können davon ausgehen, daß ihre Sorgen, Anregungen, Bedenken und Probleme bei dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages in guten Händen sind.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)