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ID1101802100

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    Plenarprotokoll 11/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1157 A Begrüßung des Präsidenten der Großen Türkischen Nationalversammlung und einer Delegation 1143 A Beratung des Berichts des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1986 (Drucksache 10/6807) Dr. Pfennig CDU/CSU 1135 C Peter (Kassel) SPD 1138B Frau Dr. Segall FDP 1141 A Frau Nickels GRÜNE 1143 B Haungs CDU/CSU 1145 B von der Wiesche SPD 1146 D Frau Dempwolf CDU/CSU 1148 A Reuter SPD 1149D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1151D Fuchtel CDU/CSU 1152B Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen (Drucksache 11/479) Susset CDU/CSU 1153B Müller (Schweinfurt) SPD 1153 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1154 C Kreuzeder GRÜNE 1155B Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 1156B Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Gernika, Baskenland (Drucksache 11/362) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksache 11/483) Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1157 B Dr. Pohlmeier CDU/CSU 1158 A Westphal SPD 1159A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1160A Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) (Drucksache 11/ 454) 1160 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA-Übereinkommen) (Drucksache 11/466) 1160D Nächste Sitzung 1160 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1161* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 1135 18. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1987 Beginn: 12.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 17. 6. Dr. Biedenkopf 17. 6. Böhm (Melsungen) 17. 6. Cronenberg (Arnsberg) 17. 6. Ehrbar 16. 6. Frau Folz-Steinacker 17. 6. Francke (Hamburg) ** 17. 6. Glos 17. 6. Frau Hensel 17. 6. Höpfinger 17. 6. Dr. Hoyer 16. 6. Jansen 17. 6. Kiechle 17. 6. Kolbow 17. 6. Dr.-Ing. Laermann 17. 6. Meyer 17. 6. Frau Odendahl 17. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oswald 17. 6. Frau Pack 17. 6. Dr. Penner 17. 6. Rappe (Hildesheim) 16. 6. Reuschenbach 17. 6. Ronneburger ** 17. 6. Frau Schilling 17. 6. Schmidbauer 17. 6. Schmidt (München) * 16. 6. Schröer (Mülheim) 17. 6. Frau Simonis 17. 6. Spilker 17. 6. Frau Steinhauer 17. 6. Frau Würfel 17. 6. Dr. Wulff * 16. 6. Frau Zutt 17. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Eugen von der Wiesche


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Jahresbericht des Petitionsausschusses macht wieder einmal deutlich, welche zusätzlichen — ich betone: zusätzlichen — Arbeiten neben der normalen Parlamentsarbeit notwendig sind, um den Nöten, den Beschwerden und den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Wir merken, daß Bürgerinnen und Bürger wirklich mündiger geworden sind und einen immer stärkeren Druck und Einfluß auf Verwaltung und Gesetzgebung ausüben. Dies ist besonders beim Petitionsausschuß — auch durch die 1986 wiederum mehr als 12 000 eingegangenen Eingaben — zu vermerken.
    Wir als Petitionsausschuß sind und bleiben eine besondere Anlaufstelle. Dies läßt sich leider nicht verändern. Durch diese Eingaben wird aber auch klar, wo Lücken im politischen Handeln sind, wie der Bürger Politik versteht und was er vom Gesetzgeber erwartet. Dieses politische Stimmungsbarometer wird leider zu wenig beachtet.



    von der Wiesche
    Wenn Probleme im Ergebnis nicht immer so zu lösen waren, wie dies uns und dem Petenten wünschenswert erschien, lag es nicht zuletzt daran, daß gesetzliche oder andere Regelungen dem entgegenstanden oder daß im Ausschuß halt keine politische Mehrheit für den Bürger oder den Petenten zu finden war. Hier mußten und hier müssen wir stets die Grenzen im Auge behalten, die dem Petitionsausschuß gesetzt sind.
    Es wurde heute schon einige Male darauf hingewiesen, und auch ich habe an dieser Stelle schon einmal betont: Der Petitionsausschuß ist kein Gesetzgebungsausschuß und schon gar kein Überausschuß. Wir waren dies nicht, und wir wollen dies auch in Zukunft nicht sein. Wir wollen auch nicht den Fachausschüssen in die Quere kommen, und wir wollen dem Bürger nicht etwas versprechen, was der Fachausschuß als nicht zweckmäßig oder nicht vordringlich ansieht. Das bedeutet jedoch nicht, daß wir dem Fachausschuß keine Anregungen geben dürfen, die sich aus den Petitionsinhalten ergeben, oder gar daß wir den Fachausschuß nicht zur Eile mahnen dürfen, was manchmal dringend notwendig ist.
    Der Kollege Peter wies auf eine Petition oder, wie ich genauer sagen muß, einen Petenten hin. Wenn ich mir die Petition zur Kriegswaffenkontrolle anschaue, die bereits seit einigen Jahren im Deutschen Bundestag schmort und mittlerweile im Auswärtigen Ausschuß eine ganze Reihe von Jahren nicht weiter behandelt wird, bei der es um die Frage der abschließenden Beratung und der Unterzeichnung der Genfer Zusatzprotokolle I und II geht, dann ist dies einfach nicht mehr zu begreifen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich meine, der Petent und auch der Petitionsausschuß müssen sich vorkommen, als würden sie zumindest in dieser Frage an der Nase herumgeführt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es wird allerhöchste Zeit, diese Beratungen endlich abzuschließen.
    Eine ganze Reihe von Petitionen, die der Deutsche Bundestag auf einmütige Empfehlung des Ausschusses der Bundesregierung zur Erwägung oder zur Berücksichtigung überwiesen hat, wird von dem zuständigen Ministerium viel zu lang geprüft. Die Verwirklichung des Beschlusses des Bundestages wird hinausgezögert. Oft werden sogar die Kompetenzen zwischen den Ministerien hin und her geschoben. Der Beschluß bleibt unerledigt. Eine ganze Reihe von Beispielen hierfür ließe sich aufzählen. Ich beschränke mich auf ein Beispiel. Herr Kollege Göhner — ich sehe ihn im Moment nicht mehr — , wir haben diese Petition zur Einkommensteuer miteinander behandelt. Wir sehen absolut kein Ende in dieser Frage, obwohl es hier einmütige Beschlüsse sowohl des Petitionsausschusses als auch des Deutschen Bundestages gibt. Ich hoffe, daß nun endlich auch diese Prüfung geregelt wird, um diese Frage ins Reine zu bringen.
    Der Bericht des Petitionsausschusses kann bei der großen Zahl von Einzelfällen und Sammeleingaben die Arbeit natürlich nur exemplarisch behandeln. Deshalb gehe ich nur auf ein paar Fälle ein. Ich weise
    z. B. auf die Massenpetition zum § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes hin. Diese Petition wurde sehr schnell als erledigt angesehen, weil dieses Gesetz gerade erst durch den Deutschen Bundestag geändert worden war. Aber müssen wir uns nicht gerade an dieser Stelle fragen, ob nicht oftmals durch unverständliche Gesetze, die dieses Haus verabschiedet, Petitionen geradezu provoziert werden?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Nachkarten!)

    — Es gibt Dinge, die man gar nicht oft genug sagen kann, damit sie endlich begriffen werden.

    (Beifall bei der SPD — Reimann [SPD]: Damit die dort es begreifen!)

    Zahlreiche Eltern wandten sich gegen die durch das Steuersenkungsgesetz 1986/88 getroffene Neuregelung, wonach der Kinderfreibetrag bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sowie für nichteheliche Kinder ab 1. Januar grundsätzlich jeweils zur Hälfte gewährt wird. Der Ausschuß kam zu dem Ergebnis, daß die neue Regelung zwar im Grundsatz als sachgerecht anzusehen sei, daß aber eine ganze Reihe von Härten hier Berücksichtigung finden müsse. Inzwischen wurde zumindest ein Teilerfolg für die Betroffenen erreicht. Weitere Prüfungen folgen. Das Ergebnis insgesamt jedoch ist zur Zeit noch unbefriedigend.
    Das gleiche gilt auch für die Frage des DarlehensErlasses im BAföG-Bereich. Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen Härteregelungen Anwendung finden müßten. Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft lehnt eine konkrete Hilfe jedoch ab. Ich meine, dies sollte hier noch einmal überdacht werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies waren nur ein paar Beispiele aus der weitgefächerten Palette der Themen, mit denen der Ausschuß befaßt wird. Die Mitglieder des Petitionsausschusses und die Bediensteten im Petitionsbüro, meine Damen und Herren, waren und sind stets um eine kontinuierliche Arbeit bemüht. Da ich meine, daß auch dieser Bereich heute nicht oft genug angesprochen werden kann, muß ich auch hier noch einmal nachkarten, Herr Kollege: Ich meine die Fehlentscheidung, den Petitionsausschuß und das Petitionsbüro räumlich so weit voneinander zu trennen.

    (Reuter [SPD]: In die Verbannung geschickt!)

    Ich bin der Auffassung, daß eine kontinuierliche Arbeit dadurch gewaltig gestört ist. Allein schon durch den enormen zusätzlichen Zeitaufwand wird die Arbeit im Ausschuß und im Büro nicht voll zu verkraften sein. Dies wird auch durch noch so gute Technik nicht aufgefangen werden können.

    (Reuter [SPD]: So ist es!) Deshalb hier und heute meine Forderung:


    (Reuter [SPD]: Jawohl!)

    Schaffen Sie schnellstens wieder tragbare Zustände für die Arbeit des Ausschusses und des Petitionsbüros!



    von der Wiesche
    Meine Damen und Herren, dies waren nur einige Anmerkungen zum Jahresbericht des Petitionsausschusses. Dieser Bericht ist es wert, die besondere Beachtung aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, aber auch der Öffentlichkeit zu finden. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren: Unterstützen Sie uns in unserer oft nicht sehr leichten Arbeit!

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dempwolf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gertrud Dempwolf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, daß sich 12 000 bis 13 000 Bürger jährlich an den Petitionsausschuß wenden. Es sind oft genug Hilferufe, diktiert von Ratlosigkeit, Verbitterung und Verzweiflung. Wer sich die Eingaben gründlich ansieht, der lernt sehr schnell, zwischen den Zeilen zu lesen und das dahinterstehende menschliche Schicksal zu erkennen. Es gibt kaum einen anderen Bundestagsausschuß, dessen Themen so weit gefächert sind wie die des Petitionsausschusses. Die Eingaben berühren Fragen der Sozialpolitik ebenso wie Probleme des Steuerrechts oder Themen aus dem Verteidigungsbereich.
    Von besonderer Bedeutung für mich ist es, die Öffentlichkeitsarbeit des Petitionsausschusses zu verstärken; denn diese Arbeit ist letztlich Arbeit für den Bürger. Wir müssen den Ausschuß über die Medien, über die Presse noch näher an den Bürger heranbringen. Ich hoffe, daß uns dies wenigstens teilweise gelingt, damit immer mehr Bürger auf diese Weise erfahren, wie es ist, ein Grundrecht wahrzunehmen und sich „mit Bitten oder Beschwerden ... an die Volksvertretung zu wenden", wie es in unserer Verfassung heißt.
    Der Bürger ist wacher geworden; er muckt gegen die Obrigkeit schneller auf. Ich glaube feststellen zu können, daß der Petitionsausschuß seine Rolle als soziales Frühwarnsystem, wie es einmal formuliert wurde, erfüllt. Immer wieder erhält er auf Grund der Vielzahl von Eingaben Einblicke in die Wirkung staatlicher Regelungen, die von seinen Mitgliedern, die ja zugleich in anderen Bundestagsausschüssen mitarbeiten, in parlamentarische Initiativen umgesetzt werden.
    Meine Arbeit als Mitglied des Petitionsausschusses liegt mir sehr am Herzen. Deshalb bin ich in dieser Wahlperiode auch ganz freiwillig in diesen Ausschuß zurückgekehrt, und ich bin froh darüber. Denn so bin ich für die Bürger, auch und vor allem für die in meinem Wahlkreis, eine Anlaufstelle, an die sie sich mit ihren Sorgen und Anliegen wenden können. Ich kann mich dafür einsetzen und ihnen in speziellen Fällen oft helfen.
    Weit über eine halbe Million registrierte Ausreisewünsche von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus den Ostblockländern sind uns nach Auskunft des Deutschen Roten Kreuzes bekannt. Diese Hilferufe erreichen uns, die einzelnen Abgeordneten, den Petitionsausschuß, der auch in diesem Jahresbericht unter dem Stichwort Familienzusammenführung auf die Gesamtproblematik eingeht und dies nun schon seit vielen Jahren. Familienzusammenführung bedeutet in diesem Zusammenhang die Aussiedlung von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit aus osteuropäischen Ländern sowie Übersiedlung Deutscher aus der DDR und in besonderem Maße solcher Personen, die zu ihren Familien kommen oder die, wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte, mit ihren Familien leben möchten.
    Friedland liegt in meinem unmittelbaren Heimatbereich. Ich mache dort regelmäßig Besuche auch mit Besuchergruppen aus meinem Wahlkreis Hannover. Die Problematik der Aussiedler ist darum für mich immer wieder sehr deutlich sichtbar. Wir sprechen zwar heute über den Jahresbericht 1986, aber sicherlich kennen Sie die aktuellen Informationen und Presseberichte der letzten acht bis zehn Tage: ein Massenansturm auf das Lager Friedland. Überschrift in der Presse: „Das Lager Friedland ist überfüllt". Vielleicht — ich hoffe es — ist dies ein Zeichen unserer ständigen Politik.
    Das Durchgangslager Friedland bei Göttingen erlebt in diesen Tagen eine Invasion von deutschen Aussiedlern aus der Volksrepublik Polen, vor allem aber auch — und das ist neu — aus der Sowjetunion. Ihr Durchschnittsalter ist Mitte dreißig. Die Menschen, die zu uns kommen, haben eine relativ gute Schul- und Berufsausbildung. 800 Menschen, so beschreibt der Leiter des Grenzdurchgangslagers die Situation, haben bei familiengerechter Unterbringung im Lager Platz. Seit Tagen jedoch schlafen die Menschen auch in Massenquartieren, bis zu 52 Männer, Frauen und Kinder in einem Saal. Eine Lagerstätte für 103 Menschen wird gerade in einem Vortrags- und Versammlungsraum, dem St.-Ansgar-Haus eingerichtet. 1 200 Menschen etwa sind zur Zeit täglich im Lager. Weil die Abfertigung länger dauert — das Personal ist auf diesen Andrang nicht eingestellt — , müssen diese Menschen bis zu einer Woche in Friedland leben. Die Deutschen, aus Polen kommend, reisen zumeist als Touristen in die Bundesrepublik. Sie pakken das Liebste in ihre Autos und tun so, als führen sie in die Ferien. Insgesamt kamen im Mai 1987 4 015 Menschen aus Staaten Ost- und Südosteuropas in die Bundesrepublik, darunter 1 926 aus Polen, ein, wie ich hoffe, Ergebnis unserer beharrlichen Politik.
    Darum ist es mir auch ein ganz besonderes Bedürfnis, auch als Abgeordnete aus Niedersachsen, einmal von dieser Stelle aus den Helfern, den Vertretern der Kirchen, dem Leiter und seinem Stellvertreter im Lager Friedland Dank zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Menschen leisten oft selbstlos zusätzliche Hilfe und bringen hier ganz selbstverständlich ihre Freizeit mit ein.
    Ich stelle immer wieder fest, daß es bei den Aussiedlern sehr viele bedrückende Einzelschicksale gibt. Im Petitionsbericht 1986 war die Ausreisezahl aus der Sowjetunion im Vergleich zu den vorigen Jahren ein wenig gestiegen. Die Zahlen stehen jedoch noch immer in keinem Verhältnis zu den Zahlen, die uns vom Auswärtigen Amt und vom Deutschen Roten Kreuz vorliegen. Hier geht es um Reiseanliegen von zirka 180 000 Personen. Diese Zahlen machen die



    Frau Dempwolf
    Größe des Problems und auch das, was noch auf uns zukommt, recht deutlich. Die lange Bearbeitungsdauer von Reiseanträgen und die restriktive Handhabung von Ausreisegenehmigungen lassen bei den Ausreisewilligen ihr Ziel oft als ausweglos erscheinen.
    Der Petitionsausschuß unterstützte auch 1986 die Ausreiseanliegen, insbesondere auch die Übermittlung von Härtelisten. So wurden Härtelisten für die UdSSR, Polen und Rumänien dem deutschen Delegationsleiter beim KSZE-Expertentreffen über menschliche Kontakte, das im April in Bern stattfand, zugesandt mit der Bitte, sie den jeweiligen Gesprächspartnern zu übergeben.
    Die Übersiedlungszahlen aus der DDR haben im Vergleich zum Vorjahr stagniert. Petitionen dazu sind bisweilen erschütternd. Die Tatsache zeigt, daß sich die Erledigung der Übersiedlungsverfahren wieder verzögert. Die DDR hat 1985 nach unserem Petitionsbericht zirka 18 000 Übersiedlungswilligen die Ausreise gestattet. Im Jahr zuvor, 1984, waren es doppelt so viele. Damit stieg natürlich die Zahl der Altfälle an.
    Allgemein ist festzustellen, daß die Verfahren auch in der DDR viel zu lange dauern und bei den Betroffenen mit schweren seelischen und körperlichen Strapazen verbunden sind. Ausreiseanträge führen vielfach zu Benachteiligungen im Berufsleben und auch im Ausbildungsleben der Kinder.
    Meine Damen und Herren, wenn ich mich nur diesem einen Thema zuwende, dann erkennen Sie daran, wie wichtig mir dieses Thema ist. Die Staaten Osteuropas sind aufgefordert, sich an die internationalen Verträge zu halten und entsprechende Freizügigkeit zu gewähren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD — Frau Unruh [GRÜNE]: Niedersachsen soll warme Zelte aufstellen! Wie wollt ihr da mit einer Katastrophe fertigwerden? Da kommen einem ja die Tränen bei dieser Unfähigkeit!)

    Ich erinnere an die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, und ich berufe mich auf die Schlußakte von Helsinki, die die Familienzusammenführung ausdrücklich vereinbart. Ich glaube, sehr geehrte Frau Unruh, daß die Art, wie wir diese Frage hier klären wollen, sicherlich die wirkungsvollste ist.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein, nein, jetzt ist ja in Niedersachsen was los!)

    Ich begrüße, daß sich der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Außenminister und die Ministerpräsidenten gegenüber osteuropäischen Regierungen nachhaltig für Familienzusammenführung einsetzen. Wir unterstützen diese Initiativen auch durch Kontakte des Petitionsausschusses, z. B. zur rumänischen Nationalversammlung.
    Wenn wir über den Petitionsbericht diskutieren, können wir selbstverständlich nur wenige Petitionen ansprechen. Wie in den vergangenen Jahren erhielt der Ausschuß auch im Berichtsjahr mehrere Eingaben sorgeberechtigter Elternteile, die über die Entführung ihres Kindes durch den Nichtberechtigten Elternteil klagten. Die Entführungen erfolgten durch den deutschen oder ausländischen Elternteil jeweils ins Ausland. Die deutschen Auslandsvertretungen können in diesen Fällen nur begrenzt helfen.
    In einem Entführungsfall aus dem Jahr 1982, der dem Petitionsausschuß vorlag, konnten jedoch nach rund dreieinhalbjähriger Trennung zwei Kinder im Januar 1986 zu ihrer Mutter zurückkehren. Der deutsche Vater hatte das Besuchsrecht ausgenutzt und seine elf beziehungsweise sieben Jahre alten Kinder entführt. Auf Grund einer von ihm gelegten falschen Fährte wurden er und die Kinder zunächst im Nahen Osten vermutet. Nach langwierigen und schwierigen Ermittlungen fand man ihn mit den beiden Kindern in einem südamerikanischen Staat. Da bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu befürchten war, daß er mit den Kindern unverzüglich untertauchen würde, beschränkten sich die Behörden darauf, seinen Aufenthaltsort zu beobachten. Die deutsche Botschaft konnte mit den Behörden des Gastlandes vereinbaren, die Kinder der Mutter zu übergeben und den Vater in die Bundesrepublik abzuschieben. Hier wurde er am 2. Februar 1986 festgenommen und inzwischen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
    Ich wünsche mir, daß wir im Sinne der Petenten die Arbeit im Petitionsausschuß gemeinsam so sachlich wie bisher erledigen werden. Unsere gemeinsame Arbeit im Ausschuß ist gut. Es ist nicht üblich, daß man sich im Parlament gegenseitig lobt. Aber, ich denke, wir arbeiten sehr fair miteinander. Ich sage das auch ganz besonders an die Adresse der Kollegen der Oppositionsparteien. Ich wünsche mir, daß es auch so bleibt. Gelegentliche Auseinandersetzungen gehören zum politischen Alltag — ich finde, das ist auch gut so — , aber das Menschliche sollte nicht zu kurz kommen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FPD und der SPD)