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ID1101801600

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    Plenarprotokoll 11/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1157 A Begrüßung des Präsidenten der Großen Türkischen Nationalversammlung und einer Delegation 1143 A Beratung des Berichts des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1986 (Drucksache 10/6807) Dr. Pfennig CDU/CSU 1135 C Peter (Kassel) SPD 1138B Frau Dr. Segall FDP 1141 A Frau Nickels GRÜNE 1143 B Haungs CDU/CSU 1145 B von der Wiesche SPD 1146 D Frau Dempwolf CDU/CSU 1148 A Reuter SPD 1149D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1151D Fuchtel CDU/CSU 1152B Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen (Drucksache 11/479) Susset CDU/CSU 1153B Müller (Schweinfurt) SPD 1153 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 1154 C Kreuzeder GRÜNE 1155B Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 1156B Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Gernika, Baskenland (Drucksache 11/362) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksache 11/483) Dr. Mechtersheimer GRÜNE 1157 B Dr. Pohlmeier CDU/CSU 1158 A Westphal SPD 1159A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 1160A Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) (Drucksache 11/ 454) 1160 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA-Übereinkommen) (Drucksache 11/466) 1160D Nächste Sitzung 1160 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 1161* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Juni 1987 1135 18. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1987 Beginn: 12.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 17. 6. Dr. Biedenkopf 17. 6. Böhm (Melsungen) 17. 6. Cronenberg (Arnsberg) 17. 6. Ehrbar 16. 6. Frau Folz-Steinacker 17. 6. Francke (Hamburg) ** 17. 6. Glos 17. 6. Frau Hensel 17. 6. Höpfinger 17. 6. Dr. Hoyer 16. 6. Jansen 17. 6. Kiechle 17. 6. Kolbow 17. 6. Dr.-Ing. Laermann 17. 6. Meyer 17. 6. Frau Odendahl 17. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oswald 17. 6. Frau Pack 17. 6. Dr. Penner 17. 6. Rappe (Hildesheim) 16. 6. Reuschenbach 17. 6. Ronneburger ** 17. 6. Frau Schilling 17. 6. Schmidbauer 17. 6. Schmidt (München) * 16. 6. Schröer (Mülheim) 17. 6. Frau Simonis 17. 6. Spilker 17. 6. Frau Steinhauer 17. 6. Frau Würfel 17. 6. Dr. Wulff * 16. 6. Frau Zutt 17. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christa Nickels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Lieber Herr Präsident Westphal! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat es einige mehr oder weniger große oder kleine Änderungen im Petitionsausschuß gegeben. Bemerkenswert finde ich allerdings alle. Zuallererst ist natürlich unsere Frau Vorsitzende Berger auf die Regierungsbank befördert worden. Das finde ich positiv, weil ich viel davon halte, daß tüchtige Frauen befördert werden und auch einmal Karriere machen. Zweitens ist es für mich auch ein Anzeichen dafür, daß der Petitionsausschuß eben nicht ein Abstellgleis und ein toter Bahnhof für hoffnungslos idealistisch gebliebene Menschen sein muß.

    (Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

    Obwohl Frau Berger also bei uns herausrotiert ist, ist der Frauenanteil im Petitionsausschuß erstaunlicherweise rapide angestiegen, aber nicht etwa durch die Benennung einer neuen Frau Vorsitzenden oder womöglich von vier Obfrauen. Nein, offensichtlich haben alle Fraktionen ihre neuen Frauen in die Siele des Petitionsausschusses geschickt. Ich fürchte nur, das ist nicht unbedingt ein Ausdruck von Wertschätzung der Frauen noch der einer besonderen Wertschätzung dieses Ausschusses. Es scheint mir vielmehr umgekehrt ein Beleg dafür zu sein, daß Frauen wie fast überall im öffentlichen oder privaten Leben eher dahin beordert werden, wo viel Arbeit und wenig
    Ehre zu erwarten ist, während die Männerwelt, Herr Dr. Göhner, zu Höherem drängt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Selbstverständlich ist uns allen klar und bewußt, daß der Petitionsausschuß Verfassungsrang genießt und damit aus der Mitte der anderen Ausschüsse hervorragt. Auch wenn in keiner Fraktion Mandatsträger in diesen Ausschuß drängen — ich will selbstkritisch sagen: auch bei uns nicht; wir hatten für zwei Vollausschußsitze genau zwei freiwillige Frauen, die dort hinein wollten —,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    so ist uns doch allen klar, daß die Arbeit dieses Ausschusses sehr wichtig ist.

    (Zurufe von der SPD)

    — Bei uns sind die Männer auch nicht viel besser als bei Ihnen in der Fraktion.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt uns tröstlich! — Häfner [GRÜNE]: Hoffnungslos in der Minderheit!)

    Weil aber alle diese Arbeit sehr schätzen und wir dafür auch sehr gelobt werden und uns notfalls selber loben, wie das jetzt wieder wie jedes Jahr bei der Debatte des Jahresberichts passiert,

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    haben uns dieses Mal unsere Parlamentarischen Geschäftsführer einen besonders herausgehobenen Termin für die Debatte unseres Jahresberichtes spendiert, quasi ein Solo für den Petitionsjahresbericht. Ich finde, liebe Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, das ist nicht mehr als recht und billig für diese schwere, harte und wichtige Arbeit.
    Für mich persönlich aber ist das so ähnlich wie Muttertag:

    (Heiterkeit)

    Einmal im Jahr werden die Mütter auf den Sockel gestellt und hoch gefeiert und geehrt, damit sie dann ein ganzes Jahr wieder fleißig malochen und für die anderen die Arbeit machen.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Das hat auch damit zu tun, daß die Mütter ja immer als unbezahlbare Frauen gerühmt werden und dann tatsächlich null DM kriegen.
    Ich möchte nicht, daß das beim Petitionsausschuß ähnlich gehandhabt wird. Ich glaube, daß dieses Parlament und natürlich besonders wir Mitglieder in diesem Petitionsausschuß sehr sorgsam darauf achten müssen, daß nicht mit wohlfeilen Worten von Lob und Ehre über die Petitionsausschußarbeit von Bestrebungen abgelenkt wird, diese Nahtstelle zwischen Parlament und Bürgern und Bürgerinnen einflußlos und machtlos zu halten.
    Bedenklich finde ich auch, daß nun, nachdem Frau Berger auf die Regierungsbank rotierte, der Ausschußvorsitz nicht von der Opposition eingenommen worden ist.

    (Zuruf von der SPD: Das ist wahr!)




    Frau Nickels
    Daß die Opposition den Vorsitz 1983 nicht angestrebt hat, ist mir sehr verständlich. Frau Berger, Sie waren zu dem Zeitpunkt eine anerkannte Institution. Ich glaube, es ist verständlich, daß man dann Hemmungen hat und daß es auch etwas pietätlos ist, wenn man eine anerkanntermaßen sehr wichtige Frau, die eine sehr gute Arbeit gemacht hat, einfach vom Sockel stößt. Die Hemmungen fand ich 1983 berechtigt. Der demokratische Normalfall sollte aber sein, daß der Vorsitz im Petitionsausschuß der Opposition zusteht und auch von dieser eingenommen wird,

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    denn die Petitionen der Menschen sind in aller Regel gegen Regierungshandeln gerichtet.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Richtig!)

    So hat sich wohl auch kaum jemand gewundert — Frau Segall hat das schon angesprochen — , daß beim Anwachsen der Raumbedürfnisse der Fraktionen zu Beginn der 11. Legislaturperiode nicht etwa Teile der Verwaltung, sondern — wer denn sonst? — der Petitionsausschuß aus dem Regierungsviertel verbannt wurde.
    Diesen Äußerlichkeiten, die ich gerade genannt habe, entspricht die Aufgabenzuweisung und Arbeitsweise, auf die viele Mitglieder dieses Parlaments den Petitionsausschuß gerne festlegen möchten. Als Kummerkasten der Nation, wo der gebeutelte kleine Mann und die kleine Frau von der Straße ihr Herz ausschütten können, so liebt der Deutsche Bundestag seinen Petitionsausschuß. Unersetzlich für jede Regierung ist er auch als Fieberthermometer der Nation. Der Petitionsausschuß zeigt der Regierung sicher und blitzschnell an, wenn sie es mit Spar- und Kürzungsmaßnahmen auf Kosten der Schwachen zu toll getrieben hat, ob sie die Menschen mit militärischem Tieffluglärm und dem krebsartigen Wuchern von Truppenübungsplätzen gar zu schamlos malträtierte, ob der Umweltschutz nicht doch ein kleines bißchen mehr Platz in dieser Republik bekommen muß, damit die Volksseele nicht überkocht.
    Natürlich dürfen die empörten Massenpetenten nicht zu viel oder gar alles kriegen, was sie wollen. Die Regierung aber hat einen großen Koffer mit Fieberpillen parat, um den Zorn abzukühlen. Graf Vitzthum, der 1984 ein Gutachten über das Petitionsrecht und die Volksvertretung vorlegte, nennt dies vornehm — ich zitiere — „Hilfestellung bei der Integration des Gemeinwesens insgesamt".
    Mir ist noch eine Veränderung aufgefallen, eine Veränderung vieler Menschen. Die typischen Stammwähler und Stammwählerinnen sind im Schwinden begriffen. Viele Menschen haben keine Lust mehr, sich ein für allemal für eine Partei zu entscheiden und diese dann an ihrer Stelle denken zu lassen. Die Leute werden immer eigensinniger und politischer.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Gott sei Dank!)

    Dabei ist es natürlich nur logisch, daß die Arbeit des Petitionsausschusses — das einzige Türchen der vielbeschworenen Aktivbürger und -bürgerinnen zum Parlament — politisiert wird. Es ist auch im Jahresbericht des Petitionsausschusses niedergelegt worden,
    daß häufiger als früher Petitionen mit politischen Anliegen eingebracht werden.
    Bereits bei der Debatte des Jahresberichts 1985 — am 19. Juni 1986 — wurde diese Tendenz von den Regierungsparteien heftig beklagt. Die Forderung meines Kollegen Horst Fritsch nach Minderheitenrechten und Minderheitenvoten im Petitionsausschuß sowie der Möglichkeit, das Befugnisgesetz auch für Bitten zur Gesetzgebung zu eröffnen, statt dieses einseitig auf Beschwerden zu reduzieren, trug ihm harsche Vorwürfe z. B. von Herrn Dr. Göhner ein. Herr Dr. Göhner mutmaßte, die GRÜNEN wollten

    (von der Wiesche [SPD]: So ein schlimmer Bube!)

    „die Schaffung eines Sonderrechts für bestimmte Petitionen dieser Art,

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: So ist es!)

    ein Sonderrecht, das dann für die Petitionen einzelner Bürger nicht zur Verfügung stände".

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: So ist es!)

    Frau Segall hat diesen Vorwurf ausgedehnt und uns
    der Herzlosigkeit gegenüber dem Einzelanliegen
    geziehen. Ich will das ganz energisch zurückweisen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Darum geht es hier überhaupt nicht. Sie haben damit ganz falsch gelegen, Herr Dr. Göhner.
    Umgekehrt wird allerdings ein Schuh daraus. Heute sind nach dem Befugnisgesetz die Beschwerden gegenüber den Bitten eindeutig bevorzugt. Massenpetitionen sind in aller Regel Bitten zur Gesetzgebung und damit benachteiligt. Die Forderungen nach Gleichstellung der Bitten mit den Beschwerden und Aufnahme eines Minderheitenschutzes in das Befugnisgesetz von 1975 sind nicht einmal auf unserem eigenen grünen Mist gewachsen. Bereits 1975 plädierten viele Abgeordnete der CDU dafür. Gucken Sie einmal in den Protokollen nach. Die damalige Regierung aus FDP und SPD sprach sich seinerzeit genauso vehement dagegen aus, wie die heutige FDP/CDU-
    Regierung das tut.
    Ich weiß tatsächlich nicht, was es hier zu fürchten gibt. Wir wissen doch alle — leider wissen das offensichtlich viele Petenten noch nicht, sonst würden sie uns noch viel mehr scheuchen, als das zur Zeit der Fall ist — , daß die Regierung durch unsere hart erarbeiteten wunderschönen Petitionsbeschlüsse zu nichts verpflichtet wird, wenn die Regierung etwas nicht will.

    (Reuter [SPD]: Absetzen!)

    Deshalb ist das Mindeste, was wir Ausschußmitglieder einfordern müssen, als hochpolitischer und selbstbewußter Ausschuß arbeiten zu können. Dazu muß das Befugnisgesetz erweitert werden. Ebenso müssen die Verfahrensrichtlinien des Petitionsausschusses um Minderheitenrechte erweitert werden. Sehr viele fundierte Anregungen dazu liegen mit der Petition vom Komitee für Grundrechte und Demokratie und mit den Vorschlägen der Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie vor. Ich habe gestern erfahren, daß diese Vereinigung sogar Klage gegen den Petitionsausschuß vor dem Verwaltungs-



    Frau Nickels
    gericht führen will. Ich selber bin deshalb nicht beleidigt. Denn gegen das, was einem egal ist, wehrt man sich nicht. Daran übt man keine Kritik. Wenn der Petitionsausschuß von Bürgerinnen und Bürgern für wert erachtet wird, daß Zeit, Geld und Nerven für Petitionsbelange aufgewendet werden, dann betrachte ich das als ein Lob und eine Aufwertung dieses Ausschusses.
    Zum Schluß möchte ich noch eines sagen. Frau Berger, die Ära, die Sie in den vielen Jahren geprägt haben, in denen Sie Vorsitzende waren, ist zu Ende gegangen. Der Stil, den Sie maßgeblich mitgeprägt haben — nämlich sich nicht en passant mit den vielen Einzelfällen zu befassen, sondern mit Tatkraft und auch mit Herz dabeizusein — , ist uns eine Verpflichtung, die wir uns zu Herzen nehmen wollen; in diesem Stil wollen wir weiterarbeiten. Aber ich bin nicht der Meinung wie Herr Dr. Pfennig, daß die Reform des Petitionswesens in Ihrer Ära zum Abschluß gekommen ist. Gerade die Tatsache, daß Sie befördert worden sind, ist für mich ein Beweis dafür, daß jetzt der Petitionsausschuß endlich einmal befördert werden muß

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und daß die Bitten — also die sogenannten politischen Petitionen — den Beschwerden der Bürger gleichgestellt werden müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Haungs.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rainer Haungs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch heute wurde der Petitionsausschuß zu Recht wieder als Kummerkasten und Notrufsäule bezeichnet. Es ist sicherlich die eine Seite, die private Seite unserer Arbeit, wenn sich Menschen an uns wenden, denen Behörden und Gerichte nicht zu ihrem Recht verhelfen, wie sie meinen. Von vielen großen und kleinen Hilfen, die der Petitionsausschuß — übrigens meistens mit sehr großer Mehrheit über die Parteigrenzen hinweg — den Petenten geben konnte, bleiben bei der Rückschau auf die Arbeit eines Jahres einige in Erinnerung.
    Ich erwähne den spektakulären Unglücksfall eines jungen Mädchens, das beim Überqueren der Bahngleise von einem Triebwagenzug der Deutschen Bundesbahn erfaßt worden war. Ein Zugrad hatte ihren linken Unterschenkel zertrümmert — mit der Folge, daß er zehn Zentimeter unterhalb des Knies amputiert werden mußte. Zu dem Unfall war es gekommen, weil die Schülerin das Anfahren des Zuges im Bahnhof nicht bemerkte, als sie, 60 m vom Bahnhof entfernt, einen ungesicherten Bahnübergang betrat.
    Es war sicher nicht einfach, nach abgeschlossenem Gerichtsverfahren in zwei Instanzen ein gutes Ergebnis zu erreichen. Es spricht für den Ausschuß und seine ehemalige Vorsitzende, daß in konzentrierter Arbeit gemeinsam vieles für die Verunglückte und deren Familie erreicht werden konnte, was zwar den Unfall nicht ungeschehen machte, wohl aber dessen Folgen erträglich gestaltete.
    Aber auch ein solcher Fall von persönlicher Wiedergutmachung hat politische Dimensionen: Wieder einmal wurden wir auf die Gefahren bei unbeschrankten Bahnübergängen hingewiesen. Die Sicherheitssituation in diesem Bahnhof ist inzwischen entscheidend verbessert worden. Ähnliche Gefahrenquellen im Bereich der Deutschen Bundesbahn wurden überprüft.
    In den letzten Jahren und auch heute wurde und wird sehr engagiert darüber diskutiert, wie politisch der Petitionsausschuß sein darf oder sein soll. Kann ein Ausschuß, der im Regelfall eine Stunde in der Woche — und dies noch frühmorgens — tagt, mehr tun als dem einzelnen in persönlichen Notlagen, bei Ungerechtigkeiten und Härtefällen Hilfe leisten? Kann er — um zwei Beispiele zu nennen — nach langen kontroversen Debatten im Sozialausschuß ein dort mit Mehrheit beschlossenes Gesetz zum Thema Arbeitslosigkeit oder zum Thema Streikrecht wieder aufgreifen, oder kann er eine Massenpetition zur Abrüstung sinnvoll behandeln? Er wird es wohl müssen, denn der Petent hat unabhängig davon, wie der Gesetzgebungszeitplan der Ausschüsse und des Plenums aussieht, ein Recht darauf, daß sein Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird. Da aber der Petitionsausschuß kein Überausschuß sein kann und nach eigenem Selbstverständnis auch nicht sein will, resultiert seine Stärke auch aus einer weisen Selbstbeschränkung.
    Bei vielen politischen Petitionen kommt es auf den richtigen Zeitpunkt der Eingabe an. Im Vorfeld von Gesetzesberatungen können Petitionen von Erfolg gekrönt sein, wie ein Beispiel aus dem Bundesfernstraßenbau zeigt: Als Verbindung zwischen Rhein und Bodensee war der großzügige Ausbau einer überlasteten Bundesstraße von zwei auf vier Streifen mit Standspuren geplant. Ein Teilabschnitt, eine dringend benötigte Ortsumgehung, stand kurz vor dem Baubeginn. Die Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht waren abgeschlossen, alle Einsprüche abgewiesen.
    Teile der Bevölkerung demonstrierten gegen ein in ihren Augen überzogenes Bauvolumen und forderten eine generelle Neuplanung. Bewohner der lärmgeplagten Ortschaft hingegen forderten — ebenfalls in Demonstrationen — den sofortigen Baubeginn der Ortsumgehung. Beide Gruppen richteten Petitionen an Land und Bund. Ein gemeinsamer Ortstermin fand statt, und wir suchten nach tragbaren Lösungen.
    Die gleiche Problemstellung ergab sich 150 km weiter südöstlich bei derselben Bundesstraße am Bodensee: auch hier die Forderung nach einem schnellen Bau der Ortsumgehung einerseits und andererseits der energisch vorgetragene Wunsch von Naturschützern, keine autobahnähnliche Straße zu bauen, um Natur und Landschaft zu erhalten; auch hier die Suche nach Lösungen in einem gemeinsamen Ortstermin — was übrigens für unsere Ausschußarbeit immer sehr zeitaufwendig ist.