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    Plenarprotokoll 11/11 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 11. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 635 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz) (Drucksache 11/197) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 635 B Frau Steinhauer SPD 637 B Frau Verhülsdonk CDU/CSU 639 D Frau Unruh GRÜNE 641 D Frau Würfel FDP 643 B Günther CDU/CSU 644 D Peter (Kassel) SPD 646 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 648 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit (Drucksache 11/198) in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung eines ausreichenden Schutzes bei Arbeitslosigkeit (Drucksache 11/132) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 649 B Heyenn SPD 652 A Feilcke CDU/CSU 653 D Hoss GRÜNE 655 A Dr. Thomae FDP 656 C Schreiner SPD 657 D Scharrenbroich CDU/CSU 660 D Präsident Dr. Jenninger 650 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die sechzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Sechzehntes Anpassungsgesetz — KOV — ) (Drucksachen 11/150, 11/199) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 662 A Kirschner SPD 663 C Heinrich FDP 665 B Frau Unruh GRÜNE 666 B Louven CDU/CSU 667 D Frau Weiler SPD 669 A Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung einer Enquete-Kommission „AIDS" (Drucksache 11/248) in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission „AIDS" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung einer Enquete-Kommission (Drucksachen 11/117, 11/120, 11/122, 11/244 (neu]) Frau Wilms-Kegel GRÜNE 670 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 Aktuelle Stunde betr. neueste Hinweise auf einen alarmierenden Anstieg bei der Verseuchung von Grund- und Trinkwasser durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Frau Garbe GRÜNE 671 B Dr. Göhner CDU/CSU 672 A Frau Blunck SPD 673 A Frau Dr. Segall FDP 674 A Schmidbauer CDU/CSU 675 A Frau Flinner GRÜNE 676A Dr. Rüttgers CDU/CSU 676 C Reuter SPD 677 B Baum FDP 678B Pfuhl SPD 679 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU . . . 680A Dr. Friedrich CDU/CSU 682 A Lennartz SPD 683 B Michels CDU/CSU 684 B Nächste Sitzung 685 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 686 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 635 11. Sitzung Bonn, den 8. Mai 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 5. Antretter * 8. 5. Bahr 8. 5. Bindig 8. 5. Bredehorn 8. 5. Dr. Briefs 8. 5. Bühler (Bruchsal) * 8. 5. Buschbom 8. 5. Dr. Ehrenberg 8. 5. Frau Fuchs (Köln) 8. 5. Dr. Gautier 8. 5. Gerster (Worms) 8. 5. Dr. Glotz 8. 5. Haar 8. 5. Dr. Haussmann 8. 5. Hiller (Lübeck) 8. 5. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 5. Ibrügger 8. 5. Jung (Düsseldorf) 8. 5. Kastning 8. 5. Kiehm 8. 5. Kittelmann * 8. 5. Koschnick 8. 5. Dr.-Ing. Laermann 8. 5. Lambinus 8. 5. Leidinger 8. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich * 8. 5. Dr. Lippelt (Hannover) 8. 5. Magin 8. 5. Dr. Müller * 8. 5. Frau Pack * 8. 5. Petersen 8. 5. Pfeiffer 8. 5. Reschke 8. 5. Reuschenbach 8. 5. Roth (Gießen) 8. 5. Frau Schilling 8. 5. von Schmude 8. 5. Freiherr von Schorlemer 8. 5. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 8. 5. Seehofer 8. 5. Dr. Soell * 8. 5. Dr. Spöri 8. 5. Steiner * 8. 5. Dr. Stoltenberg 8. 5. Dr. Unland * 8. 5. Dr. Warnke 8. 5. Dr. Weng (Gerlingen) 8. 5. Wilz 8. 5. Wissmann 8. 5. Frau Wollny 8. 5. Zierer 8. 5. Frau Zutt 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieser dritte Gesetzentwurf steht in der Linie der Verläßlichkeit der Regierungsparteien und der Bundesregierung.
    Die Kriegsopfer werden, wie die Rentner, an der Entwicklung der verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer teilnehmen. Das ist die Zusage der Regierungserklärung. Wir lösen sie heute mit diesem 16. Anpassungsgesetz der Kriegsopferversorgung ein.
    Um 3 % — genau 3,03 % — sollen die Renten der Kriegsopfer, der Wehrdienstopfer und der Opfer von Gewalttaten zum 1. Juli 1987 erhöht werden. Damit bleiben Kriegsopfer wie Rentner im Anpassungsverbund. Damit bleiben Kriegsopfer wie Rentner an die Lohnentwicklung der Arbeitnehmer gekoppelt. Es ist aus meiner Sicht eine wichtige sozialpolitische Errungenschaft, daß Rentner und Kriegsopfer in eine Automatik eingebunden sind, daß sie nicht bittstellend an den Gesetzgeber herantreten müssen, sondern daß sie im Verbund mit der Lohnentwicklung, mit der Einkommensverbesserung der Arbeitnehmer bleiben.
    Die Rentenanpassung wie die Kriegsopferanpassung folgen den Löhnen des Vorjahres. Keine Lohnerhöhung geht also — auch dies an die älteren Mitbürger und an die Kriegsopfer als nochmalige Information — an den Kriegsopfern vorbei; mit einjährigem Abstand — anders geht es aus technischen Gründen nicht — folgen die Renten wie die Kriegsopferversorgung der Lohnentwicklung. Früher waren es einmal drei Jahre Abstand. Wir haben den Abstand verkürzt, um den Zusammenhang zwischen aktiv Beschäftigten und Rentnern und Kriegsopfern und damit auch die Solidaritätsverpflichtung deutlicher zu machen.
    Ich glaube, die Bedeutung dieser 3 % Rentenanpassung und Kriegsopferversorgungsverbesserung wird zu kurz geachtet, wenn man sie nicht ins Verhältnis
    zur Preisentwicklung setzt. Erst die Preisstabilität macht diese 3 % besonders wertvoll. Was haben denn Rentner und Kriegsopfer von Schmidtschen Rentenerhöhungen, von 4 % gehabt — man ist versucht, zunächst einmal hurra zu rufen — , wenn die Preise in der gleichen Zeit um 6,3 % stiegen?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Es kommt doch nicht darauf an, was du im Geldbeutel hast, sondern es kommt darauf an, was du damit kaufen kannst! 3 % bei Preisstabilität, das ist eine ehrliche Sozialpolitik, das ist eine Sozialpolitik, die den Menschen nicht mehr verspricht, als sie halten kann. Inflation ist immer ein Betrug, besonders an den kleinen Leuten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Angesichts der Preisstabilität haben die Rentnerhaushalte im vergangenen Jahr den höchsten realen Einkommenszuwachs seit 1978 gehabt. Das sind die Früchte auch der Stabilitätspolitik der Bundesregierung.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen ganz aktuellen Bezug machen: Glaubt jemand, die IG Metall oder die IG Druck hätte bei Inflation einen dreijährigen Tarifvertrag abschließen können? Die Stabilität ist überhaupt erst die Voraussetzung, daß man langfristige, kalkulierbare Einkommenspolitik betreiben kann. Sehen Sie: Das Vertrauen der IG Metall in die Stabilitätspolitik der Bundesregierung ist größer als das der Opposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hätte sie nicht das Vertrauen, daß wir diesen Stabilitätskurs halten, sie würde ihre Mitglieder um den Erfolg des Tarifabschlusses bringen.

    (Kirschner [SPD]: Das wissen Sie doch auch besser!)

    — Das weiß ich so gut, weil ich meine Kollegen in der IG Metall für so vernünftig halte, daß sie einen dreijährigen Tarifabschluß nur machen können bei einer Politik der Preisstabilität. Das ist die beste Hilfe, auch für die Tarifpartner.

    (Kirschner [SPD]: Warum sie für drei Jahre abgeschlossen haben, das wissen Sie doch besser!)

    Eine Politik der Solidität kommt gerade den 1,6 Millionen Kriegsopfern zugute. Unsere Kriegsopferversorgung hat sich seit ihren Anfängen zu einem differenzierten, umfangreichen Leistungssystem entwikkelt. Daran haben mehrere Regierungen, auch Ihre, mitgearbeitet, der Weiterentwicklung unserer Kriegsopferversorgung zu dienen. Den Kriegsopfern kann in den unterschiedlichsten Lebenslagen ja auch nur durch ein differenziertes System geholfen werden. Kein Leistungssystem ist vollkommen.

    (Kirschner [SPD]: Auch Sie nicht!) — Ich bin kein Leistungssystem!


    (Heiterkeit — Frau Weyel [SPD]: Sollten Sie aber sein!)

    Deshalb wird es auch in Zukunft eine strukturelle
    Verbesserung der Kriegsopferversorgung geben.



    Bundesminister Dr. Blüm
    Die Regierungsparteien haben sich im Rahmen ihrer Koalitionsvereinbarungen darauf festgelegt — jetzt zitiere ich — , „das Leistungssystem in der Kriegsopferversorgung durch strukturelle Verbesserungen weiterzuentwickeln, um ein sozial ausgewogenes Versorgungsniveau zu erreichen" . Der Bundeskanzler hat dies in der Regierungserklärung angekündigt. Wir sehen dies für die Mitte der Legislaturperiode vor.
    Ich will aber aus Anlaß der Verabschiedung dieses Anpassungsgesetzes darauf aufmerksam machen, daß gerade in diesem Jahr doch eine Reihe von Verbesserungen, auch strukturellen Verbesserungen, für die Kriegsopferversorgung in Kraft treten. Fast 200 000 Berechtigte profitieren von der Erhöhung des Berufsschadensausgleichs und des Schadensausgleichs. Bis zu 159 DM im Monat erhält der einzelne Versorgungsberechtigte zusätzlich. Für Beschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 % und 60 % ist die Ausgleichsrente spürbar angehoben worden. Das macht für den einzelnen Betroffenen eine Einkommensverbesserung von bis zu 143 DM monatlich aus. Die materiellen Hilfen bei der orthopädischen Versorgung werden verbessert, und zwar ist das eine Verbesserung jüngsten Datums: 1987. 100 000 Kriegsopfer erhalten für ihre orthopädische Versorgung bessere materielle Hilfen.
    Die Kriegsopfer haben — das soll nie vergessen werden — Anspruch auf Anerkennung, Solidarität der Generationen.

    (Zuruf der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    — Ja, das haben sie, denn sie haben viel geleistet. Das ist auch eine Generation, der wir den Wiederaufbau mitverdanken. Mit weniger Wehleidigkeit als heute in leichteren Zeiten haben sie 1949 dieses Land wieder aufgebaut.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Ah!)

    — Wenn ich manchmal, Frau Kollegin Unruh, die Darstellung unserer Gesellschaft im Jahre 1987 höre, dann erinnere ich einmal an das, was die Kriegsopfergeneration nach 1945 geleistet hat mit weniger Selbstmitleid, mit weniger Selbstbedauern. Es gab Millionen Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Kriegsgefangene mit zerstörter Gesundheit, zerstörte Städte, zerbombte Fabrikhallen. Da ist nicht gejammert worden, da ist nicht bei Karl Marx nachgelesen worden,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Rüstungswahnsinn!)

    da ist auch nicht bei den GRÜNEN Zuflucht genommen worden; die gab es damals Gott sei Dank noch nicht. Da hat man sich an die Arbeit gemacht durch Zusammenarbeit. Das bleibt auch unser Erfolgsgeheimnis. Jammern bringt die Welt nicht weiter.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ihr jammert doch seit 40 Jahren!)

    Praktische Hilfe, das ist das, was von der Politik gefordert wird.
    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auch den Kriegsopferverbänden zu danken. Das ist sozialstaatlicher Dienst, was sie tun: hunderttausende von
    ehrenamtlichen Helfern, die tagtäglich Dienst leisten

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Geht es schon wieder los!)

    für ihre Nachbarn, für ihre Nächsten. Sie entlasten den Sozialstaat auch von vielen bürokratischen Anstrengungen. Deshalb gilt es auch aus Anlaß dieser Gesetzgebung, den Verbänden, ihren Mitgliedern, ihren Mitstreitern, ihren Mitarbeitern Dank zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kirschner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Kirschner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies war wieder einmal ein typischer Blümscher Blumenstrauß, aber, Herr Minister, es waren leider Kunstblumen. Wenn man Sie so reden hört, Herr Minister, könnte man eigentlich das Anpassungsgesetz gleich in zweiter und dritter Lesung beschließen, denn anscheinend ist ja alles in bester Ordnung: Die Kriegsopfer werden nicht älter, ihre Beschwerden und die ihrer Pflegepersonen nehmen nicht schädigungsfolgenbedingt zu.
    Sie, Herr Minister, nehmen nicht zur Kenntnis, was der Bundesrat beispielsweise an Strukturverbesserungen gefordert hat.

    (Günther [CDU/CSU]: Zur Kenntnis schon!)

    — Ja, zur Kenntnis schon, aber Sie ziehen daraus nicht die notwendigen Konsequenzen. Dabei sind das doch auch CDU/CSU-regierte Bundesländer gewesen. Sie nehmen genauso wenig das zur Kenntnis — bzw. nehmen es zur Kenntnis, ziehen aber nicht die Konsequenzen — , worauf der Präsident des VdK, Herr Weishäupl — und da genügt es eben nicht, wenn man nur den Dank ausspricht, dem wir uns anschließen — , zu Recht hinweist, nämlich daß das Durchschnittsalter der Kriegsbeschädigten 68 Jahre und das der Witwen 74 Jahre beträgt. Diese Menschen erwarten nach Ihren Vorwahlkampfversprechungen mehr als nur warme Worte, Herr Minister!
    Zwar ist die Anpassung der Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz um 3,03 % zum 1. Juli 1987 grundsätzlich zu begrüßen, denn die nach dem Bundesversorgungsgesetz Versorgungsberechtigten haben sie wirklich nötig; aber Sie tun nicht mehr als das, wozu Sie letzten Endes verpflichtet sind.
    Empörend ist, daß sich die Bundesregierung mit ihrer Gesetzesvorlage rigoros über die teils schon seit Jahren von den Kriegsopfern und ihren Verbänden erhobenen Forderungen nach dringend notwendigen strukturellen Leistungsverbesserungen hinwegsetzt und keine dieser Forderungen aufgreift, und dies, obwohl eindeutige anderslautende Versprechungen und Zusagen vorausgegangen sind. Insoweit ist, so meinen wir, der Gesetzentwurf völlig unzureichend. Er muß in den weiteren Beratungen verbessert werden.



    Kirschner
    Die vorgesehene Anpassung der Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz rechtfertigt keineswegs die selbstgefälligen Töne und den regierungsamtlichen Optimismus, den der Bundesarbeitsminister auch heute hier wieder mit dicken Rauchwolken in punkto Preisstabilität

    (Bundesminister Dr. Blüm: Das ist die Wahrheit!)

    und in punkto Abschluß der jüngsten Tarifverträge — für die Sie ja übrigens nichts können — von sich gegeben hat.

    (Günther [CDU/CSU]: Aber erwähnen darf man das doch, oder?)

    — Natürlich darf man das erwähnen, aber Sie wissen genau, daß die lange Dauer der Tarifverträge ja vor allem mit anderen Dingen etwas zu tun hat, nicht nur mit Preisstabilität. Sie können auch keine Garantie dafür geben, daß die Preisstabilität in zwei oder drei Jahren noch so ist, wie sie heute ist.
    Im übrigen, Herr Minister, tun Sie doch nicht so, als ob die Höhe des Dollar und die Ölpreise letzten Endes im Bundeskanzleramt festgesetzt würden. Die werden an ganz anderen Märkten auf dieser Erde festgesetzt!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben in dieser Woche sicher auch den „Spiegel" gelesen. Da können Sie einmal schön nachlesen, wie die Rohstoffpreise in den letzten 12 Monaten gefallen sind. Das alles sind Dinge, auf die Sie keinen Einfluß haben, bei denen Sie aber so tun, als ob die Entwicklung letzten Endes Ihr Verdienst wäre.
    Ich meine, dies alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kriegsopferrenten — trotz aller Preisstabilität — 1986 real 0,3 To niedriger waren als 1982, im Jahr der „Wende" . Erst jetzt, im fünften Jahr Ihrer Regierungszeit, wird ein spürbarer Einkommenszuwachs zu verzeichnen sein.
    Bei der Beurteilung der Anpassung übersehen Sie, Herr Bundesarbeitsminister, auch geflissentlich, daß die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1983 unter Ihrer Federführung auf Dauer vorgenommene Verschiebung des Anpassungstermins vom 1. Januar auf den 1. Juli eines jeden Jahres auch in das Jahr 1987 fortwirkt und das Niveau der Versorgungsleistungen vermindert.

    (Günther [CDU/CSU]: Sie haben ein ganzes Jahr ausgesetzt!)

    — Das haben wir nicht! Sie wissen genau, daß es 1972 zwei Anpassungen gab.

    (Günther [CDU/CSU]: Ich spreche nicht von 1972!)

    Dies sollten Sie, Herr Arbeitsminister, nicht verschweigen, wenn Sie die Anpassung der Versorgungsleistungen hier so lobpreisen. Wie gesagt, es ist übrigens auch Ihre Pflicht, daß Sie die Leistungen entsprechend anheben.
    Im übrigen ist der Anpassungssatz zum 1. Juli 1987 wiederum um einen Abschlag in Höhe des weiteren Eigenanteils der Rentner der Rentenversicherung an ihrem Krankenversicherungsbeitrag reduziert. Damit
    wird seit Einführung des Krankenversicherungsbeitrages bei den Sozialrenten im Jahre 1983 ein rentenmindernder Gesamtabschlag in Höhe von 5,9 erreicht.
    Zur Rechtfertigung dieses Anpassungsvorschlages verweisen Sie, Herr Bundesarbeitsminister, immer auf den bestehenden Anpassungsverbund zwischen Sozialversicherungsrenten und Kriegsopferrenten.

    (Günther [CDU/CSU]: Und auf den Gesetzentwurf der SPD!)

    Eigentlich könnten wir Ihnen dankbar sein, daß Sie bei solchen Gelegenheiten immer wieder die großen Erfolge sozialdemokratischer Politik für die Kriegsopfer, die Sie ja sonst immer in Abrede stellen, hervorheben. Denn wir waren es, die diesen Anpassungsverbund 1970 geschaffen haben, der sich bewährt hat und den wir auch erhalten wollen. Er war doch erst die Grundlage dafür, daß die Kriegsopfer nicht weiter für die Anpassung ihrer Versorgungsleistungen in Bonn demonstrieren mußten und diese seitdem der Erhöhung der Bruttolöhne und -gehälter folgen.
    Dieser Dynamisierungsverbund darf sich aber doch nicht derart denaturierend auf den entschädigungsrechtlichen Charakter des Bundesversorgungsgesetzes — und darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen — , zu dessen Grundanliegen die kostenfreie medizinische Rehabilitation zählt, auswirken, daß den Kriegsopfern systemwidrig ein Beitrag zu ihrer medizinischen Versorgung auferlegt wird. Hier können Sie nicht die Begründung aus den Sozialrenten heranziehen. Ich sage deutlich, wir haben uns mit dieser Problematik auch schon im Zusammenhang mit den Beratungen des 14. und des 15. Anpassungsgesetzes in den letzten zwei Jahren auseinandergesetzt. Sie sind unserem Antrag auf volle Anpassung ohne Berücksichtigung eines Abschlages in Höhe des Krankenversicherungsbeitrages bedauerlicherweise nicht gefolgt. Wir meinen, in der Zwischenzeit hat sich an der Berechtigung dieser Forderung nichts geändert, so daß wir uns auch im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf damit wieder mit Ihnen auseinandersetzen werden.
    Hinsichtlich der strukturellen Weiterentwicklung der Kriegsopferversorgung ist die Gesetzesvorlage ein klarer Beweis dafür, wie weit Reden und Handeln bei der Bundesregierung auseinanderklaffen. Sie weisen zu Recht auf die Regierungserklärung, auf die Koalitionsvereinbarungen hin. Nur, ich meine, schöne Reden bei Jubiläen oder Treffen mit Kriegsopferverbänden sind für diese Bundesregierung eine Sache. Die Umsetzung konkreter Zusagen oder Versprechungen bei der Gesetzgebungsarbeit sind aber offensichtlich wieder eine ganz andere Seite der Medaille.

    (Beifall bei der SPD)

    Da fühlen Sie sich an frühere Aussagen überhaupt nicht mehr gebunden und glauben, sich mir nichts dir nichts aus der Verantwortung stehlen zu können.
    Obwohl wiederholt die Absicht bekundet wurde, die Kriegsopferversorgung strukturell weiterzuentwickeln, findet sich in dem Gesetzentwurf, bei dem dazu nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die



    Kirschner
    Verpflichtung bestanden hätte, nichts. Sie haben damit den Versorgungsberechtigten eine bittere Enttäuschung bereitet und damit in Ihren politischen Aussagen an Glaubwürdigkeit verloren.

    (Günther [CDU/CSU]: Die Bürger sehen das anders!)

    Oder was, meinen Sie, sollen z. B. die Mitglieder des Reichsbundes der Kriegsopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen, eines der großen Sozialverbände unseres Landes, davon halten, wenn sich der Herr Bundeskanzler gegenüber dem Präsidium dieses Verbandes noch im Dezember letzten Jahres für eine — ich zitiere wortwörtlich — „zielgerichtete Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts und die Schließung bestehender Lücken im Versorgungssystem " ausspricht, aber schon bei dem im März dieses Jahres vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf davon nichts mehr wahr ist? Für mich ist es nicht verwunderlich, wenn auf Grund solcher Erfahrungen das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit politischer Aussagen erschüttert wird.
    Geradezu zynisch ist es, wenn die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates, der ja, wie gesagt, strukturelle Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung verlangt, lapidar erklärt, daß sie den Änderungsvorschlägen derzeit nicht zustimmen könne und den Gesetzentwurf — das steht wortwörtlich drin — „vor allem wegen der zeitlichen Gegebenheiten für die Beratung und rechtzeitige Verabschiedung als reinen Anpassungsgesetzentwurf vorgelegt habe".
    Dies ist doch reine Augenwischerei; denn wir wissen alle, daß Sie sich in der Koalition dahin abgesprochen haben, bis 1988 keine Leistungsverbesserungen vorzunehmen. Sagen Sie den Versorgungsberechtigten offen, daß dies nach Ihrem Willen das Aus für deren Hoffnungen auf eine baldige Realisierung ihrer berechtigten Forderungen bedeutet.
    Wir Sozialdemokraten werden dies nicht mitmachen; darauf können Sie sich für die weiteren Gesetzesberatungen einstellen. Für uns haben die sofortige strukturelle Verbesserung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und die Erleichterungen der durch die Folgen des Krieges erschwerten Lebensbedingungen der Kriegsopfer besonderes Gewicht. Dieser Zielsetzung entsprechend werden wir konstruktive Anträge in das weitere Gesetzgebungsverfahren im Ausschuß einbringen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der SPD)