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    Plenarprotokoll 11/11 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 11. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 635 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz) (Drucksache 11/197) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 635 B Frau Steinhauer SPD 637 B Frau Verhülsdonk CDU/CSU 639 D Frau Unruh GRÜNE 641 D Frau Würfel FDP 643 B Günther CDU/CSU 644 D Peter (Kassel) SPD 646 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 648 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit (Drucksache 11/198) in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung eines ausreichenden Schutzes bei Arbeitslosigkeit (Drucksache 11/132) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 649 B Heyenn SPD 652 A Feilcke CDU/CSU 653 D Hoss GRÜNE 655 A Dr. Thomae FDP 656 C Schreiner SPD 657 D Scharrenbroich CDU/CSU 660 D Präsident Dr. Jenninger 650 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die sechzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Sechzehntes Anpassungsgesetz — KOV — ) (Drucksachen 11/150, 11/199) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 662 A Kirschner SPD 663 C Heinrich FDP 665 B Frau Unruh GRÜNE 666 B Louven CDU/CSU 667 D Frau Weiler SPD 669 A Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung einer Enquete-Kommission „AIDS" (Drucksache 11/248) in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission „AIDS" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung einer Enquete-Kommission (Drucksachen 11/117, 11/120, 11/122, 11/244 (neu]) Frau Wilms-Kegel GRÜNE 670 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 Aktuelle Stunde betr. neueste Hinweise auf einen alarmierenden Anstieg bei der Verseuchung von Grund- und Trinkwasser durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Frau Garbe GRÜNE 671 B Dr. Göhner CDU/CSU 672 A Frau Blunck SPD 673 A Frau Dr. Segall FDP 674 A Schmidbauer CDU/CSU 675 A Frau Flinner GRÜNE 676A Dr. Rüttgers CDU/CSU 676 C Reuter SPD 677 B Baum FDP 678B Pfuhl SPD 679 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU . . . 680A Dr. Friedrich CDU/CSU 682 A Lennartz SPD 683 B Michels CDU/CSU 684 B Nächste Sitzung 685 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 686 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1987 635 11. Sitzung Bonn, den 8. Mai 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 5. Antretter * 8. 5. Bahr 8. 5. Bindig 8. 5. Bredehorn 8. 5. Dr. Briefs 8. 5. Bühler (Bruchsal) * 8. 5. Buschbom 8. 5. Dr. Ehrenberg 8. 5. Frau Fuchs (Köln) 8. 5. Dr. Gautier 8. 5. Gerster (Worms) 8. 5. Dr. Glotz 8. 5. Haar 8. 5. Dr. Haussmann 8. 5. Hiller (Lübeck) 8. 5. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 5. Ibrügger 8. 5. Jung (Düsseldorf) 8. 5. Kastning 8. 5. Kiehm 8. 5. Kittelmann * 8. 5. Koschnick 8. 5. Dr.-Ing. Laermann 8. 5. Lambinus 8. 5. Leidinger 8. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich * 8. 5. Dr. Lippelt (Hannover) 8. 5. Magin 8. 5. Dr. Müller * 8. 5. Frau Pack * 8. 5. Petersen 8. 5. Pfeiffer 8. 5. Reschke 8. 5. Reuschenbach 8. 5. Roth (Gießen) 8. 5. Frau Schilling 8. 5. von Schmude 8. 5. Freiherr von Schorlemer 8. 5. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 8. 5. Seehofer 8. 5. Dr. Soell * 8. 5. Dr. Spöri 8. 5. Steiner * 8. 5. Dr. Stoltenberg 8. 5. Dr. Unland * 8. 5. Dr. Warnke 8. 5. Dr. Weng (Gerlingen) 8. 5. Wilz 8. 5. Wissmann 8. 5. Frau Wollny 8. 5. Zierer 8. 5. Frau Zutt 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Darauf komme ich gleich zurück, denn ich wollte auch an diesem Beispiel beweisen, daß wir differenziert arbeiten, daß wir die Verlängerung des Arbeitslosengeldes in Stufen vornehmen, von den 42jährigen bis zu den 58jährigen. Allerdings geben wir dem 58jährigen einen längeren Anspruch als dem 42jährigen. Der gesunde Menschenverstand spricht ja auch dafür, daß er länger Beitrag gezahlt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei den GRÜNEN)

    — Ich finde schon, daß einer, der 30 Jahre lang zur Arbeit gegangen ist, der 30 Jahre lang Beitrag gezahlt hat, auch den Anspruch hat, länger unter dem Dach der Arbeitslosenversicherung zu bleiben als ein 20jähriger, der vielleicht zwei Jahre lang Beitrag gezahlt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich aber bei dem Beispiel der Älteren bleiben. Wir sollten der Versuchung, die Älteren abzuschreiben, gemeinsam widerstehen. Wir brauchen ihre Erfahrung im Berufsleben und nicht nur im Berufsleben. Wir wollen keine Gesellschaft, die einem Jugendwahn folgt. Es gibt ja immer solche modischen Bewegungen. Es gab Zeiten, da galt der Mensch nur etwas, wenn er älter war; da mußten sich 12jährige mit einer Perücke versehen und weiß pudern, damit sie wie Greise erschienen. Das war offenbar eine Zeit, die das Alter geschätzt, aber vielleicht sogar überschätzt und die Jugend unterschätzt hat. Jetzt scheinen wir in das andere Extrem zu verfallen; jetzt muß man sich offenbar jugendlich maskieren, um noch ernst genom-



    Bundesminister Dr. Blüm
    men zu werden. Ich sage: Bleibt jedem Lebensalter treu, spielt nicht jung gegen alt aus, und vor allen Dingen: Verzichtet in den Betrieben nicht auf die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer! Die sind unverzichtbar.

    (Zuruf von der SPD: Der Laienprediger!)

    Das gilt nicht nur für die Verbesserung des sozialen Schutzes; das gilt auch für Bildung und Weiterbildung. Wir sollten Bildung und Weiterbildung nicht in das erste Drittel des Lebens einzwängen. Auch der ältere Arbeitnehmer muß auf der Höhe der Zeit bleiben. Bildung kann nicht nur Aufstiegsbildung bedeuten; Bildung muß auch bedeuten, daß man im erlernten Beruf auf der Höhe der Zeit bleibt. Was nützt es denn einem Dreher, einem Werkzeugmacher, daß er vor 20 oder vor 30 Jahren ein hervorragendes Facharbeiterergebnis erzielt hatte? Wenn er sich nicht weiterbildet, läuft er Gefahr, daß sich seine Arbeitsmarktchancen mindern. Deshalb muß Bildung die Menschen ein ganzes Leben lang begleiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist nicht nur Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist auch Aufgabe der Unternehmer. Zu einem modernen Unternehmer, wie ich ihn verstehe, gehört nicht nur, daß er in Investitionsplanungen denkt, daß er Maschinen erneuert, sondern auch, daß er Arbeitnehmer qualifiziert. Das ist eine wichtige Voraussetzung eines modernen Unternehmers. Die Bundesanstalt kann das nur begleiten, flankieren; sie kann diese unternehmerische Aufgabe nicht ersetzen.
    Drittes Ziel dieses Gesetzentwurfes: Wir verbessern das Kurzarbeitergeld in der Stahlindustrie. Das ist sozusagen die Sofortantwort, die prompte Antwort auf die Krisensituation in einer Branche. Der Kurzarbeitergeldbezug in der Stahlindustrie wird auf 36 Monate verlängert. Sie sehen, wir haben nicht lange geredet, wir haben gehandelt. Diese Verlängerung des Kurzarbeitergeldbezuges soll auch dazu beitragen, Massenentlassungen zu verhindern. Ich appelliere hier auch an die Stahlindustriellen, den strukturellen Anpassungsprozeß ohne Entlassungen vorzunehmen. Die Kurzarbeitergeldregelung kann solche strukturellen Anpassungsprozesse ohne Entlassungen möglich machen. Das ist jedenfalls ein Beitrag, mit dem Strukturwandel fertigzuwerden.
    Die Gespräche zwischen IG Metall, Stahlunternehmern und Bundesregierung haben ja in einer sehr aufgeschlossenen, kooperativen Atmosphäre stattgefunden. Das Kurzarbeitergeld ist ein Beitrag, ein Schritt. Das ist noch nicht alles. Ich plädiere dafür, daß alle drei ihre Zusammenarbeit, ihre Kooperation fortsetzen: IG Metall, Stahlindustrie und Bundesregierung. Einer allein schafft es nicht, weder die Bundesregierung allein noch die IG Metall allein noch die Stahlindustrie. Drei müssen vor den Wagen gespannt werden, drei müssen den Stahlkochern helfen. Unser Beitrag, von dem ich gesprochen habe, ist die Verlängerung des Kurzarbeitergeldbezuges in der Stahlindustrie.
    Meine Damen und Herren, alle Schutzmaßnahmen können nicht die Anstrengung ersetzen, wieder Arbeit zu schaffen. Die schönste soziale Schutzpolitik
    ist nicht soviel wert wie die Anstrengung, Arbeit zu schaffen, damit man den Schutz gar nicht in Anspruch nehmen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb bleibt im Vordergrund: Arbeit für alle. Das kann die Sozialpolitik nicht allein leisten. Das muß Wirtschaftspolitik in Bund und Land leisten, das müssen die Tarifpartner leisten, das müssen die Unternehmer leisten. Nicht Klassenkonflikte lösen das Problem, sondern Kooperation ist das Gebot der Stunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will an dieser Stelle die Arbeitslosen auch gegen den Kollektivvorwurf in Schutz nehmen, sie seien alle Drückeberger oder Faulenzer.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das fehlte ja auch noch! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    - Ich nehme sie ja in Schutz, wie Sie hören. (Frau Unruh [GRÜNE]: Aber wie!)

    Daß es Mißbrauch gibt, wird ja wohl niemand bestreiten. Den gibt es im übrigen in vielen, vielen sozialen Einrichtungen. Den gibt es nicht nur von Arbeitnehmern. Den gibt es auch von Arbeitgebern. Wir sind auf keinem Auge blind.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Den gibt es auch in diesem Haus!)

    — Den gibt es sogar unter Politikern. Auch dort soll es ihn geben. Wo Mißbrauch auftritt, wird er von uns bekämpft, und zwar der Ehrlichen wegen. Das ist Schutz für die Ehrlichen. Wenn wir den Mißbrauch nicht bekämpfen, dann leisten wir einer Verdachtspolitik Vorschub, die auch diejenigen, die es gar nicht verdient haben, unter den Verdacht stellt, sie würden den Sozialstaat ausbeuten.

    (Kolb [CDU/CSU]: So wie der Herr Beckmann!)

    — Ja, ich halte es beispielsweise für einen ausgesprochenen Mißbrauch, wenn Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Kündigungsschutz abkaufen, indem sie in den letzten drei Monaten den Lohn kräftig erhöhen, um dem Arbeitnehmer dadurch ein höheres Arbeitslosengeld zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir prüfen zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeit, wie wir illegaler Beschäftigung zu Leibe rükken können, Schwarzarbeit zu Leibe rücken können, wie wir die Kontrolle verbessern. Das ist keine Politik gegen die Arbeitnehmer, sondern eine Politik für die ehrlichen Arbeitnehmer, für diejenigen, die unseren Sozialstaat mitfinanzieren, die ja schließlich ihren Beitrag leisten, damit die Solidargemeinschaft intakt bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der SPD zur Wiederherstellung eines ausreichenden Schutzes bei Arbeitslosigkeit, mit dem sie ja vor der Hessenwahl noch schnell Propaganda getrieben hat, hätte 6 Milliarden gekostet. Das ist überhaupt das Betriebsgeheimnis der SPD: Sie verteilt immer Geld,



    Bundesminister Dr. Blüm
    das gar nicht vorhanden ist. Das sind die Zauberkünstler der Verteilungspolitik.

    (Schily [GRÜNE]: Das macht ihr doch auch! Wo ist denn das Geld für die Steuerreform?)

    6 Milliarden Mark für einen Vorschlag, der in Eile zusammengebastelt war, um den hessischen Wahlkampf auszustaffieren. Wir bleiben einer soliden Politik treu. Dieser Gesetzentwurf soll den sozialen Schutz aller Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit verbessern. Er wendet sich gezielt den älteren Arbeitnehmern zu. Er hilft den Arbeitnehmern in der Stahlindustrie.
    Ich bitte Sie, Opposition und Regierungsparteien, im Interesse der Betroffenen um eine zügige Beratung. Je schneller das Gesetz in Kraft ist, desto eher kommt es bei denjenigen an, denen geholfen werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Heyenn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Heyenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, der von den Sozialdemokraten vorgelegte Gesetzentwurf hat den Vorteil, daß er die bei der Bundesanstalt für Arbeit entstandenen Überschüsse auch zugunsten der Arbeitslosen verwendet und diese nicht in einer Mogelpackung landen wie bei Ihrem Gesetzentwurf.

    (Günther [CDU/CSU]: Schon wieder eine Mogelpackung!)

    — Natürlich, das ist der Minister der Mogelpackungen, Herr Günther.
    Die Überschüsse landen in einer Mogelpackung, weil Sie nämlich die Zahlungszeit des Arbeitslosengeldes verlängern mit dem einzigen Ziel, über die Einsparung bei der Arbeitslosenhilfe mehr Geld im Bundeshaushalt zu haben, um damit die Kindererziehungszeiten zu finanzieren. Insofern hätten wir eigentlich den heute morgen zuerst gelesenen Gesetzentwurf mit diesem Gesetzentwurf zusammen-behandeln können.

    (Peter [Kassel] [SPD]: Sehr richtig!)

    Herr Minister, ich habe in einer nach der Auflage großen deutschen Tageszeitung vor vier Wochen gelesen, daß die Antwort auf die Frage, warum Norbert Blüm immer so fröhlich sei, laute, er habe als Arbeitsminister wenig zu lachen. Dafür hat er uns heute morgen, glaube ich, wieder ein deutliches Beispiel gegeben.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Da fragen Sie doch mal die Arbeitslosen, was sie zu lachen haben! Das ist herzlos, was Sie da sagen!)

    Der Arbeitsmarkt ist vom Konjunkturabschwung erreicht. Der Konjunkturschwindel ist aufgedeckt; das muß sogar Herr Bangemann zugeben. Es wird zu Recht nur noch von einer jahreszeitlich bedingten Entlastung auf dem Arbeitsmarkt gesprochen. Die
    Zahl der Arbeitslosen ist seit der Wende um nahezu eine halbe Million gestiegen.

    (Zuruf von der SPD: Nur die offizielle! Die andere noch mehr!)

    Es ist also selbstverständlich, daß wir die Zahlen bei den ABM-Maßnahmen und die Zahlen bei Aus- und Weiterbildung erhöhen mußten. Das ist kein Ruhmesblatt, sondern selbstverständliches Handeln, Herr Bundesarbeitsminister.
    Sie haben in den vergangenen vier Jahren die Arbeitslosenversicherung gründlich demontiert und den Arbeitslosen das Geld aus der Tasche gezogen.
    Wir haben es am Mittwoch im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung erlebt — und das, was wir eben gehört haben, war ein Aufguß der Rede vom vergangenen Mittwoch

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Genau!)

    — vielen Dank, Frau Unruh — , daß der Bundesarbeitsminister an aktiver Arbeitsmarktpolitik nichts einzubringen hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir mußten im Ausschuß sogar nachfragen, ehe er sich bequemte, zu der ernüchternden Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in diesem Frühjahr überhaupt Stellung zu nehmen. Kein Wort dazu, daß wir inzwischen drei Millionen Sozialhilfeempfänger haben, daß sich die Zahl der arbeitslosen Sozialhilfeempfänger in Ihrer Regierungszeit verfünffacht hat, Herr Bundesarbeitsminsiter.

    (Zurufe von der SPD: Sehr wahr! — Mit steigender Tendenz!)

    32 To der Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos. Dieser Anteilswert hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt.

    (Dreßler [SPD]: Leider auch wahr!)

    Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit ist in Ihrer Regierungszeit von siebeneinhalb auf zwölfeinhalb Monate gestiegen. Immer mehr Arbeitslose erhalten weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe. Nur noch 35 % der gemeldeten Arbeitslosen erhalten Arbeitslosengeld. Vor fünf Jahren waren das noch mehr als 50 %.
    Große Teile der nachwachsenden Generation sind vom Arbeitslosenhilfebezug ausgeschlossen, nämlich dann, wenn sie nach Abschluß der berufsbildenden Schulen, ohne in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gewesen zu sein, oder nach Abschluß in Fach- und Hochschulen keine Arbeit finden.

    (Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

    — Neue Armut unter den Arbeitslosen, lieber Herr Kolb, ist bittere Realität. Immer mehr Arbeitslose müssen Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Immer mehr Arbeitslose werden vom Leistungsbezug ausgegrenzt. Wenn die Bezugszeit von Arbeitslosengeld zu Ende ist, wird heute beim 50jährigen Arbeitslosenhilfeempfänger die 80jährige Mutter von ihren 1 500 DM Rente etwas abgeben; sie muß es abgeben, damit ihr 50jähriger Sohn Arbeitslosenhilfe bekommt. Ich glaube, das ist ein unwürdiger Tatbestand. Sie schlie-



    Heyenn
    ßen immer mehr vom Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe aus: Jugendliche, soweit sie noch nie oder nur vorübergehend erwerbstätig waren, Frauen, soweit sie nach der Phase der Kindererziehung wieder erwerbstätig werden wollen, und Mehrfacharbeitslose, die nach kurzen Einstellungsperioden wieder entlassen werden.
    Durch den schleichenden Verfall der Arbeitslosenversicherung sind die arbeitsmarktpolitischen Probleme mehr und mehr auf Städte und Kommunen verlagert worden. Die Kommunen müssen mit der Sozialhilfe die entstandenen Lücken schließen, die in der Arbeitslosenversicherung aufgerissen worden sind.

    (Reimann [SPD]: Zwei Milliarden! — Zuruf des Abg. Dreßler [SPD])

    Die Antwort der Bundesregierung auf diese — nur kurz skizzierte — Lage der Arbeitslosen ist mehr als schlicht, und sie ist auch gesellschaftspolitisch dramatisch, wenn wir hier vom Bundesminister hören, daß Arbeitslose über 42 Jahre für ihn schon ältere Menschen, nämlich ältere Arbeitslose sind. Soll das etwa heißen, daß Sie, Herr Minister, wenn die Entwicklung so weitergeht, uns in zwei Jahren hier mit 35jährigen Arbeitslosen kommen und sie als ältere Arbeitslose bezeichnen? Ich halte das schlichtweg für einen Skandal.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten wollen das Geld, das an Überschüssen durch Ihre Kürzungspolitik entstanden ist, den Arbeitslosen zugute kommen lassen, aber keinen Verschiebebahnhof neuer Art eröffnen, wie Sie es tun, und damit die Kindererziehungszeiten finanzieren. Wir wollen die Wende zu Lasten der Arbeitslosen zurücknehmen, d. h. die nachhaltige Demontage der Arbeitslosenversicherung durch Norbert Blüm rückgängig machen. Wir wollen sicherstellen, daß Arbeitslose im Regelfall Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhalten und nicht der Sozialhilfe zu Last fallen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Bravo!)

    Abgänger von berufsbildenden Schulen, Fachschulen, Fachhochschulen, Hochschulen und gleichartigen Ausbildungsstätten sollen, wenn sie keinen Arbeitsplatz finden, Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erhalten. Zeiten der Betreuung und Erziehung von Kindern und pflegebedürftigen Personen wollen wir den Vorbeschäftigungszeiten gleichstellen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Richtig!)

    Wir wollen die Familien durch eine weitgehende Nichtberücksichtigung der genannten Verwandteneinkommen massiv entlasten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Richtig!)

    Wir wollen also mit unserem Gesetzentwurf insbesondere die Benachteiligung der Frauen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abbauen helfen.
    Norbert Blüm hält von all diesen Intentionen nichts. Er hält nichts davon, das durch seine Kürzungen eingesparte Geld bei der Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitslosen zurückzugeben. Das ist der eigentliche Skandal bei diesem Gesetzentwurf.
    Wir wollen weiter mit unserem Entwurf die lokalen Beschäftigungsinitiativen unterstützen. Die Arbeit, die dort geleistet wird, kann zwar — das ist wahr — die Probleme grundsätzlich nicht lösen. Aber in Ergänzung anderer Maßnahmen ist das, was hier in den Arbeitsloseninitiativen getan wird, eine wirksame Hilfe. Weil wir nach wie vor der Auffassung sind, daß die Arbeitslosenzentren sinnvolle Aufgaben leisten, wollen wir sie finanziell unterstützen.
    Wir weisen erneut darauf hin, daß § 128 AFG ersatzlos zu streichen ist. Denn diese Vorschrift hat sich im Laufe der Jahre geradezu ins Gegenteil verkehrt.

    (Kolb [CDU/CSU]: Da ist kräftig geplündert worden!)

    — Das Recht auf Arbeit gehört für uns zu den sozialen Grundrechten. Arbeit heißt nach unserem Verständnis auch Selbstverwirklichung, heißt Teilhabe an der gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung. Arbeitslosigkeit ist genau das Gegenteil. Wir wollen, daß zur Arbeitslosigkeit nicht auch noch materielle Not hinzukommt. Deswegen wiederholen wir seit Jahren, daß die Wiederherstellung eines ausreichenden Schutzes bei Arbeitslosigkeit dringend erforderlich ist.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Mit dem von der Bundesresgierung vorgelegten Gesetzentwurf wird dieses Ziel nicht erreicht. Wir appellieren an die Regierungsparteien, die aufgelaufenen Überschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit auch zugunsten der Arbeitslosigkeit und nicht zur teilweisen Sanierung des Bundeshaushaltes und zur Finanzierung der Kindererziehungszeiten einzusetzen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])